Forum: Offtopic Vorsicht bei Beleidigungen


von Buna-Pelzer (Gast)


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Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein Urteil zu 
Beleidigungen in Internetforen gefällt:
http://www.nordbayern.de/gerichtshof-macht-internetportal-fur-kommentare-verantwortlich-1.3210464

Das wird es manch Einem wahrscheinlich unmöglich machen, überhaupt noch
in Foren zu posten.
;-)

gez. Buna-Pelzer

: Verschoben durch Moderator
von (prx) A. K. (prx)


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Buna-Pelzer schrieb:
> Das wird es manch Einem wahrscheinlich unmöglich machen, überhaupt noch
> in Foren zu posten.

Kein Posten ohne ePerso...

von Guest (Gast)


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Buna-Pelzer schrieb:
> Das wird es manch Einem wahrscheinlich unmöglich machen, überhaupt noch
> in Foren zu posten.
> ;-)

Nee, da der Betreiber des Forums haftet. Hast du den Text gelesen und 
verstanden?

von (prx) A. K. (prx)


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Das kann noch heiter werden. Ein erster Blick ins Urteil zeigt, dass die 
Plattform die üblichen Massnahmen zur Löschung angeboten hat und dies 
auf Anforderung auch prompt ausführte.

Allerdings ging es um Kommentare zu Artikeln, also sowas wie das Heise 
Forum, möglicherweise auch Blogs. Könnte bedeuten, dass künftig solche 
Kommentare erst öffentlich werden können, nachdem ein Moderator sie für 
koscher befunden hat.

So eine Art Lex Springer aus anderer Richtung, d.h. es lebe die 
Leserbriefseite. Die war schon immer so.

: Bearbeitet durch User
von Helge A. (besupreme)


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Damit ist die Zeit zu Ende, daß ein unregistrierter Benutzer etwas 
schreiben kann. Mehr ändert sich nicht.

von (prx) A. K. (prx)


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Helge A. schrieb:
> Mehr ändert sich nicht.

Doch. Die Registrierung muss eine ganz andere Qualität bekommen. Bisher 
ist das kaum mehr als eine Versicherung gegen Identitätsklau im Forum. 
Jetzt wird möglicherweise eine verifizierte rechtsgültige Identität 
nötig.

: Bearbeitet durch User
von (º°)·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.·´¯`·.¸¸.· (Gast)


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Haette Luther seine Thesen auch anonym an die Kirchentuer nageln 
koennen?

Natuerlich haette er das gekonnt.

Waeren sie dann so bekannt geworden?

Sicher.

Wir naehern uns also vormittelalterlichen Zustaenden.

von Buna-Pelzer (Gast)


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Guest schrieb:
>Nee, da der Betreiber des Forums haftet. Hast du den Text gelesen und
>verstanden?

Ja, ich habe ihn sogar schon während des Lesens verstanden....

Da der Betreiber haftet, wird es wohl dann die von verschiedenen Leuten
gewünschte Anmeldung geben müssen, damit der Betreiber dann seinerseits
den Stänkerern die Krawatte langziehen kann, um nicht selbst in die
Bredouille zu kommen.

Oh Weh schrieb:
>Dann kann MaWin wohl nicht mehr die Uneinsichtigen diffamieren

Dem ist das sicher völlig egal -der erbricht sich hier auch weiterhin,
ohne sich der Folgen bewußt zu sein.

gez. Buna-Pelzer

von MWS (Gast)


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Der Inhaber des Marktplatzes wäre also haftbar, wen sich dort die 
Betreter selbigen fetzen, so, so... Brave new world, everything under 
control.

Das ist mal wieder der typische Europa-Schwachsinn und genau der Grund, 
warum's dieses unsinnige Gebilde in ein paar Jahren wegfetzen wird. Und 
dann geh' ich feiern.

von Dave C. (dave_chappelle)


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Das ist doch nix neues?
Wenn User in Foren illegale Inhalte verbreiten haftet doch auch das 
Forum?

Dass nun dieses Recht auch auf Beleidigung/Diffarmierung angewandt 
wird/wurde ist daher nicht wirklich speziell.

Wo kein Richter da kein Kläger, sieht man auch aus dem Beitrag von 
nordbayern.de.

Das einzige Mal an das ich mich erinnern kann, dass das Forum ein 
bisschen kritisch dastand war die Geschichte mit dem EFixx und den 
Betrugsvorwürfen (die sich allerdings bestätigt haben).

