Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik gehen Kondensatoren beim Einschalten kaputt oder Mythos?


von Jens S. (jens35)


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In Solar-Bastler Kreisen wird es immer beliebter, einen 24V LiFePo4 Akku 
an einen Mirowechselrichter (100 bis 200W begrenzt) über ein Relais zur 
Nachteinspeisung anzuschliessen. Aber oft wird es behauptet das der 
Wechselrichter, speziell die Kondensatoren, durch das Einschalten über 
das Relais kaputt gehen. Zum Beispiel durch den Funken den es gibt, wenn 
der Wechselrichter an die niederohmige Spannungsquelle LFP-Akku 
angeschlossen wird

Theorie a) die Kondensatoren gehen durch das plötzliche Aufladen kaputt

Theorie b) den Kondensatoren ist es egal, aber das Relais geht kaputt

Theorie c) man muss über einen Widerstand vorladen und dann das Relais 
schließen. bzw zwei Relais haben. Eines mit einen Widerstand und Eines 
zum voll durchschalten

Theorie d) man benötigt eine Konstandstromquelle um den Wechselrichter 
zu begrenzen und die Kondensatoren zu schonen


Welche Erfahrungen habt ihr mit plötzlichen Aufladen großer Kapazitäten 
gemacht?

von Peter (kaputteshirn)


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Hi,

naja, je nachdem stimmt alles so ein bisschen.
Kommt auf die Specs an. Wieviel Kurzschlussstrom kann der Kondensator, 
wieviel kann das Relais, Brummspannung etc. etc..
Bei einem Wechselrichter wirds das Relais sein, beim anderen der 
Kondensator.

VG

von MaWin O. (mawin_original)


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Kondensatoren gehen nicht beim Einschalten kaputt, sondern beim lange 
abgeschaltet sein. Im spannungslosen Zustand baut sich die Oxidschicht 
langsam ab. Das kann dann beim nächsten Einschalten durch einen 
niedrigen Parallelwiderstand zu einer schlagartigen Erwärmung führen.
Man kann die Oxidschicht wieder regenerieren. Aber das muss natürlich 
vor dem Einschalten passieren.

Des Weiteren gibt es noch Alterungseffekte (maßgeblich durch Temperatur 
gesteuert).

Daher nein: Beim Einschalten gehen nur Kondensatoren kaputt, die vorher 
schon defekt waren.

(Kondensatoren mit ab Werk defektem Elektrolyten a.k.a. Kondensatorplage 
habe ich hier ausgenommen. Das ist eine komplett andere Geschichte.)

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Jens S. schrieb:
> Welche Erfahrungen habt ihr mit plötzlichen Aufladen großer Kapazitäten
> gemacht?
Das Stichwort zum Einschalten kapazitiver Lasten mit Relais ist 
"AgSnO2". Die billigen "Allerwelts"-Kontaktmaterialien neigen zum 
"Kleben". Such mit diesem Begriff einfach mal hier im Forum und du 
findest sowas wie den 
Beitrag "Re: Einschaltschaltstrom Schaltnetzteile"

> Theorie c) man muss über einen Widerstand vorladen und dann das Relais
> schließen. bzw zwei Relais haben. Eines mit einen Widerstand und Eines
> zum voll durchschalten
Das geht nur dann, wenn der WR nicht gleich beim Aufschalten die volle 
Leitung abrufen will, sondern der Einschaltstrombegrenzung Zeit zum 
Aufladen lässt.


MaWin O. schrieb:
> Beim Einschalten gehen nur Kondensatoren kaputt, die vorher schon defekt
> waren.
Und meist werden schlechte (wegen billig) oder thermisch und elektrisch 
unterdimensionierte (wegen billig) Elkos schneller defekt.

: Bearbeitet durch Moderator
von Peter D. (peda)


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Ein Solarmodul wird ja langsam beleuchtet, d.h. liefert keinen hohen 
Impulsstrom. Und nur dafür wird der Wechselrichter ausgelegt sein.
Einen stromstarken Akku über ein Relais schlagartig zuzuschalten, kann 
den Wechselrichter überlasten.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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MaWin O. schrieb:
> Daher nein: Beim Einschalten gehen nur Kondensatoren kaputt, die vorher
> schon defekt waren.

