Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Abblockkondensator in Operationsverstärkerschaltungen


von j. c. (jesuschristus)


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Hallo,

in der aktuellen Elektor wird bei einem Projekt im Nebensatz davon 
abgeraten, bei bipolar versorgten OPAs die Stützkondensatoren zwischen 
Gnd und V- und Gnd und V+ zu legen. Stattdessen sollen sie zwischen V+ 
und V-, also nur einer. Begründung: Übertragung von Brumm auf die 
Gnd-Leitung.
Kann dazu mal jemand was sagen? Ich glaube nämlich, sowas ist mir schon 
mal passiert...

von j. c. (jesuschristus)


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Hier gibt es ein ähnliches Statement:

"The 5532 and 5534 type op-amps require adequate supply decoupling if 
they are to remain stable, otherwise they appear to be subject to some 
sort of internal oscillation that degrades linearity without being 
visible on a normal oscilloscope. The essential requirement is that the 
positive and negative rails should be decoupled with a 100 nF capacitor 
between them, at a distance of not more than a few millimeters from the 
op-amp; normally one such capacitor is fitted per package as close to it 
as possible.

It is not necessary, and often not desirable, to have two capacitors 
going to ground; every capacitor between a supply rail and ground 
carries the risk of injecting rail noise into the ground."

http://www.eetimes.com/design/audio-design/4218273/Op-amps-in-small-signal-audio-design---Part-3--Selecting-the-right-op-amp?pageNumber=1

von Kai K. (klaas)


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>in der aktuellen Elektor wird bei einem Projekt im Nebensatz davon
>abgeraten, bei bipolar versorgten OPAs die Stützkondensatoren zwischen
>Gnd und V- und Gnd und V+ zu legen. Stattdessen sollen sie zwischen V+
>und V-, also nur einer. Begründung: Übertragung von Brumm auf die
>Gnd-Leitung.

Ja oder man hat sogar zwei getrennte Grounds, eine für die Supply Rails 
und eine andere für das Signal, die man nur am Netzteil miteinander 
verbindet. Solche Schaltungen schwingen dann plötzlich ganz fürchterlich 
wenn man einfach mal ein längeres Kabel anschließt und lassen sich nicht 
mehr kompensieren. Auch der CE-Test wird dann eine unlösbare 
Herausforderung, ich denke hier beispielsweise an Studiomischpulte.

Die Theorie dahinter ist uralt und eigentlich mehr eine philosophische 
Frage. Es ist letztlich die Idee der sternförmigen Masseführung, die man 
bis zum Exzess treibt, verknüpft mit riesigen Stromschleifenflächen, mit 
denen man aber heute einfach nicht mehr durch den CE-Test kommt. Heute 
muß nan (leider?) anders entwickeln, mit großer durchgehender 
Massefläche, großflächig verbundenen Abschirmungen, Entkopplungen 
überall gegen die durchgehende Massefläche. Also so wie man es vom 
traditionellen HF-Aufbau kennt, beipsielsweise in Tuner-Schaltungen mit 
ihren lustigen Weißblechgehäusen.

Die Idee des Entkoppelcaps nach Masse ist, daß der OPamp eine nach Masse 
fließende Laststromspitze direkt aus dem Entkoppelcap beziehen kann und 
die restliche Schaltung diese Stromspitze nicht mehr sieht. Ohne diesen 
Entkoppelcap oder mit nur einem Entkoppelcap zwischen den Rails, gelingt 
das nicht und die Stromspitze muß den ganz langen Weg bis zum Netzteil 
nehmen. Also sieht die gesamte Restschaltung ebenfalls die Stromspitze 
oder besser gesagt deren Spannungsabfall an den 
Zuleitungsinduktivitäten, was in einer erheblich gesteigerten 
Schwingneigung enden kann.

Aus meiner Sicht ist diese Technik völlig idiotisch, weil die OPamps 
dadurch faktisch nicht mehr voneinander entkoppelt sind. Also die 
massereferenzierten Entkoppelcaps würde ich auf gar keinen Fall 
aufgeben. Man möge dies mal in einer Videoschaltung machen. 
Lächerlich...

Mal eine Gegenfrage: Warum ist denn auf den Rails überhaupt "Brumm", der 
eingekoppelt werden kann?? Dann taugt doch das Netzteil nichts und auf 
die Entkoppelcaps soll lediglich verzichtet werden, um einen 
Netzteilfehler zu kaschieren. Auch die Masseführung muß schon 
katastrophal sein, wenn es da überhaupt zu Spannungsabfällen kommen 
kann. Mit einer durchgehenden Massefläche hat man auch den Vorteil einer 
sehr niederohmigen und niederinduktiven Masse.