Gruss

von (prx) A. K. (prx)


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Etwas konkrete Erkenntnis aus dem Urteilstext, widerspricht auch 
manchem, was in News-Meldungen darüber berichtet wurde:

Das betreffende Portal besass Vorkehrungen nicht unähnlich denen im 
hiesigen Forum, inklusive sowas wie "melden". Die wurde in diesem Fall 
aber nicht genutzt. Es besass aber offenbar keine wirksame Moderation. 
Auch wenn in Einzelfällen Admins auch mal von sich aus löschten geschah 
dies in diesem Fall nicht.

Die relevanten Kommentare zum Artikel erschienen am 24./25. Januar. Am 
9. März erhielt der Betreiber eine Löschaufforderung nebst Forderung von 
32000€. Am gleichen Tag wurden die Kommentare gelöscht. Dazwischen 
geschah nichts.

Zum Urteil beigetragen hat wesentlich, laut Originaltext in meiner 
Interpretation:

- Die fehlende aktive Moderation: "It notes that it was the applicant 
company’s choice to allow comments by non-registered users, and that by 
doing so it must be considered to have assumed a certain responsibility 
for these comments".

- Eine passive Leser-gestützte Moderation, die also erst greift, wenn 
ein Leser "meldet", reicht nicht aus.

- Eine fehlende dem Betroffenen zumutbare Möglichkeit, die Autoren der 
betreffenden Kommentare herauszufinden: "Indeed, for purely technical 
reasons it would appear disproportionate to put the onus of 
identification of the authors of defamatory comments on the injured 
person in a case like the present one."

Das Urteil lässt sich m.E. nicht als Präzendenzfall für die Abschaffung 
anonmyer oder unter Pseudonym verfasster Kommentare heranziehen. Auch 
lässt sich eine Forderung nach sicherer Identifikation der Autoren - 
zumindest durch den Anbieter - nicht daraus ableiten. Aber der Anbieter 
hat eindeutig die Verantwortung, den Inhalt darauf abzuklopfen, ob 
Rechte Dritter davon betroffen sind, und das zeitnah.

Die Frage, ob Kommentare erst von Moderatoren gelesen werden müssen 
bevor sie offen lesbar werden, wird im Urteil nicht angesprochen, darin 
also auch nicht beantwortet.

Kurz: Das Portal hat es schleifen lassen, war auch vorher bereits für 
die "Qualität" der Kommentare berüchtigt, und hat die Quittung bekommen.

: Bearbeitet durch User
von A&B Dilemma (Gast)


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> Kurz: Das Portal hat es schleifen lassen, war auch vorher bereits für
> die "Qualität" der Kommentare berüchtigt, und hat die Quittung bekommen.
so kann man das auch formulieren, wenn es um Zensur geht.
Konsequenz daraus wird eine verbesserte Moderation sein, die im Zweifel 
alles löschen wird was irgendwie ansatzweise political incorrect sein 
könnte (denn beleidigt kann jeder ganz schnell sein, das wird dann zum 
Interpretationsspielchen) - so sieht dann die Meinungsfreiheit nach 
Europäischen Gerichtshof aus; gegen das Urteil kann ja Berufung 
eingelegt werden, bleibt zu hoffen das diese kommt - ansonsten haben wir 
chinesische Verhältnisse und die alte Weisheit: "Die Gedanken sind frei" 
muß in einem ganz neuen Licht betrachtet werden.

von A&B Dilemma (Gast)


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> Das Urteil lässt sich m.E. nicht als Präzendenzfall für die Abschaffung
> anonmyer oder unter Pseudonym verfasster Kommentare heranziehen.
darauf läuft es doch zwangsläufig hinaus!
Natürlich bleibt es Dir in einem Vakuum überlassen einen Atemzug zu tun, 
mach das mal ;-)

von (prx) A. K. (prx)


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A&B Dilemma schrieb:
> darauf läuft es doch zwangsläufig hinaus!
> Natürlich bleibt es Dir in einem Vakuum überlassen einen Atemzug zu tun,
> mach das mal ;-)

Hast du das Urteil gelesen, zumindest die wesentliche Teile davon, oder 
sprechen hier nur deine Gefühle auf Basis eines Agenturtextes?

