Forum: Offtopic Fragen zur Firma Microchip und deren Philosophie


von Hartmut (Gast)


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Hallo,

kann mir jemand sagen, warum die Firma Microchip als großer Produzent 
aus den USA kein Segment mit militärischen, luftfahrt.- oder gar 
weltraumtauglichen Produkten hat?

Begründet das Microchip irgendwie? Liegt das an der Firmenphilosophie 
oder an den ggf. homöopathischen Mengen an Bauteilen?

Wäre es nach eigener Qualifikation (wie die auch immer aussehen mag) 
möglich deren Produkte z.B. militärisch oder in der Luftfahrt zu 
verwenden? (Ich weiß von Firmen die das nicht wollen/verbieten, konnte 
aber nichts entsprechendes finden!)

Was mich halt wundert ist, das Microchip hierzu zwar keine Angaben macht 
aber Produkte für den Automobilbereich oder Medizin anpreist die 
durchaus sicherheitsrelevant sind oder höhere Temperaturen aushalten 
müssen.

Vielen Dank für Eure Hilfe
Hartmut

: Verschoben durch User
von Joerg L. (Firma: 100nF 0603 X7R) (joergl)


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Vermutlich lohnt die absetzbare Menge einfach nicht.
Wenn ich mir überlege, wieviele Mil-Bauteile in den letzten 15 Jahren 
abgekündigt wurden, und wieviele Jobs in der gesamten Mil-Industrie 
"gestrichen" wurden, dann kann ich das gut verstehen.

von Paul Baumann (Gast)


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Vielleicht bringt man das nur nicht öffentlich zur Kenntnis, weil:
-es Leute verärgern würde, die von niemandem, der für die Rüstung 
fertigt,
 Bauelemente kaufen würde
-es wegen der Geheimhaltung nicht an die "große Glocke" gehangen wird
-es für normale Menschen egal wäre, weil man an diese solche Bauelemente
 ohnehin nicht verkaufen würde

MfG Paul

von Michael K. (Gast)


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Naja, ich kenne ganz viele Geräte mit PICs die in der zivilen Luftfahrt 
unterwegs sind. (und AVRs, STM32 und und und)
Wenn ich nach ABD0100 oder DO160 teste reicht industrial 
Temperaturbereich dicke.

Wesentlich ist doch das die Tests komplett gepackt werden.
Ein schlechtes Design fällt auch mit MIL Bausteinen aus.

Wenn ich nur MIL nehmen dürfte dann könnte ich ganz viele Sachen 
überhaupt nicht bauen.

Hartmut schrieb:
> Wäre es nach eigener Qualifikation (wie die auch immer aussehen mag)
> möglich deren Produkte z.B. militärisch oder in der Luftfahrt zu
> verwenden?

Klar.
Nur das Du selber garnichts abnimmst, sondern zu allererst mal eine LBA 
zertifizierte Design Organisation brauchst.
D.H. alles was irgendwer tut muss jemand abnehmen der das von Rechts 
wegen darf. So ein Zertifikat zu erhalten und zu behalten verursacht 
bizarre Aufwände und Kosten.

Dann gibt es 5Kg Papier das allgemeingültig ist.
Weiter 3Kg die Kundenspezifisch sind.
Darin steht dann welche Tests Du alle machen musst und das sind verdammt 
viele.
Rüttel schüttel, klima, surge, burst, abnormal voltage, hf 
susceptibility etc. pp.
Rasselst Du durch einen und musst modden fängst Du von vorne wieder an.

Flieger mit viel Kohlefaser haben andere Abforderungen als die 
klassische Tonne. Kleine Flieger andere als große. Die Netze und Systeme 
unterscheiden sich und was Boeing macht, macht Airbus noch lange nicht 
vice versa.

Getested wird das Gerät nicht unbedingt der Einzelbaustein.
Dann irgendwann, hast Du irgendwas das irgendwas kann, aber das heißt 
noch lange nicht das Du das in jedes Flugzeugmuster einbauen darfts.

Ohne ein großes Unternehmen das dieses Produkt haben will und Dir auch 
die Mittel und Wege eröffnet bist Du aufgeschmissen.

Besuch mal die Aircraft Interiors in HH und quatsch mit ein paar Leuten 
über das was Du vorhast.

von Anja Zoe C. (zoe)


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Hartmut schrieb:

> Wäre es nach eigener Qualifikation (wie die auch immer aussehen mag)
> möglich deren Produkte z.B. militärisch oder in der Luftfahrt zu
> verwenden? (Ich weiß von Firmen die das nicht wollen/verbieten, konnte
> aber nichts entsprechendes finden!)

