Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Treiber für Wechselrichter 1700V


von Jonas S. (jonny830)


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Hallo zusammen,

da es mein erster Post in diesem Forum ist, bitte ich darum nachsichtig 
zu sein, falls es einen ähnlichen Post schon einmal gab oder ich das 
falsche Unterforum gewählt habe. Ich konnte allerdings weder über die 
Suche, noch über Google genaueres finden. Auch ein Verlinken der 
Bauteile hat nicht geklappt. Ich hoffe ich habe diesbezüglich nichts 
übersehen.

Nun zu meinem Problem:
Für die Uni bin ich derzeit dabei, einen Wechselrichter für einen 
Spannungsbereich von bis zu 1700V (DC) und Frequenzbereich von ungefähr 
5kHz - 100kHz zu konfigurieren. Da es auch mein erster praktischer 
Aufbau ist, würde ich mich über jegliche Anmerkungen oder 
Verbesserungsvorschläge freuen.

Der Aufbau entspricht einer typischen Vollbrücke mit jeweils vier IGBTs 
(IXYS IXGT10N170) und parallelen Dioden (IXYS DNA30EM2200PZ). Ich hätte 
gerne andere Dioden genommen, bei Mouser sind allerdings nur die 
gewählten kurzfristig verfügbar.

Die Ansteuerung soll im späteren Verlauf über einen Arduino erfolgen, 
allerdings ist die dazu nötige Treiberschaltung noch fehlend. Da ich den 
Entwicklungsaufwand etwas scheue, würde ich hier gerne auf fertige 
Treiber zurückgreifen, die - zumindest nach einer ersten Recherche - 
auch recht kostengünstig zu haben sind.

Da die Halbbrücken einzeln angesteuert werden sollen, wäre die 
Verwendung zweier Halbbrücken Treiber sinnvoll. Leider gibt es aber bei 
Infineon keine vollständigen Halbbrückentreiber für über 1200V.

Unter den High-Side Treibern (jew. 1x pro IGBT) würde, soweit ich das 
derzeit beurteilen kann, z.B. der Infineon 1ED3131MU12H eingesetzt 
werden können. Leider gibt es hier allerdings einige Unstimmigkeiten, 
die mich etwas unsicher machen:
1. Bei der Vorstellung des Treibers (siehe unten) ist die 
Spannungsklasse zu 2300V angegeben und sollte daher für das Schalten der 
1700V ausreichen. Im Datenblatt werden allerdings nur noch Spannungen 
von bis zu 1200V aufgeführt.
2. Die Beschaltung (siehe Anhang/ Datenblatt Abb. 6) ist mir leider auch 
ein Rätsel. Nach meinem Verständnis sorgt der Treiber dafür, dass der 
IGBT auch beim springenden Emitter Potential sicher schaltet. Im 
Schaltbild sieht es aber so aus, dass bei VCC2 +15V gegenüber dem 
Emitter-Potential und VEE2 -8V gegenüber dem Emitterpotential angelegt 
werden müssen. Wenn ich diese Spannungen aber sowieso anderweitig 
schaltungstechnisch Abbilden/ Erreichen muss, ist mir aber der Nutzen 
des Treibers (abseits der Sicherheitsfunktionalitäten) unklar. Des 
Weiteren wäre mir nicht klar, wie ich dieses springende Potential 
abseits von galvanisch getrennten Impulsübertragern realisieren soll. 
Oder habe ich bezüglich der Verschaltung etwas falsch verstanden?
3. Welchen Hintergrund hat die Verwendung von Out+ und Out-? Die 
Ausgänge sind vermutlich mit Dioden beschaltet, sodass in Abhängigkeit 
der Widerstände vor Out+ und Out- ein unterschiedlich schnelles 
Ab-/Anschalten des IGBTs erfolgen kann. Liege ich hier richtig? Warum 
werden an dieser Stelle überhaupt Widerstände eingesetzt?

Ich hoffe es zeigen sich keine grundlegenden Verständnisprobleme. Falls 
doch, bin ich aber lernwillig. Ansonsten freue ich mich auf eure 
Antworten. Vielen Dank dafür schon einmal im Voraus.



