Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Alte Netzeingangsfilter Schaffner wieder fit machen


von Hackyber (Gast)


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An alle Netzfiltergeschädigten

Ich hatte bei ibä einen Frequenzzähler ersteigert,  geschätzt 15 Jahre 
alt. Ca. 1 Stunde nach der Inbetriebnahme verabschiedete sich der 
Netzeingangsfilter (Schaffner, 1A  FN326-1) unter Zischen und hässlichen 
Rauchzeichen. Vermutlich ein Kondensator im Netzfilter. Gott sei Dank 
wurde das Innere des Gerätes nicht in Mitleidenschaft gezogen.

Bei ibä identische Netzeingangsfilter besorgt (gab es im 3er Pack) und 
einen eingebaut. Nach ca. 30min Zischen, Rauchaustritt an gleicher 
Stelle wie beim ersten...

Also offensichtlich ein Serienproblem:  Schaffner, 1A  FN326-1, länger 
nicht benutzt, bzw. unbenutzt – oder ein ganz anderes Problem von dem 
ich aber überhaupt keine Idee habe. Leider sind die Einbaubedingungen so 
eng, dass andere Filter vom Einbaumaß nicht in Frage kommen.

Da ich keine Lust hatte weiter unkontrolliert mit Netzspannung zu 
experimentieren, habe ich erst mal Gleichspannung 33V (max.) zwischen P 
und N angelegt und Strom gemessen. Hier zeigte sich, dass ein 
Anfangsstrom von einigen 10µA nach einigen Minuten auf unter 100nA sank, 
also irgend ein Langzeiteffekt stattfindet. Die Idee war nun, dass diese 
Filter sicher zu Hunderttausenden verbaut wurden und da sich beim 
googlen nur ein Hinweis hier im Forum auf Probleme finden ließ denke 
ich, dass ausschließlich Filter betroffen sind, die längere Zeit nicht 
an Netzspannung lagen.

Der Versuch mit der Gleichspannung nährte bei mir die Hoffnung, dass bei 
längerem Anlegen von Netzspannung die Filter wieder in Ordnung kommen 
könnten.

Um volle Kontrolle über die Ergebnisse zu haben, ohne direkt ans Netz zu 
gehen (habe keinen Stell- oder Trenntrafo) habe ich folgendes gemacht.

Gleichspannungsnetzteil (12V) mit Strombegrenzung an Wechselrichter und 
dann weiter an den „neuen“ Netzfilter anschließen. Die Strombegrenzung 
wurde so eingestellt, dass maximal 2Watt im Filter umgesetzt werden.

I--------I       I---------------I
I        I-------I      /        I--------
I 12V DC I       I 12V / 230V AC I        Netzfilter 220V
I        I-------I    /          I--------
I--------I       I---------------I




Unter Herausrechnung der Energieaufnahme des unbelasteten 
Wechselrichters stieg die Leistungsaufnahme des reinen Netzfilters von 
840mW auf 2000mW innerhalb  von wenigen Minuten. Danach Tausch mit dem 
zweiten der beiden verbliebenen Netzfilter. Gleicher Effekt. Wieder 
Tausch.. usw.

Der Anstieg der Leistungsaufnahme dauerte im Laufe der Zeit immer 
länger, und nach ca. 20-25mal Tauschen lief das Netzteil erstmalig nicht 
mehr in die Strombegrenzung!

Die Filter wurden nun über 12Stunden an Netzspannung gelassen. Die 
Leistungsaufnahme hat sich seitdem auf 600mW reduziert.

Ein Filter ist nun seit vielen Stunden ohne Probleme im Frequenzzähler 
im Einsatz.


Schöne Grüße Hackyber

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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http://www.mouser.com/catalog/specsheets/schaffner_fn326%20module.pdf

"33nF, 2,2nF, max leakage 190 µA"

Langsames Wiedereingewöhnen an die Betriebsspannung nennt man 
"formieren" (nicht zu verwechseln mit formatieren). Wird zum Beispiel 
beim Restaurieren alter Röhrenradios gemacht.

von Hans (Gast)


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Hey, welch ein Zufall - wilkommen im Club!

Das ist mir erst letzte Woche bei meinem alten Gould DSO420 passiert!

