Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Bitte nicht nachmachen: PE des DSO abkleben?


von Harald (hasanus)


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Liebe Leute,

ich habe das bekannte Problem der potentialfreien (Billig-) 
Schaltnetzteile, die mangels Schutzleiter schwebende Ausgangsspannung.

Meine Schaltung stellt einen diskret aufgebauten RFID - Auswerter dar. 
Sie funktioniert mit angeklemmtem DSO, da dieses natürlich geerdet ist.
Ohne PE betrieben habe ich jedoch am Digitalausgang einen dominanten 
permanenten Brumm. Der verschwindet nur beim Abwürgen des Colpitts - 
Leistungsoszillators.

Ich bilde mir ein dass eine fast gleiche Schaltung auf dem Steckbrett 
aufgebaut auch ohne Schutzleiter funktionierte. Daher möchte ich die 
aktuelle PCB - Version untersuchen. Mangels Differential - Tastkopf oder 
ähnlichem Profikram kam mir der gute alte Musiker - Hack in den Sinn: 
Das Abkleben des PE am Netzkabel des DSO.
Meinen Fragen sind: gibt es Risikopatienten unter Euch die das schon mal 
gemacht haben? Wer hat's überlebt und welchen Kollateralschaden gab's 
dabei?

Schönen Gruß,
Harald

: Verschoben durch Moderator
von Harald K. (kirnbichler)


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Den RFID-Reader mit einem Akku versorgen ist keine Option?

von Hmmm (hmmm)


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Harald schrieb:
> ich habe das bekannte Problem der potentialfreien (Billig-)
> Schaltnetzteile, die mangels Schutzleiter schwebende Ausgangsspannung.

Die Potentialfreiheit ist kein Problem, "billig" schon eher.

Harald schrieb:
> Ohne PE betrieben habe ich jedoch am Digitalausgang einen dominanten
> permanenten Brumm. Der verschwindet nur beim Abwürgen des Colpitts -
> Leistungsoszillators.

Zeig mal Schaltung und Aufbau.

Harald schrieb:
> Mangels Differential - Tastkopf oder
> ähnlichem Profikram

Geht auch günstiger:

https://www.pollin.de/p/owon-lcd-oszilloskop-mit-multimeter-hds242-2-kanal-40-mhz-830955

von Soul E. (soul_eye)


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Harald schrieb:
> Meinen Fragen sind: gibt es Risikopatienten unter Euch die das schon mal
> gemacht haben? Wer hat's überlebt und welchen Kollateralschaden gab's
> dabei?

Zwei Dinge können passieren:

1) wenn im Oszilloskop irgendwo ein Draht abreisst und Netzspannung auf 
die Buchsen legt, bekommst Du einen gebraten

2) durch die Entstörkondensatoren im Netzfilter liegt auf der Oszi-Masse 
ein starkes Brummsignal mit ungefähr 100 V gegen PE.

Nr 1) verbietet den Einsatz dieser Methode im gewerblichen Umfeld, Nr 2) 
versaut Dir Deine Messung.

Schutzleiter abkleben ist nur dann zielführend, wenn die Oszi-Masse 
anderweitig auf ein netzgebundenes Potential gelegt wird. Z.B. beim 
Messen zwischen zwei Phasen oder an einem hochliegenden Shunt (dann 
liegt die Oszi-Masse auf 230 V). Sowas würde natürlich keiner machen, 
denn dafür gibt es Differenztastköpfe mit CAT III-Rating.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Harald schrieb:
> Das Abkleben des PE am Netzkabel des DSO.
> Meinen Fragen sind: gibt es Risikopatienten unter Euch die das schon mal
> gemacht haben? Wer hat's überlebt und welchen Kollateralschaden gab's
> dabei?

Ich habe schon einmal ein Oszilloskop an einem Trenntransformator 
betrieben, um eine schwebende Masse für primärseitige Messungen an einem 
Schaltnetzteil zu erzeugen. Im konkreten Fall konnte ich nicht das 
Messobjekt an den  Trenntransformator anschließen, um Artefakte 
auszuschließen.

