Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Minimaler Kontaktstrom bei Relais


von Michael S. (rbs_phoenix)


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Hallo zusammen,

ich habe da mal eine Frage zum Thema Relais.

Ich möchte die 4 Leitungen eines Netzteil-Kanals ("Power" und Sense) 
mittels Relais trennen. Das ganze idealerweise mit zwei FTR-B4-4.5Z.
(DB: https://cdn-reichelt.de/documents/datenblatt/C300/FTR-B4.pdf)

Im Datenblatt steht, dass der initiale, maximale Kontaktwiderstand 100m 
Ohm beträgt. Dass dieser sich über die Zeit verschlechtern kann leuchtet 
mir ein.

Wenn ich jetzt aber an die Sense-Leitungen denke, fließt dort nach 
"einschalten" der Relais sicherlich ein recht geringer Strom, bis 
letztendlich die Spannung nachgeregelt ist und der Strom noch geringer 
wird. Ein paar Zeilen unter dem Kontaktwiderstand steht, dass die 
"Minimum switching load*" 10µA bzw. 10mV beträgt. Ich habe vor längerer 
Zeit mal was von "Selbstreinigung" der Kontakte gehört, doch wie 
realistisch/kritisch/zutreffend ist das, wenn ich mit dem Relais immer 
nur die Sense-Ströme schalte?

Außerdem steht bei dem *:
1
"Minimum switching loads mentioned above are reference values. Please perform the confirmation test with the actual load before production since reference values may vary according to switching frequencies, environmental conditions and expected reliability levels."

Also verstehe ich das so, dass man bei kleineren Werten den 
Anwendungsfall testen soll. Da steht aber nicht, dass man bei 
Unterschreitung mit einem deutlich schnelleren Anstieg des 
Kontaktwiderstandes rechnen muss.

Ich habe es auch mal getestet: Ein Signal mit 500nA sowie die 
Sense-Leitungen konnte ich schalten wie erwartet. Ich will aber 
vermeiden, dass ich nach einem Jahr das Relais tauschen muss, weil die 
Kontakte sich zu schnell zusetzen oder so. Außerdem habe ich immer 
gedacht, dass Funken eher schlecht für die Kontakte sind und nicht 
irgendwas reinigen sollen. Und welchen Effekt kann denn eine Last haben, 
die knapp überhalb des angegebenen Grenzwertes liegen - also z.B. 15µA 
bei 15mV?


Kann mich da vielleicht jemand erhellen, was es mit dieser Angabe der 
Minimal-Last auf sich hat?

Grüße
Michael

: Bearbeitet durch User
von Gerald B. (gerald_b)


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Dann nimm doch für die Sense Leitungen Reed Relais. Das sind 
oberflächenveredelte Kontakte in Schutzgasatmosphäre. Die haben ein 
langzeitstabiles Schaltverhalten, mögen allerdings keine hohen Ströme. 
Mit einem einzigen Relais, das Power und Sense gleichgut kann, wirst du 
ansonsten vermutlich eine Solderanfertigung mit 2 unterschiedlichen 
Kontaktmaterialien brauchen.

von Wolfgang D. (blitz_f)


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Moin,

Reed-Relais sind für Null-Last Schalten ungeeignet, da sich im 
Fertigungsprozess Silikate auf den Zungen ablagern, die zu instabilen 
Kontaktwiderständen führen.
Zu dem Thema "trockenes Schalten" habe ich schon einmal ausführlich hier 
im Forum geantwortet.

von Rolf (rolf22)


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Michael S. schrieb:
> Kann mich da vielleicht jemand erhellen, was es mit dieser Angabe der
> Minimal-Last auf sich hat?

Beitrag "Minimale Kontaktbelastung Relais"

https://de.wikipedia.org/wiki/Frittspannung

von Gerhard O. (gerhard_)


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Moin,

Man könnte die Sense Leitungen mit einem PhotoMOS SSR Relais verbinden. 
Viele können bis zu 60V. Der Schalter besteht aus zwei gegeneinander 
geschalteten oder konstruierten Photo N-Channel MOSFETs, deren 
GATE-Struktur photonisch angesteuert werden.

Da Dein Sense-Strom sehr klein ist und RDs-ON unter ein Ohm liegt, 
sollte das anstandslos funtionieren. Diese PhotoMOS SSRs gibt es auch in 
Doppelausführung. Momentan fällt mir aber die Designation nicht ein. 
Sind aber leicht zu finden. Vorteil ist, daß sich da keine Kontakte 
abnützen können. Für den Laststrom nimm natürlich angemessene Relais mit 
ausreichenden Eigenschaften.

Wir verwenden z.B. solche PhotoMOS Schalter erfolgreich schon jahrelang 
in einen Thermocouple Matrix System. Es gibt keine 
Thermospannungsprobleme die über normale Thermocouple Schaltungsmethoden 
hinausgehen.

Ich bin ziemlich sicher, daß jene SSRs in Deiner Anwendung funktionieren 
würden, solange Deine Betriebsspannung im zulässigen Spannungsbereich 
liegen.

Das wäre mein Vorschlag.

Gerhard

: Bearbeitet durch User
von Rainer W. (rawi)


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Michael S. schrieb:
> Ich möchte die 4 Leitungen eines Netzteil-Kanals ("Power" und Sense)
> mittels Relais trennen.

Um welches Netzteil geht es?
Das Netzteil muss auf jeden Fall auch noch eine interne Rückmeldeleitung 
besitzen, damit es keinen Unfug treibt, wenn du die Sense-Leitungen 
unterbrichst.

Ein MOSFET hätte keinen Mindeststrom.

