Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Regelungstechnik vs. Embedded


von Suhoij (Gast)


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Einen schönen Abend zusammen,

ich stehe vor einer whr. Lebensentscheidenden Wahl.
Ich muss mich die Woche entscheiden ob ich meinen Master im Bereich 
Regelungstechnik oder Embedded Entwicklung machen will.

Mir machen mC sehr viel Spaß und eig. könnte ich es mir sehr gut als 
späteren Beruf vorstellen. Sprich SW/HW Entwickler.

Regelungstechnik hingegen ist was handfestes und es gibt auch wenige 
spez. Regelungstechniker (obwohl ich nicht ganz verstehe was ein 
Regelungstechniker anders macht als jemand mit einem 
Automatisierungstechnik Studium). Jedoch hasse ich über alles die SPS 
Programmierung.

Was meint ihr wo man später mal gute Chancen hat?
Vlt. ist ja der eine oder andere Regelungstechniker hier und kann mich 
mal aufklären wie so sein Alltag abläuft?

Danke!

von EGS_TI (Gast)


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Embedded ist super!!! Mach das!

von Purzel H. (hacky)


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Beides gehoert doch sowieso zusammen. Ein Regler ist heute eh digital, 
und es wird schwierig eine Embedded Controller Anwendung zu finder, die 
nichts regelt.

Meines Erachtens ist jedes fuer sich genommen weniger als die Haelfte 
wert wie beides zusammen.

Die Regelungstechnik ist meines Erachtens ein paar Linearisierungen und 
ein paar Matritzen. Nach einem Zustandsregler mit Beobachter kommt nicht 
mehr so viel was man taeglich brauchen koennte.

Mach Embedded. Die Regelungstechnik ist somit nicht abgeschrieben.

von OMG (Gast)


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Häufig besteht die Realität aus PID (soll ja schnell gehen). Und ich 
möchte wetten äußerst selten aus Beobachtern (läuft vielleicht in 
Modellen gut).

Vielseitig ist immer gut, ein wenig Regelungstechnik ist sicher 
(nebenbei) sehr sinnvoll. Vielleicht kannst du ja beides in deinen 
Master integrieren (wieso auch nicht).

Letztlich musst du doch selbst wissen, was dir Spaß macht. Hier kennt 
dich ja nicht mal jemand.

von ich.maschine (Gast)


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Regler werden eigentlich quasi-kontinuierlich implementiert, also die 
Realisierung auf einem Digitalrechner mit Werkzeugen aus der (analogen) 
Regelungstechnik. Soweit ich es während meiner Werkstudenten-Tätigkeit 
überblicken kann (arbeite nicht als Programmierer), ist das derzeit 
absolut üblich, da einfacher und überschaubarer (soll ja schnell gehen, 
wie OMG schon sagte). Somit kann man zum Beispiel simple Regelstrecken 
mit der Stabilitätsrand-Methode nach Ziegler und Nichols realisieren. 
Einfach und effektiv.

Bei Regelungstechnik die allerdings über das simple PID-Gerechne hinaus 
geht, findet man auch schnell die Schnittstelle zu Mikrokontrollern. So 
wird in unserer Uni ein Modul "Embedded Control" angeboten, in dem 
Regelungen im Mikrocontroller realisiert werden (beispielsweise ein 
stehendes Pendel). Zuerst werden die Regelparameter (soweit ich weiß 
Mehrgrößensystem im Zustandsraum) berechnet und anschließend Quellcode 
geschrieben und der Regler in Betrieb genommen.

Die Sachen liegen nicht soweit auseinander.
Ich würde mich für Embedded entscheiden.

von Brater (Gast)


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1. ich würde mich nicht unbedingt danach leiten lassen, was später 
gebraucht wird. Du solltest mit deinem Studium so und so später keine 
Probleme bei Arbeitsplatzsuche haben.

2.:
Was lernt man in einer Embedded-Vorlesung? So Sachen wie Echtzeit, 
Scheduling... der Aufbau wird meist exemplarisch an einer bestimmten 
Hardware nahegebracht.

Bei Schätz- und Rätseltechnik äh... Steuerungs- und Regelungstechnik 
geht es ja mehr um Rechnen; Rangehensweisen beim Auslegen, verschiedene 
Arten von Reglern, Systemmodellierung usw.

Worauf ich hinaus will: ein Einstieg in Embedded ist wahrscheinlich 
leichter als ein Einstieg in Regelungstechnik... Daher würde ich sagen: 
mach Regelungstechnik (ja, irgendjemand muss den Advocatus Diaboli 
spielen ;) ).