Mit weithin sichtbaren Rauchzeichen und einem fürchterlichen Gestank hat 
sich das Ding verabschiedet. Ich dachte erst, es wäre wieder die 
Beschaltung rund um den Zeilentrafo (Problemkind bei dem Oszi), 
gottseidank wars nur der Filter.

Im meinem Fall ist es ein FN 370-2. Schweizer Präzisionsware. Es scheint 
wohl mehrere betroffen Serien zu geben.

An dem Filter klebt noch immer die stinkende, braune Flüssigkeit, welche 
es herausgedrückt hat.

Das ärgerliche daran ist, dass vor dem Filter nur Leitungsschutzschalter 
sitzt (evtl. auch der RCD). Und bis dieser auslösst kann u.U. eine Menge 
Verlustleistung in dem Filter verbraten werden. Je nach Anwendung kann 
der Schaden dann auch mal größer ausfallen...

von Hackyber (Gast)


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Christoph Kessler (db1uq) schrieb:
> Langsames Wiedereingewöhnen an die Betriebsspannung nennt man
> "formieren" (nicht zu verwechseln mit formatieren). Wird zum Beispiel
> beim Restaurieren alter Röhrenradios gemacht.

Hallo Christoph,

ich dachte beim formieren ging es immer um Elkos?

Schöne Grüße

Hackyber

von Hans (Gast)


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Christoph Kessler (db1uq) schrieb:
> Langsames Wiedereingewöhnen an die Betriebsspannung nennt man
> "formieren" (nicht zu verwechseln mit formatieren). Wird zum Beispiel
> beim Restaurieren alter Röhrenradios gemacht.

Das "formieren" bezieht sich auf die Elkos. Das solche Effekte bei 
Folienkondensatoren und KerKos (insb. bei X- und Y-Kondensatoren von 
Netzfiltern) nach längerer Nichtbenutzung auftreten wäre mir neu. 
Aussnahme hiervon sind uralt-Folien-Kondensatoren aus Röhrenradios und 
Fernseher. Haben diese aber erst mal einen erhöhten Leckstrom, so hilft 
meines Wissens auch kein "formieren" mehr, der Leckstrom bleibt.

In meinem Fall war das Oszi auch erst vor kurzen in Betrieb gewesen, 
über mehrere Stunden. Ein Nichtbenutzen als Fehlerursache scheidet 
eigentlich aus.

Ich habe noch einen baugleichen intakten Filter hier. Nichtdestotrotz 
werde ich mal die Ruhestromaufnahme noch vor dessen Einbau messen. Mein 
Ersatzfilter war doch schon eine ganze Weile nicht mehr im Betrieb...

von mhh (Gast)


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Ich hätte kein Vertrauen zu solch einem Filter, welcher mehr als den 
Blindstrom für sich beansprucht. Das Sinken dieses Stromes nach einer 
Weile an geringerer Spannung verschiebt nur das "bumm" zeitlich.

von Hans (Gast)


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mhh schrieb:
> Ich hätte kein Vertrauen zu solch einem Filter, welcher mehr als den
> Blindstrom für sich beansprucht. Das Sinken dieses Stromes nach einer
> Weile an geringerer Spannung verschiebt nur das "bumm" zeitlich.

Das stimmt wohl. Leider kostet ein neuer Filter um die 65,- € (siehe 
google "schaffner FN 370-2"). Da lohnt sich schon der Versuch, 
wenigstens mal die Ruhestromaufnahme zu messen.

von Georg A. (georga)


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Schaffner ist mir noch nicht explizit untergekommen, aber sonst haben 
sich hier schon massenweise andere Netzfilter mit Plop und Gestank 
verabschiedet. u.a. 3*Staubsauger, 2*Küchenmaschine, 1*Waschmaschine. 
Scheint ein allgemeines Problem von dem Dreck zu sein.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Ja, kann sein, das das nur Elkos betrifft. Mir ist schon zwei 
Funkentstörkondensatoren in Rauch aufgegangen. Es sind wohl immer 
dieselben Typen, glasklar von Rifa , die liegen dauernd am Netz auch bei 
ausgeschaltetem Gerät.
Conrad-Nr. z.B.  456144 - 62 456128 - 62 oder  456152 - 62 nur waren die 
defekten ohne Serien-R. Conrad wird wissen, warum er nur die mit R 
verkauft. Der Knall ist vermutlich etwas gedämpfter. 
Wima-Entstörkondensatoren machen ausdrücklich Reklame mit "schwer 
entflammbar", das Thema scheint bekannt zu sein.

von Christian L. (cyan)


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Hans schrieb:
> Im meinem Fall ist es ein FN 370-2. Schweizer Präzisionsware. Es scheint
> wohl mehrere betroffen Serien zu geben.

