Wenn ich mir Closed Loop Schrittmotortreiber anschaue und sie mit Open Loop Treibern vergleiche fällt v.a. auf, dass kein Maximalstrom am Treiber gewählt werden kann. Aufgrund der feldorientierten Regelung ist das vermutlich auch weitaus weniger kritisch, denn der Treiber gibt dem Motor genau so viel Strom, wie es braucht, um den Positionsfehler gering zu halten. Daraus ergeben sich aber meinem Verständnis nach u.a. folgende Konsequenzen: 1) Schrittmotor, Treiber und Antriebsaufgabe müssen zueinander passen damit der Motor nicht überhitzt oder durchbrennt: Wenn der Treiber im äußersten Lastfall immer so viel Strom gibt, wie er kann, dann wird der Schrittmotor zeitweise im Überlastbetrieb gefahren. Bei einem reinen Positionierantrieb z.B. bedeutet das ja dann, ich kann einen richtig dicken Treiber an einen realtiv kleinen Motor hängen, der dann zum Beschleunigen/Abbremsen immer kurzzeitig in starker Überlast betrieben wird und dadurch eine hohe Dynamik hat, jedoch trotzdem nicht überhitzt oder durchbrennt weil während des reinen Verfahrens recht wenig Drehmoment erforderlich ist. Anderers wenn ich mit einem kleinen Motor z.b. ein Förderband betreibe und dauerhaft ein hohes Drehmoment gefordert ist dann kann es durchaus sein, dass der Motor dauerhaft zu viel Strom abkriegt und dann durchaus überhitzt. 2) Die nominellen Drehmoment-Angaben von Motoren sind nicht mehr so direkt aussagekräftig. Wenn ich hier einen größen Motor hab mit 2Nm Nenndrehmoment bei 4A und einen kleinen Motor mit 1Nm Nenndrehmoment bei 2A hernehme und hänge die jeweils an einen Closed Loop Schrittmotortreiber mit Peak-Current von 5A dann erwarte ich mir, dass beide Motoren relativ ähnliche Performance in Puncto Beschleunigung bringen, denn das Drehmoment korrelliert ja ziemlich genau mit dem Wicklungsstrom. Der Unterschied ist nur, dass der kleine Motor dabei stärker überlastet wird und sich schneller und stärker aufwärmt. 3) D.h. bei der Wahl von Treiber und Motor macht man quasi einen Tradeoff und man kann den Treiber im Vergleich zum Motor überdimensionieren um das kurzzeitige Drehmoment zu erhöhen, sofern man sich sicher ist, dass die Dauerlast dafür relativ gering ist? 4) Das Drehmoment eines Schrittmotors sinkt mit der Drehzahl trotz gleichem Wicklungsstrom. D.h. bei höheren Drehzahlen muss der Treiber fürs gleiche Drehmoment mehr Strom liefern. D.h. wiederum ab einer gewissen Drehzahl liefert der Treiber dann dauerhaft mehr Strom als wofür der Motor ausgelegt ist und der Motor überhitzt? D.h. man muss durchaus aufpassen, wie schnell man mit dem Antrieb fährt? https://www.omc-stepperonline.com/de/closed-loop-schrittmotortreiber-0-7-0a-24-48vdc-fur-nema-17-23-24-schrittmotore.html https://www.rocketronics.de/shop/de/hybridservoendstufe-es-d808.html https://www.reichelt.de/treiber-fuer-closed-loop-motoren-fuer-nema-23-24-50-v-act-hbs57-p237926.html Bei käuflichen Closed Loop Schrittmotor Kits sehe ich oft z.b. Kombinationen von 4A Schrittmotoren mit 5A Schrittmotortreibern. d.h. der Schrittmotortreiber könnte den Schrittmotor bei Dauerbelastung um 25% überlasten und somit zerstören? Geht man in der Praxis hier einfach für übliche Antriebe davon aus, dass man diese 25% Überlastreserve sowieso immer "frei" hat?
