Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Ausbildungszeugnis - welche Formulierung ist besser?


von neuerGast (Gast)


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Hallo zusammen,

an meinem Ausbildungszeugnis, das ich im Rahmen meines Studiums an der 
Dualen Hochschule BaWü von meinem "Ausbildungsbetrieb" erhalten habe, 
sollen ggf. Veränderungen vorgenommen werden. Allerdings stehen zwei 
Formulierungen im Raum. Der AG behauptet seine Formulierung sei die 
"notentechnisch" bessere, die Gewerkschaft behauptet dies von ihrem 
Gegenvorschlag. Und ich muss mich nun entscheiden, welche Formulierung 
ich haben möchte.

Daher wollte ich euch bitten beide Versionen dieses Absatzes zu 
vergleichen und mir eure Einschätzung zu geben welches die bessere 
Formulierung ist.

Im Vorraus schon vielen Dank für eure Hilfe!

1. Version:
 "[...] Während der Berufsausbildung hat sich Frau X als sehr 
interessiert, motiviert und fleißig erwiesen. Sie zeigte stets 
Eigeninitiative, arbeitete verantwortungsbewusst, zuverlässig und gerne 
im Team. Sie stand ihrem gewählten Beruf aufgeschlossen gegenüber und 
brachte dies durch gute Leistungen in der praktischen Ausbildung zum 
Ausdruck. [...]"

2. Version:
„Die Arbeitsweise von Frau X zeichnet sich durch ein hohes Maß an 
Arbeitsbereitschaft und Eigeninitiative aus. Sie hat alle gestellten 
Anforderungen sehr verantwortungsbewusst, ausdauernd, umsichtig und 
zweckmäßig zu unserer vollsten Zufriedenheit bewältigt. Frau X ist sehr 
belastbar, ihre Arbeitsweise ist planvoll. Hervorzuheben sind der immer 
sachliche, gezielte Informationsaustausch im Team, das verständliche und 
anschauliche Ausdrucksvermögen und ihr hohes Maß an Verantwortung für 
die Wirtschaftlichkeit.“

von High Performer (Gast)


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Also für mich klingt rein subjektiv im ersten Moment, ohne langes 
Nachdenken,  Version 2 besser.

von Axel (Gast)


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Variante 2 ist eindeutig besser. Variante 1 erweckt in mir spontan den 
Eindruck, dass sie eher die Quatsch und Partytante war.

"Stand dem Beruf aufgeschlossen gegenüber!" klingt stark nach, "stellte 
sich dem Ansinnen, sie auszubilden nicht entgegen, wenn Sie nicht gerade 
im Team feierte"

Gruss
Axel

von Patrick S. (Gast)


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neuerGast schrieb:
> 1. Version:

Durchschnitt.

> 2. Version:

Gut, aber nur mit zwei Änderungen:

> „Die Arbeitsweise von Frau X zeichnet sich durch ein hohes
> Maß an Arbeitsbereitschaft und Eigeninitiative aus. Sie hat
> alle gestellten Anforderungen

(einfügen:) stets

> sehr verantwortungsbewusst, ausdauernd, umsichtig und

(zweckmäßig weglassen)

> zu unserer vollsten Zufriedenheit bewältigt. Frau X ist
> sehr belastbar, ihre Arbeitsweise ist planvoll. ...

Ohne das "stets" hast Du die Anforderungen nur manchmal wie beschrieben 
erfüllt.

"Zweckmäßig" heißt: nicht gerade toll, hat aber funktioniert.

Pats.

von Иван S. (ivan)


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Subjektiv: Zweite Version nehmen.
Objektiv: dem Vorschlag der Gewerkschaft folgen.

Glück: Version zwei ist die gewerkschaflich Bevorzugte.

hth, Iwan (katholischer Kommunist)

von Anonym (Gast)


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Mir persönlich gefällt Variante 1 viel besser. Die ist "sinnvoll 
gestrafft" und lässt mich dich als sehr aufgeschlossen erscheinen. Du 
hast deinen Job sehr gerne gemacht und hast dich mit allen Kollegen sehr 
gut verstanden/mit ihnen sehr gut zusammenarbeiten können, warst aber 
dennoch selbstständig, wenn gefordert.

