Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik PV- Wechselrichter - Blindleistungsbereitstellung bei Nacht


von Hans-Jürgen (Gast)


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Einen schönen Sonntag!
Beim Lesen unserers lokalen Sonntagsblättchen bin ich auf einen Artikel 
gestossen der den Bau einer PV-Freilandfläche in Alt-Dabern beschreibt. 
Die von Belectric und First Solar realisierte Anlage ging Ende 2011 in 
Betrieb und speist zwecks Netzstabilisierung 'NACHTS' Blindleistung ins 
Netz ein. Die Bereitstellung bzw. Aufnahme von Blindleistung im 
regulären Betrieb kann ich mir technisch recht einfach erklären, wie 
jedoch wird dies im eigentlichen Nachtbetrieb realisert, wo ja keinerlei 
Energie zum Einspeisen vorhanden ist ??? Klärt mich mal auf, wie wird 
soetwas realisert ???
Grüsse,
Hans-Jürgen

von Floh (Gast)


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Ist doch ganz logisch.
Nachts sieht man nichts, ist somit blind und kann höchstens 
Blindleistung einspeisen.

Ironie off:
Der Journalist hat nichts verstanden und schreibt Unsinn.
Aber ein Link auf den Artikel (falls vorhanden) wäre mal lustig.

von Hans-Jürgen (Gast)


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Hallo Floh,
eine Online-Version meines Artikels konnte ich leider nicht finden, hier 
aber einen anderen Link der im Prinzip Gleiches beschreibt.

http://www.photovoltaik.eu/heftarchiv/artikel/beitrag/nachtarbeit-mglich-_100007283/423/

Im Unterabschnitt 'Photovoltaikanlage schläft nicht' ist folgendes zu 
lesen:

Tagsüber würden die Anlagen je nach Sonneneinstrahlung Wirk- und 
Blindleistung gemischt einspeisen und nachts stünde die gesamte 
Wechselrichterpower für Blindleistung zur Verfügung.

Welche 'Wechselrichter-power' ??? Wie soll das (technisch) funktionieren 
?
Gruss,
Hans-Jürgen

von Vn N. (wefwef_s)


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Wo liegt das konkrete Problem? Ist dem TS bekannt, was es mit 
Blindleistung auf sich hat? Wenn im Zeitlichen Verlauf Leistung in die 
Wechselrichter hineinfließt, wird der DC-Zwischenkreis geladen, wenn 
Leistung ins Netz fließt, wird aus den Zwischenkreiskondensatoren 
zurückgespeist.

von Purzel H. (hacky)


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Blindleistung einspeisen bedeutet als Kondensatoren arbeiten. Dh der 
Strom ist gegenueber der Spannung phasenverschoben.

von Hans-Jürgen (Gast)


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Hallo vn nn,
vielen Dank für deine Erklärung. Habe ich dich richtig verstanden, dass 
in diesem speziellen Fall (sprich Nachts) der eigentlich 
DC-Zwischenkreis Kondensator über das Netz geladen wird und dann 
anshliessend Strom phasenverschoben zur Netzspannung wieder ins Netz 
gespeisst wird ? Korrigiert mich bitte wenn ich falsch liege.
Gruss,
Hans-Jürgen

von Jo S. (johannes__s)


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Kurz gesagt: Die Wechselrichter gaukeln dem Netz einen Kondensator 
vor...

von Elektroniker (Gast)


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Also wieder eine Marktlücke gefunden, die unsere geliebten 
Energieversorger so gerne immer vom Kunden bezahlt, und dort errichtet 
haben möchten.
Eine Netzkompensation durch C´s, wie sie gewerbliche Großverbraucher aus 
Kostengründen (Blindleistung kostet auch richtig Geld) an ihrem 
Netzeingang schon seit Jahren so betreiben.
Muß man ebend nur darauf kommen, aber wo soll des Nachts eine so große 
Phasenverschiebung in den Ortsnetzen entstehen, daß diese auf der 
Mittelspannungsebene wirksam werden muß?

von Herbert (Gast)


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Ich glaube nicht das hierfür der Zwischenkreiskondensator genutzt wird. 
Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass in diesem Fall die Brücke 
komplett sperrt und somit lediglich die Kapazität am Ausgang der Brücke 
(über die beiden Spulen fliesst ja kein Strom mehr) für diese aufgabe 
herangezogen wird. Wenn es auf andere Weise gelöst bitte mal erläutern, 
interessiert mich doch auch.
Aber wie mein Vorgänger schon geschrieben hat: Ist denn der Bedarf an 
Blindleistung nachts so erheblich ?

