Forum: Platinen Leiterbahn Abstand


von Simon W. (simon_w578)


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Hallo zusammen,

was den Abstand von Leiterbahnen angeht, bin ich momentan ein wenig 
verwirrt. Bei 5V und etwa 6A hab ich eine Leiterbahnbreite von 3,6mm 
gewählt (mit Kicad calculator ermittelt). Auf der Scuhe nach einem 
passenden Leiterbahnabstand bin ich auf unterschiedliche Ergebnisse 
gestoßen.

a) 0,1mm sind bei so geringen Spannungen ausreichend. Ich frag mich aber 
wie so ein geringer Abstand gut isolieren soll. Ist zwischen den 
Leiterbahnen nur Luft, oder wird das noch anders isoliert?

b) Nach einer 3W Regel soll der Abstand der Leiterbahnen 3x so groß 
sein, wie deren Breite. Das wär aber echt ein sehr großer Abstand und 
man würde kaum noch Bahnen auf der Platine unterbringen 
(https://resources.altium.com/de/p/pcb-trace-and-pad-clearance-low-vs-high-voltage).

Was würdet ihr mir nun raten?
Ist der Abstand bei einem Steuersignal anders zu wählen, als bei einer 
Versorgungsspannung?

Vielen Dank im Voraus!

: Verschoben durch Moderator
von Harry L. (mysth)


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Simon W. schrieb:
> 0,1mm sind bei so geringen Spannungen ausreichend.

Ja, das reicht.

von Marci W. (Gast)


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Hallo Leute,

ich frage mich, warum man beim Abstand bis an die 
technischen/physikalischen Grenzen gehen sollte, wenn man für die 
Leiterbahn selbst 3,6mm Platz hat?

ciao

Marci

von Gustl B. (gustl_b)


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Marci W. schrieb:
> ich frage mich, warum man beim Abstand bis an die
> technischen/physikalischen Grenzen gehen sollte

Nein, soll man nicht, kann man aber. Das ist der minimale Abstand der OK 
ist.

von Vanye R. (vanye_rijan)


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> Ist der Abstand bei einem Steuersignal anders zu wählen, als bei einer
> Versorgungsspannung?

Der Abstand richtet sich erstmal nach der Spannung. Bei 5V ist das so 
wenig das vermutlich (hab nicht nachgesehen) deine 0.1mm dicke 
ausreichen. Er richtet sich aber auch nach Verschmutzungsklassen.

Nimm mal ein Extremfall an. Du hast ein Ausgangssignal eines PH-Sensor. 
Also etwa 1V, aber extrem hochomig. Wuerdest du da einmal mit dem Finger 
drauf tatschen wuerdest du nur noch Unsinn messen.

Oder du waerst aufgrund eines harten Schicksalsschlags dazu verdammt 
chinesische Solar-Gartenlampen mit IP00 zu entwickeln wo das Wasser nur 
so durchrauscht und dir Ohrenkneifer auf deine Leiterbahnen kacken. Da 
sind dann trotz 2.4V aus zwei NimH Akkus wohl 5mm Abstand besser. :-D

Vanye

von Rainer W. (rawi)


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Gustl B. schrieb:
> Nein, soll man nicht, kann man aber. Das ist der minimale Abstand der OK
> ist.

Das kommt auch darauf an, was der Leiterplattenhersteller in seinem 
Prozess garantiert. Wenn der in seinen Design Rules einen minimalen 
Abstand nennt, heißt das erstmal, dass es sicher ist, dass in seinem 
Prozess keine unbeabsichtigte Brücke entsteht. Wieviel Isolationsabstand 
tatsächlich vom Nennwert über bleibt, ist ein anderes Thema, auch wenn 
das bei 5V unkritisch ist.
Selbst eine feine Brücke brennt sich frei, wenn die Leiterbahnen breit 
genug sind und die Versorgung ausreichend Strom zur Verfügung stellt ;-)

Simon W. schrieb:
> Ist zwischen den
> Leiterbahnen nur Luft, oder wird das noch anders isoliert?

Standardmäßig werden bei der industriellen Leiterplattenherstellung die 
Leiterbahnen durch einen Lötstopplack vor der Luft geschützt, d.h. 
Verschmutzungen auf der Leiterplatte, die die Isolation zwischen den 
Leiterbahnen beeinträchtigen könnten, liegen auf dem Lack und nicht 
direkt auf dem Kupfer. Nur an den Pads liegt die Leiterbahn 
normalerweise frei.

> Bei 5V und etwa 6A hab ich eine Leiterbahnbreite von 3,6mm
> gewählt

Dann wird sich deine Leiterbahn bei Dauerstrom um etwa 14K gegenüber der 
Umgebung erwärmen. Schon bei 200mil (5mm) wären es nur etwa 7K.
Ob deine 3,6mm gut sind, kommt also ganz darauf an, ob es sich um 
Dauerstrom handelt und wie gut deine Leiterplatte belüftet ist.