Ging mir ja zunächst nicht anders (s.o.), aber dieses Urteil ist 
tatsächlich kein Rundumschlag gegen die Freiheit, sondern eine 
Einzelfallentscheidung, die hauptsächlich die bereits bestehende Lage 
bestätigt.

Dass die europäische Rechtstradition in der Balance zwischen 
Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz etwas anders urteilt als 
beispielsweise die amerikanische, das ist nicht neu. Das ist freilich 
nichts, was Richter allein definieren, sondern ist auch in der 
Bevölkerung fest verankert: Wenn einem Deutschen etwas nicht passt, dann 
fordert sofort die Staatsmacht zum Handeln auf - um im nächsten Atemzug 
den überbordenden Staat zu beklagen, ersatzweise Brüssel.

von (prx) A. K. (prx)


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A&B Dilemma schrieb:
> so kann man das auch formulieren, wenn es um Zensur geht.

Wer in juristischem Kontext von Zensur spricht, der sollte eigentlich 
wissen, das eine zeitnahe Löschung von Beleidigungen in einem Forum 
keine Zensur ist.

Man muss sich letztlich schon entscheiden:

- Wenn man anonyme Beiträge zulassen will, dann muss man aktive 
Moderation mit Löschungen und die Verantwortung des Betreibers dafür 
akzeptieren.

- Wenn man stets nur den Autor eines Kommentars verantwortlichen machen 
will, dann muss man ihn rechtsgültig identifizierbar machen.

Die dritte Alternative, jeden Mist folgenlos und mit Anspruch auf 
Ewigkeit veröffentlichen zu dürfen, funktioniert exakt so lange, bis man 
selbst oder die unmittelbare Umgebung das Opfer ist. Siehe auch 
Mobbing-Fälle mit Todesfolge.

Was genau nun Grund für Löschung ist, das ist zwangsläufig stets 
umstritten. Da wird nie ein Konsens entstehen und das lässt sich nie 
exakt für jeden sofort nachvollziehbar definieren. Was dem Einen seine 
Meinungsfreiheit ist dem Anderen seine Beleidigung. Da werden immer 
Gerichte entscheiden.

Rechtsgrundlage (EU), u.A.: "Stressing that freedom of communication on 
the Internet should not prejudice the human dignity, human rights and 
fundamental freedoms of others, [...]"

: Bearbeitet durch User
von MaWin (Gast)


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> Was genau nun Grund für Löschung ist, das ist zwangsläufig stets
> umstritten.

Das ist im Fall der Delphi AS aber ganz klar:

Estland ist ein kaltes Land.
Dort frieren Flüsse und Meerengen lange Zeit des Jahres zu.
Dann kann man es sich als Autofahrer sparen, die Fähre zu benutzen, 
sondern man fährt über das stabile (freigegebene) Eis.
Nun haben die Esten in dem Forum darüber gemeckert, daß seit einiger 
Zeit ein Eisbrecher die sonst für Autos geeigneten Flächen 
durchschneidet, daß man man nicht mehr den üblichen Weg wählen konnte, 
sondern auch im tiefsten Winter die teure Fähre nutzen musste.

Es geht in dem Urteil überhaupt nicht um Beleidigungen,
das ist nur vorgeschoben, denn an jedem Satz kann jeder sich beleidigt 
fühlen "Blitzmerker".
Es geht um knallharte wirtschaftliche Interessen, der Fährenbetreiber 
will nicht, daß man seine Machenschaften angekreidet und publik gemacht 
werden.
Schon alleine an den geforderten 32000 EUR "Anwaltsgebühren" (in Estland 
wohl ein Anwalts-Jahresgehalt) gegen den Forenbetreiber muss man sehen, 
daß mit kapitalistischen Massnahmen versucht wird, Kritiker mundtot zu 
machen.
Und der EG für Menschenrechte hat sich den wirtschaftlichen Interessen 
unterworfen, allerdings ist das Urteil nicht rechtsgültig sondern es 
steht noch eine Berufung aus.
Man kann nur hoffen, daß dann unabhängige Richter urteilen, daß a) 
solche Ambahnabzocke endlich ein Riegel vorgeschoben wird, der erste 
Hinweis immer ohne Anwalt erfolgen darf dun kostenlos sein muss b) bei 
Beleidigungen nicht reicht daß sich jemand beleidigt "fühlt", denn das 
tun manche ja schon wenn bloss Tatsachen über sie festgestellt werden.