von Fralla (Gast)


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>Ich glaube nicht das hierfür der Zwischenkreiskondensator genutzt wird.
Ich habe rückspeisefähige PFCs entwickelt (nichts anderes als ein 
4Q-Inveter) für DC-Antriebsverbunde. Diese PFC kann kapaztiv erscheinen, 
also induktiven Bildstrom einpseisen (kompensieren). In dem Fall sind 
ASM in der nähe welche den Blindstrom benötigen. Es wird nichts anderes 
gamacht als den d und q Stromreglern einen erschobenen Sollwert 
vorzugeben. Liegt DC-Seitig keine Last an, funktioniert die Kompensation 
natürlich trotzdem. Dabei wird in der Zwischenkreis umgeladen. Ich weis 
ehrlich gesagt nicht wie es die hier genannten PV-Wechselrichter machen, 
aber ich bin sehr sicher, dass auch diese den Zwischenkreis nutzen. Nur 
so kann die Bildleistung stufenlos geregelt werden....

>Vielmehr kann ich mir vorstellen, dass in diesem Fall die Brücke
>komplett sperrt und somit lediglich die Kapazität am Ausgang der Brücke
Eine gesperrte Brücke würde einfach den ohnehin am Netz hängenen 
Filterkondensator als Kompensierend wirken lassen. Aber durch diesen 
fließen niemals 100% der Wechselrichtermaximalleistung, was in dem 
Artikel aber so beschrieben wird. Über den Zwischenkreis ist das 
problemlos möglich, also den Netz einen Weit größeren Kondensator 
vorzumachen.

MFG Fralla

von Hans-Jürgen (Gast)


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Sehr interessant!
Im 'Nachtbetrieb' nímmt also der Zwischenkreiskondensator kurzzeitig 
Wirkleistung auf, um sie (durch entsprechende Steuerung der H-Brücke) 
anschliessend als Blindleistung (und somit phasenverschoben) dem Netz 
wieder zuzuführen.

von eProfi (Gast)


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Es geht nicht nur um die Verschiebungsblindleistung, sondern auch um die 
Verzerrungsblindleistung.
Habe ich vor kurzem hier beschrieben:
Beitrag "Re: Photovoltaik - Aktive Oberwellenfilterung - Stromnetz"
Beitrag "Re: Photovoltaik - Aktive Oberwellenfilterung - Stromnetz"

von Fralla (Gast)


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>Im 'Nachtbetrieb' nímmt also der Zwischenkreiskondensator kurzzeitig
>Wirkleistung auf, um sie (durch entsprechende Steuerung der H-Brücke)
>anschliessend als Blindleistung (und somit phasenverschoben) dem Netz
>wieder zuzuführen.
Genau. Man kann sagen, die Brücke "transformiert" die Impedanz des 
Zwischenkreiskondensators, sodass durch diesen ein beliebig geregelter 
Strom fließt. Somit wirkt das gebildet wie ein Kondensator direkt am 
Netz, dessen größe regelbar ist. Das ausregeln der Verzerrungen, also 
harmonische Ströme ins Netz speisen (jene harmonischen die die 
nichtlineare Last aufnimmt) kann eine rückspeisefähige PFC (=4Q Inverter 
auch) auch. Der Strom muss dem Zwischenkreis ja nicht unbedingt 
Sinusförmig entnommen werden. Besonders hilfreich wenn 
Thyristorstromrichter in der Nähe sind und typische Dellen am Sinus 
verursachen. Das ausgleichen der Notches (=Kurzschluss während der 
umkommutierung am Stromrichter) geht nur wenn dieser in unmittelbarer 
Nähe ist, also bei PV nicht möglich aber wohl auch nicht notwendig. Aber 
breite "Dellen" durch ungesteuerte Gleichrichter können etwas 
ausgeglichen werden.
Führt zu merkwürdigem "Sound" in den Filterdrosseln wenn man das extrem 
betreibt...

MFG

von gaast (Gast)


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Herbert schrieb:
> Ich glaube nicht das hierfür der Zwischenkreiskondensator genutzt wird.

Dann glaubst du es eben nicht.

Hans-Jürgen schrieb:
> Im 'Nachtbetrieb' nímmt also der Zwischenkreiskondensator kurzzeitig
> Wirkleistung auf, um sie (durch entsprechende Steuerung der H-Brücke)
> anschliessend als Blindleistung (und somit phasenverschoben) dem Netz
> wieder zuzuführen.