Links zu erwähnten Bauteilen:
IGBT IXYS DNA30EM2200PZ: 
https://www.mouser.de/ProductDetail/IXYS/IXGT10N170/?qs=t7yjd2JO/gSprou4r%2BMFNA==

Diode IXYS IXGT10N170: 
https://www.mouser.de/ProductDetail/IXYS/DNA30EM2200PZ/?qs=sGAEpiMZZMtbRapU8LlZD%2FZM8hA%2F8PUeGNb1XyirqSI9163N3h4Jpg%3D%3D

Treibervorstellung: 
https://www.infineon.com/cms/de/product/power/gate-driver-ics/1ed3131mu12h/

Treiber-Datenblatt: 
https://www.infineon.com/dgdl/Infineon-1ED31xxMU12H-DataSheet-v02_00-EN.pdf?fileId=5546d46274cf54d50174d97c37be1f67

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Bei höheren Spannungen dürfte es sinnvoller sein mit SiC-FET das 
aufzubauen und galvanisch getrennt über Optokoppler anzusteuern, oder 
symmetrische +/-1000V zu verwenden.

von Michael M. (michaelm)


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Jonas S. schrieb:
> einen Wechselrichter für einen Spannungsbereich von bis zu 1700V (DC)
...und dann einen IGBT mit gerade mal eben 1700 V?
Meinst du nicht, dass das arg auf Kante genäht ist?

von Jonas S. (jonny830)


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Dieter D. schrieb:
> Bei höheren Spannungen dürfte es sinnvoller sein mit SiC-FET das
> aufzubauen und galvanisch getrennt über Optokoppler anzusteuern, oder
> symmetrische +/-1000V zu verwenden.
Ich muss gestehen, dass ich SiC-MOSFETs gar nicht auf dem Schirm hatte. 
Soweit ich das jetzt in der Kürze gelesen habe, bieten diese geringere 
Verlustleistungen und eignen sich daher besser für hochfrequente 
Anwendungen. Gilt dies generell oder ist dies Abhängig von der 
Durchgangsspannung?

Ich nehme den Tipp aber gerne an und würde anstelle der IGBTs dann 
Inifineon IMBF170R1K0M1XTMA1 SiC-MOSFETs (1700V, 5.2 A) einsetzen. Die 
Dioden könnten theoretisch dann an die geänderte Stromlage angepasst 
werden (es werden lediglich hohe Spannungen, aber nur geringe Ströme 
benötigt), dies ist aufgrund der Verfügbarkeit allerdings nicht möglich.

Eine symmetrische Umsetzung ginge prinzipiell auch - mich reizt aber 
auch ein wenig die Komplexität und der damit ansteigende Lerneffekt.

Der Vorteil von Optokopplern erschließt sich mir leider nicht ganz. Der 
Einsatz führt doch eigentlich nur zu einer galvanischen Trennung 
zwischen der Steuer- und der Treiberseite. Diese wird in gängigen 
Treiber-ICs, wie dem aufgeführten, doch aber auch realisiert.
Da der aufgeführte Treiber auch für SiC-MOSFETs verwendet werden kann, 
bleiben meine Fragen zu diesem weiterhin aktuell. Ich lasse mich aber 
auch gerne von einer anderen Lösung überzeugen.


Michael M. schrieb:
> ...und dann einen IGBT mit gerade mal eben 1700 V?
> Meinst du nicht, dass das arg auf Kante genäht ist?
Die genaue Spannungslage ist in der Anwendung noch nicht ganz klar. Da 
das Netzteil bis zu 2000V kann und der Preissprung von 1700V auf höhere 
Spannungen nicht ganz unerheblich ist, hatte ich jetzt die 1700V als 
Obergrenze definiert. Ich war aber auch davon ausgegangen, dass bei 
solchen Anwendungen wie auch in anderen Bereichen ein gewisser 
Sicherheitsbereich mit berücksichtigt wird und die Halbleiter erst bei 
etwas höheren Spannungen als angegeben aussteigen. Evtl. ist dies aber 
auch meiner fehlenden Erfahrung geschuldet.