Nur das "gute Leistungen" ließe sich durch "sehr gut" oder 
"hervorragend" steigern.

Folgendes stört mich an Variante 2:

> Sie hat alle gestellten Anforderungen sehr verantwortungsbewusst,
> ausdauernd, umsichtig und zweckmäßig zu unserer vollsten Zufriedenheit
> bewältigt.

1. Man musste dir also alles sagen, du hast keine Aufgaben selbstständig 
erkannt, sondern nur die "gestellten Anforderungen" erfüllt. Diese hast 
du dafür sehr gut erledigt, möglicherweise etwas langsam (darüber wird 
keine Aussage getroffen - "zweckmäßig" = qualitativ - und quantitativ?)

2. Ganz besonders stört mich "bewältigt". Das schreit ja förmlich 
danach, dass du das nur gerade so unter großen Anstrengungen geschafft 
hast.

> Frau X ist sehr belastbar, ihre Arbeitsweise ist planvoll.

Ok, du bist Arbeitstier und berechenbar. Dir kann man die ganzen 
Aufgaben geben, die sonst keiner machen will und du beschwerst dich 
nicht. Manche Arbeitgeber suchen vielleicht solche Leute, ich würde 
hingegen mangelndes Selbstbewusstsein vorwerfen.

> sachliche, gezielte Informationsaustausch im Team

...der dennoch unter großer Langeweile und Unmotiviertheit erfolgte... 
Ok, ich fange an, hineinzuinterpretieren, was vielleicht gar nicht 
dasteht :-) Naja aber ehrlich - "immer sachlich" würde ich so 
interpretieren, dass du dabei ständig ein langweiliges Gesicht aufgelegt 
hattest. Mir fehlt die Begeisterung, die Freude dabei. Naja, und auch, 
dass du eine eigene Meinung hast.

> hohes Maß an Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit

Klingt für mich so, als würde derjenige, der das formuliert hat, auf 
irgendwas aufmerksam machen wollen. Klingt wie, als wollest du überall 
unnötig sparen. "Benutzen Sie das Toilettenpapier beidseitig - der 
Erfolg liegt auf der Hand"...oder so...

Ohne Garantie - das ist meine persönliche Meinung. Ich bin kein 
Personaler, aber mit Variante 1 würde ich mich auf dich freuen und dich 
einstellen. Variante 2 ist mir zu "überladen" und zwanghaft formuliert.

Ich würde sagen, Variante 2 ist vom AG und Variante 1 ist von der 
Gewerkschaft. In Variante 2 wird öfter "sehr" verwendet, das meinte er 
wahrscheinlich mit dem "notentechnisch besser". Dafür sind in Variante 2 
meiner Meinung nach mehr versteckte Hinweise drin. Ganz besonders stört 
mich das Wort "bewältigt". Ich habe mir beide Texte jetzt mehrfach 
durchgelesen und muss sagen: Ich finde Variante 1 echt richtig gut. Sehr 
positiv. Bei dem Wort "erwiesen" geht einem richtig das Herz auf. So, 
wie man sich dich gewünscht hat, warst du auch. Dich interessiert das 
alles, du bist motiviert. Wow, was will man mehr.

Just my 2 Cents.

von Heinz (Gast)


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Ich bin ja eigentlich ein Gegner von strengen Regelwerken und 
Vorschriften - bei Arbeitszeugnissen wünsche ich mir jedoch schon lange 
standardisierte Formulare mit fest vorgegebenen Kategorien und einem 
Schulnoten-System, so dass niemand in seinem Kopf-Kino-Wahn dubiose 
Dinge in ein Zeugnis hineininterpretieren kann. Selbst wenn die Mehrheit 
der Leser hier Variante 2 bevorzugen sollte, kann man auch dort einiges 
negativ bewerten - ganz wie es beliebt!

von Daniel -. (root)


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schon seltsam wie die Meinungen auseinandergehen. Ich habe die 1
als ungezwungener empfunden.

