Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Labor Niedervolt-HGÜ für Schülerversuche


von Professor John Nerdelbaum Frink, Jr. (Gast)


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Hallo,
ich würde gerne für den Elektrotechnik/Physikunterreicht eine HGÜ 
Strecke im Klassenzimmer aufbauen.

Nicht dass ihr mich für verrückt haltet - alles soll im Rahmen der 
Schutzkleinspannungen bleiben.

Ich dachte hierbei an 9V AC und 24V DC.

Genauer:

230V AC --- Sicherheitstransformator OUT:9V AC --- Stromrichteranlage 
--- 24V HGÜ --- Stromrichteranlage --- 9V AC --- Last

Hat mir jemand einen Link wie die Gleichrichtung / Wechseltichtung bei 
HGÜs mittels Thyristoren funktioniert?

Wäre echt super.

Vielen Dank

von Simon A. (testnetz)


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Willst du dies als fertige Module, oder willst du alles selber Bauen?

lg

von Professor John Nerdelbaum Frink, Jr. (Gast)


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Wäre beides interresant. Wenn der Aufwand nicht zu groß ist ist selber 
bauen auch schön...

von Simon A. (testnetz)


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Der Gleichrichter ist sicher das kleinste Problem. Nur brauchst du dann 
noch ein Netzmodel und das größste Problem wird wohl der Wechselrichter.
Vielleicht könnte man hier eine Hälfte kaufen und die andere selber 
bauen.

Was willst du damit demonstrieren? Sprich was sollen die Schüler damit 
lernen?

von Peter R. (pnu)


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Das mit Gleichrichtung und anschließender Wechselrichtung ist doch viel 
zu kompliziert und zu aufwändig. Erkannt werden muss doch vorwiegend der 
Vorteil der Hochspannungsübertragung.

1.Lernschritt: Vorteil der "Hochspannungsübertragung" mit AC zeigen.

Zu erst einmal eine 6V- Leistungsglühbirne (mind. 60W, aus 
Diaprojektor?) über 10m Verlängerungsleitung (normale Kabeltrommel) 
versorgen, 230V/6V-Trafo noch vor der Kabeltrommel.

Dann den 230V/6V Trafo hinter der Kabeltrommel anschließen, die 
Glühbirne leuchtet wesentlich heller.--> Der Leitungsverlust in den 10m 
ist bei höherer Spannung wesentlich geringer.

2.Lernschritt

Was begrenzt die Spannung technisch nach oben? 230V auf 
"Verbraucherebene", 10kV für Verteilungsnetz auf Mittelspannung, 220kV 
oder 380kV auf Hochspannungsebene.

3.Lernschritt:

Vorteil des Gleichstroms (Höchstwert der Spannung ist gleich 
Mittelwert):. Isolatoren müssen den Scheitelwert aushalten, obgleich nur 
der Effektivwert für die Leistung zählt.
Gewinn an Leistung, wenn anstatt 400kV AC  Plus 560kV und minus 560kV 
(auf der Gegenleitung) verwendet werden.

Weitere Vorteile der HGÜ, wie Kopplung verschiedenfrequenter Netze (Zum 
Beispiel Windrad-Anlagen mit 50Hz-Netz) dann nur noch per "Kreidephysik" 
begründen.

von Simon A. (testnetz)


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Der eigentliche Vorteil der HGÜ liegt doch darin, dass man die 
Scheinwiderstände sprich Erd, Leiterkapazitäten und 
Leitungsinduktivitäten weglassen kann. Denn im Wechselnetz fließt in 
einem 10kV Kabel das 100 km lang ist der Nennstrom, wenn das Kabel im 
Leerlauf betrieben wird. D.h. die Kabellänge ist mit Wechselstrom 
beschränkt. Jedoch mit HGÜ hast du nur den Ohmschen Widerstand der 
Leitung und so ist der Spg abfall vom Strom abhängig.

Noch ein Kommentar am Rande das oft unter Naturschützern nicht erwähnt 
wird:
Das ist auch der Grund warum man nicht alle Freileitungen durch Kabel 
ersetzt. Bei Freileitungen sind die Erdkapazitäten um ca den Faktor 10 
kleiner.

Also was soll der Versuch veranschaulichen. Denn auf eine Länge von 10m 
ist der Vorteil von HGÜ noch nicht zu sehen. Da die Scheinwiderstände 
ungefair 0 sind und du so meiner Meinung nicht viel siehst.

von Simon A. (testnetz)


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Falls ich mich irre bitte verbessern.

von Peter D. (pdiener) Benutzerseite


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Mit Thyristoren wird man das bei so kleinen Spannungen vermutlich nicht 
realisieren können.
Eine Umformerstation basiert im Grunde auf einem Umkehrstromrichter mit 
Glättungsdrossel und Anpasstrafo. Die Stationen sehen auf beiden Seiten 
der HGÜ gleich aus. Leistung kann in beide Reichtungen übertragen werden 
und an beiden Seiten kann Blindleistung erzeugt oder verbraucht werden.

