Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Tempern / Temperofen für Acrylglas


von Chris S. (-fx-)


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Hey,
für kunsthandwerkliche Projekte in Kleinserie möchte ich mich mal mit 
dem tempern von Acrylglas beschäftigen.

So grob, weiß ich schon, dass die Temperatur nicht zu schnell ansteigen, 
ein gewisse Zeit gehalten und schlussendlich sehr langsam  gesenkt 
werden sollte.

Sind dafür bereits die ganz einfachen programmierbaren Temperaturregler 
mit Ablauf von ein paar wenigen Fixtemperaturen geeignet? Oder besser 
doch etwas, dass mir einen linearen Temperaturverlauf ermöglicht?

Gibt es da was bezahlbares in fertig oder doch eher selberbauen. Welche 
Regelung wäre bei Zweiterem angebracht, PI oder reicht auch einfacher?

Und zuguterletzt der mechanische Teil, Energie ist teuer und das Ding 
läuft etliche Stunden, wenn auch nur bei maximal 90°C. Hat jemand eine 
gute Idee, was man da (ggf als Basis zum Dämmen) einsetzen kann? Die 
Teile sind nicht groß, in der Regel maximal 20x20cm²+Umkantung um Winkel 
~110° mit vielleicht nochmal 10x10xcm², davon eine einstellige Anzahl.

Einfach ein alter Backofen, der zusätzlich gedämmt wird oder gibt es 
bessere Alternativen?

Danke
Chris

von Jörg E. (jackfritt)


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Habe schonmal ne Sauna dafür missbraucht. Ging ganz gut…

Kuchen oder nen Braten läuft such etliche Stunden im Ofen. Daran is noch 
keiner Pleite gegangen

: Bearbeitet durch User
von Herbert Z. (herbertz)


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Chris S. schrieb:
> für kunsthandwerkliche Projekte in Kleinserie möchte ich mich mal mit
> dem tempern von Acrylglas beschäftigen.

An vorwärmen vor dem Biegen kann ich mich noch erinnern. Tempern ist ein 
Begriff (aus meiner Sicht) der aus der Metallbearbeitung kommt und einen 
Entspannungs Prozess nach dem härten oder biegen von Federmaterialien 
beschreibt. Tempern heiß einem Material die Spannung vom verformen 
nehmen.
Anlassen von Metall nach dem härten ist nicht das gleiche ,aber ähnlich.

von Chris S. (-fx-)


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Herbert Z. schrieb:
> Tempern ist ein
> Begriff (aus meiner Sicht) der aus der Metallbearbeitung kommt und einen
> Entspannungs Prozess nach dem härten oder biegen von Federmaterialien
> beschreibt.

Auch bei Acrylglas geht es darum, die inneren Spannungen treten bei 
spanender Bearbeitung, warmumformen u.s.w. auf.
Bis zu einem gewissen Maß kann PMMA das Ganze gut tolerieren, kommt dann 
aber z.B. der Einfluss von z.B. aggresiveren Flüssigkeiten an den Kanten 
hinzu kann es ganz schnell reißen. Ich weiß das Natürlich, jemand, der 
sich das ganze hinstellt kommt da im Eifer des Gefechts ganz schnell mal 
mit dem falschen Reinigungsmittel hin.

Probiert es mal aus, meine erste Erfahrung vor ein paar Tagen damit 
waren Tests mit Laserschnitt und anschließendem Kontakt der Kanten mit 
Lösemittellack aus der Dose. Da können beachtliche Risse entstehen.

von DSGV-Violator (Gast)


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Chris S. schrieb:
> Hey,
> für kunsthandwerkliche Projekte in Kleinserie

Falsches Forum, frag beim Baummarkt oder einen von den Zehntausenden 
Schreinern/Tischlern/Innenausbauern, die sich zu Coronazeiten mit 
Plexi/Acrylglas nen goldenen Zinken verdient haben. Oder bei den 
Modellbauern:

https://www.tt-board.de/forum/threads/acrylglas-verkleben.21117/
https://www.rclineforum.de/forum/board59-sonstiges-modellbau/board214-modellbau-allgemein/108061-kunststoff-glas-der-feine-unterschied/

von R. M. (rmax)


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Chris S. schrieb:
> Einfach ein alter Backofen, der zusätzlich gedämmt wird oder gibt es
> bessere Alternativen?

Zum Konditionieren von BME280 Luftfeuchtigkeitssensoren (1 Stunde bei 
120 °C) habe ich vor ein paar Jahren mal einen "Ofen" aus zwei 
ineinander passenden Konservendosen und einem 12V-Halogenstrahler mit 25 
oder 35 Watt gebaut. Die Regelung lief über einen AVR mit DS18B20 und 
einem recht primitiven Programm, das den Tastgrad einer Art PWM in 
Abhängigkeit vom Abstand zur Solltemperatur in größeren oder kleineren 
Schritten verändert hat, bis das Optimum gefunden war. Das hat 
erstaunlich gut funktioniert, vielleicht aber auch weil ich kaum externe 
Einflüsse hatte.

