Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik AC-Terminierung RS422 und TI


von Brummschädel (Gast)


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Man schließt RS422-Leitungen ja mit der charakteristischen Impedanz ab, 
um Reflexionen zu vermeiden. Üblich sind 120Ohm. Und um Strom zu sparen, 
kann man AC-Terminierung verwenden.

Mein Verständniss:
Der Kondensator muss so groß sein, dass die Zeitkonstante mit 
Abschlusswiderstand größer ist als die Kabellaufzeit:
CT>Kabellaufzeit/Impedanz

Beschrieben wird das zum Beispiel in der AN-960 von Analog Devices:
https://www.analog.com/en/search.html?q=AN-960

Jetzt geht aber ein TI her und behauptet, das wäre genau umgekehrt.
CT<= Kabellaufzeit/Impedanz
https://www.ti.com/lit/pdf/snla044

Die Erklärung sei:
"This data rate limitation is the result of the impact that RT and CT, 
together,have upon the driven signal's rise time."
Hmm. Klingt so nicht richtig ;-)

Oder hat TI doch recht? Aber was wäre der physikalische Hintergrund?

von Falk B. (falk)


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Ich würde meinen, die Jungs von TI haben sich vertan. Denn wenn die 
Zeitkonstante kleiner als die Laufzeit auf dem Kabel ist, wirkt die 
Terminierung nicht für die gesamte Flanke und ist damit deutlich weniger 
wirksam.

Siehe Wellenwiderstand.

von hinz (Gast)


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von HildeK (Gast)


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hinz schrieb:
> http://www.interfacebus.com/Design_Termination.html

Dort steht Xc = [3 * Tr] / Zo.
Also Bezug auf die Anstiegszeit des Signals und nicht auf die 
Leitungslänge bzw. Signallaufzeit. Diese Begründung halte ich für 
sinnvoll, ich muss ja nicht mehr terminieren, wenn der statische Zustand 
erreicht ist.

von Brummschädel (Gast)


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Laut einer Simulation mit ltspice sehe ich keinen Grund für eine 
maximale Größe für den Kondensator. Es verhält sich wie erwartet:
Selbst wenn ich 1000µF hineintue, funktioniert die Terminierung gut. 
Wenn ich nur 100pF hineintue, gibt es Reflexionen.
Man kann das gut mit der "TLINE" und einem RS422-Treiber von LT machen, 
das Modell ist in ltspice vorhanden.

Ich werd das mal an TI schreiben, vielleicht bekokmme ich ja eine 
Antwort. Viel Hoffnung habe ich aber nicht, selbst wenn ich das über die 
Firma mache.

von Küchenhexe (Gast)


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Brummschädel schrieb:
> Ich werd das mal an TI schreiben, vielleicht bekokmme ich ja eine
> Antwort. Viel Hoffnung habe ich aber nicht,

Ich habe eigentlich sehr gute Erfahrung gemacht, mit der Kommunikation 
bei TI. Über die Communityfunktionen (Forum) auf deren Webseite, z.B.

Wenn man dort Fragen zu Produkten stellt oder Verbesserungsvorschläge zu 
Datenblättern postet, dann antwortet oft auch ein TI Mitarbeiter und in 
den beiden Fällen, wo es bei mir um einen Fehler im DaBla ging, wurde 
dieser daraufhin auch korrigiert.

von Achim S. (Gast)


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Brummschädel schrieb:
> Laut einer Simulation mit ltspice sehe ich keinen Grund für eine
> maximale Größe für den Kondensator. Es verhält sich wie erwartet:
> Selbst wenn ich 1000µF hineintue, funktioniert die Terminierung gut.
> Wenn ich nur 100pF hineintue, gibt es Reflexionen.

Aus Reflexionssicht gibt es keine Obergrenze für den Kondensator. Aber 
trotzdem kann ein zu großer Kondensator schlecht für die 
Signalintegrität sein. Der Kondensator lädt sich auf den "Mittelwert" 
des übertragenen Differenzsignals auf. Wenn das Signal gleichanteilsfrei 
ist (was bei einigen Signalcodierungen der Fall ist), dann kann der 
Kondensator tatsächlich beliebig groß sein. Dann spart ein extra-großer 
Kondensator allerdings auch keinen Strom gegenüber einer "normalen" 
Terminierung ohne Kondensator.

Wenn das übertragene Signal nicht gleichanteils frei ist, dann lädt sich 
der Kondensator auf den Gleichanteil des Signals auf. Dadurch wird die 
Symmetrie des empfangenen Signals gestört: high-Pulse haben eine andere 
Form/einen anderen Pegel als low-Pulse. Genau das will man bei 
differentieller Übertragung wie bei RS422 eigentlich nicht.

Die oben zitierte Dimensionierung
Xc = [3 * Tr] / Zo.
ist ein Kompromis: während der Anstiegszeit wird der Kondensator wirksam 
und unterdrückt Reflektionen. Aber nach der Flanke lädt er sich 
vollständig auf den statischen Pegel auf. Das geschieht gleichermaßen 
bei positiven wie bei negativen Flanken, so dass die Symmetrie des 
Signals erhalten bleibt.

Brummschädel schrieb:
> CT<= Kabellaufzeit/Impedanz
> https://www.ti.com/lit/pdf/snla044
>
> Die Erklärung sei:
> "This data rate limitation ...

Kannst du mal bitte genauer angeben, wo du dieses Statement findest? In 
dem von dir verlinkten Dokument finde ich den Satz nicht. (Vielleicht 
habe ich nicht genau genug gesucht).

von HildeK (Gast)


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Brummschädel schrieb:
> Laut einer Simulation mit ltspice sehe ich keinen Grund für eine
> maximale Größe für den Kondensator. Es verhält sich wie erwartet:
> Selbst wenn ich 1000µF hineintue, funktioniert die Terminierung gut.

Klar, das verhält sich dann immer mehr wie eine direkte Kopplung des 
Terminierungswiderstands, einschließlich dem unerwünschten 
Stromverbrauch.
Die AC-Terminierung wählt man nur deshalb, weil man den Strom während 
der HIGH- bzw. LOW-Zeit verhindern will; nur während der Flanke soll die 
Terminierung wirken.

Und mit 100pf bist du auch auf einem Wert deutlich unterhalb dem 
berechneten Wert mit der Risetime aktueller CMOS-Anstiegszeiten.

von Anja (Gast)


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Hallo,

Brummschädel schrieb:
> Der Kondensator muss so groß sein, dass die Zeitkonstante mit
> Abschlusswiderstand größer ist als die Kabellaufzeit:
> CT>Kabellaufzeit/Impedanz

Wenn ich mich richtig erinnere ist es: R x C ~ 2 x Leitungslaufzeit
(Steht auch so in der AN960)

Wobei es günstiger ist R etwas (ca 15%) höher zu wählen als der 
Wellenwiderstand. Dadurch gibt es zwar Überschwingen aber die Flanke ist 
steiler. (Schneller aus dem verbotenen Spannungsbereich).

Das Überschwingen darf jedoch nur so hoch sein daß die 
Eingangsschutzdioden im Empfänger nicht ansprechen.

Gruß Anja

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