: Bearbeitet durch User
von Falk B. (falk)


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Simon W. schrieb:
> was den Abstand von Leiterbahnen angeht, bin ich momentan ein wenig
> verwirrt. Bei 5V und etwa 6A hab ich eine Leiterbahnbreite von 3,6mm
> gewählt (mit Kicad calculator ermittelt).

Ist OK, siehe Leiterbahnbreite.

> a) 0,1mm sind bei so geringen Spannungen ausreichend.

Richtig, siehe Leiterbahnabstand. Aber aus Sicht der Herstellung ist 
das sehr eng, das ist schon Feinstleitertechnik. 0,2mm ist Standard, die 
heute jeder Hersteller mühelos beherrscht. Mehr schadet nicht, 
"verschwendet" schlimmstenfalls Platz. Ich würde etwas um die 0,5mm 
nehmen.
Denn es gilt IMMMER

"So einfach und grob wie möglich, so komplex und fein wie nötig."

Die tolle Abkürzung DFM (design for manufacturing, sprich 
produktionsgerechter Entwurf) sagt das.

> Ich frag mich aber
> wie so ein geringer Abstand gut isolieren soll. Ist zwischen den
> Leiterbahnen nur Luft,

Sicher, was sonst? OK, der Lötstoplack ist noch darüber, der isoliert 
auch ziemlich gut, auch wenn er offiziell NICHT als 
Isolationsverstärkung gerechnet werden darf.

> b) Nach einer 3W Regel soll der Abstand der Leiterbahnen 3x so groß
> sein, wie deren Breite.

Die ist Unsinn!

> Das wär aber echt ein sehr großer Abstand und
> man würde kaum noch Bahnen auf der Platine unterbringen
> 
(https://resources.altium.com/de/p/pcb-trace-and-pad-clearance-low-vs-high-voltage).

"Bei digitalen Signalen besteht die typische Regel darin, einfach die 
3W-Regel zu befolgen, wobei der Abstand zwischen den Leiterbahnen die 
Breite der Leiterbahn verdreifacht. "

Ist auch Unsinn. Schau dir diverse Platinen an, auch welchen mit 
VERDAMMT vielen, verdammt schnellen Digitalsignalen. Dort macht das 
keiner! Nur in Ausnahmefällen, wo die kapazitive und induktive Kopplung 
deutlich kleiner sein muss.

> Ist der Abstand bei einem Steuersignal anders zu wählen, als bei einer
> Versorgungsspannung?

Nur in Fällen besonders empfindlicher Signale.

von Rainer W. (rawi)


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Simon W. schrieb:
> b) Nach einer 3W Regel soll der Abstand der Leiterbahnen 3x so groß
> sein, wie deren Breite.

Was soll die Stromtragfähigkeit einer Leiterbahn mit der Isolation zum 
Nachbarn zu tun haben?

: Bearbeitet durch User
von Falk B. (falk)


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Rainer W. schrieb:
> b) Nach einer 3W Regel soll der Abstand der Leiterbahnen 3x so groß
>> sein, wie deren Breite.
>
> Was soll die Stromtragfähigkeit einer Leiterbahn mit der Isolation zum
> Nachbarn zu tun haben?

Frag das den "Experten" von Altium . . .

von Rainer W. (rawi)


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Falk B. schrieb:
> Frag das den "Experten" von Altium . . .

Bei Altium frag' ich mich vieles ...

von Michael B. (laberkopp)


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Simon W. schrieb:
> 0,1mm sind bei so geringen Spannungen ausreichend

Sogar wenige Mikrometer sind ausreichend, siehe wie nah Aluleiterbahnen 
auf IC verlaufen  und das nicht immer epoxyverkapselt sondern auch mal 
im luftigen Gehäuse

https://en.wikipedia.org/wiki/Integrated_circuit

Nur kann halt kein Leiterplattenfritze so genau und sauber arbeiten..

: Bearbeitet durch User
von Taz G. (taz1971)


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Falk B. schrieb:
> Ist auch Unsinn. Schau dir diverse Platinen an, auch welchen mit
> VERDAMMT vielen, verdammt schnellen Digitalsignalen. Dort macht das
> keiner! Nur in Ausnahmefällen, wo die kapazitive und induktive Kopplung
> deutlich kleiner sein muss.

Hi Falk,
für deinen Beitrag ein +1. Aber "Ist auch Unsinn" kann ich nicht so 
unterschreiben. Die 3W Regel ist kein Unsinn, sollte man immer im Kopf 
haben. Es geht darum, das zwei benachbarte Leiterbahnen eine kapazitive 
Kopplung haben, ähnlich wie beim Plattenkondensator ist diese Flächen 
und Abstandsabhängig. Mache ich die Leiterbahnen breiter muss ich den 
Abstand vergrößern um das Übersprechen im erträglichen Maße zu halten.
Du hast Recht in den meisten Fällen ist ein Übersprechen und somit die 
3W Regel egal. Z.B zwischen den Datenleitungen aber bei der Clockleitung 
sieht das anders aus. Also beim Routen immer im Kopf behalten, das sich 
zwei parallel zueinander geführte Leiterbahnen sich gegenseitig sehen 
und wenn es kritische Signale sind - Abstand halten (3W oder 4W)

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Simon.