Möglicher Aufbau:

SiC-MOSFETs "Inifineon IMBF170R1K0M1XTMA1": 
https://www.mouser.de/ProductDetail/Infineon-Technologies/IMBF170R1K0M1XTMA1/?qs=GedFDFLaBXEkQ0MG%2FVnbOQ%3D%3D

Dioden "IXYS IXGT10N170": 
https://www.mouser.de/ProductDetail/IXYS/DNA30EM2200PZ/?qs=sGAEpiMZZMtbRapU8LlZD%2FZM8hA%2F8PUeGNb1XyirqSI9163N3h4Jpg%3D%3D

Treiber "Inifineon 1ED3131MU12H":
https://www.infineon.com/cms/de/product/power/gate-driver-ics/1ed3131mu12h/

von MiWi (Gast)


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Jonas S. schrieb:

> Obergrenze definiert. Ich war aber auch davon ausgegangen, dass bei
> solchen Anwendungen wie auch in anderen Bereichen ein gewisser
> Sicherheitsbereich mit berücksichtigt wird und die Halbleiter erst bei
> etwas höheren Spannungen als angegeben aussteigen. Evtl. ist dies aber
> auch meiner fehlenden Erfahrung geschuldet.

Gehe grundsätzlich davon aus das diese Annahme des "ein bissi geht 
schon noch" bei solchen Projekten und bei Deinem bisher vermittelten 
Wissensstand schlicht und einfach falsch ist.

Man treffe - vor allem als Lernender die grundsätzliche Entscheidung 
die Limits im Datenblatt nie, also unter keinen Umständen zu 
überschreiten. Auch nicht während der 400ns bis die Snubberdioden 
leiten. Nie... nicht einmal für 50ns.

Abgesehen davon - ich wünsch Dir das Du einen guten Mentor an Deiner 
Seite und ebenso sehr gutes Equipment zur Verfügung hast. Es scheint 
nötig zu sein...

Also: Schnelle Differenztastköpfe, Stromzangen, Gehör- und Augenschutz, 
ein zuverlässig funktionierendes Not-Aus-System, Kollegen die was von 
erster Hilfe verstehen und sich nicht anscheißen die auch zu 
praktizieren wenn es nötig ist, regelmäßige Übungen und Tests was zu 
tun ist wenn es kracht... nie alleine im Raum sein wenn Du die 
Hochspannung einschaltest - und NIEMALS(!) einschalten wenn man müde, 
unkonzentriert ist oder "eh nur schnell mal was schauen will".

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Jonas S. schrieb:
> Der Vorteil von Optokopplern erschließt sich mir leider nicht ganz. ...

Bei großen Spannungen werden die Stufen kaskadiert und einzeln versorgt. 
Die Steuerimpulse kommen über Optokoppler mit verlängerter Wegstrecke, 
dh LWL, zu den Stufen.

Beim Schalten gibt es immer transiente Überschwinger. Daher muss immer 
noch Reserve zur maximalen Spannungsfestigkeit des Halbleiters vorhanden 
sein.

Nutze mal die Unibibliotheksdienste und schaue Dir Beispiele von 
modernen HVDC-Anlagen an.

von Unwichtig (Gast)


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>Da die Halbbrücken einzeln angesteuert werden sollen, wäre die
>Verwendung zweier Halbbrücken Treiber sinnvoll. Leider gibt es aber bei
>Infineon keine vollständigen Halbbrückentreiber für über 1200V.

Das findet man häufig nicht, vermutlich, weil die Isolationsabstände
schwer eingehalten werden können.
Bei 600V-Halbbrückentreibern hast du min. 3 "tote" Pins zwischen HS- und 
LS-Seite. Für das Layout ist das nicht toll.
Du hast mehr Freiheiten, wenn HS- und LS-Treiber nicht in einem Gehäuse 
sind. Zwei einzelne Treiber lassen sich auch besser entwärmen.

>Frequenzbereich von ungefähr  5kHz - 100kHz

Dein Vorhaben ist ambitioniert.
Ich würde mich, wie oben schon gesagt, auch eher in Richtung SiC-FETs 
orientieren.

>Nach meinem Verständnis sorgt der Treiber dafür, dass der
>IGBT auch beim springenden Emitter Potential sicher schaltet.

