Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik schwächelnder Tapedeck Bias-Oszillator


von Jan (jan24229)


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Moin Leute,

nach fleißigem Benutzen der Suchfunktion glaube ich, dass ein neuer 
Thread für dieses Thema angebracht ist – falls nicht, bitte verschieben 
oder löschen und mir den richtigen Ort sagen.

Also: ich hab ein altes Nakamichi 582Z-Tapedeck, das nach diversen 
Einstell- und Auswechselarbeiten wieder in der Referenzklasse mitspielt. 
Jetzt kam ich neulich aber endlich auf einen Trick, mal wie in der 
Wartungsanleitung beschrieben den Löschstrom zu messen, ohne das Kabel 
zum Löschkopf auftrennen zu müssen (einfach was dazwischenstöpseln - so 
einfach, dass es schon nicht mehr genial ist :-). Der Strom durch den 
Löschkopf soll zwischen 310 und 400 mA betragen, d.h. über einem 
0R47-Widerstand in der Zuleitung sollte man zwischen 145 und 188 mV RMS 
messen. Ich dachte mir, ich stell das mal auf gesunde 350 mA (165 mV) 
ein, und zwar durch Überbrücken von R319 oder R320 wie auch im Handbuch 
angegeben. Dabei stellte sich aber raus, dass die Schaltung das nicht 
schafft, ohne dass der Lösch- und damit auch Vormagnetisierungsstrom von 
einer Sinuskurve abweicht – und das kann ja für den Sound nicht gut 
sein. Schaltbild und Oszi-Bilder von REC PAUSE anbei.

Ich hab inzwischen ein bisschen was dazu gelesen - es müsste sich hier 
um eine Gegentakt-Schaltung handeln, die normalerweise einen schönen 
Sinus produziert – was offensichtlich nicht der Fall ist. Dazu kommt, 
dass einer der beiden Transistoren (Q301) immer ziemlich heiß wird (über 
100° - der andere nur ca. 40°). Also läuft der Oszillator offensichtlich 
irgendwie asymmetrisch. Ich hab schon stärkere Transistoren probiert 
(KSC2383 statt 2SC945 - sollte den zehnfachen Strom vertragen), mit den 
Widerständen R315/316 rumprobiert, neue Kondensatoren probiert und sogar 
Q301 mal gedoppelt – wird in der Tat erheblich weniger heiß, aber ich 
komme trotzdem nicht auf den gewünschten Strom.

Dann dachte ich, vielleicht ist der Löschkopf ja auch gesättigt, und 
stellte mal auf REC PLAY (mit Reineisenband), wodurch der Kopf 
eigentlich mehr Feldleistung übertragen könnte, weil das Band noch mit 
beteiligt ist - keine Reaktion. Aber warum an den Extrema plötzlich der 
Strom nochmal stark ansteigt, versteh ich sowieso nicht. Der 
Bias-Oszillator hat sowieso immer ziemlichen Stress, weil eine Frequenz 
von 105 kHz durch eine Spule im 100 mH-Bereich gezwungen werden muss 
(wenigstens ist das im Aufnahmekopf so, beim Löschkopf bin ich nicht 
ganz sicher).

Jetzt weiß ich nicht weiter und wollte mal fragen, ob hier jemand was 
weiß?  Bevor ich alles in LTspice modelliere und dann feststelle, dass 
ich über den Resonanztrafo leider nichts weiß... Vermutlich reicht ein 
Löschstrom von 330 mA (so ungefähr die Grenze, bevor die Pipse anfangen) 
auch aus, aber wenn ich schon mal dabei bin... ich hab auch noch 
Oszi-Bilder von B, C, E der Transistoren, falls das weiterhilft.

Danke und Gruß

Jan

: Bearbeitet durch User
von Mark S. (voltwide)


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Jan schrieb:
> Der Strom durch den
> Löschkopf soll zwischen 310 und 400 mA betragen, d.h. über einem
> 0R47-Widerstand in der Zuleitung sollte man zwischen 145 und 188 mV RMS
> messen.

Womit genau mißt  Du dieses Spannungsgefälle?

von Kurt (sommerwin)


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Die Löschfrequenz liegt bei den meisten Tapedecks zwischen 70 und 
100kHz, vielleicht hilft das weiter. Und die Frequenz am AW-Kopf ist 
dieselbe wie beim Löschkopf und wird zur Vormagnetisierung des AW-Kopfes 
benutzt.

