Offenbar haben wir derzeit wieder Medizintechnikwochen im Forum. Ich finde ad hoc gleich mehrere aktuelle Themen zum Selbstbau von Blutdruckmessgeräten und Herzfrequenzmonitoren wie diese hier: Beitrag "Herzschlag Monitor mit dem Oszilloskop" Beitrag "Aufbau eines Blutdruckmessgerät" Dazu mal ein kleiner Hinweis: Wer etwas baut, was am Menschen betrieben wird, der wird - ob er will oder nicht - unter Umständen zum Hersteller und von den einschlägigen Gesetzen erfasst. Das gilt auch dann, wenn es nur zum Basteln oder Spass gedacht war und nicht für andere Personen oder gar Patienten bestimmt ist. Es reicht die "Inverkehrbringung" und die ist weder an Verkauf noch an ein offizielles Vorgehens geknüpft. Das ist ist wie mit dem Bau von Fahrzeugen: Sobald etwas genug Räder hat und im öffentlichen Raum herumfährt, ist es ein Fahrzeug und dessen Benutzung erfordert eine Zulassung. Hat man die nicht, wird es teuer. Das gilt insbesondere bei Schäden - aber nicht nur: Sobald etwas unter das MPG oder Medizinproduktverordnung fällt, kann man belangt werden, selbst wenn es nur zuhause herumlag. Ich kann da aus der Praxis einige Fälle benennen, wo es schon 5-stellig wurde und der verdutzte Bastler viel Lehrgeld zahlen musste. Das Problem sind u.a. die erforderlichen Sicherheitstests und viele versteckte Risiken. Es muss bei den o.g. Geräten z.B. ausgeschlossen werden, dass durch einen Schaltungsdefekt Strom in die Elektroden und damit in den Menschen geleitet wird. Dazu muss eine Betrachtung und eine Prüfung existieren. Daran denkt natürlich niemand, wenn er Elektroden nur als Eingänge für seine Schaltung betrachtet aus denen nichts rauskommen sollte. Wenn z.B. konkret bei einer Prüfung heraus kommt, dass die Gefahr durch die Schaltung grundsätzlich bestand, macht man sich schon strafbar - selbst wenn noch niemand zu Schaden gekommen ist. Ein Punkt z.B. ist, dass solche Basttelgeräte durchaus auch in die Hände von Unbefugten und Kinder kommen können. Die Gefahr reicht, wenn sie ausreichend groß ist. Wer also meint, es müsse unbedingt Medizingeräte nachbauen, sollte zusehen, dass er sie ausschließlich an sich selber testet und die Benutzung bei anderen Personen unterlassen und sicher ausschließen.
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Dazu ein weiterer kleiner Hinweis: Ein simples Medizinprodukt braucht im EU-Raum mittlerweile ca. 1500 Dokumente fuer eine erfolgreiche Zulassung. Was nun mittlerweile dazu fuehrt, dass Hersteller gleich ganz auf so eine Zulassung verzichten, und ihre Produkte nur noch im Nicht-EU-Raum anbieten. Die EU will diese Situation allerdings erst weiter evaluieren. Der Zeitraum fuer diese Evaluierung wird von der EU auf fuenf Jahre geschaetzt.
> Ein simples Medizinprodukt braucht im EU-Raum mittlerweile ca. > 1500 Dokumente fuer eine erfolgreiche Zulassung. > Die EU will diese Situation allerdings erst weiter evaluieren. > Der Zeitraum fuer diese Evaluierung wird von der EU auf fuenf > Jahre geschaetzt. Belege? > Was nun mittlerweile dazu fuehrt, dass Hersteller gleich ganz > auf so eine Zulassung verzichten, und ihre Produkte nur noch im > Nicht-EU-Raum anbieten Allerdings sind solche umfangreichen Zulassungen auch in nicht-EU-Ländern wie USA und China nötig. Persönlich hatte ich mal mit Medizintechnik für China zu tun und kenne deren in China-Hieroglyphen geschriebenen EMV-Richtlinien. Wegen der Sprachbarriere ist eine Zulassung in .de/Europa einfacher, zumal viele Studenten der Medizintechnik in Ihren Studium gerade in diese Euro-Regularien trainiert werden." In den USA kommt noch der "Ärher" mit horrenden Anwaltskosten und gerichtlich unscharf fefassten grenzen der Produkthaftung hinzu. In Indien und Co dagegen treibt Korruption die Kosten hoch.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52022XC0629(04)&from=EN Meint dazu: In folgenden Fällen handelt es sich nicht um ein Inverkehrbringen: — wenn das Produkt für den Eigenbedarf hergestellt wurde, es sei denn, die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union umfassen für den Eigenbedarf hergestellte Produkte, (48) ( 49) [...] (48) Siehe etwa die Richtlinien über Maschinen, Messgeräte, explosionsgefährdete Bereiche (ATEX), Explosivstoffe für zivile Zwecke. (49) Decken die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union den Eigenbedarf ab, **so bezieht sich dies nicht auf die gelegentliche Herstellung für den Eigenbedarf durch eine Privatperson im nicht gewerblichen Zusammenhang** (Hervorhebung durch mich) Was das rechtlich genau bedeutet muss ein Anwalt beurteilen
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Stefan N. schrieb: > In folgenden Fällen handelt es sich nicht um ein Inverkehrbringen: > > — wenn das Produkt für den Eigenbedarf hergestellt wurde, es sei denn, > die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union > umfassen für den Eigenbedarf hergestellte Produkte, (48) ( > 49) ...und ist dann nicht die Medizinrichtlinie zuständig, die sowieso vor der allgemeinen Richtlinie zum Inverkehrbringen von Waren in der EU steht? Stefan N. schrieb: > (Hervorhebung durch mich) > > Was das rechtlich genau bedeutet muss ein Anwalt beurteilen Ich würde einfach keine Gesetzestexte zitieren, wenn ich keine Ahnung habe...
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Beitrag #7468113 wurde vom Autor gelöscht.
DSGV-Violator schrieb: >> Ein simples Medizinprodukt braucht im EU-Raum mittlerweile ca. >> 1500 Dokumente fuer eine erfolgreiche Zulassung. >> Die EU will diese Situation allerdings erst weiter evaluieren. >> Der Zeitraum fuer diese Evaluierung wird von der EU auf fuenf >> Jahre geschaetzt. > Belege? Die wichtigen Belege kannst du an einer Hand abzählen (Risikoanalyse, User Manual... ) Aber wenn jeder RoHS Bescheid jedes Bauteils da mitgezählt wird...