Alle Europäer leben in einem solchen Land. Wählt demnächst passend, 
damit so was nicht mehr passiert.

von Ein Hoch auf die EU (Gast)


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Wenn es so weiter geht, schafft sie die EU selbst ab...

Wieso hat ein Gericht für "MENSCHENRECHTE" überhaupt die Macht, die 
Frage zu klären, ob ein Kommentar in einem Forum oder Blog jemanden 
anders beleigt?

Und wieso 32.000 Euro? Wie berechnet sich das Geld für den Schmerz einer 
Beleidigung?

Deutschland schafft sich selbst ab, Hirn wird verschenkt und durch 
europäische Hirnlosigkeit ersetzt - die AfD wird bei der nächsten 
Bundestagswahl garantiert nicht mehr bei 4,9% hängen bleiben...

Wäre ich so reich wie Bill Gates würde ich mir eine Insel im Bongo Bongo 
Land kaufen, und der Rest der Welt könnte mich gepflegt...

Prost.

von SW (Gast)


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Ein Hinweis für Leute, die beim Stichwort "Europa" gleich einen Koller 
kriegen (z.B. MWS und "Hoch auf die EU"): Der hier relevante EGMR 
(http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Gerichtshof_f%C3%BCr_Menschenrechte) 
hat nichts, aber auch gar nichts mit der EU zu tun. Auch Russland, die 
Türkei u.a. unterliegen dessen Jurisdiktion, woran man auch merkt, daß 
das im wesentlichen eine Spaßveranstaltung ist - selbst in Deutschland 
sind die Urteile dieses Ladens nur unter vielen Einschränkungen 
relevant.

von (prx) A. K. (prx)


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MaWin schrieb:
> Es geht in dem Urteil überhaupt nicht um Beleidigungen,

Nein? Die werden dort ausdrücklich als Grundlage aufgeführt.

> das ist nur vorgeschoben, denn an jedem Satz kann jeder sich beleidigt
> fühlen "Blitzmerker".

Genau das habe ich ja eben geschrieben. Was rechtlich als Beleidigung 
zu werten ist, das liegt nicht allein im Gefühl des Betroffenen. Aber 
eben auch nicht allein im Gefühl des Äussernden. Da urteilt dann ein 
Dritter, also der Richter. Früher hat man sowas in bestimmten Kreisen 
mit Degen oder Pistole geklärt, aber die heutige Methode gefällt mir 
besser.

> Es geht um knallharte wirtschaftliche Interessen, der Fährenbetreiber

Im zu Grunde liegenden Artikel mag das sein, der interessiert hier aber 
nicht, denn darüber ward nicht gerichtet.

Im Urteil ging es um die Äusserungen in bestimmten Kommentaren. Und es 
macht dann schon einen Unterschied, ob man in der Sache argumentiert, 
oder die Verantwortlichen als "shitheads" bezeichnet. Oder gleich dazu 
auffordert, sie im nächsten Eisloch zu versenken.

Wie ich schon schrieb - das ist eine Balance zwischen der 
Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz. Die Grenze zieht nicht 
jeder gleich.

> Schon alleine an den geforderten 32000 EUR "Anwaltsgebühren" (in Estland
> wohl ein Anwalts-Jahresgehalt) gegen den Forenbetreiber muss man sehen,
> daß mit kapitalistischen Massnahmen versucht wird, Kritiker mundtot zu
> machen.

Es handelt sich dabei nicht um Anwaltshonorar sondern: "in 
compensation for non-pecuniary damage".

Anders als in den allgemein bekannten Abmahnverfahren wurde in diesem 
Urteil bei der Summe zudem berücksichtigt, dass der Betreiber des 
Portals eben kein kleiner Blogger oder filesharender Sohnemann ist:

"The Court is of the opinion that this sum, also taking into account 
that the applicant company was a professional operator of one of the 
largest Internet news portals in Estonia, can by no means be considered 
disproportionate to the breach established by the domestic courts."

: Bearbeitet durch User
von Amateur (Gast)


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Gab es jemals einen vernünftigen Grund dem:
Himmelschreiend, verdammten, dämlichen A....
zu sagen wofür Du es hältst?

In den meisten Fällen ist er doch sowieso anderer Meinung und glaubt Dir 
nicht ein Wort. Also was soll's.