3. allerdings sollte man das machen, was einem am meisten Spaß macht. 
Und selbst wenn du nach dem Master merkst: Embedded macht doch nicht so 
viel Spaß wie anfangs gedacht - so bist du eine Erkenntnis reicher.

Ich hatte damals im Master die Wahl zwischen Medizintechnik und 
Embedded. Da Medizintechnik bis dato noch nie stattfand und der Kurs 
auch nur aus 5 Leuten bestand, habe ich Medizintechnik gewählt obwohl 
ich großes Interesse für Embedded hatte und habe.

4. was du später als Rätseltechniker machst: z.B. Regelungen für 
Antriebe auslegen. Beispiel: das Anlaufen von Antrieben in einer 
Papierfabrik. Die einzelnen Transportrollen müssen aufeinander 
abgestimmt sein, sonst reißt das Papier oder die Maschine läuft zu 
langsam. Weiteres typisches Beispiel ist ein Aufzug: du willst beim 
Abbremsen der Kabine nicht an der Decke kleben bleiben, andererseits 
willst du auch nicht, dass ein voll beladener Aufzug nur noch mit halber 
Geschwindigkeit läuft ;)
Zum Teil hängen Regelungstechnik und Automatisierungstechnik eng 
beieinander. Allerdings habe ich bis jetzt noch nicht gesehen, dass der 
Regler direkt in der typischen SPS-Umgebung realisiert wurde. Meist gibt 
es da fertige Bausteine oder der Antrieb hat einen eigenen 
Frequenzumrichter mit Regler + IO. Davon abgesehen: ich hatte damals in 
der Hochschule Codesys im SPS-Praktikum während in der Ausbildung alles 
auf Siemens-Software gemacht wurde. Meine Erkenntnis: Codesys sucks! 
Siemens FTW!

von Wolfgang H. (frickelkram)


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Also, ich würde jetzt auch nicht spekulieren was später einmal mehr 
gebraucht wird. Du solltest Dich für das entscheiden was Du wirklich 
lieber machen willst, denn nur dann worst Du auch richtig gut darin 
werden.
Regelungstechnik ist schon npch einmal ein Block an Theorie mehr, aber 
ich bin der Meinung das kann man sich aneignen, wenn die Grundlage z.B. 
Embedded ist. Beid den Siemens SPS gebe ich Dor recht. In meiner 
Ausbildung, 1983 fand ich das Zeug schon Ätzend. Wir haben damals 
angefangen mit IBM-PCs Steuerungen zu entwickeln. Im Nachrichtentechnik 
Studium hatte ich Digtale und Stochastische Regelungstechnik und habe 
einiges für die Praxis raus gezogen.
Wenn Du in die Praxis gehst werden Dich die "Alten Hasen" sowso erst mal 
auf grund ihrer Erfahrung abhängen, das gibt sich aber schell wenn Du 
wirklich mit Leidenschaft bei Deinem Thema bist.
Darum mach das, was duie wirklich "antörnt".

von Al N. (Gast)


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Ich verstehe manchmal nicht, wieso die Ingenieure sich nur dann etwas 
zutrauen, wenn sie es in der Uni als Vorlesung hatten.

Manchmal ist es besser, ein Problem zu lösen, indem man selbst nur sehr 
begrenzte Ressourcen an Wissen, Equipment und Fertigmodulen zur 
Verfügung hat.

Das Ergebnis ist dann meist einfach, robust und günstig. Denn man hat 
gar nicht die Möglichkeit, mit µC oder fertigen PID-Reglern einen Regler 
zu entwerfen, sondern muss auf diskrete Bauelemente zurückgreifen.

D.h. einen Regler nur aus linearen Bauelementen plus OpAmps zu bauen.

Das ist die höchste Kunst.


Und wenn man embedded HW/SW, Automatisierung und Regelungstechnik im 
Einzelnen gut beherrscht, dann ist es ein leichtes, mit diesen 
Disziplinen ein Gesamtsystem zu entwickeln, das prima regeln kann.

von Hut (Gast)


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>D.h. einen Regler nur aus linearen Bauelementen plus OpAmps zu bauen.