Die Abgrenzung erschließt sich mir nicht. Was ist wenn ich mir ein Oszilloskop/Meßgerät whatever für mein Auto bastele, und dieses zufällig wie ein EKG aussieht?
Udo K. schrieb: > Die wichtigen Belege kannst du an einer Hand abzählen (Risikoanalyse, > User Manual... ) > Aber wenn jeder RoHS Bescheid jedes Bauteils da mitgezählt wird... d.h. das gilt für jedes Produkt, nicht nur Medizinprodukt.
Udo K. schrieb: > Ich würde einfach keine Gesetzestexte zitieren, wenn ich keine Ahnung > habe... Wieso nicht? Gerade in diesem Forum bekommt man dann immer gleich sachliche Antworten von Experten, die sich viel besser auskennen und faktenorientiert darlegen, wie genau die Sache in Wirklichkeit ist.
So ist es. Wenn ein Schaden wegen grob fahrlässigem Verhalten auftritt bist du in der Verantwortung, unabhängig davon ob es um Medizinprodukte geht. Brennt dir dir Bude ab weil du mit 30kV gezündelt hast, ist das gut für die Versicherung. Der Freund hat einen Herzstillstand wegen deinem selbstgebautem EKG, auch gut für die Versicherung.
Michael B. schrieb: >> Die wichtigen Belege kannst du an einer Hand abzählen (Risikoanalyse, >> User Manual... ) >> Aber wenn jeder RoHS Bescheid jedes Bauteils da mitgezählt wird... > > d.h. das gilt für jedes Produkt, nicht nur Medizinprodukt. Bei einem Medizinprodukt brauchst du noch Life Cycle Management, alle Vorkommnisse müssen dokumentiert werden, die Risikoanalyse ist Pflicht und umfangreicher, die Herstellungsprozesse müssen dokumentiert und zertifiziert sein. Es reicht auch keine einfache CE, die du selber machen kannst, - es braucht eine akkredierte Stelle mit einer Produktnummer.
>> Belege? > > Die wichtigen Belege kannst du an einer Hand abzählen (Risikoanalyse, > User Manual... ) > Aber wenn jeder RoHS Bescheid jedes Bauteils da mitgezählt wird... Was man nicht nur für Medizintechnik notwendig ist und mit einen einfachen Download des RoHS-Zertifikates des Herstellers/Distries erledigt ist. Und leider haben sich halt in der Vergangenheit gute Gründe ergeben, bei jedem zugelieferten Teil genau auf nachweise zu achten. Da hatte nämlich ein Tittenaufbläser in Frankreich sein ERP (Warenwirtschaftssystem) so manipuliert, das die Verwendung von billigen Industrisilikon in den Euterpolstern nicht auffiel... https://www.deutschlandfunk.de/gericht-bestaetigt-versagen-des-tuev-rheinland-im-brustimplantate-skandal-100.html https://www.aerzteblatt.de/archiv/124347/Skandal-um-Brustimplantate-Die-unsichtbare-Gefahr
Ich finde der Threadersteller hat recht damit, dass das Herumexperimentieren mit medizinnahen Produkten im Eigenbau gut überlegt sein sollte, insbesondere, weil man damit auch andere in Gefahr bringen kann, wenn auch ungewollt. Die Begründung ist aber meiner Meinung nach absurd. Dazu reicht der gesunde Menschenverstand, der mich davon abhalten sollte, ein potenziell gefährliches Gerät herumliegen zu lassen. Dazu braucht es keine EU-Verordnung und mit "Inverkehrbringen" hat das nichts zu tun.
Alexander schrieb: > Die Abgrenzung erschließt sich mir nicht. Was ist wenn ich mir ein > Oszilloskop/Meßgerät whatever für mein Auto bastele, und dieses zufällig > wie ein EKG aussieht? Dein Problem!
Stefan N. schrieb: > Dazu reicht der > gesunde Menschenverstand Aber es gilt immer noch: "Gier frißt Hirn!"
Cha-woma M. schrieb: > Stefan N. schrieb: >> Dazu reicht der >> gesunde Menschenverstand > Aber es gilt immer noch: > "Gier frißt Hirn!" Bei Privatleuten, die das für sich bauen? Eher nicht. Als wir das damals während des Studiums gemacht haben, war für uns klar: 1.) Nie alleine 2.) Nur mit max. 9V-Batterie 3.) Galvanisch sichere Trennung (bei uns IR-Übertragungsstrecke zum PC) Klappte übrigens erstaunlich gut - war ein einfacher Instrumentenverstärker (ich meine mit TL064? - aber mit aufklebbaren "Profi"-Elektroden) und dahinter 8-Bit-A/D-Wandler. Das Signal war praktisch nicht verrauscht, die entsprechenden Punkte eines typischen EKGs sehr gut zu sehen. Unterschied sich bis auf die leicht wandernde Ruhelinie wirklich kaum von den üblichen Profigeräten. Damit hätte man durchaus Diagnostik betreiben können :-) Also: man sollte natürlich wissen, was man tut, aber mit entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen ist das schon sicher - und einfach interessant.
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Der Punkt war doch aber dass Du es angeblich nicht darfst. Vorsichtsmaßnahmen hin oder her.
Stefan N. schrieb: > Dazu reicht der gesunde Menschenverstand, der mich davon abhalten > sollte, ein potenziell gefährliches Gerät herumliegen zu lassen. Falsche Denkweise, Du kannst Deine nicht verallgemeinern. Der "gesunde Menschenverstand", so wie er allgegenwärtig war, wird in absehbarer Zeit die Ausnahme sein. Die zunehmende Entfremdung vom eigenständigen Leben und die fortschreitende künstliche Intelligenz beschleunigen dies, und machen mehr und mehr abstruse Regularien notwendig. Das Eine bedingt also das Andere. Gruß, DerSchmied
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Alexander schrieb: > Der Punkt war doch aber dass Du es angeblich nicht darfst. > Vorsichtsmaßnahmen hin oder her. Ich wollte nur mal was für mich basteln! :o)
Alexander schrieb: > Der Punkt war doch aber dass Du es angeblich nicht darfst. > Vorsichtsmaßnahmen hin oder her. Ich lese das anders: J. S. schrieb: > Wer also meint, es müsse unbedingt Medizingeräte nachbauen, sollte > zusehen, dass er sie ausschließlich an sich selber testet und die > Benutzung bei anderen Personen unterlassen und sicher ausschließen. Die Behauptung ist, so wie ich das lese, dass Strafen drohen, wenn die Nutzung durch andere nicht sicher unterbunden wird.