: Bearbeitet durch User
von Mark S. (voltwide)


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Jan schrieb:
> weil eine Frequenz
> von 105 kHz durch eine Spule im 100 mH-Bereich

von Mark S. (voltwide)


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Mark S. schrieb:
> Womit genau mißt  Du dieses Spannungsgefälle?
Das hat sich durch die Oszillogramme beantwortet.
Die Originaltransistoren sind lt Datenblatt eigentlich nichts 
Besonderes, BC 547B sollten eigentlich an der Stelle tun. Für die 
asymmetrische Aufheizung hätte ich jetzt keine zündende Idee.

von Jan (jan24229)


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>
> Womit genau mißt  Du dieses Spannungsgefälle?

Habe eine Verlängerung zwischen den Ausgang auf der Platine und den 
Löschkopf-Stecker gestöpselt - hatte zufällig passende Stecker und 
Buchsen. In einem Kabel ist ein 0.47 Ohm-Widerstand mit drin, und nach 
dem Ohmschen Gesetz verrät einem dann der Spannungsabfall über dem 
Widerstand den Strom, der da durchgeht. Es ist dabei nicht ganz egal, wo 
man Masse und Prüfspitze anklemmt. Das Handbuch schreibt einen 0.1 
Ohm-Widerstand vor, aber über dem ist die Spannung etwas zu gering zum 
sauberen Messen. Wäre natürlich im Prinzip besser, weil es den gesamten 
Serienwiderstand weniger beeinflusst - aber manchmal spinnen die bei 
Nakamichi auch ein bisschen ;-)

(Über den Spannungsabfall bei Durchstromung hab ich auch beim Motorrad 
mal rausgefunden, warum mir da öfters mal Sicherungen durchschmorten: 
nicht Überstrom, sondern oxidierte Kontakte - davon schmilzt eine 
Sicherung auch, wie ich jetzt weiß :-) Und Spannungsabfall x Strom = 
Leistung, die die Sicherung und Klemme als Wärme aufnimmt. Warum das 
Gehäuse keinerlei Spuren von Hitzeeinwirkung zeigt, ist mir aber immer 
noch ein Rätsel...)

: Bearbeitet durch User
von Jan (jan24229)


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Mark S. schrieb:

> Die Originaltransistoren sind lt Datenblatt eigentlich nichts
> Besonderes, BC 547B sollten eigentlich an der Stelle tun. Für die
> asymmetrische Aufheizung hätte ich jetzt keine zündende Idee.

Ja cool, BC547 hab ich - kann ich ja mal probieren, danke! Oder mal 
verschiedene Transistoren kombinieren - sollte mich wundern, wenn's 
davon besser wird, aber dümmer macht einen das ja auch nicht :-)

von Jan (jan24229)


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Mark S. schrieb:
>
> Womit genau mißt  Du dieses Spannungsgefälle?

Äh ja, genau, das Oszi kann auch Vrms anzeigen - leider kommt das bei 
den Screenshots nicht mit.

von Mark S. (voltwide)


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Wenn ich mir das Strom-Oszillogramm so betrachte, sieht das aus wie ein 
Magnetisierungsstrom, der in den Spitzen symmetrisch so gerade in die 
KernSättigung fährt.

: Bearbeitet durch User
von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Sind denn die Werte der verbauten Widerstände und Kondensatoren im 
"Leistungsoszillator" noch im Toleranzbereich?
Daß die Spule einen Windungsschluß hat, glaube ich bei trockener 
Lagerung eher nicht. Ob man die Spule auf Resonanzmaximum einstellen 
soll, weiß ich nicht.

Die originalen Transistoren halten 50V aus und können 100 mA 
Kollektorstrom, solche sollte man als Ersatz auch wieder auswählen. 
Immerhin läuft der Oszillator auf 24 Volt.

mfg

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Schau mit dem Oszi doch bitte mal die Betriebsspannung am Pluspol von 
C315 an. Der alte Elko kann durchaus Kapazität verloren haben und die 
Spannung weniger sieben als erwartet. Ausserdem wird eine 25V Type fast 
bis zur Grenze ausgereizt.

von Dieter W. (dds5)


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Jan schrieb:
> Der
> Bias-Oszillator hat sowieso immer ziemlichen Stress, weil eine Frequenz
> von 105 kHz durch eine Spule im 100 mH-Bereich gezwungen werden muss
> (wenigstens ist das im Aufnahmekopf so, beim Löschkopf bin ich nicht
> ganz sicher).