Nein. Wirkleistung muss grundsätzlich in keinem Moment aufgenommen 
werden (von Verlusten abgesehen). Die müsste ja irgendwo verheizt 
werden.

von Sepp (Gast)


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Man sollte vl sagen der Wechselrichter nimmt Momentanleistung auf und 
gibt diese in einem anderen Moment wieder ab. Das ganze ergibt dann 
Blindleistung... Das im Mittel keine Wirkleistung aufgenommen oder 
abgegeben wird ist ja eh klar.

Fralla schrieb:
>Somit wirkt das Gebilde wie ein Kondensator direkt am Netz, dessen größe 
>regelbar ist.
Das find ich gut erklärt ;)

>Führt zu merkwürdigem "Sound" in den Filterdrosseln wenn man das extrem
>betreibt...
Wie, was?

von Tim (Gast)


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Mal ganz abgesehen von der technischen Realsiierung, warum müssen Netze 
Nachts mittels Blindleistung gestützt werden ?

von Sepp (Gast)


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> warum müssen Netze Nachts mittels Blindleistung gestützt werden ?
Wer sagt nur Nachts? Auch am Tag. Aber die PV-Inverter können Nachts aus 
naheliegnden Gründen nur Blindleistung...

von Tim (Gast)


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Ist schon klar, dass sie das auch tagsüber können. Ich hatte ja wie du 
lesen kannst gefragt warum Netze >NACHTS< mittels Blindleistung gestützt 
werden solen/müssen ...

von Sepp (Gast)


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>warum Netze >NACHTS< mittels Blindleistung gestützt werden >solen/müssen ...
Weil Nachts auch Strom und verbraucht wird und damit Blindstrom 
herumfließt. Am Tag liefern fähige PV-Inverter genauso Blindstrom, 
nachts eben nur diesen.
Warum damit aber so toll Leitungskapazität gespart werden soll weis ich 
auch nicht. Den der Bedarf an absolutem Strom (Netzbelastende 
Scheinleistung also egal ob Blind oder Wirk) wird am Tag ja immer noch 
höher sein, auch bei starker Bewölkung.

von temp (Gast)


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Im Winter ist 16 Uhr der Tag zu Ende, wenn er überhaupt schon angefangen 
hat. Und dann wird Licht angemacht. Gern auch mit Leuchtstofflampen 
incl. Drossel....

von Sepp (Gast)


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>Im Winter ist 16 Uhr der Tag zu Ende, wenn er überhaupt schon angefangen
>hat. Und dann wird Licht angemacht.
Ja das erklär Blindleistung. Doch ingesammt ist der Strom am Tag höher 
und damit die Netzbelatung höher. Wenn die PV Wechselrichter 
Blindleistung loakler Bereitstellen ist das eine Sache. Doch wie soll 
das helfen Leistungskapazität (im Sinne von maximalen RMS Strom) zu 
sparen? Die Wikuleistung ist immer noch um viele Faktoren hoher und 
gerade im Winter nach 1600 kommt diese nicht von PV...

von eProfi (Gast)


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> Doch wie soll das helfen Leistungskapazität (im Sinne von maximalen
> RMS Strom) zu sparen?
Ganz einfach: Blindleistung jeglicher Art belastet das Netz - unnötig.
Jede Kompensation von Blindleistung entlastet das Netz - gewünscht.

Beispiel: Du hast eine Leuchtstofflampe mit KVG (konventionellem 
Vorschaltgerät = Drossel). Die hat eine Wirkleistung von z.B. 36W + 10W 
Verluste in der Drossel. Aber eine Scheinleistung von ca. 100W, d.h. es 
fließt ein Strom von 0,5A, der in den Leitungen, Trafos und Generatoren 
Verlustleistung (P=R*I zum Quadrat) verursacht.
Wenn die Lampe kompensiert wird, fließt nur noch der Wirkstrom, also 
etwa 0,2A, was die Verlustleistung auf (0,2/0,5)² = 16% reduziert, also 
um 84%.
Der Blindstrom fließt nur lokal zwischen C und L.

Klar, dass die EVU großes Interesse daran haben, ihre Geräte kühl zu 
bekommen, sie brauchen dann nicht so stark überdimensioniert werden.

Das selbe gilt für Verzerrungsblindleistung.