Alexander schrieb: > Der Punkt war doch aber dass Du es angeblich nicht darfst. > Vorsichtsmaßnahmen hin oder her. Laut OP aber nur bei "Inverkehrbringen". Das ist nicht gegeben, wenn ich etwas für mich baue.
Für die "Inverkehrbringung" kann er aber angeblich "einige Fälle benennen" wo "es nur zuhause herumlag" Daher meine Anschlussfrage Alexander schrieb: > Die Abgrenzung erschließt sich mir nicht. Was ist wenn ich mir ein > Oszilloskop/Meßgerät whatever für mein Auto bastele, und dieses zufällig > wie ein EKG aussieht? Ich halte das für Humbug und wäre auch ein Kandidat für Lehrgeld.
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Alexander schrieb: > Für die "Inverkehrbringung" kann er aber angeblich "einige Fälle > benennen" wo "es nur zuhause herumlag" > > Daher meine Anschlussfrage > > Alexander schrieb: >> Die Abgrenzung erschließt sich mir nicht. Was ist wenn ich mir ein >> Oszilloskop/Meßgerät whatever für mein Auto bastele, und dieses zufällig >> wie ein EKG aussieht? > > Ich halte das für Humbug und wäre auch ein Kandidat für Lehrgeld. Dann wird dir sofort die Zulassung für dein Fahrzeug entzogen, da das Gerät möglicherweise zu Störungen führt, weswegen du gegen EU-Abgasrichtlinien verstößt. Ich kenne da mindestens 3 Leute, denen genau das schon passiert ist und zwei davon mussten eine 5-Stellige Strafe bezahlen! ;-) (Hinweis: Dieser Beitrag ist nur zur Unterhaltung gedacht)
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Alexander schrieb: > Für die "Inverkehrbringung" kann er aber "einige Fälle benennen" wo "es > nur zuhause herumlag" Die Fälle würden mich interessieren - vielleicht kann der OP dazu mal Näheres sagen. Davon ab: die Nutzung durch Fremde kann man ja sehr einfach wirksam verhindern - zumal wohl niemand auf die Idee käme, sich eine unbekannte Lochrasterplatine (das war unser "EKG" damals) im Elektroniklabor zu nehmen, sich irgendwelche Strippen zu suchen und das an den Körper zu hängen ;-) Genauso darf sich der Bastler nicht wundern, wenn jemand anderes ein Gerät benutzt, das der Bastler in ein schickes Gehäuse mit "EKG"-Schriftzug betriebsbereit verbaut hat und samt Elektroden passend neben das Blutdruckmessgerät legt. Manchmal reicht einfaches Nachdenken tatsächlich aus.
Aber nicht ohne Passierschein A38 für die EU-Abgasrichtlinien.
Stefan N. schrieb: > (Hinweis: Dieser Beitrag ist nur zur Unterhaltung gedacht) Und wann kommt`s Freibier+Pommes?
Ich denke, die Diskussion ist müßig. Diejenigen, welche Medizinprodukte entwickeln, kennen die einschlägigen Normen, Vorschriften und Entwicklungsschritte einschließlich der QM und der Dokumentation. Diejenigen welche keine Medizinprodukte entwickeln, ahnen oft nicht mal, welcher Aufwand dahintersteckt. Pauschale aussagen sind einfach nicht nützlich. Es gibt einen großen Unterschied beim Entwicklungsaufwandes eines Produktes der MPG Klasse I oder der MPG Klasse III. Nicht immer ist eine benannte Stelle notwendig. Und natürlich darf ich als Entwickler Versuchsaufbauten auf meinem Labortisch haben, obwohl das Produkt noch nicht zugelassen ist. Wie sollte ansonsten eine Entwicklung erfolgen? Das Thema ist in Summe viel zu komplex, um es in einem Forum umfassend sachlich zu diskutieren.
Motopick schrieb: > Ein simples Medizinprodukt braucht im EU-Raum mittlerweile ca. > 1500 Dokumente fuer eine erfolgreiche Zulassung. Nicht unbedingt. Kommt auf die Klasse an. Diese wiederum richtet sich danach, wie eng am Menschen es verwendet wird und welche Gefahren drohen. Der Aufwand sind aber nicht einfach die Dokumente, sondern eben auch Studien, die Einhaltung eines Entwicklungsprozesses und dessen Dokumentation. Da geht schon Zeit rein. Für Automotive und Luftfahrt ist es aber oft nicht weniger. > Was nun mittlerweile dazu fuehrt, dass Hersteller gleich ganz > auf so eine Zulassung verzichten, und ihre Produkte nur noch im > Nicht-EU-Raum anbieten. Nun ja, dann verschenkt er Geld. Das dürfte nur dann passieren, wenn er sich in Europa aus irgendwelchen Gründen nicht genug Absatz verspricht. Außerdem ist es so, dass der Dokumentensatz, den man für andere Länder braucht, ja eine große Schnittmenge aufweist mit dem, was für die EU oder gar USA und Canada nötig ist. Nach meiner persönlichen Erfahrung ist FDA oft umständlicher. Stefan N. schrieb: > In folgenden Fällen handelt es sich nicht um ein Inverkehrbringen: s.u. Udo K. schrieb: > ...und ist dann nicht die Medizinrichtlinie zuständig Aufpassen: MPG ist ein vertikales Gesetz und überschneidet gfs andere Gesetze. Das ist aber "oder"-Verknüpft und nicht etwa "und"-verknüpft. Das heißt, nur weil ein Produkt durch Gesetz Y erfasst ist, heißt das nicht, dass das MPG nicht gilt. Und: Nur weil es nicht gegen Y verstößt, kann es trotzdem gegen MPG verstoßen. Es kommt drauf an, ob ein Produkt vom MPG erfasst ist oder nicht. Dazu zählen z.b. ausdrücklich "Geräte zur Überwachung und Beeinflussung physiologischer Parameter.". Wenn man mit einem Gerät also Blutdruck messen kann, ist es ein MPG. Das Inverkehrbringen ist natürlich Definitionssache: Joe G. schrieb: > Und natürlich darf ich als Entwickler Versuchsaufbauten auf meinem > Labortisch haben, obwohl das Produkt noch nicht zugelassen ist. Es nur zu bauen und auf dem Arbeitstisch liegen zu lassen ist kein Problem. Der Arbeitstisch ist in der Firma und wenn da einer mit Prototypen herumspielt, ist das nicht in der Verantwortung des Entwicklers. Natürlich nicht. Allerdings gelten dort ja die üblichen Sicherheitsvorkehrungen in Sachen Strom und Spannung. Wenn man daheim etwas Rumliegen lässt und jeder Hausbesucher dran kann, entstehen mindestens die gleichen Haftungsansprüche, wie beim Selbstbau von anderen Geräten, wie z.B: Teslagenerator o.ä. Der Punkt auf den ich hinaus will: Wenn jemand eine Bastelanleitung ins Netz stellt, wie man ein EKG baut, dürfte das noch unkritisch sein (behaupte ich mal). Baut es aber einer nach und probiert es an jemandem aus, könnte ich mir vorstellen, dass nicht nur der Bastler, sondern auch der Anleitungsgeber in Haftung genommen wird, sofern man ihm nachweisen kann, dass er von der Thematik wusste. Als Ingenieur würde ich sicherheitshalber mal die Finger davon lassen, privat solche Anleitungen zu posten.