Nein, nicht nochmal. Hier wird ein spezifisches Unterthema behandelt und Foren sind ja nunmal zum diskutieren da. Musst auch den Text lesen, nicht nur die Überschrift. 😉
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Paul H. schrieb: > 1) Schrittmotor, Treiber und Antriebsaufgabe müssen > zueinander passen damit der Motor nicht überhitzt oder > durchbrennt: [...] Da schau her. Dass ich das noch erleben darf: Bei den Schrittmotorleuten kommt allmählich auch an, was die richtige Antriebstechnik schon seit 100 Jahren weiss... > 2) Die nominellen Drehmoment-Angaben von Motoren > sind nicht mehr so direkt aussagekräftig. Was zum Henker ist am Konzept des Nenn-Arbeitspunktes so schwer verständlich? Bei Nenn -Spannung fließt Nenn -Strom, und der Motor liefert Nenn -Moment. Das ist bei allen Elektromotoren so. Der reale Betriebspunkt ist eine ganz andere Baustelle; der wird im Regelfall unterhalb (und darf kurzzeitig oberhalb) des Nennarbeitspunktes liegen. > 3) D.h. bei der Wahl von Treiber und Motor macht man > quasi einen Tradeoff und man kann den Treiber im > Vergleich zum Motor überdimensionieren um das > kurzzeitige Drehmoment zu erhöhen, sofern man sich > sicher ist, dass die Dauerlast dafür relativ gering > ist? Ähh.. ja!? Das ist m.W. doch das normale Vorgehen bei jedem elektrischen Antrieb: Im Mittel darf die Nennleistung nicht überschritten werden, kurzzeitig aber schon, sofern der Motor immer wieder Schwachlastphasen hat, in denen er sich abkühlen kann. > Bei käuflichen Closed Loop Schrittmotor Kits sehe ich > oft z.b. Kombinationen von 4A Schrittmotoren mit 5A > Schrittmotortreibern. d.h. der Schrittmotortreiber > könnte den Schrittmotor bei Dauerbelastung um 25% > überlasten und somit zerstören? Weiss ich nicht. Klassische Drehstrom-Kleinantriebe verwenden einen Motorschutzschalter, der einen thermischen Überlast- schutz enthält. Betreibt man den DSAM am Umrichter, erledigt diese Schutzfunktion m.W. der Umrichter mit. Ich würde hoffen, dass es bei den Umrichtern für hochpolige Synchronmotoren genauso ist... Müsste sich im DaBla finden lassen. > Geht man in der Praxis hier einfach für übliche > Antriebe davon aus, dass man diese 25% Überlastreserve > sowieso immer "frei" hat? Hat man ja auch -- aber eben nur zeitlich beschränkt.
Paul H. schrieb: > Bei käuflichen Closed Loop Schrittmotor Kits sehe ich oft z.b. > Kombinationen von 4A Schrittmotoren mit 5A Schrittmotortreibern. d.h. > der Schrittmotortreiber könnte den Schrittmotor bei Dauerbelastung um > 25% überlasten und somit zerstören? Das eine hat mit dem anderen direkt nichts zu tun außer das das Netzteil mehr abkönnen muss als der Treiber der wiederum mehr abkönnen muss als der Motor. Wenn du ein 1A Motor an ein 10A Netzteil anschließt (passende Spannung vorausgesetzt) geht der Motor ja auch nicht kaputt. Die Last bestimmt den Strom, nicht das was die Quelle maximal könnte. Bei einem Treiber hast du das doppelt. Mehr als der Motor haben will geht nur über eine über-/Erhöhung der Spannung und nicht von alleine. Alle halbwegs vernünftigen Treiber messen den Strom, vergleichen diesen mit dem vorgegebenen Wert und sorgen dafür das der Motor gar nicht mehr Spannung bekommt und somit auch nicht mehr Strom "ziehen" kann. Und diesen Wert kann man meistens in einem recht großen Bereich einstellen. du kannst also durchaus einen Stepper der nur 100mA verträgt an einen 5A Treiber anschalten, wenn die diesem sagst das er nicht mehr als 100mA zulassen soll. Übrigens einen 5A Treiber, am besten noch an einer 5A Quell um einen Motor mit dauerhaft 5A zu beliefern nennt man "auf kannte nähen". Etliche Bauteile werden dir das mit ihrer kürzest möglichen Lebensdauer danken:-) Immer etwas Reserve einplanen und nie wirklich darauf verlassen das die angegebenen Werte auch für längere Dauerbelastung ausgelegt sind (erst recht nicht, wenn es sich um China-Angaben handelt). Und selbst wenn es sich um Angaben von seriösen Herstellern handelt die explizit als Dauerleistung angeben sind kann es dir immer noch passieren das du im nächsten Hitzesommer mal über dem Temperaturbereich liegst für den die Werte gelten...