: Bearbeitet durch User
von Lu (oszi45)


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Wenn ich richtig verstehe, hat ein gescheites Netzteil eine Reglung, die 
auch ohne Sense funktioniern muß. Über die Sens-Leitung soll nur so 
nachgeregelt werden, dass am gewünschten Messpunkt die gewünschte 
Spannung wirklich ankommt.
Also muß man die Schaltung des noch unbekannten Netzteils mal 
genauer ansehen und darüber diskutieren. Wahrscheinlich kann man das 
Ganze etwas niederohmiger konstruieren?

von Andrew T. (marsufant)


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Solide Netzgeräte haben intern zw. Sense und Power je 33..220 ohm 
geschaltet. Man muss dann natürlich dafür sorgen daß die Relais im 
powerz Zweig VOR den Sense Relais einschalten, und beim abschalten NACH 
den Sense Relais. Sonst überlastet man die intern Widerstände

Sense Leitungen über Relaiskontakt mit Goldplatierung.

: Bearbeitet durch User
von Motopick (motopick)


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Michael S. schrieb:

> Wenn ich jetzt aber an die Sense-Leitungen denke, fließt dort nach
> "einschalten" der Relais sicherlich ein recht geringer Strom, bis
> letztendlich die Spannung nachgeregelt ist und der Strom noch geringer
> wird.

Alles nur Vermutungen. Wie waere es mal mit nachmessen?
Und wenn der Strom wirklich derart zwergig ist, dass man bei
"normalen" Relais etwas fuerchten muesste, koennte man ja
auch mit einer schwachen ohmschen Last fuer genug Strom sorgen...

von Carypt C. (carypt)



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in der Anlage eine Studie für (Telefon) Schaltkontakte auch bezüglich 
Feuchtigkeit. alt.

von Wollvieh W. (wollvieh)


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Vor Jahrzehnten, als man noch bewährte Kontaktmaterialien einsetzen 
durfte, hatte ich mal Relais in einer Tankwarnanlage, die mit zuwenig 
Strom belastet waren und daher isolierten. Hat aber einige Jahre 
gedauert, bis sie ausfielen.

Die größte Herausforderung war damals, überhaupt Datenblätter für die 
Relais und die Kontaktmaterialien zu finden. Ich glaube es war 
Silber-Cadmiumoxid an 10A-Kontakten. Also fette Knubbel. Oder wie auch 
immer die Kontakteinsätze heißen. Und das wurde von dem Meßstrom im 
1-mA-Bereich nicht genug gebraten, um Kontakt zu geben. Die 
Selbstreinigung dürfte auch nicht geholfen haben, weil das Material ja 
wohl bewußt "schmierig" ist, um die Lebensdauer zu erhöhen.

Heutzutage dürfte es egal sein, was man aussucht, weil sowieso alles 
nach kurzer Zeit ausfällt. Die Relaismechanik, die viel zu dünne 
Kontaktbeschichtung, die ungeeignete Kontaktgeometrie. Bei höheren 
Spulenspannungen sicher auch noch durchbrennender Draht und ausfallende 
Isolierung mit folgenden Windungsschlüssen.

(Google ist mittlerweile soooo ein Witz. Ich suche Bilder mit "Relais 
Kontaktperle", weil ich nicht weiß wie der Knubbel heißt. Kommen paar 
halbe Treffer. Nächste Suche "Relais Kontaktperle Zunge" - und es kommen 
nur noch rausgestreckte Zungen. Was für Deppen!)

: Bearbeitet durch User
von H. H. (hhinz)


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Wollvieh W. schrieb:
> weil ich nicht weiß wie der Knubbel heißt.

Kontaktniet oder Aufschweißkontakt.

: Bearbeitet durch User
von Stefan P. (form)


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Die Firmen Coto und Comus (und bestimmt noch andere) vertreiben 
Reed-Relais mit Quecksilberbedampften Kontakten für genau solche 
Einsatzzwecke.

"Mercury (HG) wetted"

Coto 2920
https://cototechnology.com/library/datasheet/cotoclassic-2900-series-reed-relay-datasheet.pdf

https://comus-intl.com/products/relays/hg-wet-relays/hgrm-series/

von Werner H. (werner45)


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Aus der Reparaturpraxis:
Ein ansonsten sehr robustes Chemielabor-Analysengerät aus USA zeigte 
nach einigen Jahren den Fehler, daß die Autozero-Funktion zeitweise 
nicht mehr richtig arbeitete (Ein Speicherkondensator wurde über einen 
Relaiskontakt geladen). Im verbauten Kartenrelais wurde nur einer der 4 
vorhandenen Kontaktsätze dazu verwendet. Nach Reinigung der Kontakte mit 
einem Pappstreifen funktionierte alles wieder. Zur Langzeit-Abhilfe 
wurden alle Kontaktsätze mit Schaltdraht parallelgeschaltet, das hat 
sich sehr bewährt (Reedrelais gab es noch nicht).
Fazit: Parallelschalten von Kontakten kann abhelfen. Viele alte 
Post-Relais hatten Doppelkontakte zur Funktionssicherheit.

von Soul E. (soul_eye)


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Stefan P. schrieb:
> "Mercury (HG) wetted"

Die sind aber in der EU schwer zu bekommen. Quecksilber gehört zu den 
Chemikalien, vor denen unsere Politiker Angst haben. Selbst das gute 
alte Keysight 3458A brauchte ein Redesign, um hier weiter verkauft zu 
werden.

von Lu (oszi45)


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Bevor ich Klimmzüge nach hochspeziellen Relais machen würde, wären ein 
paar mehr Widerstände meine Lösung.

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