Chris D. schrieb: > Alexander schrieb: >> Für die "Inverkehrbringung" kann er aber "einige Fälle benennen" wo "es >> nur zuhause herumlag" > Die Fälle würden mich interessieren - vielleicht kann der OP dazu mal > Näheres sagen. Fall 1: Ein Elektroniker ohne Studium baute ein Reizstromgerät, um Muskelentspannung zu betreiben. Da er solche Geräte im Internet "ohne Rezept" bestellen konnte, nahm er an, dass es kein MED-Gerät ist. Ferner nahm er an, dass es nicht zulassungspflichtig sei - auch deshalb, weil er es nicht verkaufen konnte. Sein Fussballkollege benutzte es am Oberschenkel. Durch einen zu hohen Strom erlitt der einen Infarkt mit Herzmuskelschaden. Anwalt argumentierte, dass Mandant kein Ingenieur sei und das nicht hatte voraussehen können. Richterin wendete aber MPG an und schätzte das Gerät als MED-Produkt ein. Geldstrafe und Schadenersatz mit Dauerrente an Geschädigten + Regressforderung von seiner Versicherung. > Davon ab: die Nutzung durch Fremde kann man ja sehr einfach wirksam > verhindern So ist es. Elektronik darf nicht einschaltbar sein. D.h. kein Kabel dran oder keine Batterie. Wenn einer was dranlötet oder klemmt um es in Betrieb zu bekommen, ist man aus der Haftung raus. Das gilt auch für Fachkundige: Der oft zitierte Fall ist der einer Elektrofachkraft, die einen Defibri ausgemustert hatte, weil der Fehlfunktionen hatte. Das Gerät stand aber noch griffbereit. Bei einem Notfall hat es ein Arzt wissentlich genutzt und ist das Risiko eingegangen. Patient starb am Stromschlag. Arzt wurde freigesprochen, da er das Risiko eingehen darf. Elektrofachkraft wurde verurteilt, weil er hätte wissen müssen, dass das Gerät defekt ist. Er hätte es unbrauchbar machen müssen, also Stecker ab. Das mache ich seither mit jedem Elektrogerät, das ich auf den Müll bringe. > Genauso darf sich der Bastler nicht wundern, wenn jemand anderes ein > Gerät benutzt, das der Bastler in ein schickes Gehäuse mit > "EKG"-Schriftzug betriebsbereit verbaut hat und samt Elektroden passend > neben das Blutdruckmessgerät legt. Das wäre interessant, weil ja dann Vorsatz vorläge. Ich sage mal, solange kein Problem, solange der Bastler den Täter nicht auf die Idee gebracht hat. Im anderen Fall bin ich raus - müssen Juristen einschätzen. Weiter oben bringt jemand ein Oszi-Vorsatz ins Spiel, der zufällig aussieht, wie ein EKG-Vorschaltgerät. Da sage ich: kein Problem. Wie auch?
Fall2: Entwicklungsingenieur mit Studium, ohne Med-Kenntnisse, baute eine Art Massagegerät zur mechanischen Muskelstimulation, wie er es im Fernsehen gesehen hatte: Es handelte sich um eine "Wackelplatte die Leistungsportler nutzen, um die Muskeln zu stärken" wie es hieß. Der Eigenbau erfolgt aus Teilen vom Schrott, wenn ich mich richtig erinnere. Funktion: Man stellt sich mit beiden Beinen drauf und schaltet es an. Der Selbstbau hatte keine Abschaltsicherung, funktionierte "normal" - war aber seitlich offen. Der Sohnemann präsentiert es stolz seinen Freunden. Einer probiert es aus, es kippt und das ratternde Teil muss irgendwie den Fuss erwischt haben. Resultat Zehen zerquetscht. Spruch: Geldstrafe + Schadenersatz + Schmerzensgeld. Ebenfalls Einstufung als MED-Gerät und damit "teuer", als einfach eine Gefährdungshaftung, weil dem Nutzer vorgespiegelt wurde, es "bestimmungsgemäß" zu benutzen, wenn er sich draufstellt. Hätte Papi das dem Sohn nicht als "Muskelstimulator" sondern als "Farbeimermischgerät" kommuniziert (das war das Ding wohl vorher, nehme ich an) dann wäre eine Nutzung durch den Schulfreund ein nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch gewesen und damit ein Unfall mit Gefährdungshaftung. Dann gäbe es (wenn überhaupt) nur eine geringe Strafe und höchstwahrscheinlich würde die Haftpflicht das komplett übernommen haben.
J. S. schrieb: > Fall 1: Ein Elektroniker ohne Studium baute ein Reizstromgerät, um > Muskelentspannung zu betreiben. […] Sein Fussballkollege benutzte es am > Oberschenkel. Durch einen zu hohen Strom erlitt der einen Infarkt mit > Herzmuskelschaden. Kann man dazu irgendwas nachlesen? Ich hab so’n Ding gerade einige Zeit benutzen müssen; dort gibt es zwei Elektroden, und wenn man die am Oberschenkel anbringt, fließt da garantiert kein Strom über das Herz – insofern interessiert mich gerade, was da wohl wirklich passiert sein mag.