Jede Station hat also mindestens 12 Thyristorstrecken mit der 
entsprechenden Gateansteuerung. Dafür benötigt man mindestens 8 
potentialfreie Gatedrive-Spannungsquellen. Und die Ansteuerung ist auch 
nicht gerade trivial.

Und: Man braucht Drehstrom auf den AC-Seiten. Sonst wirds noch 
komplizierter mit Thyristoren, weil die Leistung dann nicht konstant 
ist.

Alles in allem halte ich das für viel zu kompliziert für den 
Schulunterricht.

Im Lehrplan steht nichts von:
- Drehstromsystemen, Zeigerdarstellung, Wirk- und Blindleistung
- Transformatoren, deren mathematische Darstellung und Auslegung
- Thyristoren, deren Betriebsverhalten und Ansteuerverfahren
- Stromrichtertechnik
- Energieübertragungstechnik
- Hochspannungsisoliertechnik

Ohne das zumindest mal ansatzweise gehört zu haben, versteht man weder 
die Funktionsweise, noch die Vor- und Nachteile einer HGÜ.

Grüße,

Peter

von Ulrich (Gast)


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Damit man den Vorteil von Gleichstrom gegenüber Wechselstrom sieht, 
müsste man auch die Frequenz mit Skalieren. Also keine 50 Hz mehr, 
sondern eher 10 kHz oder so. Damit haben dann auch kleine Trafos so im 
Bereich 1-10 W noch einen brauchbaren Wirkungsgrad und machen nicht den 
Effekt der höheren Spannung kaputt.

von Peter D. (pdiener) Benutzerseite


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www.iba-ag.com/pub/pdf/ibatag2010-hgue-siemens-haushofer_de_a4.pdf

Hier steht ein Prinzipschaltbild drin.

Die Frequenz kann man mit Thyristoren nur schlecht hochskalieren.

von Alexander S. (esko) Benutzerseite


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Professor John Nerdelbaum Frink, Jr. schrieb:
> ich würde gerne für den Elektrotechnik/Physikunterreicht eine HGÜ
> Strecke im Klassenzimmer aufbauen.

Welche Schulform? Für 12. Klasse Physik geht das doch deutlich über den 
Lehrplan hinaus.

Außerdem: Welchen Stoff willst du damit den Schülern vermitteln? Glaubst 
du das ein solch kompliziertes Modell in zwei Unterrichtsstunden 
umfassend beschrieben werden kann?

von Peter R. (pnu)


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Selbstverständlich gibt es bei Hochspannungsleitungen eine Vielzahl 
zusätzlicher Gesichtspunkte, die für den Wechsel auf HGÜ sprechen.
Diese dürfte aber für den Schulunterricht keine Rolle spielen, da geht 
es doch wesentlich nur um den Zusammenhang größere Spannung <--> 
rationellere Energieübertragung.

Fragen wie Leitungs-Blindwiderstände, Spannungsüberhöhung bei Blindlast 
usw. spielen in dieser Ausbildungsstufe wohl keine Rolle.

von Bob (Gast)


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@Professor John Nerdelbaum
Die Idee finde ich ganz prima, es gibt doch noch engagierte
Lehrer, pardon Professoren.

Ich fürchte nur, der Effekt, der gezeigt werden soll, kommt
in dem Modell nicht so ganz rüber.
Böse Leute würden da ggf. nach dem Motto "Durch geschicktes
Eichen läßt sich jeder Messwert erreichen" nachhelfen,
Tips kamen ja von Vorpostern.

Ich könnte mir jedoch vorstellen, daß man bei Siemens durch-
aus offene Türen vorfindet, wenn man nachfrägt.
Vielleicht haben die sogar Demo-Material. Einen Versuch ist es
wert.

Und wenn die "Schüler" zu unmotiviert (früher faul, blöd)
sind, nicht tragisch nehmen.

Viel Erfolg bei der Umsetzung der Idee!
Und bitte auch den Erfolg auch posten, das freut sicher
mehrere. Und wenn es schief ging ruhig den Grund mit nennen,
das wäre auch interessant.
Ich tippe mal vorsichtig daß der Grund für ein Scheitern
nicht in der Technik zu suchen sein wird, eher beim "Amtsschimmel"

von Gonzo (Gast)


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Vielen Dank für euere Tipps. Ich denke mal ich muss an dem Gedanken so 
etwas zu zeigen noch ein bisschen feilen... ;-)


Bob schrieb:
> @Professor John Nerdelbaum
> Die Idee finde ich ganz prima, es gibt doch noch engagierte
> Lehrer, pardon Professoren.