Dabei habe ich folgende Sicherheitsmaßnahmen getroffen:
1. Aufbau in einem separaten Raum auf einem leeren Tisch, ohne 
herumliegendes Werkzeug oder gar Drähte
2. Mehrfache Kontrolle des Aufbaus, natürlich noch spannungsfrei
3. Einstellen der Oszilloskopparameter, während das Messobjekt noch 
nicht mit der Netzspannung verbunden war
4. Informieren meiner Mitarbeiter, was ich dort mache und was sie im 
Falle eines (noch so unwahrscheinlichen) Unfalls tun und lassen müssen
5. Abschließen der Tür zum Flur, damit kein uninformierten Dritten den 
Raum betreten können
6. Tür zum Nachbarbüro öffnen
7. Rückbau unmittelbar nach Durchführung der Messungen

Erstaunlicherweise habe ich das ohne bleibende Schäden überlebt.

von Frank K. (fchk)


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Hmmm schrieb:

> Geht auch günstiger:
> 
https://www.pollin.de/p/owon-lcd-oszilloskop-mit-multimeter-hds242-2-kanal-40-mhz-830955

Das ist doch eher Spielzeug, oder? Dann eher ein DHO804:
https://www.batronix.com/versand/oszilloskope/Rigol-DHO804.html
Ist echt niedlich, wie viele Rigols auch hackbar und wird per USB-C 
Netzteil versorgt. Das heißt, man kann es auch über eine Powerbank 
schnurlos betreiben.

Aber ich würde eher das Übel bei der Wurzel packen. Für empfindliche 
Geräte ist doch ein old-school Trafonetzteil mit Linearregler immer noch 
dass beste. Sowas hab ich mir früher als Schüler schon aufgebaut, da ist 
echt nichts kompliziertes dran. Sicherung auf der Primärseite nicht 
vergessen.

fchk

von Hmmm (hmmm)


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Frank K. schrieb:
> Das ist doch eher Spielzeug, oder?

Wenn man es nicht als Ersatz für ein Tisch-Oszilloskop betrachtet, 
sondern als mobiles Zweitgerät, womit man auch mal potentialfrei messen 
kann, ist es völlig OK. Wir hatten auch schon ein paar Threads dazu.

Frank K. schrieb:
> Aber ich würde eher das Übel bei der Wurzel packen. Für empfindliche
> Geräte ist doch ein old-school Trafonetzteil mit Linearregler immer noch
> dass beste.

Man kann RFID-Reader durchaus mit einem Schaltnetzteil betreiben. Setzt 
aber voraus, dass die Schaltung nicht für den Elektronik-Ponyhof mit 
idealen Spannungsquellen ohne Ripple und Anschlussleitung konzipiert 
wurde.

von Christian S. (roehrenvorheizer)


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Harald schrieb:
> Wer hat's überlebt und welchen Kollateralschaden gab's
> dabei?

Ungeerdete Steckdosen in diversen Mietwohnungen, für die sogar Geld zu 
bezahlen war, gab es immer mal wieder. Entweder als sichtbar ungeerdete 
Steckdose ohne Schutzleiter, aber geeignet für die "Dicken" Stecker oder 
verkappt als Schukosteckdose mit nur zwei Leitern. Komisch ist es immer 
wieder, wenn beim Einstecken des Druckerkabels dann Funken überspringen 
zwischen Druckerkabel und PC-Buchse.

Drucker und PC waren wohl vorher schon eingesteckt.

Ich glaube, die beiden Tek 547 und Tek 543 waren jahre lang ohne 
Schutzleiter betrieben worden, weil das so eine Steckdose "außen ohne" 
war.

Ob ich davon nun Schäden erlitten habe, mag jeder selbst beurteilen...

mfg

: Bearbeitet durch User
von Ove M. (Firma: ;-) gibt es auch) (hasenstall)


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Ich könnte dir ggf. einen Differential-Tastkopf für einen Monat 
ausleihen.
Du zahlst das Porto.

Viele Grüsse Ove

von Harald (hasanus)


Angehängte Dateien:

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Anbei Schaltplan und Platine. Der tatsächliche Aufbau sieht minimal 
anders aus: U3D hat einen eigenen Spannungsteiler bekommen, da die U3C 
wie gezeigt zum niederfrequenten Schwingen neigt. Zudem hat RV1 jetzt 2k 
und ein 2k2 ist zwischen osc_out und den Emittoren der Vortransistoren 
verschaltet. U2, U4 und der rpi sind noch nicht vorhanden. C6 und C8 
sind über 3 cm lange Litzen angeschlossene THT. an J1 ist die Spule 
angeschlossen. Sie hat 100 Windungen CuL 0.2 mm auf einen Pappkörper mit 
77mm Durchmesser, L ist errechnet 1090 uH.

Harald K. schrieb:
> Den RFID-Reader mit einem Akku versorgen ist keine Option?