Solltest Du Dich aber mit dem Gedanken anfreunden können, die armen, 
sozial vernachlässigten Anwälte zu fördern, so kann ich nur empfehlen: 
Nur zu.

Das Vertraulichkeit auch nur ein Wort, unter vielen, ist, solltest Du ja 
der aktuellen Diskussion, auch hier in den Foren, entnommen haben.

Aber bestimmt gehen die Forenbetreiber lieber in den Bau, als dein 
Pseudonym zu lüften.

von Mark B. (markbrandis)


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A. K. schrieb:
> viel Sinnvolles

Danke A. K., wenigstens einer der's verstanden hat.

von (prx) A. K. (prx)


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Ein Hoch auf die EU schrieb:
> Wieso hat ein Gericht für "MENSCHENRECHTE" überhaupt die Macht, die
> Frage zu klären, ob ein Kommentar in einem Forum oder Blog jemanden
> anders beleigt?

Wenn ein Staat beispielsweise die europäische Menschenrechtskonvention 
in Fassung soundso als Teil seines eigenen Rechts ausdrücklich 
angenommen hat, dann ist dieses Gericht logischerweise dafür zuständig.

> Und wieso 32.000 Euro? Wie berechnet sich das Geld für den Schmerz einer
> Beleidigung?

In diesem Urteil wurde nur betrachtet, ob diese Summe evtl. völlig 
daneben war. Die exakte Höhe jedoch war nicht Teil davon, weil das Sache 
der unteren Instanzen ist.

> Deutschland schafft sich selbst ab, Hirn wird verschenkt und durch
> europäische Hirnlosigkeit ersetzt - die AfD wird bei der nächsten
> Bundestagswahl garantiert nicht mehr bei 4,9% hängen bleiben...

Und die Front National stellt die französische Regierung (gestern in den 
News: Platz 1 in den Umfragen). Demnächst machen wir dann wieder gegen 
den Erbfeind mobil. Halleluja!

von Michael Maier (Gast)


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Gleiches Recht für alle gilt schon lange nicht mehr. In Punkto Internet 
scheint sich wirklich so eine Art von Parallelwelt entwickelt zu haben. 
Man stelle sich mal vor, so eine Rechtsprechung wird in der realen Welt 
eingeführt: In einem Lokal geraten zwei Gäste in Streit. Einer zieht ein 
Messer und sticht den anderen nieder. Nach der für Internetfälle 
angewandten Rechtsprechung müsste jetzt der Betreiber des Lokals für die 
Tat verantwortlich sein. Ist ja schließlich sein "Forum" gewesen...

von A&B Dilemma (Gast)


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> hat nichts, aber auch gar nichts mit der EU zu tun. Auch Russland, die
> Türkei u.a. unterliegen dessen Jurisdiktion, woran man auch merkt, daß
> das im wesentlichen eine Spaßveranstaltung ist - selbst in Deutschland
> sind die Urteile dieses Ladens nur unter vielen Einschränkungen
> relevant.
im Unterschied zu den genannten Ländern werden in Deutschland EU 
Richtlinien auch knallhart umgesetzt; damit sind sie leider sehr wohl 
relevant!
Bestes Beispiel sind die jetzt von der EU freigegebenen krummen Gurken, 
usw.
Die EU hat erkannt, daß es ein Fehler war (Vermutung: andere Länder 
haben sich einen Dreck um diese Verordnung geschert).
In Deutschland wurde das EU-Diktat der vormalig geraden Gurken auch 
umgesetzt - insofern ist Deutschland in der Umsetzung von Ideotie echt 
Spitze.

> Genau das habe ich ja eben geschrieben. Was rechtlich als Beleidigung
> zu werten ist, das liegt nicht allein im Gefühl des Betroffenen. Aber
> eben auch nicht allein im Gefühl des Äussernden. Da urteilt dann ein
> Dritter, also der Richter. Früher hat man sowas in bestimmten Kreisen
> mit Degen oder Pistole geklärt, aber die heutige Methode gefällt mir
> besser.
Das Problem ist, daß das Ganze groteske Formen angenommen hat und wie 
man am Beispiel Estland sieht nur vorgeschoben ist, um wirtschaftliche 
Interessen zu verfolgen, die man anders nicht durchsetzen könnte.
Die heutige Methode gefällt mir nicht, da man je nach Interessenlage 
wegen jeder Kleinigkeit abgezockt werden kann - das ist Raubrittertum 
der Moderne; der wirtschaftlich Schwächere verliert, weil er sich die 
juristischen Tricksereien nicht leisten kann.

