Forum: HF, Funk und Felder Verständnisfrage: Weshalb PIN-Diode als HF-Schalter


von Max (Gast)


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Bei der PIN-Diode im Vorwärts-Betrieb hängt die stationäre 
Ladungsträgerkonzentration im intrisischen Gebiet vom Biasing-Strom ab. 
Folglich kann der Widerstand für ein hochfrequentes Signal in gewissen 
Grenzen über den Gleichstrom eingestellt werden. So weit, so gut.

Weshalb aber werden PIN-Dioden als HF-Schalter eingesetzt? Wofür 
benötige ich das I-Gebiet? Wieso kann ich nicht einfach eine normale 
Diode nutzen, verschaltet wie in der Skizze zu sehen ist?

Meine Überlegungen dazu: In grober Näherung kann ich die Diode im 
Vorwärtsbetrieb durch eine konstante Spannungsquelle modellieren. 
Kleinsignalmäßig habe ich dann eine perfekte Leitung und insgesamt einen 
Hochpass durch die äußere Beschaltung. Bei der PIN-Diode hätte ich aber 
einen endlichen Leitwert, der für große Werte auch noch ein 
stromfressendes Biasing benötigt. Und sperren tuen beide Dioden-Typen 
beim Reverse-Biasing.

Die Schaltgeschwindigkeit von PIN-Dioden ist bekanntermaßen sehr 
beschränkt. Außerdem ist der R_ON-Widerstand naturgemäß höher als bei 
einer normalen Diode. Das schreit doch förmlich dazu, eine normale Diode 
zu benutzen.

Wo liegt mein Denkfehler?

Viele Grüße
Max

von Ralph B. (rberres)


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Normale Dioden produzieren selbst im durchgeschalteten Zustand 
Intermodulationen, weil sie immer noch eine mehr oder weniger gekrümmte 
Kennlinie durchlaufen. An ihnen fallen die 0,7V DC ab, welches der HF 
überlagert ist.

Pin Dioden sind in dieser Hinsicht um einiges besser.

Ralph Berres

von Heinz Wäscher (Gast)


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Max schrieb:
> Die Schaltgeschwindigkeit von PIN-Dioden ist bekanntermaßen sehr
> beschränkt. Außerdem ist der R_ON-Widerstand naturgemäß höher als bei
> einer normalen Diode. Das schreit doch förmlich dazu, eine normale Diode
> zu benutzen.

Das wird ja auch gemacht. Natürlich kann man eine "normale" Diode 
nehmen,so lange man sicherstellen kann, dass Diode mit genügend Strom 
durchgeschaltet ist und die Amplituden der geschalteten HF-Signale sich 
streng auf dem linearen Kennlinienteil befinden. Insbesondere bei 
größeren Signalamplituden ist das manchmal schwer möglich - da zeigt 
sich der Vorteil der PIN Diode, deren Ladungsträger Rekombinationszeit 
so lange ist, dass sie für HF bei ausreichendem Querstrom quasi nur wie 
ein ohmscher Widerstand wirkt.

Ein weiterer Vorteil ist die Einstellbarkeit dieses Widerstandes über 
den Querstrom der PIN-Diode. Dadurch ist nicht nur ein Schalten möglich, 
sondern auch ein kontinuierlicher HF-Widerstand, wie er für einstellbare 
Dämpfungsglieder notwendig ist.

Etwas praktischer Hintergrund:

http://www.robkalmeijer.nl/techniek/electronica/radiotechniek/hambladen/radcom/1995/07/page67/index.html

http://www.qsl.net/yo4hfu/Files/IMD/Diodes_IMD_VHFComm.pdf

Grüße

von Adolf S. (juppe)


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Er erklärt das sehr verständlich:
http://www.youtube.com/watch?v=XpYsCM_Wf50

von Heinz Wäscher (Gast)


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Ralph Berres schrieb:
> Normale Dioden produzieren selbst im durchgeschalteten Zustand
> Intermodulationen, weil sie immer noch eine mehr oder weniger gekrümmte
> Kennlinie durchlaufen. An ihnen fallen die 0,7V DC ab, welches der HF
> überlagert ist.

Die Geschichte mit den 0,7V trifft bei einer nicht vorgespannten Diode 
zu. HF-Schaltdioden werden in der Regel so vorgespannt, dass das zu 
schaltende HF-Signal nicht in den Bereich der Knickspannung kommt und 
sich immer innerhalb des linearen Kennlinienteils befindet.