Der Plan war bei die Schaltung in eine DIY - Katzentüre einzubauen (die 
sperrt bereits angeschleppte unerwünschte Beute aus. Derzeit bringt aber 
einer der 149 Fremdkatzen das Thema RFID auf den Tisch). Das System wird 
von einem kräftigen MeanWell - Netzteil versorgt. Das dürfte wohl 
Schutzklasse I sein. Falls nicht,
könnte ich da noch abhelfen.
Somit sollte das kein KO - Kriterium sein. Mir geht es eher um das 
Phänomen als solches, weil ich eben auch dachte dass

Hmmm schrieb:
> Man kann RFID-Reader durchaus mit einem [SK II] Schaltnetzteil betreiben.
kann.

Hmmm schrieb:
> Die Potentialfreiheit ist kein Problem, "billig" schon eher.
Das glaube ich nicht. Das Noname - Steckernetzteil verhält sich exakt 
wie eines von MeanWell. Sie brummen konstant mit ca 115 Hz. Verbinde ich 
PE über einen R < 6k, so herrscht Ruhe. Lage der Spule und deren 
Zuleitungen hat kein Einfluss.

von Hmmm (hmmm)


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Harald schrieb:
> Anbei Schaltplan

Du verwendest direkt die 12V aus dem Netzteil für den Oszillator, d.h. 
alles, was da an Störungen drauf ist, modulierst Du auf den Träger auf. 
Die beiden Cs dürften da nur eingeschränkt helfen.

Hast Du mal versucht, den DC-Eingang zu verdrosseln? Klappferrite wären 
auch einen Versuch wert.

Dem Ausgang des 78L09 würde ich noch einen 10uF-Elko verpassen.

Harald schrieb:
> Das System wird
> von einem kräftigen MeanWell - Netzteil versorgt. Das dürfte wohl
> Schutzklasse I sein. Falls nicht,
> könnte ich da noch abhelfen.

Hängt bei Meanwell von der Serie ab. GSMx0A (also z.B. GSM40A) ist 
Schutzklasse I und hat Out- auf PE.

von Hans (ths23)


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Soul E. schrieb:
> 1) wenn im Oszilloskop irgendwo ein Draht abreisst und Netzspannung auf
> die Buchsen legt, bekommst Du einen gebraten
Das passiert bei mir täglich ;-)

von Ralf X. (ralf0815)


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Hans schrieb:
> Soul E. schrieb:
>> 1) wenn im Oszilloskop irgendwo ein Draht abreisst und Netzspannung auf
>> die Buchsen legt, bekommst Du einen gebraten
> Das passiert bei mir täglich ;-)

Vor Benutzung eines Oszis sollte man immer mal kurz unter den Deckel 
schauen und überprüfen, ob noch alle Tassen, ops Kabel an ihrem Platz 
sind.😂

von Harald (hasanus)


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Ove M. schrieb:
> Ich könnte dir ggf. einen Differential-Tastkopf für einen Monat
> ausleihen.

Uii, danke für das Angebot. Ich werde erstmal meine Hausaufgaben machen 
und komme dann eventuell darauf zurück.

Verdrosselung und zusätzlichen Elko habe ich probiert, ohne Erfolg. Wenn 
ich's recht verstehe ist ein geerdetes Netzteil obligatorisch. 
Schließlich ist der Minuspol meiner Steckernetzteile auf ca 300 Vpp 
gegen PE. Da lasse ich mir eingehen dass der Oszillator mit der riesigen 
ungeschirmten Spule sich etwas einfängt.

Hier Beitrag "Re: Katzenklappe funktioniert nur mit Batterien. Warum?" hat auch der 
gute alte Transformator geholfen. Heutzutage sind solche Netzteile wohl 
schon Bückware...

Schönen Gruß,
Harald

von Harald W. (wilhelms)


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Harald schrieb:

> Mangels Differential - Tastkopf oder
> ähnlichem Profikram kam mir der gute alte Musiker - Hack in den Sinn:
> Das Abkleben des PE am Netzkabel des DSO.

Normalerweise trennt man nicht die Stromversorgung des Oszis, sondern
die Stromversorgung der zu testenden Schaltung. Typischerweise mit
einem Trenntrafo. Hat man keinen, so baut man sich einen aus zwei
gleichen Eisentrafos passender Leistung Rücken an Rücken.

von Dieter D. (Firma: Hobbytheoretiker) (dieter_1234)


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Andreas S. schrieb:
> Erstaunlicherweise habe ich das ohne bleibende Schäden überlebt.

Christian S. schrieb:
> ich davon nun Schäden erlitten habe, mag jeder selbst beurteilen...

Das dürfte vielmehr an dem liegen, was dieser Text recht gut erklärt:

https://www.wunderkessel.de/t/wir-sind-helden-kinder-der-60er-und-70er-jahre.84166/

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