Ich könnte mir vorstellen, dass man das mit einer gedämmten Holz- oder 
Blechkiste entsprechender Größe und einem Baustrahler auf Deine 
Bedürfnisse hochskalieren kann. Mit meiner Firmware sollte sich statt 
der 12V-Lampe per MOS-FET auch einfach eine 230V-Lampe per SSR als 
Schwingungspaketsteuerung ansteuern lassen. Es wären natürlich auch 
mehrere 12-V-Lampen denkbar, um nicht mit 230V hantieren zu müssen und 
für eine gleichmäßigere Wärmeverteilung.

Vielleicht ist da ja die eine oder andere Idee für Dich dabei.

von Rainer W. (rawi)


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Herbert Z. schrieb:
> Tempern ist ein Begriff (aus meiner Sicht) der aus der Metallbearbeitung
> kommt und einen Entspannungs Prozess nach dem härten oder biegen von
> Federmaterialien beschreibt. Tempern heiß einem Material die Spannung
> vom verformen nehmen.

Genau das. Schick einfach mal polarisiertes Licht durch Acrylglas durch, 
gucke dir das durch ein Polarisationsfilter an und dann erzeuge 
Spannungen durch mechanische Belastung. Oder gucke es dir nach 
mechanischer Bearbeitung an, ohne es danach zu tempern.

Wer nur einen Hammer kennt ...

von Manfred P. (pruckelfred)


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Chris S. schrieb:
> Auch bei Acrylglas geht es darum, die inneren Spannungen treten bei
> spanender Bearbeitung, warmumformen u.s.w. auf.
> Bis zu einem gewissen Maß kann PMMA das Ganze gut tolerieren,

Das hängt auch vom genauen Werkstoff ab, mal die Beschreibungen von der 
Röhm-Chemie angucken. Plexidur ist sehr tolerant, aber gelblich, 
vermutlich nicht für Kunst geeignet. In klar Plexiglas-XT, das verträgt 
mehr als Standardware wie z.B. Perspex von ICI.

> kommt dann
> aber z.B. der Einfluss von z.B. aggresiveren Flüssigkeiten an den Kanten
> hinzu kann es ganz schnell reißen.

Früher war eintauchen in Trichloräthan ein Mittel der (zerstörenden) 
Werkstoffprüfung - wo Spannungen waren, bildeten sich Risse. Angeblich 
ist PMMA auch intolerant gegen Ethanol, während Isopropanol als 
Kühlmittel beim Bohren unkritisch ist.

Herbert Z. schrieb:
> Tempern heiß einem Material die Spannung vom verformen nehmen.

Genau das, unabhängig vom Werkstoff.

Rainer W. schrieb:
>> Tempern heiß einem Material die Spannung
>> vom verformen nehmen.

> Genau das. Schick einfach mal polarisiertes Licht durch Acrylglas durch,
> gucke dir das durch ein Polarisationsfilter an und dann erzeuge
> Spannungen durch mechanische Belastung. Oder gucke es dir nach
> mechanischer Bearbeitung an, ohne es danach zu tempern.

Wer hat schon eine polarisierte Lampe. Wir haben mit Polfiltern aus der 
Fotoecke gespielt, die leider Wärmeempfindlich sind und nach einer Weile 
zum Klarglas mutierten.

von Herbert Z. (herbertz)


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Rainer W. schrieb:
> Wer nur einen Hammer kennt ...

Wer nur "Tupperware " kennt...;-) Nicht alles was man aus Plexiglas 
macht wird man "entspannen" müssen. Gibt sicher Fälle wo man sich dieses 
Prozedere schenken kann...

von Chris S. (-fx-)


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Nicht jeder transparente Kunststoff ist PMMA und nicht jedes PMMA ist 
von Röhm und darf sich Plexiglas nennen.
Auch wegen des Baumarkt-Kommentars, ich persönlich habe in "meinen" 
Baumärkten noch nie Acrylglas Plattenware gesehen.

Aber das war gar nicht das Thema. Mehr der Temperofen und dessen 
Steuerung.

: Bearbeitet durch User
von Stefan M. (derwisch)


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Von welchen Temperaturen muss man denn ausgehen?

von DSGV-Violator (Gast)


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Chris S. schrieb:

> Auch wegen des Baumarkt-Kommentars, ich persönlich habe in "meinen"
> Baumärkten noch nie Acrylglas Plattenware gesehen.