Natürlich kannst Du das machen; Du kaufst z.B. ein komplettes Los, 
qualifizierst es (so möglich) und kannst es als upgescreentes (schönes 
deutsches wort, gell?) Bauteil zur Verwendung vorschlagen. Ob es Dein 
Kunde zuläßt, ist eine andere Geschichte.

Auf diese Weise werden einige COTS (commercial off the shelf) Bauteile 
in der Raumfahrt eingesetzt.

Zoe

von Franz F. (franzman)


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Wenn es den selben IC einmal mit und einmal ohne Qualifikation gibt, 
heißt das nicht, das das Bauteil ohne qualifizierung schlechter ist.
Es wird oft nur eine Fertigungsstraße qualifiziert, obwohl das 
eigentliche fertigungsverfahren und die maschinen die gleichen sind.
Trotzdem kann man dann für die teile aus der qualifizierten maschine 
mehr verlangen.

von Michael K. (Gast)


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Franz F. schrieb:
> heißt das nicht, das das Bauteil ohne qualifizierung schlechter ist.

Jein, da gibt es je nach Qualifizierung Unterschiede.
Strahlungsresistente Bauteile sind schon noch mal eine andere Nummer.

Gut oder nicht gut spielt auch gar keine Rolle.
Wenn das Papier nicht stimmt hat man ein Problem.
Da könnte ich den Fluxkompensator oder eine Zeitmaschine in der Tasche 
haben das wäre vollkommen Wurst wenn ich keine Papiere habe.

Ich kann also durch die Labore tingeln und teilweise bis zur Zerstörung 
beweisen das mein komplettes Gerät wirklich sicher ist und damit ein 
zertifikat erlangen oder ich brauche ein zertifiziertes Bauteil aus 
unterschiedlichen Gründen.

Ohne Zertifikat darf nichts in den Flieger und das treibt zuweilen 
bizarre Blüten.
Der Fluggast schleppt Labtops, Tablets, Handys und Daunenjacken mit 
Nylon in waren Massen in den Flieger, aber 10gr. ABS Gehäuse durch die 
Muster Prüfleitstelle zu schleusen ist nichts für schwache Nerven.

Das eine braucht kein Zertifikat weil es loose Equipement ist, das 
andere ist per definition Luftfahrtgerät und da gehts nicht ohne.

von Anja Zoe C. (zoe)


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Franz F. schrieb:
> Wenn es den selben IC einmal mit und einmal ohne Qualifikation gibt,
> heißt das nicht, das das Bauteil ohne qualifizierung schlechter ist.
> Es wird oft nur eine Fertigungsstraße qualifiziert, obwohl das
> eigentliche fertigungsverfahren und die maschinen die gleichen sind.
> Trotzdem kann man dann für die teile aus der qualifizierten maschine
> mehr verlangen.

Um es kurz zu formulieren, ohne Nachweise weißt Du halt einfach nicht, 
was Du bekommst, es können sich bei der Fertigung Abweichungen ergeben 
haben, bei den verwendeten Materalien, den Prozessen, den Tests.  Und 
commercial Bauteile sehen meist eben auch andere und weniger Tests als 
Hi-Rel Teile.

Zoe

von Axel L. (axel_5)


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Franz F. schrieb:
> Wenn es den selben IC einmal mit und einmal ohne Qualifikation gibt,
> heißt das nicht, das das Bauteil ohne qualifizierung schlechter ist.
> Es wird oft nur eine Fertigungsstraße qualifiziert, obwohl das
> eigentliche fertigungsverfahren und die maschinen die gleichen sind.
> Trotzdem kann man dann für die teile aus der qualifizierten maschine
> mehr verlangen.

Wie definierst Du denn "selben IC" ? Ist ja nicht so, dass so eine 
Fertigungsstrasse von der Siliziumscheibe bis zum Packaging identisch 
ist. Da wird das Silizium in Korea gefertigt, in Malaysia getestet, in 
Taiwan ins Gehäuse gepackt und das Resultat in Malaysia wieder getestet. 
Je nach Auslastung und Anwendung fallen die Tests auch mal ganz oder 
teilweise weg oder das Packaging wird mal in China gemacht oder es wird 
ein Burn-in gemacht oder nicht.

Und wenn so ein vollbesetzter Jumbo in ein Wohngebiet stürzt ist das 
eben doch eine andere Nummer als so ein ABS, was mal nicht funktioniert. 
Das Risiko, da evtl. in der Haftung zu sein, geht kein Hersteller ein, 
bzw. lässt sich das extrem gut bezahlen.

Gruss
Axel

: Bearbeitet durch User
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