Sorry, ich will mir hier keinen Titel anmaßen - Ich bin nur gewöhnlicher 
Lehrer.
Professor John Nerdelbaum Frink, Jr. ist eine Figur aus den Simpsons...

von J. V. (janvi)


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HGÜ ist definiv nichts fürs Klassenzimmer. Wechselrichter mit 
Thyristoren können nur als netzgeführte Wechselrichter arbeiten. D.h. es 
wird in ein vorhandenes 50 Hz Netz eingespeist, welches die Frequenz 
vorgibt. In der Regel ist die eingespeiste Energie deutlich kleiner als 
das führende Netz. Mit Thyristoren kann sonst kein Sinus erzeugt werden, 
bzw. das Abschalten zum Erzeugen einer PWM ist ungleich schwieriger wie 
etwa bei einem IGBT.
Eine Insellösung per HGÜ ist definitiv nicht möglich.

Als Lernerfolg für die Springfield Elementary School könnte man zum 
Beispiel aber auch 12V und 24 Volt (LKW) Bordnetze vergleichen. Hier 
sind die Verhältnisse halbwegs real mit den Kabelquerschnitten 
darzustellen und mit dem ohmschen Gesetz nachzurechnen.

von Peter R. (pnu)


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Zu dem Thema HGÜ könnte man als Lernziel "brainstormen":
und dementsprechend müsste man das Modell aufbauen.

-Vorteil durch höhere mögliche Spannung
-Vorteile bei Kopplung von verschiedenfrequenten Netzen
-Kein Wechselstromfeld in E- oder H-Form (vorwiegend für Esoteriker)
-Keine Probleme mit Blindleistung auf der Leitung
-Besseres Verhalten bei Lastwechseln

Da müsste man sich schon klar darüber werden, welche(n) man im Auge 
behält.

Es gibt aber auch Nachteile/Probleme:

-hoher technischer Aufwand
-Löschbarkeit des Lichtbogens nach Überschlag oder Blitz
-Überspannungen auf der Leitung  bei Reflexionen
-andere Leiterzahl/Struktur mit größerer Feldstreuung als beim 
symmetrisch aufgebauten Dreileitersystem

Das sollte man auch erwähnen, denn sonst haben wir in 20Jahren nur noch 
HGÜ, weils die Halbgebildeten nicht besser wissen.

von Simon A. (testnetz)


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Peter R. schrieb:
> Kein Wechselstromfeld in E- oder H-Form (vorwiegend für Esoteriker)

Esoteriker?
Das bewirkt die vernichtung der Blindleistungsverluste.
Damit viel höhere Leitungslängen.

Noch dazu eine Bemerkung zum Betreff.

 Niedervolt-HGÜ das ist ein paradoxon ;-)

Niedervolt-Hochspannungs Gleichstrom Übertragung xD

von Jürgen F. (unterstrom)


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Hallo,
besorge ein KFZ-Ladegerät (230V -> 13V) und einen KFZ Wechselrichter 
(13V -> 230V). Führe die Wechselspannung beider Geräte heraus. Erst 
koppelst Du die Geräte auf Wechselspannungsebene, die am Wechselrichter 
angeschlossene Lampe wird leuchten. Dann schaltest Du in die Leitung 
eine fette Induktivität: Scheißtrafo, HQL-Vorschaltgerät, ... ; die 
Lampe wird erlöschen. Kopple dann die Gleichspannungsebene: die Lampe 
leuchtet wieder.
Für eine Demonstration sollte das genügen.
Wie Du deinen Schülern klarmachst, warum sich eine Induktivität und eine 
500km lange Freileitung ähnlich verhalten dürfte dann das nächste 
Problem werden ...

Jürgen

von oha (Gast)


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So ein Projekt waere eher etwas fuer eine Fachhochschule.

von Peter R. (pnu)


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Vielleicht schon etwas out of topic:

Hallo Simon,
hast Du auch konstruktive Vorschläge anstatt (nachträglicher) 
Besserwisserei?

Ein als brainstorming angedachtes Sammelsurium zu zerhacken ist eher 
destruktiv als konstruktiv.

Dass es im Wechselstromnetz Probleme mit Leitungsinduktivität, 
-Kapazität und Blindleistung gibt, ist mir bekannt.


Derzeit hat die grüne Front halt als Standard-Gegenargument die 
HGÜ-Übertragung parat, wenn jemand auf sinnlos große Transportwege für 
den Strom hinweist -als sei HGÜ das Ei des Kolumbus für dieses Problem.

Da wäre im Physikunterricht sicher angebracht, zu zeigen warum man mit 
allen Mitteln auf möglichst hohe Spannung will und weshalb Gleichstrom 
dabei einen Vorteil gegenüber Wechselstrom hat. (Und zur 
Allgemeinbildung gehört dann aber auch, zu zeigen welche Grenzen die HGÜ 
hat.)

von werner (Gast)


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Einen wesentlichen Punkt bitte nicht vergessen. Wird leider gerne 
vergessen.

HGÜ ist nur für Punkt zu Punkt geeignet, d.h. vermaschte Netze sind nur 
mit hohen Aufwand möglich.

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