Hallo "Irgend W." Irgend W. schrieb: > Übrigens einen 5A Treiber, am besten noch an einer 5A Quell um einen > Motor mit dauerhaft 5A zu beliefern nennt man "auf kannte nähen". > Etliche Bauteile werden dir das mit ihrer kürzest möglichen Lebensdauer > danken:-) Das stimmt bei Schrittmotoren so nicht. 5A Nennstrom am Treiberausgang sind eben nicht 5A Stromaufnahme vom Netzteil, sondern je nach Spannungshöhe deutlich weniger. Der Stromregler bildet zusammen mit der Motorwicklung einen Abwärts-Schaltregler. Mit freundlichen Grüßen Thorsten Ostermann
Hallo Paul, Paul H. schrieb: > Wenn ich mir Closed Loop Schrittmotortreiber anschaue und sie mit Open > Loop Treibern vergleiche fällt v.a. auf, dass kein Maximalstrom am > Treiber gewählt werden kann. Aufgrund der feldorientierten Regelung ist > das vermutlich auch weitaus weniger kritisch, denn der Treiber gibt dem > Motor genau so viel Strom, wie es braucht, um den Positionsfehler gering > zu halten. Trotzdem muss man eigentlich den Nennstrom parametrieren können. Sonst kann es passieren, dass der Treiber den Motor bei hoher Dauerlast thermisch überlastet. Warum das bei den chinesischen Produkten z.T. nicht nötig ist kann man nur raten. > 2) Die nominellen Drehmoment-Angaben von Motoren sind nicht mehr so > direkt aussagekräftig. Wenn ich hier einen größen Motor hab mit 2Nm > Nenndrehmoment bei 4A und einen kleinen Motor mit 1Nm Nenndrehmoment bei > 2A hernehme und hänge die jeweils an einen Closed Loop > Schrittmotortreiber mit Peak-Current von 5A dann erwarte ich mir, dass > beide Motoren relativ ähnliche Performance in Puncto Beschleunigung > bringen, denn das Drehmoment korrelliert ja ziemlich genau mit dem > Wicklungsstrom. Der Unterschied ist nur, dass der kleine Motor dabei > stärker überlastet wird und sich schneller und stärker aufwärmt. Nein, das ist nur im unteren Drehzahlbereich so. Im oberen Drehzahlbereich, wo die Kennlinie abknickt, ist der Motor mit gleichem Nennmoment und höherem Wicklungsstrom im Vorteil. Der hat nämlich eine niedrigere Induktivität und erreicht daher im direkten Vergleich einen höheren Wicklungsstrom. > 4) Das Drehmoment eines Schrittmotors sinkt mit der Drehzahl trotz > gleichem Wicklungsstrom. D.h. bei höheren Drehzahlen muss der Treiber > fürs gleiche Drehmoment mehr Strom liefern. D.h. wiederum ab einer > gewissen Drehzahl liefert der Treiber dann dauerhaft mehr Strom als > wofür der Motor ausgelegt ist und der Motor überhitzt? D.h. man muss > durchaus aufpassen, wie schnell man mit dem Antrieb fährt? S.o., bei höheren Drehzahlen kann der Treiber dem Motor den Strom nicht mehr einprägen, weil die induzierte Gegenspannung zu groß wird. Das ist der Nachteil der hohen Polpaarzahl von Schrittmotoren. > Bei käuflichen Closed Loop Schrittmotor Kits sehe ich oft z.b. > Kombinationen von 4A Schrittmotoren mit 5A Schrittmotortreibern. d.h. > der Schrittmotortreiber könnte den Schrittmotor bei Dauerbelastung um > 25% überlasten und somit zerstören? Geht man in der Praxis hier einfach > für übliche Antriebe davon aus, dass man diese 25% Überlastreserve > sowieso immer "frei" hat? Bei Schrittmotoren wird immer der Nennstrom für Vollschritt angegeben (beide Phasen bestromt). Bei Treibern wird dagegen immer der Nennstrom für die Halbschritt-Position (eine Phase bestromt, Betrag des Stroms ist 1,42-fach höher) angegeben. Das ist historisch so gewachsen, und natürlich auch eine Marketing-Frage. Seriöse Anbieter geben für ihre Treiber sowohl den Spitzenstrom als auch den RMS-Wert an. Letzterer sollte zum Motor passen. Bei Closed-Loop sollte die Steuerung natürlich zusätzliche Reserven haben, falls man den Motor kurzzeitig im Überlastbetrieb verwenden will. Mit freundlichen Grüßen Thorsten Ostermann
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