Auch der Netzfilter vom Typ FN 372-2 aus meinem Solatron/Schlumberger 
7150plus hatte sich vor ein paar Jahren verabschiedet und ich musste 
einen neuen bei Digikey kaufen. Leider gab dafür keine anderen Anbieter 
und ich musste über 40€ dafür löhnen. Sucht man mal ein wenig nach dem 
Gerät, so findet man einige Berichte über defekte Netzfilter. Schein 
also häufiger bei Schaffner Filtern zu passieren.

LG Christian

von Georg A. (georga)


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Vermutlich ziehen die Cs im Filter Feuchtigkeit und platzen dann. Bei 
einem kleinen Handstaubsauger (250W) war nur so ein durchsichtig 
vergossener C drin (ähnlich WIMA MP3), praktischerweise im Abluftstrom. 
Im Betrieb gabs dann Plastikbrösel und Funkenflug hintenraus mit dicker 
Rauchfahne. Der Hersteller war leider nicht mehr identifizierbar...

von Maikh (Gast)


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Die Rifa Dinger sind als Problemverursacher in alten HP Messgeräte 
bekannt.
So wie es mir scheint, bekommen die Gehäuse Risse, durch die 
Feuchtigkeit eindringt - das Einschalten tut dann das übrige. Fast alle 
dieser Cs die ich bislang in ca 20 Jahre alten Gerätschafte gesehen 
habe, waren rissig.

Das Schaffnerfilter auch tickende Zeitbomben sein könnten ist natürlich 
interessant. Ich weiß schon, warum ich immer meine Arbeitsplätze zentral 
abschalte.

nach verbrannter Vergußmasse stinkende Grüß - Maik

von Peter D. (peda)


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Ich denke auch, es wird Feuchtigkeit sein.
Man müßte sie mal einige Stunden ausheizen bei etwa 130°C.
Aber nicht im Backofen für Lebensmittel, das wäre mir zu ungesund.


Peter

von Achim M. (minifloat)


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Hackyber schrieb:
> Die Strombegrenzung
> wurde so eingestellt, dass maximal 2Watt im Filter umgesetzt werden.

Hackyber schrieb:
> Die Filter wurden nun über 12Stunden an Netzspannung gelassen. Die
> Leistungsaufnahme hat sich seitdem auf 600mW reduziert.

Peter Dannegger schrieb:
> Ich denke auch, es wird Feuchtigkeit sein.
> Man müßte sie mal einige Stunden ausheizen bei etwa 130°C.

Hackyber hat dann wohl die Methode des elektrischen Ausheizens gewählt. 
Der alte Schaffner-Filter wurde also wohl auch ausgeheizt, nur eben 
nicht in Tagen sondern Millisekunden. Mich würde mal Interessieren, 
welche Spitzentemperatur beim "Bumm" im Kondensator herrscht.

mfg mf

von Hans M. (hansilein)


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> Mich würde mal Interessieren,
> welche Spitzentemperatur beim "Bumm" im Kondensator herrscht.
>
Wahrscheinlich exakt 100°C

von Hackyber (Gast)


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Mini Float schrieb:
> Hackyber hat dann wohl die Methode des elektrischen Ausheizens gewählt.
> Der alte Schaffner-Filter wurde also wohl auch ausgeheizt, nur eben
> nicht in Tagen sondern Millisekunden.

Der gesamte "Formierungsablauf" lief wie eingangs beschrieben über viele 
Stunden. Ich hatte auch gelesen, das Folienkondensatoren beimm 
Alterungsprozess Feuchtigkeit ziehen können und Schrumpfungsprozessen 
unterliegen.
Da die Leistngsaufnehme mittlerweile erheblich gesunken ist, denke ich, 
dass der Zustand der Kondensatoren jetzt ok ist. Ich kann mir allerdings 
nicht vorstellen, dass in dieser Zeit Feuchtigkeit aus dem Kondensator 
entwichen sein kann.