Naja, ein Baumarkt schneidet das für dich zu, da wirste eher nicht die 
'Rohware' als Plattenstapel im Lager zu Gesicht bekommen.

https://www.bauhaus.info/suche/produkte?text=acrylglas

So wie man beim Metzger das abgewogen zugerichtete Fleisch bekommt, ohne 
die Rohware - "im Dreck suhlendes Schwein" - zu sehen.

von Harald W. (wilhelms)


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DSGV-Violator schrieb:

> frag beim Baummarkt

Gibts dort Bäume aus Acryl?

von Chris S. (-fx-)


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Stefan M. schrieb:
> Von welchen Temperaturen muss man denn ausgehen?

maximal 100°C, eher weniger

: Bearbeitet durch User
von Herbert Z. (herbertz)


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Auch Fahrrad Rahmen sofern sie aus Aluminium sind werden nach dem 
schweissen getempert. Bei Stahlrahmenm gelötet, oder geschweisst ist mir 
von diesem Prozedere nichts bekannt,kann es mir aber gut vorstellen.

von DSGV-Violator (Gast)


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Auch PCB und electronische Bauteile werden, wenn sie gewisse Zeit ihren 
dry-Pack entnohmen wurden, getempert. dh. abh. vom Tg bei ca. 80 bis 
100°C für einige Stunden "getrocknet"  um Schäden (Delaminierung bspw) 
durch Siedeverzug zu verhindern.

https://www.multi-circuit-boards.eu/leiterplatten-design-hilfe/oberflaeche/trocknen-tempern.html
https://www.zvei.org/fileadmin/user_upload/Verband/Fachverbaende/PCB_and_Electronic_Systems/Schlau_entwickelt_clever_produziert._Leiterplatten_aus_Europa/pdf/Dt/ZVEI-Empfehlung-Trocknen-Leiterplatten-vor-Loeten.pdf

Also Tempern ist derart Material- und Prozessspezifisch, da gibt es 
keine allgemeine Aussagen. Und schon garnicht kann man Ansagen zur 
Wärmebehandlung aus einen Elektronikforum auf die "kunst-" formende 
Erwärmung von Avryglas ableiten.

Der TO ist hier  in einem mikrocontroller-forum schlicht falsch mit 
seinen Begrifflichkeiten.

Flugzeugbau wäre neben den bereits genannten noch ne Anlaufadresse, bei 
Cockpits wird viel Plexiglas verbogen:
Da ein Video über die Formung des Cockpits eines Horten H IX-Nachbaus, 
der Ofen wird auch gezeigt: kein Backofen wie für Oma's Muffins: 
https://youtu.be/mjEQGxkhpWo?t=1525

von Carypt C. (carypt)


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also es gibt wohl laborheizplatten die auch temperaturverläufe können, 
und wenn man sehr viel zeit in eine selbstbaulösung stecken müßte, sind 
die preise womöglich berechtigt.

ich finde die frage auch nicht verkehrt für dieses forum.

ich glaube ein pid prozessregler in verbindung mir solidstaterelais 
(ssr) gibt gute temperaturkontrolle, wenn man die programmierung 
hinbekommt. ein temperaturprozessprofil vorzugeben, weiß ich nicht, 
vielleicht kann man den pid-controller mit einem ATtiny zeitlich 
ansteuern. und heizbauteil, eventuell mit ventilator.

es gibt auch temperatur-controller für das hausbrauen, mit 
zeitsteuerung, steckdosengeräte.

https://www.rkcinst.co.jp/english/products_category/digital-controllers/
Beitrag "Pid Regler Prozessablauf"

entzündlichkeit kann bei papier bei 120°C beginnen, eine holzkiste 
könnte genügen, vielleicht mit styroporplatten. metall und steinwolle 
ist wohl sicherer, auch gips und ton und beton sind sicher.

von Chris S. (-fx-)


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Nein, ich finde die Frage hier auch nicht verkehrt, zumal hier ja schon 
Projekte wie Reflow-Steuerungen u.s.w. entstanden sind und 
entsprechendes Wissen vorhanden sein dürfte.

Auch bin ich zur Zeit zwar etwas raus aus dem Thema aber durchaus in der 
Lage mit Mikrocontrollern umzugehen, ggf schon existenten Code 
anzupassen u.s.w.

Bzgl. des mechanischen Teils bin ich über Leute gestoßen, die 
Einbrennöfen für Pulverlack auf Basis von Trockenbauprofilen mit 
Stahlauflage und Steinwolledämmung bauen. Das scheint mir nicht so 
schlecht zu sein zumal sich die Dämmung dann beliebig dick gestalten 
lässt.

Stellt sich noch etwas die Frage der halbwegs gleichmäßigen 
Wärmeverteilung. Ich denke Luftumwälzung ist üblich, meint ihr es wäre 
auch sinnvoll Heizelemente hinter einer durchgehenden Stahl- (oder Alu-) 
Platte zu verbauen?

: Bearbeitet durch User
von Michi S. (mista_s)


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Chris S. schrieb:
> Einfach ein alter Backofen,

Eventuell reicht für Deinen Raumbedarf auch schon so ein Mini-Teil zum 
aufbacken von Brötchen usw. - geringeres Luftvolumen, das jedes Mal 
aufgeheizt werden muß und kleinere zu dämmende Oberfläche.

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