Das kann selbst ein idealer Treiber alleine nicht leisten, wenn die 
Impedanz der Gateansteuerung zu hochohmig/induktiv ist. Stichworte 
"Miller-Kapazität" und "parasitäres Einschalten". Damit der IGBT/FET 
auch bei hohem dU_CE/dt sicher ausgeschaltet bleibt, läd man das Gate 
auf eine negative Spannung vor. Die Schaltung nach Fig. 6 ist eine 
gängige Methode, aber bitte Keramikkondis dafür nehmen!

>Widerstände vor Out+ und Out- ein unterschiedlich schnelles
>Ab-/Anschalten des IGBTs erfolgen kann. Liege ich hier richtig? Warum
>werden an dieser Stelle überhaupt Widerstände eingesetzt?

Deine Vermutung stimmt. Die Widerstände geben dir die Möglichkeit das 
Schaltverhalten etwas zu beeinflussen, höhere Widerstände bewirken ein 
"weicheres" Schalten (kleineres dU/dt), was man aus EMV-Gründen 
bevorzugt.
Es erhöht aber auch die Schaltverluste und kann die Lebensdauer des 
Halbleiters stark verringern, wenn der lineare Bereich während des 
Schaltvorgangs nicht schnell genug durchfahren wird.

von Helge (Gast)


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Frage:
IGBT, MOSFET bei hohen Spannungen und für Umrichterbetrieb kannte ich 
bis jetzt in der Praxis nur mit Impulsübertragern angesteuert. Ist das 
sterbende Technik? Warum?

von Unwichtig (Gast)


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@Helge:

-Du brauchst immer eine Anpassschaltung, damit der Schalter nicht mit 
zuviel Spannung angesteuert wird.
Die Anpassschaltung muss so auslegt sein, dass sich der Übertager wieder 
entmagnetisieren kann, sonst treibst du ihn in die Sättigung.
Das ist bei Pulsmustern mit veränderlichem Aussteuergrad aufwendig, 
besonders wenn Flattop-Modulation verwendet wird, bei der der 
HS-Schalter für mehrere ms eingeschaltet ist.

-Der Übertrager sollte eine hohe Hauptinduktivität haben, aber eine sehr 
geringe Streuinduktivität. Das passt mit der Forderung nach einer hohen 
Isolationsspannung nicht so gut zusammen. Eine zu große Streuung hat den 
gleichen Effekt wie ein zu groß dimensionierter Gatewiderstand, du 
steuerst den Halbleiter zu langsam durch.

-Anpassschaltungen dürfen nicht schwingen.

-Du verheizt realtiv viel Leistung in der Anpassung.

Mit aktuellen Treiberbausteinen und Signalisolatoren kriegst du eine 
Ansteuerung hin, die all diese Nachteile nicht hat und recht kompakt 
ist.

von Jonas S. (jonny830)


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Ich habe die letzten Tage nochmal genutzt, entsprechende Literatur zu 
lesen. Einige der Fragen konnte ich bereits für mich beantworten.
Auch der erste Teil meiner Frage wurde bereits durch den Hersteller 
beantwortet: Die Spannungsfestigkeit von 2300V wurde mittlerweile ins 
Datenblatt mit aufgenommen.

> Gehe grundsätzlich davon aus das diese Annahme des "ein bissi geht
> schon noch" bei solchen Projekten und bei Deinem bisher vermittelten
> Wissensstand schlicht und einfach falsch ist.

Bezüglich der Spannungslage habe ich mich etwas falsch ausgedrückt. Eine 
wirkliche Ausnutzung der 2000V ist nicht zu erwarten. Die sich ergebende 
Spannung wird vermutlich eher so im Bereich von 1400V liegen, sodass zu 
den 1700V entsprechend Reserve ist. Eine Spannungserhöhung durch 
transiente Überschwinger hatte ich bislang allerdings nicht bedacht, 
sodass die Reserve wohl deutlich geringer ausfällt und großartige 
Spannungserhöhungen daher wohl entfallen müssen.