Fall3/4: Ein (ich mein es war ein) Physiotherapeut baut sich aus einem alten Kosmetikspiegel, der ringsum Lampenfassungen enthält, eine Art Wärmetherapiegerät. Er besorgt sich Infrarotlampen aus dem Baumarkt und schraubt mehrere davon ein. Das Gerät benutzt er nur zuhause für den Eigenbedarf und die Familie. In seiner Abwesenheit schaltet ein Kind das Gerät ein, weil es ihm im Zimmer zu kalt war. Die Kinder spielen, das Gerät fällt um und Kleinkind erleidet schwere Verbrennungen durch die heißen und ungeschützten Lampen. Richter ist der Ansicht, dass es ein Therapiegerät ist und gegenüber normalen IR-Lampen aus dem Markt eine "erhöhte Gefährlichkeit" hat, was Physiotherapeut hätte wissen müssen. Genaues Urteil weis ich nicht mehr. Vermutlich Geldstrafe. In einem anderen Fall hat ein Privatmann so ein defektes Profi-Gerät aus einem Altbestand eines Physios erworben, wieder aufgearbeitet, an der Decke montiert und mit seiner Familie privat regelmäßig genutzt. Eine Person ist irgendwann wohl darunter eingeschlafen und erlitt schwere Verbrennungen sowie "Zellschäden durch die tiefgehenden IR-Strahlen". Daran erinnere ich mich noch genau, weil ein möglicher Hautkrebs durch IR diskutiert wurde. Der Privatmann hatte den defekten Zeitschalter überdrückt und auch nicht zugelassene Lampen eingebaut. Die Lampen waren zwar insgesamt schwächer, aber eben nicht zugelassen. Da das Gerät keine Zulassung, kein CE kein garnichts hatte, gab es dicke Strafe.
Also doch Humbug mit 5 stelligen Beträgen. In genannten Beispielen gab es Verletzte. Du hattest aber behauptet das bloße herumliegen wäre eine Inverkehrbringung, da macht man sich schon strafbar - selbst wenn noch niemand zu Schaden gekommen ist.
Hi, J. S. schrieb: > Fall2: Entwicklungsingenieur mit Studium, ohne Med-Kenntnisse, baute > eine Art Massagegerät zur mechanischen Muskelstimulation, wie er es im > Fernsehen gesehen hatte: Es handelte sich um eine "Wackelplatte die > Leistungsportler nutzen, um die Muskeln zu stärken" wie es hieß. Nicht nur zu diesem Fall, sondern auch zu deinen anderen Beispielen würde mich mal folgendes Interessieren: *Ort (Staat) des angeblichen Ereignisses? (Wichtig weil ja solche Gesetze vom Staat abhängig sind) *Zeitpunkt des angeblichen Ereignisses? (Wichtig weil sich die Gesetze laufend verändern. Was vor 10 Jahren erlaubt war kann heute Streng verboten sein und umgekehrt) *Vor allem aber AKTENZEICHEN des Urteils um nachzusehen ob die Interpretation das es überhaupt irgendetwas mit der MDD/MDR bzw. jeweiligen Umsetzung in nationales Recht zu tun hat. Oft wird in viele Urteile von LAien etwas reininterpretiert was überhaupt nicht drin steht. Wenn dann noch hörensagen im Spiel ist gilt das um so mehr! Zu deinem Fall 2 z.B... Kosmetik-/Massagegeräte sind (zumindest in der bis 2021 geltenden Fassung des MPG, neuer müsste ich nachsehen, da habe ich den Bereich gewechselt) so lange kein medizinischer Nutzen behauptet wird bis auf wenige Ausnahmen keine Medizinprodukte. Eine diskutierte Ausnahme sind EMS Geräte da man §2 Abs2 des MPG(2021) in Verbindung mit Anlage 1, Punkt 1.1 MPBetreibV so auslegen könnte. (Gibt aber auch gegenteilige Meinungen) Davon abgesehen gilt Eigenbedarf und Nutzung daheim, auch wenn für andere zugänglich, wie jemand anderes schon schrieb, NICHT als Inverkehrbringen! Was aber gerade bei deinem Fall zwei Relevant ist, von dir aber gerade NICHT als Faktor behandelt wird: Eine "Rüttelplatte" egal ob kosmetisch, medizinisch oder zum Bauen, Fällt unter den Anwendungsbereich der MASCHINENRICHTLINIE. Und eine BESONDERHEIT der MASCHINENRICHTLINIE (bzw. der nationalen Umsetzungen) ist das diese nicht nur für das Inverkehrbringen sondern SOGAR FÜR DIE INBETRIEBNAHME VON SELBSTBAUTEN gilt. (Artikel 5!) Es gibt natürlich Ausnahmen von "Maschinen" (nach in der Richtlinie enthaltener Begriffsdefinition), die trotzdem nicht unter diese Richtlinie fallen (und damit für den Eigenbedarf legal gebastelt werden können) Die für uns (z.B. 3D Drucker-Bauer, zumindest mit etwas Auslegung) wichtigsten sind im Artikel 1 Punkt K aufgeführt: > k) elektrische und elektronische Erzeugnisse folgender Arten, soweit sie > unter die Richtlinie 73/23/EWG35 des Rates > vom 19. Februar 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der > Mitgliedstaaten betreffend elektrische > Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen36 > fallen: > — für den häuslichen Gebrauch bestimmte Haushaltsgeräte, > — Audio- und Videogeräte, > — informationstechnische Geräte, > — gewöhnliche Büromaschinen, > — Niederspannungsschaltgeräte und -steuergeräte, > — Elektromotoren; Eine Kosmetische Rüttelplatte fällt aber nicht unter diese Ausnahme. (Wie eine selbst gebaute CNC Fräse auch nicht... Solange nichts passiert gilt halt wo kein Kläger kein Richter...) Damit gilt auch für ein privates Einzelstück die Pflicht zur Durchführung