Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Embedded-SW im Consumer-Bereich


von Ben (Gast)


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Morgen,
mir ist klar dass dieses Thema potentielle Trolle anzieht. Aber ich habe 
ein ehrliches Interesse daran, mich würds echt interessieren.

Ich arbeite als Embedded-SW Entwickler im Automotive-Umfeld.
Wir haben ja hier sehr strenge Richtlinien.
Einmal was die Sicherheit des Systems betrifft (ASIL usw.), wie der Code 
auszusehen hat (MISRA, Firmeninterne Richtlinien...) und einen 
Riesen-Haufen an Prozess außenrum (Traceability, 
Requirements-Engineering, Testing nach strikten Prozessen usw). 
Stundenlange Code-Reviews...
Alles in Allem, ein Monsterwerk bis am Schluß mal 10 Zeilen Code 
rausfallen.
Dazu noch aufgeblasene Architekturen wie AUTOSAR; mit zig 
Abstraktionsschichten um jeden Prozessor, selbst für ne 0815-Regelung, 
an die Auslastungsgrenze zu fahren.

Ob das Ganze Prozedere nun gut oder schlecht ist, darüber will ich hier 
nicht urteilen. Aber ich würde gerne wissen, wie in anderen Branchen 
entwickelt wird.
Ich habe letztens mal drüber siniert, wie dass denn wohl in Unternehmen 
aussehen mag die Software für Consumergeräte schreiben.
Dabei denke ich weniger an Fernseher oder Router, denn da wird wohl 
hauptsächlich ein Linux drauf laufen mit Firmeneigener Applikation, wenn 
nicht sogar eine fertige GPL-Anwendung.
Ich denke dabei eher an Waschmaschinen, Mikrowellen, Wecker usw.
Also Geräte, wie nicht unmittelbar sicherheitskritisch sind und keine 
milliardenschwere OEMs die Entwicklung dirigieren.

Gibt es da auch gewisse Standards, Architekturen, Prozesse, die die 
Entwicklung "aufblähen"? Oder wird da lockerer rangegangen?

Achtung, provokanter Satz: grade bei Uhren, Wecker etc. kann ich mir 
vorstellen dass der Hardware-Entwickler so "nebenbei" die Firmware 
reinhackt, alles in ein .c-File mit Registerzugriffen an jeder Ecke.

Kann mir da jemand Einblicke geben, in diese Welt?

von Arsch G. (arschgwaf)


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Ich komme aus der Medizintechnik und kenne es daher auch nicht anders ;)

Ich denke das kommt aber auf Produkt an.
Alles was im Nutzungszweck einen Internetzugang erfordert kann locker 
als Bananaware ausgeliefert werden.
Spiele, Computer Software, Handy Firmware und inzwischen auch Software 
und Firmware von Fernsehern....
So kann man Patches sehr einfach an die Kunden verteilen und wer sein 
Gerät nur offline nutzt hat Pech gehabt oder wird vom Kundenservice 
darauf hingewiesen es bitte für einen Patch zu verbinden (so schon für 
Fernseher erlebt).

Gerade "Großgeräte" wie Waschmaschine oder aber auch Mikrowelle und co. 
sind denke ich innerhalb des vorhersehbaren Gebrauchs ganz gut getestet, 
da hier Software Fehler während der Gewährleistung zum Umtauschen führen 
und das für den Hersteller kostspielig ist.

von Gustav (Gast)


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Ben schrieb:
> Ich denke dabei eher an Waschmaschinen, Mikrowellen, Wecker usw.
> Also Geräte, wie nicht unmittelbar sicherheitskritisch sind und keine
> milliardenschwere OEMs die Entwicklung dirigieren.

Waschmaschinen und Mikrowellen haben sehr wohl sicherheitsgerichtete 
Aspekte: Türzuhaltung bzw. Abschalten der Mikrowellen, wenn Tür auf.

Und daß Bosch, Siemens und Konsorten keine milliardenschweren Konzerne 
seien, glaubst du doch wohl nicht ernsthaft?

von Thomas (Gast)


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Ben schrieb:
> Kann mir da jemand Einblicke geben, in diese Welt?

Ich habe sowohl im Consumerbereich als auch in der Medizintechnik 
gearbeitet und meiner Erfahrung nach ist das weniger branchenabhängig 
und mehr individuell je nach Firma, Bereich, Abteilung, Team.

Viel wichtiger als die Vorschriften finde ich die Entwickler selbst.

So habe ich Produkte für kritische Bereiche gesehen, in denen wirklich 
ohne Beachtung von Vorschriften Firmware entwickelt wurde. Aus Mangel an 
Personal haben diese auch ihren eigenen Code getestet. Und was war? Nix, 
lief alles wie es sollte. Die vorschriftsgemäße Doku wurde einfach 
danach 'abgearbeitet'.

Das andere Gegenbeispiel war eine Firma ohne eigene Firmwareentwickler, 
welche diese Aufgaben von Dienstleistern erledigen lies. Daraufhin wurde 
die vorschriftsgemäße Doku ebenfalls nachgezogen. Dummerweise war der 
Designoutput der Dienstleister sehr schlecht und es gab einige Bugs. Das 
hat bei der Doku niemand gemerkt. Hätten die Entwickler selbst wohl auch 
nicht, einfach aus Mangel an Skill beim Programmieren.

Aber auch innerhalb der selben Firma kenne ich Begegnungen zwischen 
Entwickler-Teams, die sich wundern, warum das andere Team etwas so 
fahrlässig macht während sich die anderen über die Erbsenzählerei 
wundern.

Natürlich sind Vorschriften da, um sie von Anfang an einzuhalten und 
nicht zum Schluss alles gut zu reden... Aber Du hast gefragt wie es 
woanders ist und nicht wie es wo anders sein sollte ;-)

--
Thomas

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