Da passt was nicht so richtig zusammen.
100mH haben bei 100kHz ein XL von rund 125kOhm.

von H. H. (hhinz)


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Jan schrieb:
> Referenzklasse

Alles klar.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Naja, die Nakamichi waren schon nicht schlecht, ich fand aber, das sie 
es mit der Bandführung in den wirklich teuren Geräten übertrieben haben. 
(Band aus der Kassette rausziehen usw.)
Und mit den grossen Akai Decks mit den überlegenen GX Köpfen könnten sie 
m. E. nicht mithalten und sie waren unverschämt teuer. Eben was für 
Goldöhrchen.

Der o.a. Schaltplanauszug lässt mich an den Herren Nakamichi 
Konstrukteuren doch etwas zweifeln.

von Jan (jan24229)


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Mark S. schrieb:
> Wenn ich mir das Strom-Oszillogramm so betrachte, sieht das aus wie ein
> Magnetisierungsstrom, der in den Spitzen symmetrisch so gerade in die
> KernSättigung fährt.

Ja, Sättigung hatte ich auch vermutet, aber mir noch nicht überlegt, ob 
das plausibel ist. Bin vorhin auf den 
Beitrag "Stromverlauf Transformator bei Sättigung" gestoßen und habe mir 
daraufhin das mit H, B und den µ's nochmal angesehen. Ich fasse es mal 
in Formeln zusammen. Für eine Spule unter Wechselspannung gilt (Ohmscher 
Widerstand vernachlässigt)
also wird eine Sinusspannung linear in einen Sinusstrom umgewandelt, 
wobei der Strom mit wachsender Frequenz zunehmend behindert wird. Bei 
Sättigung passiert Unschönes mit
Natürlich bleiben N (Wicklungszahl), µ_0 (Permeabilität des Vakuums), A 
(von der Spule umschlossene Fläche) und l (Länge der Spule) gleich - 
aber µ_r (Permeabilität des Materials) hängt vom Feld ab und fällt ab 
Sättigung des Kerns von einem Wert von hier wohl ca. 100000 (Permalloy) 
auf 1, d.h. weitere Spannungserhöhungen treffen quasi auf eine Luftspule 
mit erheblich geringerer Induktivität. Also wird bei leicht ansteigender 
Spannung, wie beobachtet, der Strom plötzlich erheblich größer – siehe 
auch https://de.wikipedia.org/wiki/Magnetische_Permeabilität und 
https://www.supermagnete.de/magnetismus/Magnetische-Saettigung – das 
Feld aber nicht.

Für den Bias-Oszillator heißt das also, dass der Löschkopf schon am 
Anschlag ist und ein weiteres Erhöhen der Stromstärke die Löschung kaum 
noch stärker macht, sondern nur die Vormagnetisierung nichtlinear - wär 
mal interessant, ob man das hören kann...

Ich hatte bei dem Gerät schon alle Elkos und auch die PP-Folkos 
erneuert, also sind diese Bauteile sehr wahrscheinlich noch in-spec – 
C316, 317, 318 hatte ich aber auch wieder ausgelötet und gecheckt.
C315 ist eigentlich kein Siebkondensator, sondern ist beim Abschalten 
des Oszillators für das allmähliche Ausschwingen zuständig, damit keine 
Magnetisierung zurückbleibt - aber ich werde die Spannung an den 
Testpunkten trotzdem mal messen. Vielleicht aus Neugier auch die 
Induktivität des Löschkopfes, denn es stimmt ja, 100 mH kann eigentlich 
nicht sein.