des kompletten Konformitätsverfahren vor der ersten Inbetriebnahme (zur Nutzung) Daher passt die von dir behauptete "Verschärfung gegenüber reiner vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht(verhinderung der Benutzung durch Fremde)" wegen Fehlender CE NICHT zum MPG, aber 100% zur Maschinenrichtlinie! Auch deine Fälle 3 & 4 haben nichts spezifisches mit dem MPG zu tun. Wärmeerzeugende GEräte stellen immer eine erhöhte Gefährdung da. Egal ob mit CE oder ohne. Verändet man diese muss man davon ausgehen das die Gefahr sogar erhöht ist sofern man nicht das Gegenteil sicherstellt. Lässt man Kinder unbeaufsichtig damit spielen oder manipuliert diese durch Aufhebung von Sicherheitsmechanismen, dann ist man IMMER Haftbar und wird ggf. Verurteilt werden wenn dadurch Schäden entstehen. Genau wie bei jedem anderen elektrischen Gerät auch... Da braucht es kein MPG! Auch für deinen ersten Fall spielt das MPG überhaupt keine Rolle. Person A hat ein potentiell gefährliches GErät hergestellt dessen Gefahr weder offensichtlich noch deren Kenntnis (bei dieser Geräteart) man als allgemein bekannt vorraussetzen kann. Dieser Gerät hat er einem anderen zur Nutzung überlassen. Das ist, egal um was es sich für eine GEräteart handelt, schlicht grob Fahrlässig. Die Frage ob MPG spielt da, vor allem im Zivilprozess, (der war es wenn es um Schadensersatz geht), überhaupt keine Rolle. Da geht es darum ob der Schaden schuldhaft verursacht wurde: Ist das der Fall zahlt man den Schaden, wenn nein und keine Gefährdungshaftung in Frage kommt zahlt man nicht. Die Zahlungshöhe hängt in jedem Fall nur vom Schaden selbst und Mitverschulden des Geschädigten ab. Die einzigen Punkte wo ich allerdings zustimme, das ist die Notwendigkeit größtmöglicher Vorsicht beim (privaten) Betrieb von vielen Medizinischen Bastelleien. Insbesondere Dinge wie EKG und EEG, wo im Fehlerfall evtl. auftretende Ströme direkt mit gutem Kontakt auf kurzem Weg durch Herz oder Hirn strömen würden. Gerade bei EKG Bastelleien können selbst die zulässigen Ableitströme (über PE) die aber im PE Fehlerfall auch über andere Wege gehen, schon sehr gefährlich sein. Daher ist z.B. für diese Geräteklasse ohne hinreichendes Fachwissen UND Zugriff auf die richtigen Prüfgeräte alles ausser reiner Betrieb über Batterien einfach ein Risiko das man nicht eingehen sollte. Nicht für sich und schon gar nicht für andere! Eine Weitergabe an Dritte ist als Inverkehrbringen dann noch einmal eine ganz andere Sache. Da ist für die meiste (nicht alle) Medizintechnik zwingend die zusammenarbeit mit einem Notified Body zwingend. Bei Klasse Im und IIa entweder in dem man für Produktion und/oder HErstellung ein regelmäßig durch den NB auditiertes QM System einführt, bei Klasse IIb und III muss der NB zwingend das Produkt selbst (zusätzlich) bewerten! Daran erkennt man wie ernst das Thema mittlerweile genommen wird. Nur Medizinprodukte der Klasse I (ohne m) darf man auch ohne NB komplett eigenständig in den Verkehr bringen. BTW: Selbst ein Fieberthermometer fällt schon (wie auch ein EKG) unter Klasse 1m! Gruß Carsten ( ~14 Jahre -bis 2021- in der Entwicklung von Medizintechnik, davon 7 Jahre auch mit zuständigkeit Regulatory Affairs bei einem Hersteller von Medizinprodukten der Klassen I, Im und IIa mit internationalen Vertrieb inkl. USA)
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Carsten S. schrieb: > Selbst ein Fieberthermometer fällt schon (wie auch ein EKG) unter > Klasse 1m! Dazu eine Frage: Welche Gerätearten gehören zur Klasse 1m bzw. wo könnte man dazu nachlesen? Habe noch einmal nachgesehen, mit welcher Spannung mein Fieberthermometer betrieben wird. Es enthält eine LR41-Zelle, also 1,5V.
Motopick schrieb: > Ein simples Medizinprodukt braucht im EU-Raum mittlerweile ca. > 1500 Dokumente fuer eine erfolgreiche Zulassung. Nonsens. Moto, Du laberst mal wieder und übertreibst masslos. PAckm la lieber wieder ein Hermes M Paket .-) > > Was nun mittlerweile dazu fuehrt, dass Hersteller gleich ganz > auf so eine Zulassung verzichten, und ihre Produkte nur noch im > Nicht-EU-Raum anbieten. Im Gegenteil. Die Zulassung im EU Raum ist zwar anspruchsvoll, aber noch sehr angehnem zu machen. Zulassungen im US -Raum und in Japan sind da schon einiges umfangreicher. Beides ist "mein täglich Brot", und das mit mehr als 10 Jahren Erfahrung.
Stefan N. schrieb: > Wieso nicht? Gerade in diesem Forum bekommt man dann immer gleich > sachliche Antworten von Experten, die sich viel besser auskennen und > faktenorientiert darlegen, wie genau die Sache in Wirklichkeit ist. DER war gut .-)
Andrew T. schrieb: > Beides ist "mein täglich Brot", und das mit mehr als 10 Jahren > Erfahrung. Na Carsten und Du haben sich ja tolle Beruf(ungen) ausgesucht! Ich sterbe tausend Tode wenn ich die verd... Normen lesen muss! Sei schlau, stell dich doof, ist da meine Devise!
