Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik MOSFET des Todes


von Stephan R (Gast)


Lesenswert?

Hallo!

Beim Stöbern durch diverse Kataloge nach einem einfachen Mosfet tauchen 
immer wieder einzelne Produkte mit galaktischem Maximum Continuous Drain 
Current auf, so z.B. beim HEXFET IRFS3206PBF mit über 200A!

Wie ist dieser Wert zu verstehen?

: Verschoben durch Admin
von Rolf Magnus (Gast)


Lesenswert?

> Wie ist dieser Wert zu verstehen?

Als maximaler Drain-Dauerstrom.

von Stephan R (Gast)


Lesenswert?

Das klingt logisch.. aber wieso besitzen die meisten der Kollegen dieses 
Types so Werte um -wenns hoch kommt- einen (gut vorstellbaren) Ampere?

von Christian T. (shuzz)


Lesenswert?

Das hängt halt einfach von dem Teil ab.

Im Prinzip gilt: Je niedriger der RDSon um so mehr Strom kann das Teil 
ab.
Natürlich nur bei entsprechender Kühlung...

von Stephan R (Gast)


Lesenswert?

Wäre das Teil nicht 3 x 3 mm groß könnte ich mir das vorstellen, ja.

von Simon L. (simon_l)


Lesenswert?

Hab grade mal ins Datenblatt geschaut,

die 200A+ sind der theoretisch möglich Strom des DIE, die Bond-Drähte 
machen nur 120A. Und 120A bei den angegebenen 2mOhm Rdson, wären ca.30W 
Abwärme, alles im grünen Bereich ;), ... oder doch im rot-glühenden

von Peter D. (peda)


Lesenswert?


von Simon L. (simon_l)


Lesenswert?

Ich mag mir die Bond-Drähte garnicht vorstellen^^ Diese (Haar)dünnen 
Drähte mit 120A dauer, auch wenns 20 Stück sein sollten, ich glaube aber 
eher so um 5 Stück. ürks

von oszi40 (Gast)


Lesenswert?

Simon L. schrieb:
> die Bond-Drähte garnicht vorstellen

Dann halt das Ding mal an die Schleifmaschine. Die Wissenschaft fordert 
auch mal kleine Opfer und freut sich über schöne Fotos.

von Falk B. (falk)


Lesenswert?

@  Simon L. (simon_l)

>Ich mag mir die Bond-Drähte garnicht vorstellen^^ Diese (Haar)dünnen
>Drähte mit 120A dauer,

Wer sagt denn, dass das haardünne Golddrähte sein sollen? Das ist kein 
EPROM. AFAIK wird Leistungselektronik mit recht dickem Aluminium 
gebondet. Wenn da nicht sowieso eine andere Verbindungsart genutzt wird.

MFG
Falk

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


Lesenswert?

Die 210A sind eher theoretischer Natur. Sie gelten dann, wenn der Kühl-
körper einen Wärmewiderstand von 0 hat und die Umgebungstemperatur maxi-
mal 25°C  beträgt. Selbst wenn es den perfekten (passiven) Kühlkörper
gäbe, würde der Mosfet am oberen Ende seiner Temperaturskala vor sich
hinbruzzeln und bei einem Wetter wie heute tot umfallen :)

> aber wieso besitzen die meisten der Kollegen dieses Types so Werte um
> -wenns hoch kommt- einen (gut vorstellbaren) Ampere?

Naja, die meisten TO-220-Mosfets für denselben Spannungsbereich haben
können schon so 30A und mehr.

> die 200A+ sind der theoretisch möglich Strom des DIE, die Bond-Drähte
> machen nur 120A.

Ist das wirklich so, dass die Bond-Drähte den Flaschenhals darstellen.
Wenn ja, müsste man die Angabe von 210A ja fast schon als Betrug werten.
Oder wird vom Kunden erwartet, dass er den Die aus dem Gehäuse schält
und selber geeignete Anschlussleitungen daran befestigt?

von Falk B. (falk)


Lesenswert?