Nein, die Rails müssen natürlich frei von Brumm sein. Und das ist auch 
heute überhaupt kein Problem mehr. Ganz einfache Gyratoren können da 
enorm hilfreich sein, wenn man mal ganz kleine Signale verstärken muß. 
Auch simple RC-Glieder in den Versorgungsleitungen, können die 
Problematik erheblich entschärfen.

Also der Tipp auf massebezogene Entkoppelcaps zu verzichten kann in 
einer größeren Schaltung der Supergau sein. Das würde ich auf gar keinen 
Fall so machen. Letztlich ist entscheidend, was im Datenblatt des OPamp 
steht, und da werden praktisch immer massebezogene Entkoppelcaps 
gefordet...

von Kai K. (klaas)


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Kleine Abschätzung dazu:

Ein Regler hat >60dB Brummunterdrückung. Ergibt bei einem 
100Hz-Eingangsripple von 1V rund 1mV am Ausgang des Reglers.

In der Betriebsspannungszuleitung des OPamp soll ein RC-Glied mit 
100R/47µ//100n vorhanden sein. Also fließt ein Strom von rund 1mV/100R = 
10µA zur Masse.

Eine Europakarte mit durchgehender Massefläche hat einen Massewiderstand 
von rund 1mR. Ein 10µA großer Strom verursacht daran einen 
Spannungsabfall von 10nV. Selbst bei einem 1mV Signal sind das immer 
noch rund 100dB Abstand.

Jetzt nehmen wir Breitbandrauschen vom Regler von rund 1mVeff im 
10Hz...100kHz Band. Wieder begrenzt der 100R Widerstand den Strom zur 
Masse auf 10µAeff. Wieder bietet die durchgehnde Massefläche eine sehr 
niedrige Impedanz von rund 1mR, vielleicht nicht ganz bis 100kHz herauf, 
aber die Zunahme ist marginal. Also entsteht ein Rauschen von 10nVeff. 
Zum Vergleich, ein superrauscharmer LT1028 rauscht im Band 10Hz...100kHz 
mit rund 280nVeff...

von j. c. (jesuschristus)


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Alles klar, danke. Mittlerweile verstehe ich das, habe ein altes 
Schaltbild gefunden, wo es eine Sternerde gab, von der dann die 
jeweiligen Erden daisy-chained abgingen und deren Chips dann nur mit 
einem Blockkondensator versehen waren. Die Sternerde hatte dann die 
Kondensatoren gegen die Rails.
Danke sehr für Deine ausführliche Schilderung! Super!

von rotzie (Gast)


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Bei Verstärkerschaltungen ist die Sternmasse immer noch üblich. Es gibt 
3 Massen: Die Signalmasse, eine Masse für Entkopplungskondensatoren und 
das Zobel-Glied, und eine Masse für die Lautsprecher. Diese treffen sich 
am Netzteil in einem Punkt, der über eine kurze Strecke mit dem 
Verbindungspunkt der beiden Ladeelkos des Netzteils verbunden ist. Es 
darf auf keinen Fall so sein, dass die Signalmasse den Spannungsabfall 
sieht welcher durch Stromspitzen in den Lautsprechern oder 
hochfrequenten Mist aus dem Zobelglied kommen. Das kostet natürlich; die 
Platinen werden größer und evtl. werden auch zusätzliche Kabel benötigt.

von Alex (Gast)


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Ich hatte mal eine Schaltung, in der ich die C ausschließlich zwischen 
V+ und V- eingesetzt hatte.
Die Spannungsregler waren normale 78/79er (beinde von ONSemi).
Jedenfalls hat die Sachen in 50% der Fälle nach dem Einschalten nicht 
funktioniert.
Grund:
Der V+ Regler war um Haaresbreite schneller, und durch die C hat die V- 
Rail beim Einschalten eine kleine positive Spannung abgekriegt.
Das hat den V- Regler dazu veranlasst nicht einzuschalten.

Die Schaltung blieb in einem Zustand hängen, in dem V- um 0.5V 
(irgendwelche Vorwärtsspannungen) höher als GND war.

Hat mich Stunden gekostet das rauszufinden.
Lösung -> C gegen Masse und gut war.