von SW (Gast)


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> im Unterschied zu den genannten Ländern werden in Deutschland EU
> Richtlinien auch knallhart umgesetzt; damit sind sie leider sehr wohl
> relevant!
> Bestes Beispiel sind die jetzt von der EU freigegebenen krummen Gurken,
> usw. Die EU hat erkannt, daß es ein Fehler war (Vermutung: andere Länder
> haben sich einen Dreck um diese Verordnung geschert).
> In Deutschland wurde das EU-Diktat der vormalig geraden Gurken auch
> umgesetzt - insofern ist Deutschland in der Umsetzung von Ideotie echt
> Spitze.

Du begreifst es nicht, oder? Natürlich sind EU-Verordnungen in Rußland 
oder der Türkei nicht bindend, weil diese Länder nicht der EU angehören, 
Deutschland aber schon.

Und die EU hat wirksame Sanktionsmöglichkeiten, wenn EU-Recht nicht 
umgesetzt wird. Die Möglichkeiten des EGMR sind da schon erheblich 
eingeschränkter.

Nochmal: EMGR != EU. Den EGMR kriegt man als Geschenk zum Beitritt zur 
Menschenrechtskonvention.

von (prx) A. K. (prx)


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SW schrieb:
> Nochmal: EMGR != EU. Den EGMR kriegt man als Geschenk zum Beitritt zur
> Menschenrechtskonvention.

Wobei man nicht ohne EGMR in die EU kommt, denn die 
Menschenechtskonvention ist Teil des EU Rechts. Und das Gericht als 
Grundlage auch allerlei EU Recht aufführt.

Der Portalbetreiber selbst war es, der den EGMR anrief. Mit der 
Begründung "Article 10 of the Convention" als da wäre:

“1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall 
include freedom to hold opinions and to receive and impart information 
and ideas without interference by public authority and regardless of 
frontiers. This Article shall not prevent states from requiring the 
licensing of broadcasting, television or cinema enterprises.

2. The exercise of these freedoms, since it carries with it duties and 
responsibilities, may be subject to such formalities, conditions, 
restrictions or penalties as areprescribed by law and are necessary in a 
democratic society, in the interests of national security, territorial 
integrity or public safety, for the prevention of disorder or crime, for 
the protection of health or morals, for the protection of the 
reputation or rights of others, for preventing the disclosure of 
information received in confidence, or for maintaining the authority and 
impartiality of the judiciary.”

Hervorhebung von mir.

: Bearbeitet durch User
von Amateur (Gast)


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>Wobei man nicht ohne EGMR in die EU kommt, denn die
>Menschenechtskonvention ist Teil des EU Rechts.

Es gibt kein EU-Recht, dass wird uns nur, an jeder passenden Stelle 
auf’s Brot geschmiert. Jeder Staat hat seine eigenen Verträge und das 
eigene Kleingedruckte dazu.

Frag mal in den Resten von Ex-und-Hopp-Jugoslawien nach dem Stichwort 
freie Wohnsitzwahl.
Ganz England braucht keine europäische Sozialcharta. Usw.

von (prx) A. K. (prx)


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Amateur schrieb:
> Es gibt kein EU-Recht,

http://europa.eu/eu-law/index_de.htm

Zwar muss EU Recht überlicherweise erst in nationales Recht umgesetzt 
werden, es wird aber nicht zwangsläufig erst dann wirksam. Denn man kann 
das Recht ggf. auch dann in Anspruch nehmen, wenn es nicht umgesetzt 
wurde, das ist nur aufwendiger.

> Ganz England braucht keine europäische Sozialcharta. Usw.

Recht mit Ausnahmen bleibt Recht, ausser für die Ausnahmen. Das muss man 
nicht mögen, es ändert aber nichts dran.