Natürlich sind PIN Dioden oder spezielle HF-Bandschalterdioden besser 
geeignet, sie sind insbesondere auch beim Schalten von größeren 
HF-Leistungen vorteilhaft. Die Sperrschichtkapazität und der 
HF-Flusswiderstand von PIN-Dioden ist im Gegensatz zu normalen 
Siliziumdioden nur wenig von der angelegten Signal-Amplitude abhängig 
und sie erzeugen daher weniger nichtlineare Verzerrungen.

Kurios: Hochvolt Gleichrichterdioden wie die 1N4007 haben eine lange 
Ladungsträger-Lebensdauer und verhalten sich wie eine PIN Diode.

Etwas Lesestoff:
"RF/Microwave Solid State Switches"
part 1
http://www.skyworksinc.com/downloads/press_room/published_articles/MPD_052009.pdf
part 2
http://www.skyworksinc.com/downloads/press_room/published_articles/MPD_062009.pdf

Agilent: "Understanding Microwave Solid State Switching."
http://cp.literature.agilent.com/litweb/pdf/5989-7618EN.pdf


Grüße

von Max (Gast)


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Vielen Dank für die Erklärungen und die gute Bettlektüre! Wieder bin ich 
ein bisschen schlauer geworden.

Auch das Video ist nett, schön sowas mal in echt zu sehen.

von Ralph B. (rberres)


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Heinz Wäscher schrieb:
> kommt und
> sich immer innerhalb des linearen Kennlinienteils befindet.

Es gibt kein wirklich linearen Bereich bei Halbleiter

Ralph Berres

von Heinz Wäscher (Gast)


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Ralph Berres schrieb:
> Es gibt kein wirklich linearen Bereich bei Halbleiter

Klar, den gibt es auch nicht wirklich bei einem Relais, wenn man auf 
Erbsenzählerei steht. Wir können auch diskutieren, wieviele Engel auf 
eine Nadelspitze passen.

Jeder weiß wie es gemeint ist.

Gruß

von Ralph B. (rberres)


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Heinz Wäscher schrieb:
> Klar, den gibt es auch nicht wirklich bei einem Relais, wenn man auf
> Erbsenzählerei steht. Wir können auch diskutieren, wieviele Engel auf
> eine Nadelspitze passen.
>
> Jeder weiß wie es gemeint ist.

Es gab mal in den UKW-Berichten ein Artikel ( ich meine der von mir hoch 
geschätzte  Jochen Jirmann hat das mal geschrieben ) wo den 
Intermodulationen im Empfänger unter anderem eines Icom Transceivers auf 
den Grund gegangen wurden.

Da waren genau solche Schaltdioden in der Bandfilterbank am 
Empfängereingang der Grund. Das auswechseln der Dioden gegen Reedrelais 
hatte dem Spuck ein Ende bereitet. Zugegeben hier reden wir von 
intermodulationsfreien Dynamikbereich von 100db, die vom Hersteller 
anvisiert wurden.

Soviel zur Erbsenzählerei.

Ich gebe dir aber in sofern recht, das es auch sehr stark auf die 
Anforderungen ankommt. Im Senderteil kann man sich Schaltdioden schon 
eher erlauben. Im Küchenradio sind sie wohl auch unproblematisch.

Ralph Berres

von Heinz Wäscher (Gast)


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Ralph Berres schrieb:
> Es gab mal in den UKW-Berichten ein Artikel ( ich meine der von mir hoch
> geschätzte  Jochen Jirmann hat das mal geschrieben ) wo den
> Intermodulationen im Empfänger unter anderem eines Icom Transceivers auf
> den Grund gegangen wurden.

Genau auf diesen Artikel habe ich weiter oben verlinkt.

Grüße

von Ralph B. (rberres)


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Heinz Wäscher schrieb:
> Genau auf diesen Artikel habe ich weiter oben verlinkt.

Dann sind wir uns ja einig.

Grüße

Ralph Berres

von Heinz Wäscher (Gast)


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Jochen Jirmann
"Intermodulation Properties of switching Diodes"

http://www.qsl.net/yo4hfu/Files/IMD/Diodes_IMD_VHFComm.pdf

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