Fazit:
Wenn die C zwischen V+ und V-, dann muss auch die Versorgung dieser 
Topologie entsprechen.

Alex

von MaWin (Gast)


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Hier steht wie und worum es bei Abblockung von OpAmps geht:
http://www.analog.com/static/imported-files/application_notes/AN-202.pdf

Und falls es um Digitaltechnik geht:
http://www.ti.com/lit/an/scba007a/scba007a.pdf

von Kai K. (klaas)


Angehängte Dateien:

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>Der V+ Regler war um Haaresbreite schneller, und durch die C hat die V-
>Rail beim Einschalten eine kleine positive Spannung abgekriegt.
>Das hat den V- Regler dazu veranlasst nicht einzuschalten.

Das ist Latch-up und läßt sich mit einer Diode am Ausgang des Reglers 
(in Sperrrichtung vom Ausgang nach Masse) beheben.

Douglas Self, der den obigen Artikel verfaßt hat, war ja mal Entwickler 
bei Soundcraft. Schaut man sich deren Schaltpläne an (siehe z.B. 
Anhang), fällt auf, daß auch dort diese Regel nicht 100% umgesetzt wird: 
Man sieht, daß jeweils kleinere Gruppen von OPamps lokal mit einem 
RC-Glied von den Rails nach Masse entkoppelt werden und dann innerhalb 
dieser kleinen Gruppen zuzsätzliche Caps über den Rails zu finden sind.

Bei den Mackie Mischern findet sich an jedem OPamp ein 100n Cap von den 
Rails zur Masse. Lediglich die OPamps der Kopfhörerverstärker werden mit 
einem 33R/47µ//100n RC-Glied von den Rails nach Masse entkoppelt.

von Alex (Gast)


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Hi!

>>Der V+ Regler war um Haaresbreite schneller, und durch die C hat die V-
>>Rail beim Einschalten eine kleine positive Spannung abgekriegt.
>>Das hat den V- Regler dazu veranlasst nicht einzuschalten.
>
> Das ist Latch-up und läßt sich mit einer Diode am Ausgang des Reglers
> (in Sperrrichtung vom Ausgang nach Masse) beheben.

Damit hast du wahrscheinlich Recht, aber dann muss es schon eine 
Schottky sein. Denn die 0.7V wurden nicht erreicht.
Vielleicht probier ich das mal aus.

Grüße,
Alex

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Entkoppelkondensatoren müssen sinnvollerweise so eingebaut werden, dass 
sie den Wechselstrompfad schließen (können). Welche dieser beiden 
Schaltungen kann das wohl besser?
Die erste hier:
1
  
2
    +Ub -------o-------------------------o---
3
               |                         |        
4
             --+-----.                   |
5
            ---P     |                  ---     
6
         OPamp |     |   I   ___        ---      
7
      Endstufe o-----+--->--|___|---.    |
8
               |     |              |    |       
9
            ---N     |             ---   |        
10
             --+-----'                   |
11
               |                         |
12
    -Ub -------o-------------------------o---

Oder die zweite hier:
1
  
2
    +Ub -------o-------------------------o---
3
               |                         |        
4
             --+-----.                  ---
5
            ---P     |                  ---     
6
         OPamp |     |  I    ___         |      
7
      Endstufe o-----+-->---|___|--------o----.    
8
               |     |                   |    |    
9
            ---N     |                  ---  ---      
10
             --+-----'                  ---
11
               |                         |
12
    -Ub -------o-------------------------o---

MaWin schrieb:
> Hier steht wie und worum es bei Abblockung von OpAmps geht:
> http://www.analog.com/static/imported-files/applic...
Mich stört in dem PDF ein wenig die Unterscheidung zwischen positiver 
und negativer Versorgung. Und schade, dass da kein Datum drin steht...

von LTC1043 (Gast)


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Lothar Miller schrieb:
> Und schade, dass da kein Datum drin steht...

Ich hab diese Betrachtungen von AD schon in Aplication Notes von 1977 
gesehen... ( Analog Dialogue 11-2-1977 ) Wenn du Interesse hast kann ich 
sie dir scannen und hier posten.

Cheers

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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LTC1043 schrieb im Beitrag #2734995:
> Wenn du Interesse hast kann ich sie dir scannen und hier posten.
Der Suchbegriff hat ausgereicht:
http://www.analog.com/library/analogDialogue/cd/vol11n2.pdf

von Jens G. (jensig)


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@Lothar Miller (lkmiller) (Moderator)

>Entkoppelkondensatoren müssen sinnvollerweise so eingebaut werden, dass
>sie den Wechselstrompfad schließen (können). Welche dieser beiden
>Schaltungen kann das wohl besser?