: Bearbeitet durch User
von A&B Dilemma (Gast)


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> Und die EU hat wirksame Sanktionsmöglichkeiten, wenn EU-Recht nicht
> umgesetzt wird. Die Möglichkeiten des EGMR sind da schon erheblich
> eingeschränkter.
ja, die hat sie vor allen Dingen gegenüber Deutschland, denn da rollt 
der Euro.
Ob die Umsetzung von EU-Recht 1:1 auch in Italien, Frankreich, 
Bulgarien, Rumänien, usw. stattfindet, wäre ja die Frage auf die ich 
hinaus will - auf dem Papier schon, aber sonst?
Recht und Gesetz hat auch immer was mit gesundem Menschenverstand zu 
tun.
Nahrungsmittelverordnungen seitens der EU ist so ein Punkt.
Es gab jahrelang eine schwachsinnige Verordnung, wieso auf einmal der 
große Wandel?
Ich kann auch lokal das EU-Recht dehnen.
Und das hast Du nicht begriffen.
Natürlich ist Deutschland immer in der Schußlinie der EU-Kommissare, 
deshalb kannst Du davon ausgehen, daß jede Ideotie aus Brüssel 
vorauseilend 1:1 umgesetzt wird schon allein aus geschichtlicher 
Tradition.
Ich hab die Vermutung, daß diese neue Verordnung (die ja die alte 
revidiert) ganz andere Ursachen hat - nämlich Ignoranz der vorherigen 
Verordnung durch einige Teilnehmerländer der EU; ist eine Vermutung, man 
erfährt ja nichts.

> Nochmal: EMGR != EU. Den EGMR kriegt man als Geschenk zum Beitritt zur
> Menschenrechtskonvention.
na ja, ist schon klar, auf dem Papier kann ich vieles regeln.
In Rußland z.B. haben die Leute Mut und riskieren Ihr Leben mit oder 
ohne Menschenrechtskonvention - und selbst wenn nicht, ein paar Jahre 
Zuchthaus wegen minderschwerer Delikte sind kein Pappenstil; da sind 
Konventionen nette Papiertiger, spätestens im russischen Gefägnis nützt 
Dir die Menschenrechtskonvention herzlich wenig.
Türkei hat trotz unterschriebener Konvention auch nicht den besten Ruf 
bezüglich Menschenrechte? In der Türkei wird es wahrscheinlich noch 
übler sein als in Rußland, vermute ich mal, weil die nicht so wie 
Rußland am Pressepranger hängen.

Also nicht zu viel einbilden auf die Magna Carta "Article 10 of the 
Convention" der EU. Auch gut gemeintes Recht kann man ganz schnell lokal 
umgestalten und nach außen hin ist alles paletti.

von Ossi L. (losskopp)


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Wieso interessiert sich der Staat eigentlich dafür, ob sich die Leute 
beleidigen?

Jemanden wegen "Beleidigung" anzuzeigen ist wie ein Kind das zur Mama 
rennt und sagt "Wääähh der hat zu mir Stinkepopo gesagt".

In zivilisierten Ländern gibts diesen Tatbestand garnicht.

von A&B Dilemma (Gast)


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> Was genau nun Grund für Löschung ist, das ist zwangsläufig stets
> umstritten. Da wird nie ein Konsens entstehen und das lässt sich nie
> exakt für jeden sofort nachvollziehbar definieren. Was dem Einen seine
> Meinungsfreiheit ist dem Anderen seine Beleidigung. Da werden immer
> Gerichte entscheiden.
das Ganze wird auf eine Registrierung mit Nachweis hinauslaufen, da kein 
Forenbetreiber insbesondere in Deutschland den Drang verspüren wird 
irgendein Risiko einzugehen. Na dann, soll es so sein.
Eine schöne neue weitere Einnahmequelle für Juristen.

von MaWin (Gast)


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> In zivilisierten Ländern gibts diesen Tatbestand garnicht.

Richtig.
Eingeführt wurde er als Majestätsbeleidigung und Beamtenbeleidigung.
Und dann machen sich solche Sonderwünsche selbständig.

> Eine schöne neue weitere Einnahmequelle für Juristen.

Eher die totale Kontrolle des Staates über für ihn unliebsame 
Äusserungen, Grosskonzerne dürfen partizipieren.
Darum geht's. Um nichts anderes.
Hat schon in der DDR gut funktioniert.

von Martin S. (sirnails)


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A. K. schrieb:
>> Deutschland schafft sich selbst ab, Hirn wird verschenkt und durch
>> europäische Hirnlosigkeit ersetzt - die AfD wird bei der nächsten
>> Bundestagswahl garantiert nicht mehr bei 4,9% hängen bleiben...
>
> Und die Front National stellt die französische Regierung (gestern in den
> News: Platz 1 in den Umfragen). Demnächst machen wir dann wieder gegen
> den Erbfeind mobil. Halleluja!