Der PV-Umrichter arbeitet nebenbei, falls nicht PV-ausgelastet, als 
aktive Parallelkompensationsanlage.

von Sepp (Gast)


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>> Doch wie soll das helfen Leistungskapazität (im Sinne von maximalen
>> RMS Strom) zu sparen?
>Ganz einfach: Blindleistung jeglicher Art belastet das Netz - unnötig.
>Jede Kompensation von Blindleistung entlastet das Netz - gewünscht.
Das ist schon klar, aber deshalb hab ich auch geschrieben:
>Den der Bedarf an absolutem Strom (Netzbelastende
>Scheinleistung also egal ob Blind oder Wirk) wird am Tag ja immer noch
>höher sein, auch bei starker Bewölkung.

Also kann nur um die Blindleistungsfähigkeit der PV-Inverter bei der 
Netzauslegung gespart werden. Denn auch am Tag gibts Bedingungen wo 
sogut wie keine P-Leistung von der PV kommt.
Werden dann mal einige Inverter verkauft, weil die Subvention weg ist 
dann....

Alle Inverter sind natürlich auch im RMS/Peak Strom und damit der 
maximalen Scheinleistung begrenzt.

>Der PV-Umrichter arbeitet nebenbei, falls nicht PV-ausgelastet, als
>aktive Parallelkompensationsanlage.
Ja das wurde ja schon intensiv diskutiert bzw erklärt wie...

von Jonas (Gast)


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Guten morgen,
meine Frage passt thematisch sehr gut hierher, daher habe ich mir mal 
das Erstellen eines neuen Threads gespart.
In 'SMA - Netzintegration'

http://files.sma.de/dl/10040/PV-NETZINT-ADE113413W.pdf

ist auf Seite 28 unten eine Grafik samt Rechnung zum Thema 'Mehr PV 
Leistung ins Netz durch Blindleistungsfähige Wechselrichter aufgeführt. 
Kann mir mal bitte jemand diese Grafik erklären. Ich probiere das mir 
rechnerisch zu erklären, jedoch wills nicht 'klick' machen.

von Jonas (Gast)


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Nachtrag:

Meine eigentliche Frage ist bezogen auf die besagte Abbildung:
Warum lassen sich mit einem 'Verschiebungsfaktor von 1' nicht doppelt 
soviele Wechselrichter betrieben ???

von Michael (Gast)


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Die Netzspannung wird am Anschlusspunkt zu groß. An der Impedanz des 
Mittelspannungstrafos und an den Leitungsimpedanzen fällt durch die 
eingespeiste Leistung Spannung ab. Diese Spannung erhöht die Spannung am 
WR. Wenn nun kapazitive Blindleistung vom WR abgegeben wird, WR verhält 
sich wie eine Drossel, bildet sich mit der hauptsächlich Induktiven 
Netzimpedanz ein induktiver Spannungsteiler.

Mfg

Michael

von Jonas (Gast)


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Hallo Michael,
vielen Dank für deine Erklärung. Nur mit dem Beispiel in dem genannten 
Dokument komme ich immer noch nicht so ganz klar. Über ne kurze 
Erklärung wäre ich wirklich happy!
Gruss,
Jonas

von Matze (Gast)


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Habe gerade mal in das Dok reingeschaut, kann dir da aber auch nicht 
wirklich helfen. Was ich mich aber nach dem Lesen des abschnitts frage:
Wie sind denn die Kurzschlussleistung und der Netzimpedanzwinkel eines 
Netzknotens definiert ???

von Fralla (Gast)


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>Wie sind denn die Kurzschlussleistung und der Netzimpedanzwinkel eines
>Netzknotens definiert ???
Einfach googlen, da steht soviel.
Hier ein paar Links welche beschreiben, warum man bei SPeisung mit einem 
Leistungsfaktor ungleich Null mehr Leistung ins Netz bringt:
http://www.iset.uni-kassel.de/abt/FB-A/publication/2011/2011_Degner_Staffelstein_kurz.pdf
http://www.iset.uni-kassel.de/abt/FB-A/publication/2009/2009_Valov_Staffelstein.pdf
Zeigerdiagramm hilft dabei auch.

MFG Fralla

von Fralla (Gast)


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Das gute PDF hab ich vergessen:
http://www.fven.de/Publikationen/SMA_Dr_%20Engel.pdf

Eher Allgemein über Blindleistung:
http://files.sma.de/dl/10040/BLINDLEISTUNG-ADE094210.pdf

Auf den Internetseiten von SMA und Fronius sich umzusehen ist ganz 
hilfreich, da gibts gute Paper die auch tiefer in die Technik gehen.

MFG

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