Tatsächlich? Das wäre mir neu, dass diese Vorgehensweise verbreitet ist.

von Loler (Gast)


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Al N. schrieb:
>
> D.h. einen Regler nur aus linearen Bauelementen plus OpAmps zu bauen.
>
> Das ist die höchste Kunst.
>

Was ist daran eine Kunst??? Stupides ablesen aus der 
Beobachtbarkeitsnormalform -> 3min

von Wolfgang H. (frickelkram)


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Loler schrieb:
> Al N. schrieb:
>>
>> D.h. einen Regler nur aus linearen Bauelementen plus OpAmps zu bauen.
>>
>> Das ist die höchste Kunst.
>>
>
> Was ist daran eine Kunst??? Stupides ablesen aus der
> Beobachtbarkeitsnormalform -> 3min

Also, die Kunst ist das die blanke Theroie durch Unzulänglichkeiten der 
analogen Bauelemente nicht so einfach umzusetzen ist. Digital hat man es 
viel leichtėr das Regelverhalten genau so abzubilden, wie man es 
benötigt. Analogregler sind sicher nicht mehr so verbreitet wie 
digitale, es gibt ja auch nicht mehr viele pneumatische Regelsysteme. 
Obwohl es schon ein Erlebins ist wenn man sieht wie ein kleiner 
Messing-Blasebalg ein Ventil steuert...
Bei der Einstellung eines komplexen, pneumatischen oder analogen 
Regelsystems braucht man wirklich noch die Erfahrung und das 
Fingerspitzengefühl, damit die Strecke nicht gleich unkontrolliert 
schwingt. Darum habe ich im vorherigen Artikel die Erfahrung 
angesprochen.

Wir haben uns aber gerade deutlich vom Thema der Anfrage entfernt.

von Hut (Gast)


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Was Sinnloses würde ich nicht gerade als hohe Kunst bezeichnen, ganz 
gleich, ob das nun schwierig ist oder nicht.

von Christian (Gast)


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Hallo,

deine Entscheidung ist sicher nicht lebensentscheidend. Es kann dir 
keiner garantieren, dass du mit dem Master in Regelungstechnik auch 
später als Regelungstechniker arbeitest.
Generell ist die Wahl für dein späteres Arbeitsleben mehr als 
zweitrangig, vor allem weil diese Themengebiete mehr und mehr ineinander 
fließen.
Ich selbst arbeite als Softwareentwickler für Steuergeräte und habe 
somit mit beiden Richtungen etwas zu tun.
Aus dem Bereich Embedded brauche ich ganz klar das hardwarenahe 
Programmieren, Verständnis für verschiedene Bussysteme und 
Hardwarearchitekturen. Aus der Regelungstechnik komme ich da eher mit 
den Grundlagen, vielleicht auch etwas mehr, aus. 
Beobachtbarkeitsnormalform und sowas sind gar nicht im Gebrauch. Für all 
unsere Applikationen reichen Regler mit P-, I- und D-Verhalten aus. Das 
soll aber nicht heissen, dass das überall so ist.

Mach einfach was dir mehr liegt und fixiere dich noch nicht auf das 
spätere Berufsleben. Gute Leute werden immer gesucht und auch 
eingestellt, da ist dann die Fachrichtung nicht entscheidend.

von Zisko (Gast)


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Ich melde mich mal als hauptberuflicher Regelungstechniker zu Wort, da 
dieses Fachgebiet hier doch etwas simplifiziert wird.

Ich bin seit 7 Jahren in diesem Thema unterwegs (2 Jahre am Institut, 5 
Jahre im Beruf) und habe angewandte Kybernetik mit dem Schwerpunkt in 
elektrischen Systemen an der RWTH Aachen studiert. Heute entwerfe ich 
Regelungsverfahren in Energiesystemen (hauptsächlich FACTS).

Wenn ich programmiere, dann hauptsächlich zu Test zwecken in den 
Entwicklungsumgebungen Simulink und PLECS oder um unseren 
Embeddedspezialisten eine Vorlage zu geben. für mehr hätte ich als 
Vollblutentwickler in meinen 40 Stunden (eher mehr) in der Woche keine 
Zeit.

Die Regelungstechnik fängt mit P, I und D an, hört jedoch nicht bei 
Beobachtern und Zustandsraumreglern auf. Unterschiedlich gekoppelte 
Mehrgrößensysteme, Neuronale Netze, Adaptive Regler und dezentrale, 
verteilte Systeme sind einige high lights der weiterführende Gebiete die 
eine ganze Karriere als Kybernetiker ausfüllen kann.

Wer diesen Weg einschlagen will soll jedoch eine starke Vorliebe für die 
Mathematik und Theorie haben. Diese Wissenschaft ist am Ende ferner von 
der Praxis entfernt als andere Ingenieursberufe.