Hi, Wolle G. schrieb: > Carsten S. schrieb: >> Selbst ein Fieberthermometer fällt schon (wie auch ein EKG) unter >> Klasse 1m! > > Dazu eine Frage: Welche Gerätearten gehören zur Klasse 1m bzw. wo könnte > man dazu nachlesen? > Habe noch einmal nachgesehen, mit welcher Spannung mein > Fieberthermometer betrieben wird. Es enthält eine LR41-Zelle, also 1,5V. Das steht in den jeweiligen Richtlinien selbst... https://www.johner-institut.de/blog/tag/klassifizierung/ In der MDR z.B. im Anhang VIII Wobei ich mich da selbst korrigieren muss: Hatte das jetzt entweder falsch im Kopf, war auch nie mein Bereich, oder es hat sich geändert (glaube aber ersteres), auf jeden Fall ist meine Aussage zur Klasse Im (jetzt I*) für die o.g. Geräte falsch. Diese sind MINDESTENS Klasse IIa. (Was aber praktisch keinen wirklichen Unterschied macht da beides ein durch eine "notified body" zertifiziertes und laufend auditiertes QM System nach EN13485 vorraussetzt. (Ohne ein solches QM System Alternativ nur mit Prüfung der Entwicklung durch NB sowie Prüfung JEDES einzelnen produzierten Gerätes als Stückprüfung in einem akkreditiertem Labor) Für bestimmte EKG Geräte könnte man sogar die Einstufung als Klasse IIb als notwendig ansehen da eine Fehlfunktion direkt tödliche Folgen haben kann. (Und sei es durch unterlassen von Maßnahmen wegen nichterkennens eines Lebensbedrohlichen Zustands) Für die Einstufung in die Risikoklasse spielt eine Rolle was INSGESAMT die Folgen sein könnten wenn das Gerät entweder fehlbedient wird oder nicht wie vorgesehen funktioniert. Und deshalb ist auch bei einem Fieberthermometer die Mitwirkung einer benannten Stelle (als angeblich) neutrale Instanz sinnvoll. Auch wenn das Fieberthermometer selbst völlig ungefährlich ist. Denn zeigt dieses z.B. bei einem Kleinkind/Säugling statt realen über 42C nur 37,5C an und die Betreuungsperson verlässt sich darauf, dann wird der potentiell lebensbedrohliche Zustand nicht erkannt und keine dringend notwendige Behandlung eingeleitet! Schwerste Gesundheitsschäden und Tod können bereits innerhalb kurzer Zeit die Folge sein. Und das bloß weil eine Temperaturanzeige um 4 Grad daneben lag... Gruß Carsten
Hi, Gunnar F. schrieb: > Andrew T. schrieb: >> Beides ist "mein täglich Brot", und das mit mehr als 10 Jahren >> Erfahrung. > > Na Carsten und Du haben sich ja tolle Beruf(ungen) ausgesucht! Ich > sterbe tausend Tode wenn ich die verd... Normen lesen muss! > Sei schlau, stell dich doof, ist da meine Devise! Hättest du meinem 20 jährigen "ich" erzählt das ich mich beruflich mal freiwillig mit diesen Themen beschäftige... Ich hätte dich ausgelacht! ;-) Aber ich bin da halt ursprünglich mal so ein wenig reingerutscht und es kann durchaus auch Spass machen wenn die Bedingungen stimmen. Allerdings, um das auch gleich dabei zu sagen, habe ich immer großen Wert darauf gelegt und lege das noch, das ich nicht nur Papierkram mache sondern zumindest ab und an auch noch mal selbst was aktiv Entwickle. Aktuell sind das dann kleine für sich abgeschlossene Projekte (wie letzte Tage die Überarbeitung/neuentwicklung eines Schaltnetzteils), Einsteckmodul mit eigener µC oder wenn es dann wirklich mal brennt auch Aushilfe bei den Projekten der Kollegen. Und natürlich sowieso technische Beratung bei den jungen und nicht mehr ganz so jungen Kollegen. Das ist eine ganz nette Kombination. Gibt einem auch relativ viele Freiheiten da, wenn etwas nicht gerade absolut brennt oder Besprechungen angesetzt sind, man sich so ja auch aussuchen kann mit welcher Art von Arbeit man heute weitermacht. Und auch bei der Papierarbeit ist nicht alles nur Normenwälzen. Ich (und meine Kollegin) sind ja diejenigen die bei bei praktisch jedem Schritt in der Produktentwicklung direkt eingebunden sind. Können gestalten, vermitteln, Vorgaben machen, absegnen oder ablehnen. Wenn das dann, wie bei mir glücklicherweise der Fall, in einer Fa ist wo nicht nur ein echter Wille zur Qualität und gutem Kundenservice da ist sondern auch noch unsere Vorgaben tatsächlich umgesetzt werden, dann kann das richtig Spass machen. Auch muss ich sagen das sich meine Einstellung zu QM Systemen ziemlich gewandelt hat. Früher war das für mich grundsätzlich nur schrecklicher, arbeitsbehindernder Selbstzweck-Papierkram ohne Nutzen. Heute halte ich die in vielen deutschen Firmen praktizierten QM Systeme zwar immer noch für schrecklichen, arbeitsbehindernden Selbstzweck-Papierkram ohne positiven Nutzen, aber nicht weil die Idee eines QM Systems generell schlecht ist sondern weil es einfach zu viele von reinen Theoretikern nach Schema F eingeführte Systeme gibt die mehr Selbstzweck sind als alles andere. Wenn man dagegen mal erlebt hat wie das mit einem durchdachten und bewusst schlank gehaltenen QM system ist, das Maßgenau auf die Anforderungen zugeschnitten wurde und tatsächlich ohne Anstrengung gelebt werden kann, der hat dann auch viel eher Spass dabei so etwas mitzugestalten. Und noch um so mehr wenn das nicht nur von den Kollegen akzeptiert wird sondern trotz eines Bruchteils der Zahl an Seiten im QM Handbuch (im Vergleich zu Mitbewerbern) praktisch beanstandungslos durchs Audit geht Gruß Carsten
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Carsten S. schrieb: > Das steht in den jeweiligen Richtlinien selbst... > https://www.johner-institut.de/blog/tag/klassifizierung/ > > In der MDR z.B. im Anhang VIII > Wobei ich mich da selbst korrigieren muss: > Hatte das jetzt entweder falsch im Kopf, war auch nie mein Bereich,.... Danke. Ich hatte gedacht, dass für die Einstufung in die Klassen nur die Höhe der Spannung und damit die Gefahr eines Stromschlages ausschlaggebend sei. Die angeführte Literatur habe ich nur kurz überflogen. (ist nicht so mein Ding) Wenn ich es richtig verstanden habe, dann geht es hier u.a. um Geräte, die in den Verkehr gebracht werden
Wolle G. schrieb: > Ich hatte gedacht, dass für die Einstufung in die Klassen nur die Höhe > der Spannung und damit die Gefahr eines Stromschlages ausschlaggebend > sei. Nein, das allein ist es nicht. Es hat sich bewährt, erstmal die Einstufung in die "Geräte Klasse" zu machen: Also z.B. ob B, BF (body, body floating) oder C, CF (cardiac,..) etc. Dann die Spannung anschauen. Es bleibt dennoch genug Arbeit, die sich aber (wenn man es zwei-, dreimal durchgehechelt hat) bewältigen lässt. Dito für QM, Carsten hat es ja treffend auf den Punkt gebracht: Auslegen, begründen warum die gewählte "Schlankheit" zutreffend ist für's Produkt, und dann angehen. Ich drücke Dir die Daumen .-) !