Ich denke eher das die Feuchtigkeit auf die Kondensatorelektroden 
gewandert ist. im Dielektrikum verursachen sie wohl einen eletrical 
tree.

Aber das ist reine Theorie.

mhh schrieb:
> Das Sinken dieses Stromes nach einer
> Weile an geringerer Spannung verschiebt nur das "bumm" zeitlich.

Der Strom (Leistungsaufnahme) sank bei 230V am Wechselrichter. Siehe 
Skizze des Aufbaues.

Schöne Grüße

Hackyber

von Anja (Gast)


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Hallo zusammen,

normalerweise sind Netzfilterkondensatoren so ausgelegt daß sie im Laufe 
der Zeit durch die Störimpulse altern (Selbstheilung). Die Filter 
verlieren also mit der Zeit ihre Kapazität.
Als Materialien werden hauptsächlich Metallpapier oder auch in den 
neueren Polypropylen-Folien eingesetzt.
Falls so ein Metallpapierkondensator Feuchtigkeit zieht dürfte es 
mehrere Wochen dauern bis diese wieder bei erhöhter Temperatur aus dem 
Kondensator herauskommt.

Gruß Anja

von Michael K. (charles_b)


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Netzfilter bei Hifi-Geräten werden ja als unnötig und teuer bezeichnet.

Brauchen die anderen Geräte denn unbedingt einen Netzfilder? Brächte ja 
nur etwas, wenn das Netz verseucht ist oder die Geräte selber so viel 
Schrott aussenden, dass der Filter quasi das Netz vor dem Gerät schützt.

Tipp: Wenn die Passform nicht stimmt, einfach den Filter aus dem Gerät 
auslagern.

von oszi40 (Gast)


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Keiner gibt freiwillig mehr Geld aus.

WENN der Hersteller schon ein Filter einbaut, wird er wohl einen guten 
Grund gehabt haben. Spätestens mit dem nächsen Phasenschnitt-Dimmer oder 
Schaltnetzteil kommen neue Erkenntnisse.

von Harald W. (wilhelms)


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Michael K-punkt schrieb:
> Netzfilter bei Hifi-Geräten werden ja als unnötig und teuer bezeichnet.

Eigentlich sollten zumindest "echte" HiFi-Geräte eine ausreichende
Filterung der Betriebsspannung beinhalten. Ob das dann mit Fertig-
Netzfiltern oder auf andere Art und Weise erreicht wird, ist unwichtig.
Wenn Sichj der Klang mit zusätzlichem Netzfilter stark verbessert,
war das Gerät wohl schon von vornherein eine Fehlkonstruktion.

> Brauchen die anderen Geräte denn unbedingt einen Netzfilder? Brächte ja
> nur etwas, wenn das Netz verseucht ist oder die Geräte selber so viel
> Schrott aussenden, dass der Filter quasi das Netz vor dem Gerät schützt.

Für empfindliche Meßgeräte sind solche Filter schon nützlich. Aber
auch hier sollten sie schon "ab Werk" vorhanden sein. HiFi-Verstärker
sind demgegenüber eher unempfindlich gegen Störungen auf der Betriebs-
spannung.
Gruss
Harald

von Peter D. (peda)


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Michael K-punkt schrieb:
> Netzfilter bei Hifi-Geräten werden ja als unnötig und teuer bezeichnet.

Aber nur von der vergoldeten Netzkabel Fraktion.

Schon in den alten Röhrenradios war ein Y-Kondensator drin. Und damals 
hat man noch gewußt, warum man was macht.


Peter

von J. V. (janvi)


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willkommen im Club - bei mir haben sich 2 Schlumberger 7150 
verabschiedet bzw. sind diese im Abstand von wenigen Wochen mit lautem 
Knallen und schwarzer Rauchwolke an die Decke geflogen. Bei Spezial 
Elektronik habe ich einen sehr fairen Preis (13 Euro) für einen 
Restposten FN372-2-21 bekommen. Mechanisch passen auch FN370-2 (mit 
einer Sicherung) und ...-4- oder ...-6 Typen für 4/6 Amp. womit man 
etwas Auswahl beim durchsuchen der Händler hat.

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