Mal als Beispiel wohin die Reise hingehen kann, anhand zweier ehemaliger 
Institutskollegen:

1. Künstliche Intelligenz im Bereich der Robotik, Forschungsschwerpunkt 
ist künstliche Instinkte. Diese Verfahren sollen Maschinen dazu 
veranlassen selbstständig Fehler zu erkennen, die sie gefährden könnten 
und die eigene Auslastung, bzw. Überlastung zu erkennen um die 
Lebensdauer zu erhöhen.

2. Modellbildung im Bereich Meteorologie um Wetterphänomene besser 
vorhersagen zu können und gegebenenfalls mit geeigneten Einrichtungen zu 
"regeln". Grundlagenforschung als Vorlage für Ingenieure, die diese 
"Regeleinrichtungen" anschließend entwickeln.

Ich hoffe ich konnte deinen Horizont (oder den anderer) für die 
Möglichkeiten der Regelung erweitern.

von Falk B. (falk)


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@ Al N. (Gast)

>Manchmal ist es besser, ein Problem zu lösen, indem man selbst nur sehr
>begrenzte Ressourcen an Wissen, Equipment und Fertigmodulen zur
>Verfügung hat.

Kaum.

>Das Ergebnis ist dann meist einfach, robust und günstig.

Noch kaumer.

Das ist Überlebenskampf in der russischen Steppe. Man frickelt es halt 
irgendwie hin. WISSEN kann man selten zuviel haben, ebenfalls gute 
Bauteile bzw. Fertigmodule.

> Denn man hat
>gar nicht die Möglichkeit, mit µC oder fertigen PID-Reglern einen Regler
>zu entwerfen, sondern muss auf diskrete Bauelemente zurückgreifen.
>D.h. einen Regler nur aus linearen Bauelementen plus OpAmps zu bauen.

Jaja, die Nostalgie der Transistorära. Damit gewinnt man aber in der 
Praxis keinen Blumentopf mehr. Die Zeiten haben sich MASSIV verändert.

Damals (tm) kostete ein einzelner Transistor ein kleines Vermögen, 
demensprechend trickreich musste seine (Mehrfach)Nutzung sein.
Heute kostet Hardware relativ wenig. Je höher integriert, umso weniger, 
wobei der Zusammenhang exponetiell ist! Ein voll kompensierter OPV mit 
allem Pi Pa Po kostet weniger als drei Transistoren und alle passiven 
Teile und kann DEUTLICH mehr bei deutlich weniger Platzbedarf. Dito bei 
Digitalsachen. Die Funktionialität und der Preis von heutigen 
Mikrocontrollern stehen in einem extrem hohen Verhältnis.

Ein einfaches Beispiel aus der Praxis. Vor einigen Monaten hab ich eine 
einfache Motorsteuerung gebaut, nix Wildes, aber mit diversen 
Zeitbedingungen und Abläufen. Am Anfang hatte ich noch einen NE555 für 
die PWM und einen 4fach OPV für diverse Zeitvezögerungen, viele 
RC-Glieder und Dioden etc. Im Laufe der Entwicklung kamen immer mehr 
Wünsche und Foderungen auf, dann wurde es mir zu bunt und ich hab das 
alles weggeschmissen und einen ATmega8 reingebaut. 100% Digital. Danach 
konnte ich allen möglichen SchnickSchnak SPIELEND reinprogrammieren. 
Programm schreibem 1/2 Tag, Test 1/2 Tag. Und alles ist digital stabil, 
kein Drift, keine Toleranzen. Vorher hatte ich mehrere Tage mit 
RC-Gliedern und anderem Käse rumgebastelt.

>Das ist die höchste Kunst.

Brotlose Kunst.

Ein Problem löst man am besten, wenn man den Stand der Technik kennt und 
möglichst auf bestehende Systeme zurückgreifen kann. Denn der Großteil 
der anstehenden Aufgaben sind Standardaufgaben, die am ökonomischsten 
mit preiswerten, verfügbaren Standardlösungen bedient werden. Ist das 
nicht möglich, muss man halt Anpassungen machen, im Extremfall muss man 
fast bei Null anfangen. Aber das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben.

P S Ok, es gibt natürlich auch den Fall der Betriebsblindheit, wo zuviel 
"Wissen", bzw. zuviel Routine den Blick auf andere, neue Möglichkeiten 
und Lösungen versperrt. Dann braucht es manchmal neue Leute, die von 
aussen neue Ideen und Impulse liefern. Diese sollte man sich wenigstens 
anhören und nicht von vorn herein abwinken. Und "Argumente" wie "Das 
haben wir schon immer so gemacht" sollte man sich gar nicht erst 
angewöhnen. Wenn ein Verfahren wirklich gut ist, dann kann es das 
jederzeit wieder beweisen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Betriebsblindheit

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