@  Simon L. (simon_l)

>machen nur 120A. Und 120A bei den angegebenen 2mOhm Rdson, wären ca.30W
>Abwärme, alles im grünen Bereich ;), ... oder doch im rot-glühenden

Die Hälfte davon ist Marketing Blabla. Wärmewiderstand ist 1K/W, da muss 
man schon SEHR gut kühlen, um die 30W++ wegzubekommen. Und bei 120A 
durch das Source Pin entsteht dort auch ordentlich Wärme. Bei mal 
sportlich angesetztem Kühlkörper von 1K/W kann man bestenfalls 50W 
verheizen. Dann ist aber ALLES ausgereizt. Sowas baut man aber nicht als 
Serie. Ich behaupte mal, den MOSFET wird man sinnvollerwise mist eher 
bis 30..40A nutzen, darüberhinaus wirds Unsinn. Pulse mal ausgenommen.

MfG
Falk

von Jens G. (jensig)


Lesenswert?

>Ist das wirklich so, dass die Bond-Drähte den Flaschenhals darstellen.
>Wenn ja, müsste man die Angabe von 210A ja fast schon als Betrug werten.
>Oder wird vom Kunden erwartet, dass er den Die aus dem Gehäuse schält
>und selber geeignete Anschlussleitungen daran befestigt?

Bei neueren Datenblättern (von IR zumindest) werden inzwischen schon 2 
max-Werte eigetragen:
- der Imax, den der Chip max. vertragen würde ( bei Rt=0 des KK)
- der Strom, den das Package vorgibt (bzw. dessen Anschlüsse/Bonddrähte)

Ansonsten stehts auch in irgendwelchen AppNotes, was die Packages 
üblicherweise vertragen.

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


Lesenswert?

Hallo Yalu X.

>
> Ist das wirklich so, dass die Bond-Drähte den Flaschenhals darstellen.
> Wenn ja, müsste man die Angabe von 210A ja fast schon als Betrug werten.

Vertriebler halt.

> Oder wird vom Kunden erwartet, dass er den Die aus dem Gehäuse schält
> und selber geeignete Anschlussleitungen daran befestigt?

Nee. In gewissen Sinne hat das für Pulsleistungen schon einen gewissen 
Gehalt: Weil für einen einzelnen kurzen Puls kannst Du ja Energie in der 
Wärmekapazität des Materials/Dyes selber deponieren. Dafür spielt dann 
der Wärmewiderstand nur für den Mittelwert über einem passendes 
Zeitfenster eine Rolle.......allerdings üblich und gebräuchlicher wäre 
es dann, repetitive und nonrepetitive Spitzenwerte anzugeben, mit einem 
Zeitrahmen als Fußnote.

Weil ich Momentan nicht an das Datenblatt rankomme, kann ich jetzt nur 
raten, ob der fragliche Transistor flott genug ist, so kurze Pulse zu 
machen. ;-)

Jedenfalls schürt eine so undurchsichtige Angabe mein Misstrauen, was 
denn da wohl versteckt werden soll. ;-)

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic

http://www.dl0dg.de

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

> Wenn ja, müsste man die Angabe von 210A ja fast schon als Betrug werten.
Es stehen dort tatsächlich oft mehrere Werte:
- für den nackten Chip
- für jedes Gehäuse mit (*)

(*) limitied due to internal wiring

Es ist schon so, dass der neue Porsche durchaus 300km/h könnte. Nur darf 
er es meistens nicht. Die Autoindustrie sagt dir auch nicht, dass du 
normalerweise nicht mehr als 140 draufpacken kannst...
(OKOK ich sehe ein, dass die Autoindustrie nicht selber die 
limitierenden Verkehrsschilder aufstellt)

von Simon L. (simon_l)


Lesenswert?