Vielen Dank auch für die Darstellung der Sicherheitslage. Die spätere 
Erprobung des Inverters wird in einer extra abgesicherten Testkabine 
durchgeführt werden. Über weitere Sicherheitsvorkerhungen werde ich aber 
noch einmal mit meinem Betreuer beraten. Es ist aber nicht so, als hätte 
ich noch nie an enstprechenden Leistungsteilen gearbeitet, sodass mir 
der allgemeine Umgang und die Risiken bzw. Gefahren im Umgang durchaus 
bewusst sind.

> Bei großen Spannungen werden die Stufen kaskadiert und einzeln versorgt.
> Die Steuerimpulse kommen über Optokoppler mit verlängerter Wegstrecke,
> dh LWL, zu den Stufen.


Leider ist mir der notwendige Einsatz der Optokoppler auch nach weiterer 
Erklärung noch immer nicht klar. Der Einsatz eines Optokopplers, eines 
Puls-Transformator und die Verwendung von Lichtwellenleitern führen alle 
zu einer galvanisch entkoppelten Signalübertragung (dies wird auch in 
der Literatur entsprechend bestätigt). Nun müsste es doch eigentlich nur 
auf die entsprechenden maximalen Spannungen zwischen Niederspannungs- 
und Hochsspannungsseite drauf ankommen. Da diese im verlinkten 
Treiber-IC durch Vmax = 2300V gewahrt bleibt, dürfte der Treiber 
problemlos eingesetzt werden können. (Vorteil auf meiner Seite: Ich muss 
mich nicht mehr um die bereits im Treiber realisierten 
Schutzvorkehrungen kümmern).

Edit: Ich sehe gerade, dass die Frage schon beantwortet wurde. Evtl. 
werde ich später doch noch den IC-Treiber austauschen und eine bessere 
Variante unter Verwendung von Optokopplern entwickeln. Ich würde 
allerdings erstmal die folgenden Problemstellungen verfolgen.

> Damit der IGBT/FET auch bei hohem dU_CE/dt sicher ausgeschaltet bleibt,
> läd man das Gate auf eine negative Spannung vor. Die Schaltung nach
> Fig. 6 ist eine gängige Methode, aber bitte Keramikkondis dafür nehmen!

Der Sinn der negativen Spannung gegenüber dem Emitterpotential war mir 
bereits bewusst, vielen Dank dennoch für die Klarstellung. Die Frage 
resultierte vorallem daraus, dass ich darüber irritiert war, dass die 
Bereitstellung der Schaltspannungen für die Halbleiter nicht bereits im 
IC integriert ist und diese extern realisiert werden muss. Laut 
Literatur wird eine negative Gate-Source-Spannung für MOSFETs im 
Gegensatz zu IGBTs nur bei Hochleistungsschaltern eingesetzt. Der Grund 
hierfür ist mir derzeit noch immer nicht ganz klar, da doch auch hier 
ein hohes dUCE/dt bzw. dUGS/dt (z.B. durch Stromabriss an der parallelen 
Freilaufdiode) zu einem Verschiebungsstrom über die 
Drain-Source-Kapazität und einer Änderung von UGS führen kann.

Da im MOSFET-Datenblatt eine empfohlene Spannung von VGS_off = 0V 
angegeben ist, würde ich diese und enstprechend das Source-Potential für 
VEE2 übernehmen. Ich muss mir also noch Gedanken machen, wie ich das 
Potential VCC2 von 12-15V gegenüber VEE2 bei gleichzeitiger galvanischer 
Trennung realisiere. Hierfür eignet sich vermutlich ein entsprechender 
Transformator der z.B. die 9V Spannung der Steuerseite auf die 12-15V 
überträgt (die benötigte Leistung bewegt sich im Rahmen von wenigen 
Watt). Ein möglicher Trafo wäre zwar der Wurth 750313443, dieser weist 
allerdings lediglich eine Spannungsfestigkeit von 1500V (für 
AC-Spannung) auf. Nimmt man an, dass bei DC die selbe 
Spannungsfestigkeit besteht (ist diese Annahme realistisch?), so wäre 
dieser gerade so ausreichend für 1400V, die Reserve ist allerdings arg 
eng. Ich werde daher noch einmal schauen, ob ich eine Alternative finde. 
Evtl. ist dem einen oder anderen ja auch noch ein entsprechendes Bauteil 
bekannt.