Viele Tantalkondensatoren haben eine deutliche Beschränkung des 
zulässigen Ladestroms und können durch Spannungsversorgungen mit zu 
hoher Anstiegsgeschwindigkeit vorgeschädigt werden. Ich wage aber zu 
bezweifeln, dass diese heutzutage im Leistungspfad von üblichen 
Solarwechselrichtern verbaut sind.

von MaWin O. (mawin_original)


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Andreas S. schrieb:
> Viele Tantalkondensatoren haben eine deutliche Beschränkung des
> zulässigen Ladestroms und können durch Spannungsversorgungen mit zu
> hoher Anstiegsgeschwindigkeit vorgeschädigt werden. Ich wage aber zu
> bezweifeln, dass diese heutzutage im Leistungspfad von üblichen
> Solarwechselrichtern verbaut sind.

Das ist richtig.
Ich habe jetzt nur an Nass-Elkos gedacht.

Tantal-Elkos verwendet heute hoffentlich wohl niemand mehr im 
Leistungspfad.

Und Trocken-Elkos sind wohl auch deutlich robuster.

von Rolf (rolf22)


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Peter D. schrieb:
> Ein Solarmodul wird ja langsam beleuchtet, d.h. liefert keinen hohen
> Impulsstrom.

Wenn du bei voller Sonne einen aus irgendeinem Grund herausgezogenen 
Solar-  Stecker wieder einsteckst, deckst du vorher das Modul mit 
Tüchern ab?   ;-)

von Ge L. (Gast)


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MaWin O. schrieb:
> Kondensatoren gehen nicht beim Einschalten kaputt, sondern beim lange
> abgeschaltet sein. Im spannungslosen Zustand baut sich die Oxidschicht
> langsam ab. Das kann dann beim nächsten Einschalten durch einen
> niedrigen Parallelwiderstand zu einer schlagartigen Erwärmung führen.
> Man kann die Oxidschicht wieder regenerieren. Aber das muss natürlich
> vor dem Einschalten passieren.

Wobei das für Elkos vor 1980 gilt, insbesondere für Röhrenradios und 
"mittlere Datentechnik". Solar-Wechselrichter aus der Ära dürften heute 
nicht mehr in Betrieb sein.

Heutige Elkos haben oxidierende Elektrolyte. Der Vorteil: gute 
Lagerfähigkeit ohne Abbau der Oxydschicht. Der Nachteil: wenn sie 
auslaufen, ätzt der Elektrolyt das Kupfer auf der Leiterplatte an.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Soul E. schrieb:
> Wobei das für Elkos vor 1980 gilt, insbesondere für Röhrenradios und
> "mittlere Datentechnik".

Das gilt in gewissem Maße auch noch bei aktuellen Elkos. Ich habe selbst 
schon Langzeitversuche an frisch erworbenen Elkos mit 10.000uF/63V 
durchgeführt. Ich habe z.B. solch einen Elko auf 10,0 V aufgeladen und 
zunächst dessen Leckstrom beobachtet. Dieser sank im Laufe etlicher 
Stunden um viele Größenordnungen ab. Zum Schluss lag er nur noch im 
Nanoamperebereich. Danach ließ ich den aufgeladenen Elko insgesamt rund 
ein halbes Jahr herumliegen und maß nur sporadisch dessen aktuelle 
Spannung. Auch hierbei kam ein Selbstentladestrom im Nanoamperebereich 
heraus.

Ich habe aber keine Ahnung, wie lange die o.a. Elkos schon bei dem 
damaligen Händler Conrad in der Schublade lagen. Das können Tage, aber 
vielleicht auch etliche Monate gewesen sein.