@Falk

ja ich stimme dir mit den 30-40A vollkommen zu. Mit den Aludrähtchen ist 
mir neu, danke für das Wissen ;)

zum Thema Marketing-Bla-Bla IRF hat auch einen Fet im Programm bei dem 
sowas um 400A drin stehen, im Kleingedruckten dann max. 160A durch das 
Gehäuse, alles auch noch in SMD, * sarkastischen Kommentar weg lass *

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


Lesenswert?

> im Kleingedruckten dann max. 160A durch das Gehäuse
Das Einschalten wird theoretisch sogar noch gehen,
aber wehe, du willst das Ding bei dem Strom abschalten.

Langsam Abschalten geht nicht, weil du weit weg von der SOA und damit 
dann Ptot=PTod ist...

Schnell Abschalten geht nicht, weil dann parasitäre Induktivitäten das 
mickrige 20V Mosfetchen einfach per Selbstinduktion um die Ecke 
bringen...  :-o

von Wilhelm F. (Gast)


Lesenswert?

Ich besichtigte mal einen Automaten, an dem Hochstromdioden getestet 
wurden, die später in einen Kühlkörper eingepresst wurden. Die bekamen 
einen Stromimpuls, etwa wie er im Datenblatt unter Peak beschrieben ist. 
Daraus läßt sich die Bauteilqualität ableiten, z.B. ob der Die gut auf 
die Kühlplatte geklebt ist, oder sich im Kleber noch eine winzige 
Luftblase befindet. Dann wurde selektiert, und die Bauteile bekamen 
unterschiedliche Stempel mit einem Seriennummerncode. Die Daten wurden 
auch einzeln in einer Datenbank gespeichert. So ähnlich machte man das 
sogar schon 1970, damals aber mit schnellen X-Y-Schreibern oder stark 
nachleuchtendem Oszi. Wenn man sich ans Datenblatt und die Bedingungen 
hält, dürfte so ein Baustein keinen Schaden nehmen.

Auch wenn ich hier einen Diodentest nannte, aber das gilt 
stellvertretend für alle Leistungshalbleiter.

Marketing hat meiner Meinung nach in Bauteildaten absolut nichts zu 
suchen. Das ist eher beim Endverbraucher des fertigen Gerätes besser 
angebracht.

von Markus F. (5volt) Benutzerseite


Lesenswert?

Das Abschalten von Induktivitäten ist bei modernen Power-MOSFETs auch 
kein so großes Problem mehr: Die meisten modernen FETs sind "Avalanche 
rated", das bedeutet, dass die Drain-Source-Strecke bei Überspannung wie 
eine Zenerdiode leitend wird. Die Energie wird dann in Wärme umgesetzt. 
Solange die Energie nicht zu hoch ist, schadte das dem FET nicht.
Im Datenblatt sind bei Avalanche-fähigen FETs die Angaben "Repetive 
Avalanche Energy" (meist einige 10mJ) und "Single Pulse Avalanche 
Energy" (meist einige 100mJ bis mehrere Joule) zu finden. Zudem ist der 
maximal zulässige Avalanche-Strom angegeben.

Und die Bond-Drähte von Leistungshalbleitern halten einiges aus, weil 
sie nur sehr kurz sind und gut gekühlt werden.

Es macht ja z.B. auch bei einem 1mm² Kupferdraht einen riesigen 
Unterschied, ob man ein 10m langes Stück lose irgendwo hinlegt und 
"bestromt", oder ob man ein 5mm langes Stück zwischen 2 große 
Kupferblöcke spannt und da dann Strom anlegt.
Das lose 10m-Stück würde natürlich bei viel geringerem Strom 
durchbrennen als das 5mm-Stück. Das 5mm-Stück wird ja durch die 
Kupferblöcke gekühlt. Wenn es z.B. darüber 5 Watt abführen kann, dann 
dürfte ein Strom von ungefähr 250 Ampere über den Draht fließen, ohne 
dass er durchbrennt.
Das 10m-Stück dagegen würde bei 250A über 10kW Wärme entwickeln und wohl 
ziemlich schnell wegschmelzen...

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.