von Daniel -. (root)


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>Hervorzuheben sind der immer
>sachliche, gezielte Informationsaustausch im Team, das verständliche und
>anschauliche Ausdrucksvermögen und ihr hohes Maß an Verantwortung für
>die Wirtschaftlichkeit.“

ein Mensch, der nur sachlich kommuniziert ist fast schon unmenschlich
und wird wahrscheinlich in der Gruppe gemieden

von S. T. (cmdrkeen)


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wie ich diese Arbeitszeugnisgeheimsprache hasse....

nur weil kein schlechtes Arbeitszeugnis ausgestellt werden darf, werden 
in eigentlich positive Formulierungen die Fehler des AN 
hineininterpretiert.

findige Leute haben mit Büchern, die solche Phrasen in einen 
beurteilungsfähigen Wortlaut übersetzen,  (völlig zu Unrecht) Geld 
verdient. natürlich sind das alles subjektive Schwafelbücher, die 
natürlich keinerlei Richtlinie sind, da sie sonst ja die 
Arbeitszeugnisse anfechtbar machen würden.


vollste Zufriedenstellung = Befriedigend = Schulnote 3
??


Ich bin für Version 1 ... aber da ich überhaupt keine Ahnung über die 
versteckte Bewertung von Arbeitszeugnissen habe und sowieso nix davon 
halte, würde ich mich nicht nach meiner Meinung richten :)

von Random .. (thorstendb) Benutzerseite


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boah, das ist ja wahnsinn.

--> was drin steht, kann immer irgendwie als schlecht gewertet werden
--> was nicht drinsteht, wird auch als schlecht gewertet

Was soll der Krampf mit den Arbeitszeugnissen?
Ist es möglich, ein Arbeitszeugnis so zu formulieren, dass absolut 
kein Raum mehr für Interpretationen und Spekulationen bleibt?

VG,
/th.

von Anton (Gast)


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Mir gefällt Textversion 1 besser, ist kurz und bündig; welcher 
Personaler liest gerne Romane?

Version 2 klingt für mich so richtig nach "wegloben" man rutscht schon
fast auf dem Schleim aus. Auch zu gute Formulierungen können eine
versteckte Warnung sein.

Um das Ganze aber richtig zu deuten müßte man schon den gesamten Text im
Zusammenhang kennen. Formulierungen wie "wünschen für die Zukunft alles
Gute", oder ähnliches, geben weitere Hinweise.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Random.

> --> was drin steht, kann immer irgendwie als schlecht gewertet werden
> --> was nicht drinsteht, wird auch als schlecht gewertet

Richtig.


> Ist es möglich, ein Arbeitszeugnis so zu formulieren, dass _absolut_
> kein Raum mehr für Interpretationen und Spekulationen bleibt?

Das darfst Du ja eben nicht, weil Du nichts nachteiliges über den 
Beurteilten schreiben darfst.

D.h. es laufen Leute herum, die ein gut klingendes Arbeitszeugnis
haben, die aber eigentlich ein schlechtes hätten bekommen sollen.

Egal, wie viele es sind, es diskreditiert auf jeden Fall diejenigen, die 
eigentlich ein gutes haben....darum wird eben versucht, das in diesen 
versteckten Andeutungen zu verschlüsseln.

Irgendwann sind diese versteckten Andeutungen dann überall bekannt. Sie 
gelten so sehr als schlechtes Zeugnis, das gerichtlich dagegen 
vorgegangen werden kann.

Die nächste Generation von vortgeschritten geschraubten Formulierungen 
wird entwickelt, die irgendwann auch alle bekannt sind.....
Auf die Tour setzt sich eine Formulierungsaufrüstungsspirale in Gang....

Hinzu kommt, das die Formulierungen branchenspezifisch, 
regionalspezifisch und natürlich über die Zeit variieren. Und nun 
beurteile mal einen Bewerber, der ein 2 Jahre altes Zeugnis vom anderen 
Ende der Republik aus einer anderen Branche vorzeigt. :0)

Letztlich führt das dazu, das Personaler sich auf ihr Bauchgefühl oder 
"informelle Kontakte" zurückziehen. Eine Zeugnis sagt fast nichts mehr 
aus, jedenfals nichts positives. Lediglich das Vorhandensein des 
Zeugnisses und das Fehlen von Eselsohren und Kaffeefleckenn lässt 
Aussagen über den Bewerber zu.