Alexander schrieb: > Du hattest aber behauptet das bloße herumliegen wäre eine > Inverkehrbringung, da macht man sich schon strafbar - selbst wenn noch > niemand zu Schaden gekommen ist. Nö, hatte ich so nicht geschrieben. Inverkehrbringung ist schon eine bewusste Handlung, trotzdem kann auch das Runmliegenlasssen (als Beispiel gedacht) schon ein Problem sein. Carsten S. schrieb: > Was aber gerade bei deinem Fall zwei Relevant ist, von dir aber gerade > NICHT als Faktor behandelt wird: > Eine "Rüttelplatte" egal ob kosmetisch, medizinisch oder zum Bauen, > Fällt unter den Anwendungsbereich der MASCHINENRICHTLINIE. Das mag sein, konterkariert aber nicht die Wertung, die der Richter vorgenommen hat. Aus der Erinnerung weis ich natürlich keine Details mehr, aber der Begriff "MASCHINENRICHTLINIE" fiel nicht.
Und ob es dann in nächsthöherer Instanz aufgehoben wurde, schriebst/weisst Du auch nicht.
Dieser Thread kommt mir vor wie ein Haus in dem nichtnur ein Messie lebt, sondern dutzende. Dazu kommen noch die selbstverliebten Möchtegern-und Pseudojuristen. Soviel Unsinn in einem Thread lese ich selten. Deshalb versuche ich garnicht erst aufzuräumen. Was mir aber am Herzen liegt und weshalb ich überhaupt hier schreibe: Nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird, will heißen, die von deutschen Bürokraten ersonnenen Vorschriften widersprechen in großen Teilen sich selbst. Aaaaber wie in Deutschland üblich, werden zu allen Regeln eine Fülle von Ausnahmen erstellt. Selbige werden natürlich nicht in gleichem Umfang publiziert wie die eigentlichen Regeln. Somit weiß nur jemand über die tatsächlichen Bestimmungen Bescheid, wer auch die Ausnahmen kennt. Nur ein Beispiel: Ein Medizinprodukt bekommt eine Zulassung/Zertifizierung nur für eine bestimmte Anwendung. Wird das Produkt anderweitig, sprich nicht seiner Bestimmung gemäß verwendet, dann liegt ein Verstoß gegen das MPG vor. Ein banales Beispiel aus der Praxis: Ein Katheter oder sonst ein Hohlleiter, beide müssen zertifiziert für eine dedizierte Anwendung sein, wird mal eben für einen anderen Zweck benötigt. Der Doc braucht mal eben eine Drainage und schneidet dem Katheter den Kopf ab...weil es eben zu seiner Anwendung passt. Der Jurist schreit jetzt: Das ist eine "nicht bestimmungsgemäße Anwendung" und somit unzulässig. Aaaaber, wir sind ja in Deutschland und weil sich die Behörden auch immer ein Schlupfloch lassen, gibt es eben Ausnahmen...von allem. Hier greift das Zauberwort "Inhouse production of medical devices". Ich kann also jedes medical device im eigenen Haus nach meinem Gusto ändern und bin von dieser Ausnahmeregel gedeckt. Zu mir: Ich war seit Mitte der 80er Jahre, erst Geräteverantwortlicher für die damalige MedGV, danach Geräteverantwortlicher nach MPG in einer Universitäts-Herzchirurgie.
> Nonsens. Moto, Du laberst mal wieder und übertreibst masslos.
Keineswegs.
Eine simple "Sattelprothese", Freunde von Hue(p)ftimplantaten
kennen die, sind es mehr als 1300 Dokumente.
Eine kombinierte Kiefer/Nasenprothese, die braucht man, wenn man
im Dunklen gegen einen Briefkasten laeuft, sind es sogar noch mehr. :)
Du hast also doch keine Ahnung.
Diese ueberbordende Buerokratie ist einfach nur noch zum Kotzen. Da muss bei der Entwicklung ein derartiger Papieraufwand betrieben werden, das kaum noch Zeit und Kraft fur die eigentliche Aufgabe der Vorrichtung bleibt. Eine gute Funktion ist naemlich nicht vorgeschrieben. Hauptsache die Vielzahl der Vorschriften wurden laut Doku eingehalten. Selbst finanzieren kann das kein normaler Mensch mehr aus seiner Tasche, also fleissig jeden Monat einen drei- bis vierstelligen Betrag an die KK abdruecken, damit man schoen geschmeidig bleibt.
Selbstbau von Geräten mit Medizinbezug Warum lese ich denn dauernd: Selbstbau von Geräten mit Medizinbetrug?
Motopick schrieb: > Keineswegs. > Eine simple "Sattelprothese", Freunde von Hue(p)ftimplantaten > kennen die, sind es mehr als 1300 Dokumente. Das ist aber auch ein Produkt, das in den menschlichen Körper eingebracht wird und neben schweren mechanischen Problemen auch biochemische Reaktionen auslösen kann. An den Oberflächen von Prothesen bilden sich nur all zu gerne die Biofilme aus Bakterienkulturen, die rasch zum Ableben von Personen führen können. Von daher sind Studien zu z.B. der Materialverträglichkeit einfach Pflicht und da kommt eben einiges an Information zusammen. 1000 Seiten finde ich für einen solchen Fall nicht so wirklich viel. Ich kenne Datenblätter von Chips, die mehrere hundert Seiten haben, um das Wissen zu vermitteln, mit ihnen umzugehen. Bei elektrotechnischen Geräten kommen noch Sicherheitsprüfungen hinzu, die zitiert und beigefügt werden müssen. Da kommt natürlich auch bei Kleingeräten schnell was zusammen. Dennoch stimme ich dem Grundtenor zu, dass es bisweilen übertrieben wird. Das Ansinnen meines Beitrags war aber eigentlich ein anderer: Es ging um Anfänger, die mal eben naiv was zusammenbasteln und garnichts dergleichen im Auge haben oder prüfen, weil sie die Thematik gar nicht im Detail kennen und mit potentiellen Gefahren vertraut sind.
Mein selbstgebastelter Defibrillator funktioniert einwandfrei.
Michael W. schrieb: > Alexander schrieb: >> Mein selbstgebastelter Defibrillator funktioniert einwandfrei. > > Sischer dat... Einmal hat er...
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