Das mit der "Referenzklasse" nehme ich zurück, damit hier keine 
Diskussion entsteht, die in andere Foren gehört. Ich hätte es bei der 
Nennung des Typs belassen sollen, denn diese Tapedecks von ca. 1980 
haben so ihre Eigenheiten, die jeder kennenlernt, der sich mit sowas 
befasst. Vielleicht hätte die Frage auch ins Tapeheads-Forum gehört, 
aber hier find ich's netter, und mehr Wissen ist hier auch :-)

Zum Schluss: die 105 kHz scheinen mir eine ad-hoc-Festlegung zu sein: 
5x21 kHz, damit man für die höchste angepeilte Frequenz immer noch eine 
5-fache Hysterese-Mittelung (=Linearisierung) bekommt - aber 21 kHz? Ich 
glaub, die spinnen alle miteinander :-)

Allerbesten Dank allen, und schönes Wochenende

Jan

von Karl B. (gustav)


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Schon mal die Stop Record Spannungen nachkontrolliert?

ciao
gustav

von Kurt (sommerwin)


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Der Löschkopf hat 1-2 mH, keine 100. Ich hab die Vormagnetisierung immer 
so eingestellt: 1kHz Signal 100mV an Tape in, Vormagnetisierungsregler 
erstmal auf Minimum, Aufnahme starten. Stop, Band zurück und Signal bei 
Wiedergabe an Tape out messen. Das ganze wiederholen und den Regler 
solang verdrehen, bis das Ausgangsignal genauso stark wie das 
Eingangsignal ist. Zur Kontrolle dann nochmal ein 100Hz und 10kHz Signal 
aufnehmen. Der Ausgangspegel sollte nur minimal abweichen.

von Jan (jan24229)


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Kurt schrieb:
> Der Löschkopf hat 1-2 mH, keine 100. Ich hab die Vormagnetisierung immer
> so eingestellt: 1kHz Signal 100mV an Tape in, Vormagnetisierungsregler

So, alles nachgemessen und finalisiert. Also, es stimmt, ich hatte vor 
ein paar Jahren schon mal Standardköpfe gemessen und da hatten die 
Löschköpfe in der Tat 1.5 mH. Der Nakamichi-Löschkopf hat tatsächlich 
nur 65 µH! Ich konnte es erst nicht glauben und habe deshalb zum Test 
mal einen Standardkopf drangehalten – der Messwert stimmt – der Kopf ist 
ja im Vergleich zu den normalen auch wirklich winzig. Dafür ist der 
Ohmsche Widerstand nur 1.3 Ohm, so dass man schon den Serienwiderstand 
zur Strommessung mit berücksichtigen und rauskorrigieren muss - und dann 
lässt sich der gewünschte Löschstrom auch problemlos einstellen.

Die anfangs beobachtete Sättigung kommt auch nicht unbedingt vom 
Löschkopf, wie ich später merkte, sondern könnte natürlich auch vom 
Resonanztrafo kommen, denn Löschstrom und Vormagnetisierung werden ja 
auf der anderen Seite abgenommen.

Und zur Einstellung der Vormagnetisierung: hier ging es ja erstmal nur 
um den Löschstrom. Bei der Aufnahme ist das Einstellen mit dem 582Z sehr 
komfortabel: man hat Hinterbandkontrolle, also Live-Ablesung des gerade 
aufgespielten Signals, eingebaute Testtöne von 400 Hz und 15 kHz, sowie 
12 von vorne zugängliche Trimmer: (Bias + Level)*(2 Kanäle)*(3 
Bandsorten) – damit kann man die Aufnahme auf jedes Band genau 
einstellen (mit ein paar Ausnahmen, aber das gehört wirklich nicht 
hierher). Level muss man übrigens nur dann genau einstellen, wenn man 
Dolby benutzen will. Ich kam auf diesen Einstell-Trip, nachdem ich es 
leid war, durch eine unflexible Einmessung immer nur auf eine Marke von 
Kassetten fixiert zu sein, und habe mir dann ein paar Tapedecks besorgt, 
bei denen diese Philosophie umgesetzt und alles auch ohne 
Extra-Gerätschaften bequem einstellbar ist.

Anbei noch die Spannungs-Checks - tatsächlich musste ich R323 halbieren, 
damit das REC-Potential an Q304 einigermaßen hinkam. Außerdem ist jetzt 
ein 22R parallel zu R319, und Q301 ist gedoppelt, aber sogar das Paar 
wird noch wärmer als Q302 einzeln. Aber das ist jetzt im gesunden 
Bereich und bleibt so.

Nächste Baustelle: der Bias-Bandsperrfilter vor dem Aufnahme-OpAmp – da 
stimmt auch was nicht, aber LTspice weiß Rat :-)

Also, vielen Dank für die vielen guten Tipps und kritischen Nachfragen, 
und frohes Basteln allerseits!

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