Ansonsten bleibt nur der Weg den Trafo mit einem entsprechenden 
Ferrit-Kern selbst zu bauen. Auch hier hätte ich noch eine Frage: 
Spricht abgesehen von dem benötigten Platzbedarf im Kern, der dadurch 
vergrößerten Streuinduktivität und den daraus resultierenden Verlusten 
sowie der Notwendigkeit der Isolation der Wicklungen (z.B. durch 
entsprechenden Isolationsschichten) etwas dagegen, jeweils zwei, oder 
sogar alle 4 Treiber über einen gemeinsamen Kern zu versorgen?

Wurth 750313443: 
https://www.mouser.de/ProductDetail/Wurth-Elektronik/750313443?qs=x30FU183Eu7jn99l3zTS1A%3D%3D

von Unwichtig (Gast)


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>resultierte vorallem daraus, dass ich darüber irritiert war, dass die
Bereitstellung der Schaltspannungen für die Halbleiter nicht bereits im
IC integriert ist und diese extern realisiert werden muss.

Es gibt/gab Treiber die sowas hatten. Schau mal bei Analog-Devices. 
Soweit ich mich erinnere, war die Leistung unter 200 mW, das reicht 
nicht immer aus.

>Der Grund hierfür ist mir derzeit noch immer nicht ganz klar, da doch auch hier 
ein hohes dUCE/dt bzw. dUGS/dt (z.B. durch Stromabriss an der parallelen 
Freilaufdiode) zu einem Verschiebungsstrom über die
Drain-Source-Kapazität und einer Änderung von UGS führen kann.

Das passiert auch, die Kapazitäten sind bei einem SiC-FET aber andere 
als bei einem IGBT.
Bei SiC-FETs mit niedriger Threshold-Spannung ließt man oft die 
Empfehlung eine niedrige negative Spannung anzulegen. Aus mir bekannten 
Applikationen ca. -2 ... -4 V, also deutlich weniger als für IGBTs. Bei 
FETs mit höherer Tresholdspannung (>3,5V) steht im Datenblatt oft, dass 
0V verwendet werden können.

>Ich muss mir also noch Gedanken machen, wie ich das
Potential VCC2 von 12-15V gegenüber VEE2 bei gleichzeitiger galvanischer
Trennung realisiere.

Für einen Versuchsaufbau kannst du die HS-Versorgung mit einem 
DCDC-Wandler von Traco, Recom, Murata, ... aufbauen. Es muss nur ein Typ 
sein, der neben der Isolationsspannung für Anwendungen mit hohem dU/dt 
spezifiziert ist. Die MGJ2-Serie von Murata ist für "normale" 
IGBT-Anwendungen gut geeignet.

>...jeweils zwei, oder  sogar alle 4 Treiber über einen gemeinsamen Kern zu 
versorgen?

Ich kenne Geräte wo das so gemacht wird.
Für viele Anwendungen sind die Würth-Trafos aber auch eine gute Wahl.
Du kannst oft mehrere von denen mit dem gleichen Transformer-Drive-IC 
(z.B. MAX256) betreiben.

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Jonas S. schrieb:
> etwas dagegen, jeweils zwei, oder
> sogar alle 4 Treiber über einen gemeinsamen Kern zu versorgen?

Kann man machen. Es gibt auch Varianten, da werden Wandler 
hintereinander geschaltet. Zumindest bei Kaskaden mal gesehen.

Zu beachten ist, das die Versorgung ebenfalls dem springenden Potential 
unterliegt. Dieser muss also auch parasitär kapazitätsarm gegenüber 
seiner Umgebung im Layout gehalten werden.

von Jonas S. (jonny830)


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> Für einen Versuchsaufbau kannst du die HS-Versorgung mit einem
> DCDC-Wandler von Traco, Recom, Murata, ... aufbauen.

Auf die Idee fertige DCDC-Wandler einzusetzen, hätte ich eigentlich auch 
selbst kommen können. Aufgrund der Verfügbarkeit für 12V 
Eingangsspannung werde ich aber vermutlich die RECOM Power R12P21503D 
zurückgreifen. Die Möglichkeit, mehrere Trafos zu kaskadieren, behalte 
ich aber für später im Hinterkopf.