Beide sind gut, denn es kommt drauf an, welche Wechselstrompfade man 
kurzschließen will: Störstrompfade, oder Signalstrompfade,
Ersteres wird durch die erste Schaltung ohne Einfluß auf das Signal ganz 
gut behandelt, und zweiteres durch die zweite Schaltung.

>und negativer Versorgung. Und schade, dass da kein Datum drin steht...

Doch - steht drin, und zwar rechts senkrecht am Rand der letzten Seite:

"PRINTED IN U.S.A. E1393b–1–2/00 (rev. B)"

also 02/2000, was auch sehr gut zum Create-Datum in den Document 
properties paßt.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Jens G. schrieb:
>> Und schade, dass da kein Datum drin steht...
> Doch - steht drin, und zwar rechts senkrecht am Rand der letzten Seite:
> "PRINTED IN U.S.A. E1393b–1–2/00 (rev. B)"
Gut versteckt ist halb verloren...

Jens G. schrieb:
> Beide sind gut, denn es kommt drauf an, welche Wechselstrompfade man
> kurzschließen will: Störstrompfade, oder Signalstrompfade,
> Ersteres wird durch die erste Schaltung ohne Einfluß auf das Signal ganz
> gut behandelt, und zweiteres durch die zweite Schaltung.
Nur kann bei brauchbarem Layout die zweite Schaltung die Erste ersetzen. 
Aber andersrum geht das nicht...   ;-)

von Jens G. (jensig)


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Ja sicher - bei intelligentem Layout hat man solche Probleme nicht 
wirklich ;-)

von Kai K. (klaas)


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>Damit hast du wahrscheinlich Recht, aber dann muss es schon eine
>Schottky sein. Denn die 0.7V wurden nicht erreicht.

Die Hersteller von Reglern empfehlen immer eine Siliziumdiode. Aber ich 
nehme auch eine 1A Schottky dafür.

>Mich stört in dem PDF ein wenig die Unterscheidung zwischen positiver
>und negativer Versorgung. Und schade, dass da kein Datum drin steht...

Wenn du einen Entkoppelcap über den Rails und zusätzlich einen von der 
V- Supply nach Masse hast, kannst du auch gleich zwei von den Rails nach 
Masse nehmen.

>Welche dieser beiden Schaltungen kann das wohl besser?

Das Entscheidende hier ist das Verhalten bei Frequenzen im Bereich der 
Unity Gain. Wenn ein OPamp schwingt, tut er das gerne in der Umgebung 
der Unity Gain. In diesem Frequenzbereich entnimmt er dann der 
Versorgungsleitung Ströme. Genau in diesem Frequenzbereich können die 
Versorgungsleitungen beachtliche Impedanzen aufweisen und genau dort hat 
der OPamp keine nenneswerte PSRR mehr. Wenn jetzt also ein OPamp 
instabil wird und bei der Unity Gain Ströme zieht, sind alle OPamps, die 
an der gleichen Versorgungsleitung hängen, ebenfalls hochgradig 
schwinggefährdet.

In hochverstärkenden Systemen, kann bereits eine kurze Störung, 
beispielsweise das Einstecken eines Kabels zum Ausbruch einer Schwingung 
führen. Auch kann eine solche Schwingung scheinbar aus dem Nichts 
kommen. Da genügt das Eigenrauschen oder Reglerrauschen, um die OPamps 
zum gegenseitigen Hochschaukeln zu bringen.

Hier hilft nur ein Entkoppelcap bei jedem OPamp von der 
Versorgungsleitung nach Masse, weil nur damit Rückwirkungen elminiert 
bzw. erheblich unterdrückt werden können. In der Regel reicht hier schon 
ein Cap von 10...100n, um die Schwingneigung zu unterdrücken. Größere 
Entkoppelcaps braucht man in der Regel nur dann, wenn ein OPamp 
nenneswerte Lastströme treiben muß.

Ein einzelner Entkoppelcap zwischen den Rails kann das nicht, weil er 
die Störung lediglich auf die andere Versorgungsleitung schaufelt, die 
ja genauso empfindlich ist, wie sie selbst. Aus der Turbulenz auf nur 
einer Versorgungsleitung ist nun eine auf beiden Rails geworden. Wie das 
die Situation bereinigen soll, ist mir ein Rätsel.

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