Simon W. schrieb:

> Was würdet ihr mir nun raten?
> Ist der Abstand bei einem Steuersignal anders zu wählen, als bei einer
> Versorgungsspannung?

Kommt darauf an, ob Du es mit statischen Signalen bzw. langsamen 
dynamischen Signalen oder sehr schnellen dynamischen Signalen zu tun 
hast, wo der Wellenwiderstand eine Rolle spielen könnte, denn die 
Geometrie geht weitestgehend in den Wellenwiderstand ein. Übersprechen 
wegen Leitungskapazitäten und Induktivitäten ist auch noch eine Nummer.

Für alles andere gilt: Leiterbahnbreiten und Leiterbahnabstände so groß 
wie möglich und so klein wie nötig. Untereinander und zur Gesamtgröße 
Deiner Platine passend musst Du nun Kompromisse finden.

Eine feste Regel gibt es dafür nicht. Es gibt lediglich Regeln für 
Mindestmasse.

Bedenke auch mögliche Verschmutzungen und Betauung der Leiterplatte. Was 
ist mit dem Luftdruck? Wie sind die Robustheits- und 
Sicherheitsanforderungen? 
Consumer/Automotive/Industrial/Military/Aerospace/Medical?

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
https://www.l02.de

: Bearbeitet durch User
von Taz G. (taz1971)


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Simon W. schrieb:
> Ist der Abstand bei einem Steuersignal anders zu wählen, als bei einer
> Versorgungsspannung?

Bernd hat das schon super beantwortet. Ich route Versorgungsleitungen 
immer etwas breiter, versuche Abstand zu halten und möglichs nicht 
parallel zu digitalen Leitungen. Die Schaltflanken koppeln in die 
Versorgungsleitung ein und verteilen sich auf der gesammten Platine. Ich 
kann das aber nicht mit Messungen belegen, kann nur sagen das ich noch 
nie Ärger hatte. Vielleicht mache ich instinktiv etwas richtig.

von Klaus H. (hildek)


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Welche Abstände notwendig sind, hängt ganz von den Signalen auf den 
Leitungen ab.

Digitale Signale ←→ analoge Signale: mehr Abstand, besser GND 
dazwischen.

Digitale Signale ←→ andere digitale Signale: wenig Probleme, 
insbesondere wenn es Daten- oder Adressleitungen sind. Die werden 
üblicherweise erst mit Abstand zum Flankenwechsel ausgewertet. Bei 
asynchronen Signalen ist es schon sinnvoll, etwas größere Abstände zu 
verwenden, wobei Übersprechen eher ein geringeres Problem darstellt - je 
nach Anstiegszeit der Flanken.

Digitale Z-Leitungen: kleine Abstände zu z.B. GND oder zu anderen 
Signalleitungen verändern die Impedanz, könnte man aber (manchmal) in 
die Dimensionierung einberechnen oder eben die Terminierung auf einen 
anderen Z-Wert anpassen.

Symmetrische digitale Leitungen sollten nach der 3W-Regel geroutet 
werden.
Analoge Signale: Problem Nebensprechen, mit mehr Abstand oder GND 
dazwischen routen.

Stromversorgungen: Solange man bei Kleinspannung verhindern kann, dass 
irgend ein z.B. Lötkügelchen einen Kurzschluss macht, ist das 
unproblematisch.

Für höhere Spannung gibt es natürlich eigene Regeln, darum ging es aber 
hier nicht.

von Wolle G. (wolleg)


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Falk B. schrieb:
> 0,2mm ist Standard, die
> heute jeder Hersteller mühelos beherrscht. Mehr schadet nicht,
> "verschwendet" schlimmstenfalls Platz. Ich würde etwas um die 0,5mm
> nehmen.
0,2 mm sind auch für Bastler, die ihre Leiterplatten selbst ätzen, 
möglich.

Wenn man z.B den µC MSP430F1611 verwendet, dann beträgt das Raster der 
Beinchen 0,5mm, sodass für den Leiterbahnabstand nur 0,2mm  übrig 
bleiben.

: Bearbeitet durch User
von Rainer W. (rawi)


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Taz G. schrieb:
> Die Schaltflanken koppeln in die Versorgungsleitung ein und verteilen
> sich auf der gesammten Platine.

Dann hast du die Abblockkondensatoren vergessen.

von Taz G. (taz1971)


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Rainer W. schrieb:
> Taz G. schrieb:
>> Die Schaltflanken koppeln in die Versorgungsleitung ein und verteilen
>> sich auf der gesammten Platine.
>
> Dann hast du die Abblockkondensatoren vergessen.

;D thumbs up.
Aber besser ist doch, erst gar keinen Dreck einzufangen den die 
Kondensatoren dann abblocken müssen. Aber super Beitrag hat mich sofort 
zum schmunzeln gebracht.

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