Ich befürchte, damit hast du vielleicht weniger unrecht, als es zuerst 
erscheinen mag. Im Volk ist inzwischen eine deutliche Radikalisierung zu 
spüren. Und die kommt nicht durch irgendwelche sabbernden 
Vorgartenhooligans, sondern ganz geschickt durch die kalte Küche, und 
infiltriert so langsam aber sicher die das eigentlich links gerichtete 
Nachkriegsdeutschland.

von Martin S. (sirnails)


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Apropos: Nachdem das ganze ja eh inzwischen in Richtung EU abschweift:

Nach dem Patent für Monsantos Brokkoli unterstützt die EU wohl auch 
amerikanische Patenttrolle:

http://www.golem.de/news/tafta-ttip-experte-warnt-vor-patent-trollen-durch-handelsabkommen-1310-102086.html

Eine Gewissheit bleibt - und die kann ziemlich beruhigen: Wenn das Öl 
knapp und dann erst so richtig teuer wird, ist sowieso endgültig Schluss 
mit der krampfhaft profitgeilen Globalisierung.

von (prx) A. K. (prx)


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Ossi Losskopp schrieb:
> Wieso interessiert sich der Staat eigentlich dafür, ob sich die Leute
> beleidigen?

Tut er nicht. Der Staat ist hier nicht der Kläger, sondern der Beklagte.

Der Betroffene verklagte in einem Zivilprozess das Portal, und dieses 
Verfahren durchlief alle estnischen Instanzen. In erster Instanz 
erfolglos, danach erfolgreich.

Nachdem die estnischen Instanzen erschöpft waren verklagte seinerseits 
das Portal den Staat Estland vor dem EGMR auf Verletzung der 
Meinungsfreiheit.

--

Ist schon interessant zu sehen, dass zu solchen Themen zwar jeder eine 
solide Meinung hat, und es - ob's passt oder nicht - gleich noch mit 
allen Anti-EU-Emotionen anreichert, aber sich kaum jemand die Mühe 
macht, mal die Substanz zu prüfen. Leute, das Urteil ist nicht in 
Estnisch sondern in Englisch, und das dürften die meisten hier leidlich 
beherrschen.

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


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A&B Dilemma schrieb:
> das Ganze wird auf eine Registrierung mit Nachweis hinauslaufen,

Die Konsequenz seitens des Portals ist bekannt und ebenfalls im Urteil 
dokumentiert. Zeit dazu hatte sie ja, die Sache startete 2006, der 
estnische Instanzenweg erschöpfte sich 2009:

"According to information posted on 1 October 2009 by Delfi on its 
Internet portal Delfi did not allow persons who had posted offensive 
comments to post a new comment until the commenter had read and accepted 
the rules of commenting. Furthermore, it was announced that Delfi had 
set up a team of moderators who carried out follow-up moderation of 
comments posted on the portal. First of all, the moderators reviewed all 
user notices of inappropriate comments. The compliance of comments with 
the rules of commenting was monitored as well. According to the 
information published, the number of comments posted by Delfi’s readers 
in August 2009 had been 190,000. Delfi’s moderators had removed 15,000 
comments (about 8%), mainly consisting of spam or irrelevant comments. 
The share of defamatory comments had been less than 0.5% of the total 
number of comments."

: Bearbeitet durch User
von Georg W. (gaestle)


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Am 25. Mai sind Wahlen, macht von Eurem Recht Gebrauch! Und bedenkt 
dabei auch was die entsprechenden Personen und Parteien vor 5 oder 10 
Jahren forderten und dann taten.
Aber irgendwie dreht sich die ganze Aufregung mal wieder nur um eine 
Europäische Institution und eine unvollständige Meldung. Eine der beiden 
Bedingungen nicht erfüllt und keine Hutschnur wäre geplatzt.

Ich denke das Urteil wird dem Einzelfall gerecht und taugt nicht als 
Präzedenzfall.

von J. A. (gajk)


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1. Mit Beleidigungen sollte man ohnehin vorsichtig sein. Auch wenn böse 
Worte aus einer anonymen Ecke kommen, können sie sehr verletzen sein.

2. Manche Gerichtsurteile lassen Zweifal an dem Realitätssinn der 
Richter aurfkommen.

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