Er nervt seine Personalchefs, bis sie ihm ein Zeugnis geben, womöglich 
macht er sogar Druck über die Gewerkschaft (sonst hätte er keins), ist 
übertrieben pedantisch (keine Eselsohren), und hat eine Tendenz zu spät 
zu kommen (keine Kaffekränze auf dem Zeugnis. der Mann früstückt nicht, 
womöglich hat er Probleme morgens aufzustehen....)

Mit der Forderung, das in Zeugnissen nichts negatives stehen darf, haben 
die Gewerkschaften diese Absurditäten angestossen.

In Zeugnissen sollte "die Wahrheit" stehen. Dummerweise ist die 
natürlich auch oft Subjektiv.

Mit in diesem Zusammenhang ist der Kündigungsschutz zu sehen. Der ist 
auch sehr zweischneidig, weil er dazu führt, das Du Dir viel mehr 
Gedanken darüber machen musst, wen Du einstellst, weil Du ihn im Zweifel 
nicht mehr billig los wirst. Das führt dann auch dazu, das weniger mit 
Personal probiert wird, und Leute mit schlechtem Zeugnis nicht 
eingestellt werden. Sonst könnte man sagen: Bevor ich hier noch weiter 
rumsuche, nehme ich den erstbesten. Die Grundlagen wird er schon können, 
und wenn er säuft oder zusehr klaut, fliegt er halt wieder.....In dem 
Falle wäre ein schlechtes Zeugnis nicht wirklich eine Katastrophe, weil 
du auch mit schlechtem Zeugnis immer irgendwie eine Chance "zur 
Bewährung" hättest.

Zu den beiden Formulierungsvarianten:
In 1. fällt mir auf, das zuerst von "interessiert, motiviert und 
fleißig" die Rede ist, aber nicht von Leistung. Ganz verdächtig. Erst 
zum Schluss steht: "brachte dies durch gute Leistungen in der 
praktischen Ausbildung".
Das heisst, die Dame ist fleißig und willig, aber nicht besonders fähig. 
Die Leistung erfolgten lediglich praktisch (also zupacken kann sie, aber 
was ist mit Theorie und Methodik?), aber menn es um die tatsächliche 
Aufgaben ausserhalb des (geschützten) Bereiches  der Ausbildung geht 
(sonst wäre die Ausbildung nicht extra Erwähnt), sieht es vermutlich Mau 
aus.

2. ist absolutes Wischiwaschi. Alles ist enthalten, furchtbar gut und 
hochgelobt. Ausserdem ist das ganze kompliziert formuliert 
(Nebelkerzen!)
und viel länger. Ließt sich fast wie aus einem Lehrbuch für Personaler 
abgeschrieben.......obwohl das Zeugnis viel besser ist, wirkt es 
unehrlich. Keiner ist wirklich so perfekt.

Ich persönlich würde auch 1 bevorzugen. Immerhin wird der Proband Kaffee 
kochen und fegen können, und sich auch nicht weigern....2 ist eigentlich 
nur ein gemustertes Blatt Papier, da steht in Wirklichkeit nichts, 
alles, auch schlechtes, ist möglich. Früher hies es zwar mal: Das 
wirkliche Lob ist so schreiend überformuliert, das es peinlich wirkt, 
aber das ist nun über 10 Jahre her und hat sich rumgesprochen. Gegen 2 
kannst Du vermutlich z.Z. nicht gerichtlich vorgehen....


mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic

http://www.dl0dg.de

von Random .. (thorstendb) Benutzerseite


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ohweh ...

Danke für die Ausführungen.
"Zum Glück" besitze ich derzeit kein Arbeitszeugnis :-)

In diesen Umstand könnte man nun ja alles schlechte interpretieren 
**LOOOL**


VG,
/th.

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