Allerdings war auch der initiale Leckstrom nicht so hoch, dass daraus 
eine Erwärmung oder sonstige Zerstörung hätte resultieren können. WIMRE 
lag er bei rund einem Milliampere.

von Jens S. (jens35)


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Im Zuge des Relay-Gate wurde ja Micro-Wechselrichter geöffnet um 
reinzuschauen. Alle hatten ungfähr 4-8 große Elkos am Eingang, keine 
Tantal oder Wickelkondensatoren.

Da die Micro-Wechselrichter hinter den Panelen gedacht sind muss die 
Elekrtonik schon was ab können. Deshalb sind die Schaltungen oft 
vergossen und die Gehäuse haben passive Kühlrippen. Und vor allem nicht 
die billigsten ELKOs drin.

der Wechselrichter muss sich nach der VDE einige Minuten Zeit nehmen um 
Spannung der Netzfrequenz und Herz zu prüfen, um dann langsam hoch zu 
fahren. Das wird kein Problem sein.
Ich sprach ja auch von Nachteinspeisung von vielleicht 300W oder 
weniger, bei Batterie ca 24V, also kleiner 13 Ampere Dauerstrom



das Problem ist ja für viele der hohe Einschaltstrom der Elkos.
Ein MOSFET oder DC-Solidstade-Relais (MOSFET drin) wäre eine Möglichkeit

oder man baut gleich eine regelbare DC Konstandstromquelle, oder PWM 
Stromquelle auf.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Jens S. schrieb:
> oder man baut gleich eine regelbare DC Konstandstromquelle, oder PWM
> Stromquelle auf.
Da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn eines der Hauptbauteile 
einer PWM-Stromquelle ist der Eingangskondensator, wenn das Ding keine 
EMV-Schleuder sein soll.


> Konstandstromquelle ... Solidstade
Ein Tipp: ruhig mal ein 't' statt eines 'd' verwenden... ;-)

Denn der Strom soll konstan**t** sein und auch der solide (also weder 
gasförmige noch quecksilberflüssige) Zustand der Halbleiterrelais wird 
im Englischen mit zwei 't' geschrieben:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Solid_State_(Elektronik)

von Jens S. (jens35)


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behalte die Rechtschreibfehler ...

von Hp M. (nachtmix)


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Lothar M. schrieb:
>> Konstandstromquelle ... Solidstade
> Ein Tipp: ruhig mal ein 't' statt eines 'd' verwenden... ;-)

In Soggsen gibd es geene so harden Laude.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Lothar M. schrieb:
> Jens S. schrieb:
>> Konstandstromquelle ... Solidstade
> Ein Tipp: ruhig mal ein 't' statt eines 'd' verwenden... ;-)

Aber es geht doch um Relais aus Stade, der Hochburg für 
elektromechanische Bauelemente.

von Ge L. (Gast)


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Andreas S. schrieb:

> Das gilt in gewissem Maße auch noch bei aktuellen Elkos. Ich habe selbst
> schon Langzeitversuche an frisch erworbenen Elkos mit 10.000uF/63V
> durchgeführt. Ich habe z.B. solch einen Elko auf 10,0 V aufgeladen und
> zunächst dessen Leckstrom beobachtet. Dieser sank im Laufe etlicher
> Stunden um viele Größenordnungen ab. Zum Schluss lag er nur noch im
> Nanoamperebereich. Danach ließ ich den aufgeladenen Elko insgesamt rund
> ein halbes Jahr herumliegen und maß nur sporadisch dessen aktuelle
> Spannung. Auch hierbei kam ein Selbstentladestrom im Nanoamperebereich
> heraus.

Da geht es aber um Mikroampere, und die liegen im Rahmen des vom 
Hersteller spezifizierten Leckstromes. Bei historischen Elkos, die nach 
längerer Lagerung formiert werden wollen, haben wir Leckströme im 
zweistelligen Milliampere-Bereich!

von Jens S. (jens35)


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die Frage ist auch praktisch

mechanisches Relay oder DC-solidstate-Relay/Mosfet

ein Mosfet eröffnet natürlich auf ganz anderen Steuermöglichkeiten, PWM 
...

oder den Microwechselrichter auf der AC Seite abschalten,
dann geht der auch in Störung und schaltet ab.
Das hat aber auch den Vorteil das der Wechselrichter im WLAN erreichbar 
bleibt.