Bei der Aufstellung des Schaltplans ist mir vorhin zudem aufgefallen, 
dass ich im ersten Anlauf eine normale Gleichrichterdiode herausgesucht 
habe, obwohl Schottky-Dioden in der Anwendung vermutlich besser geeignet 
sind.
Für eine vergleichsweise einfache Umsetzung der Kühlung würde ich hier 
gerne Dioden in SMD-Bauweise einsetzen und einen Kühler später von Oben 
aufschrauben. Leider kann ich bei MOUSER keine SMD-Dioden mit mindestens 
1700V DC Sperrspannung und Durchlassströmen >1A finden. Für 
Steck-Bauweise ist das Sortiment allerdings vergleichsweise groß (z.B. 
Wolfspeed/ Cree C5D10170H). Sind euch hierfür konstruktive Hintergründe 
bekannt oder ist dies der einfachen Integration von "Anklippkühlern" 
(z.B. Ohmite R2V-CT4-38E) geschuldet?

Zudem habe ich erste Überlegungen hinsichtlich der Verlustleistung/ 
Kühlung angestellt: Für die Zielfrequenz von fz = 100kHz und einen 
Frequenzgrad von mf = 21 ergibt sich eine Schaltfrequenz von:
Für die MOSFETs ist eine Gesamtschaltenergie von Etot = 41µJ bei Ud,nom 
= 1000V, Id,nom = 1A angegeben. Die Schaltverluste für einen einzelnen 
MOSFET (Ud = 1700V, Id = 5A) ergeben sich daher zu:

Mir ist bewusst das diese Berechnung einen absoluten Worst-Case 
darstellt, der in meinem Fall (durch sehr geringe Ströme < 1A und 
Spannungen <<1700V) nicht zutrifft. Trotzdem empfinde ich diesen Wert 
als sehr extrem, zumal dieser Wert nur die Verluste eines einzelnen 
Halbleiter ohne Durchlassverluste darstellt. Habe ich einen Denkfehler 
oder ist dieser Wert durch die hohe Schaltfrequenz realistisch?

Schottky Diode Wolfspeed/ Cree C5D10170H: 
https://www.mouser.de/ProductDetail/Wolfspeed-Cree/C5D10170H?qs=l7cgNqFNU1hPA6boxh260A%3D%3D

Kühler Ohmite R2V-CT4-38E: 
https://www.mouser.de/ProductDetail/Ohmite/R2V-CT4-38E?qs=IcG7l5ykPCwBQQxZ2fZT7w%3D%3D

: Bearbeitet durch User
von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Optimistische Rechnung für den Drain-Source-Kanal:
Leistung der Einschaltrampe:
0,7*5A*1700V*200ns*100kHz=119W
Leistung der Ausschaltrampe:
0,7*5A*1700V*400ns*100kHz=238W
Leistung der Leitphase:
(5A)*1000mΩ=25W
Summe 382W

Zu Figure 2 im Datenblatt wird angemerkt,das 50 Grad schnell erreicht 
sind. Optimistisch würden mindestens 10 Stück parallel benötigt.

von Unwichtig (Gast)


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>SMD-Dioden mit mindestens  1700V DC Sperrspannung und Durchlassströmen >1A finden

Sowas sollte im TO263-7-Gehäuse existieren.

Ich habe bisher gedacht, dass 100 kHz deine max. Schaltfrequenz ist...
4,8 (4,2?) MHz sehe ich bei SiC nicht als realistisch an.
Das schaffst du mit GaN-Schaltern bei <100 V.  Schau mal bei epc-co.com 
.

Falls sich deine Rechung auf den IMBF170R1K0M1 bezieht:
Die 41 uJ gelten für die Testschaltung aus Fig. E, wo der LS-FET die 
Speicherladung des HS-FET ausräumen muss. Das ist hartschaltender 
Betrieb, den darfst du nicht zulassen, wenn du sehr schnell schalten 
willst.
Um hohe Schaltfrequenzen zu erreichen, musst du versuchen einen 
ZVS-Betrieb herzustellen, also mit einem Ausgangsstrom in der 
Halbbrücke, der nach jedem Schaltvorgang sein Vorzeichen wechselt und 
dir die Speicherladung des sperrenden FETs ausräumt bevor der andere FET 
einschaltet.