(wer Rechtschreibfehler findet kann diese gerne behalten, Danke)

von Rick (rick)


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von Thomas R. (thomasr)


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Mich würde interessieren ob das mit den gewöhnlichen MWR klappt. Diese 
sind ja nur für ein oder maximal zwei Solarpanels parallel vorgesehen 
und erwarten daher am Eingang nur einen maximalen Strom von ca. 18A.

Wenn man da statt eines Panels nun einen Akku anschließt könnte der mit 
seinem sehr geringen Ri einen so hohen Strom liefern, daß die 
Leistungsbauteile im MWR sich verabschieden.

Ich habe so etwas einmal gebaut aber dafür einen Spanungswandler vom 
Akku auf den MWR Eingang verwendet der eine Strombegrenzung hatte. Damit 
kann man auch schön die Entladedauer einstellen.

von Armin X. (werweiswas)


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Also ich würde mal behaupten, dass es ein Zufalls- Mythos ist.
Die berüchtigten Knallbonbons gehen gefühlt meist beim Einschalten 
kaputt weil diese , wenn in Ruhe, Zeit haben die Luftfeuchte durch ihren 
Verguss hindurch wirken zu lassen. Das gilt auch für viele andere 
Nicht-Rifa Entstörkondensatoren.
Motorkondensatoren ploppen beim Einschalten auf weil beim Anlauf eines 
Motors der Strom am größten ist.
Tantalperlen schaffen es wohl in der Ruhezeit zum Leiter zu werden und 
platzen beim Wiederinbetriebnehmen, wenn die Versorgung potent genug 
ist...

von Roland E. (roland0815)


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Naja, bevor ich mir die Mühe mache, 12V mit 50A oder mehr zu schalten, 
trenne ich den WR primär mit nem 10A-Schrack-Hutschine vom Netz. Dann 
speist er auch nicht ein, weil er keinen Sinus sieht.

bei den Eingangskapazitäten der WR verschweißen eher die Relaiskontakte, 
als dass die den Hut auf machen. Zumindest in den ersten zwei..drei 
Jahren.


Nachteispeisung mache ich (noch) nicht, aber ich verzögere meine 
Einspeisung auf die Zeit, die ich zu Hause bin...

: Bearbeitet durch User
von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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MaWin O. schrieb:
> Daher nein: Beim Einschalten gehen nur Kondensatoren kaputt, die vorher
> schon defekt waren.

Das kommt immer auf die Gesamtsituation an. Wenn beim Einschalten davor 
eine Induktivität, die auch parasitär sein kann, liegt, kann es in 
ungünstigen Fällel zu einem Überschwinger bis zum doppelten der 
Scheitelspannung kommen, der dann den Kondensator irgenwann den Rest 
gibt.

von Jens S. (jens35)


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Vorteil Relay: niedriger geschlossener Übergangswiederstand,
aber Funken beim Einschalten zerstören irgendwann die Kontakte

Vorteil Solid-State-Relais. Weil der Stromkreis nicht durch bewegliche 
Teile, sondern rein elektronisch geschlossen wird, spielen 
Kontaktprellen, Lichtbögen und eine damit einhergehende kürzere 
Lebensdauer keine Rolle.
Aber es wird ein geringer Übergangswiderstand erzeugt und etwas Energie 
zum Einschalten benötigt

Stattdessen AC Relay. Ströme gering, aber der Haltestrom höher
und der Microinverter geht auf Störung

Möglichkeit, Softwaresteuerung des Inverters. Das kann aber auch 
aufwendig werden

von Manfred P. (pruckelfred)


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Jens S. schrieb:
> mechanisches Relay

Jens S. schrieb:
> Vorteil Relay:

> Stattdessen AC Relay

Die Teile heißen Relais

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