Ich habe das als Student mit CoolMOS-FETs gemacht, allerdings bei 400 
kHz Schaltfrequenz und sehr viel geringerer Spannung.

von Jonas S. (jonny830)


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Okay, an dieser Stelle muss ich mich erstmal stark korrigieren.
Ich habe heute morgen nochmal in der entsprechenden Literatur 
nachgeschaut und gemerkt dass ich bei Übernahme der Frequenzbereiche 
einen Einheitenfehler gemacht habe. Anstelle der Zielfrequenz von 100kHz 
benötige ich eine Zielfrequenz von 100Hz - peinlich...

Mit der 100Hz Ausgangsfrequenz vereinfacht sich die Aufgabe natürlich 
erheblich. Für die oberste Schaltfrequenz ergibt sich dann mit einem 
Frequenzgrad von mf=21:

Auch wenn ich den ZSV-Betrieb, ggf. in Kombination mit GaN-Schaltern, 
als durchaus spannend empfinde, ist der Aufwand für die neue 
Schaltfrequenz wohl übertrieben (insbesondere da die Nutzung des 
Inverters für Laboranwendungen im Vordergrund steht). Für eine 
worst-case-Abschätzung der Verlustleistung aller MOSFETs im 
hartschaltenden Betrieb komme ich nun auf einen Wert von ungefähr 105W. 
Mit einer Einzelleistung von etwa 30W darf meine Case-Temperatur nach 
figure 2 also zwischen 100°C und 125°C bzw. rechnerisch mit Rth = 2,2 
bei 109° liegen - das sollte, zumal es sich um Extremwerte handelt, 
machbar sein.

> Sowas sollte im TO263-7-Gehäuse existieren.

Der Tipp mit dem TO263-7-Gehäuse hat geholfen. Bei den GeneSiC 
GB05MPS17-263 Schottky Dioden sind die Sperrspannung und Durchlassströme 
nicht bei Mouser angegeben, sodass sie beim Filtern rausgefallen sind. 
Leider ist nur eine Sperrspannug für Wechselstrom (Urms = 1700V) 
angegeben. Kann ich davon ausgehen, dass die angegebenen 1700V auch bei 
Gleichspannung gehalten werden kann?

Zudem habe ich in der VDI 0110 nachgeschaut, welche Leiterabstände für 
die Hochspannungsleiter vorgesehen werden müssen. Die 
Bemessungs-Stoßspannung für 1500V<U<=2000V, Klasse 2, ergibt sich 
bereits zu 12kV, sodass die Mindestluftstrecke gegen transiente 
Überspannungen bei inhomogenen Feldern bereits 14mm beträgt. Der MOSFET 
weist allerdings einen Drain-Source-Abstand von minimal 9.05mm auf. 
Ähnlich verhält es sich beim DCDC-Wandler. Wie ist dieser Zusammenhang 
in der Praxis zu bewerten?


Schottky Diode GeneSiC GB05MPS17-263: 
https://www.mouser.de/ProductDetail/GeneSiC-Semiconductor/GB05MPS17-263?qs=zW32dvEIR3v0b%2FLMjn%2FzIQ==

: Bearbeitet durch User
von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Jonas S. schrieb:
> Drain-Source-Abstand von minimal 9.05mm

Wenn die Spannung da überschlägt, fliegt die Sicherung und gut ist es. 
Erwischt es das Gate, dann ist da noch irgendwo eine Supressordiode, die 
die Spannung begrenzt, dann fliegt die Sicherung und gut ist es. Das 
Gerät wird über LWL-LAN angesprochen im Automatisationssystem. Also ist 
das auch kein Problem, das die kV irgendwohin verschleppt werden. Somit 
kaum erhöhtes Risiko von Personenschäden. Aber das Gerät ist defekt 
genug, das sich der Kunde ein neues kaufen muss. Also ist alles paletti.

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