Liebe Mitstreiter, ich habe eine Frage bezüglich der Isolationsabstände in Zwischenlagen von PCBs. Wir entwickeln Medizintechnische Geräte und sind auf folgende Problematik gestoßen: Die 60601-1 sagt im Grunde nicht’s über die Reduktion von Isolationsabständen in Zwischenlagen. Was gängige Praxis zu sein scheint, man reduziert die Luft- und Kriechstrecken die auf der Platinenoberfläche mit Verschmutzungsgrad 2 bewertet sind auf der auf Kriechstrecken des Verschmutzungsgrades 1. Dies geschieht in Unabhängigkeit des Platinenmaterials. Nun haben wir im Fall von HF-Chirurgiegeräten (hier gilt die Unternorm 60601-2-2) den glorreichen Fall, dass es die Verschmutzungsproblematik in diesem Sinn nicht gibt. Die Norm sagt nur (201.8.5.1.2) halte 3mm/kV ein und 4mm mindestens. In Zwischenlagen von Leiterplatten wäre theoretisch doch eine Verweichlichung der These möglich. Mein gesunder Menschenverstand würde so auf ca. 50% von dem 3mm/kV Wert (also 1,5mm/kV) vorschlagen. Nur hat sowas nicht immer was mit gesundem Menschenverstand zu tun. Meine Argumentationslinie wäre: Wenn sich die Luft-und Kriechstrecken von Verschmutzungsgrad bei der Norm 60664-1 (Isolationskoordination für elektr. Betriebsmittel […]) bei unserer Spannungsklasse von 50mm (Verschmutzungsgrad 2 IsoGruppe III) auf 20mm (Verschmutzungsgrad 1) reduziert, dürfe ich den gleichen Reduzierungsfaktor für die 3mm/kV ansetzen. Geht das? Grüße und bereits Danke im Voraus! Georg
Georg Bauer schrieb: > In Zwischenlagen von Leiterplatten wäre theoretisch doch eine > Verweichlichung der These möglich. Jein. Geht man vom Harz aus, so könnte der Abstand SEHR viel kleiner sein, aber es wird auch in Betracht gezogen, dass sich ein Multilayer delaminieren könnte. Praktisch ist die Diskussion aber irrelevant: wenn das Teil z.B. vom TÜV abgenommen wird, so ist entscheidend was der zuständige Prüfingenieur dazu meint. Es könnte sich also lohnen, das vorher mal zu besprechen. Georg
Hallo Namensvetter, mit dem TÜV habe ich sogar schon gesprochen. Die Aussage war: "Sofern die Norm nichts darüber sagt ist der Worst-Case anzunehmen. Also die 3mm/kV." Von einer gewissen Un-Sicherheit des Epoxi-Materials hat dieser ebenfalls gesprochen. Lufteinschlüsse wären ebenfalls denkbar. Eine Qualifikation des Klebeprozesses über die Serie ist an dieser Stelle etwas übertrieben und nicht gerade günstig. Ebenfalls meinte der TÜV, dass ihm keine Referenzliteratur/Norm bekannt sei, bei der dieses Thema aufgefasst werde. Sollte hier was zu finden sein, könne man sich darauf beziehen. Das ist der Grund warum ich die Schwarm-Intelligenz befrage ;)
Georg Bauer schrieb: > Das ist der Grund warum ich die Schwarm-Intelligenz befrage ;) Ok, aber wenn der Schwarm andrer Meinung als der TÜV ist, was glaubst du wer gewinnt? Georg
Georg schrieb: > Georg Bauer schrieb: >> In Zwischenlagen von Leiterplatten wäre theoretisch doch eine >> Verweichlichung der These möglich. > > Jein. Geht man vom Harz aus, so könnte der Abstand SEHR viel kleiner > sein, aber es wird auch in Betracht gezogen, dass sich ein Multilayer > delaminieren könnte. Praktisch passiert tatsächlich irgendwas übles. Auf einer 4-lagigen Platine wird eine Leiterbahn zwischen zwei Steckerpins durchgeführt. Die Bohrungen haben 1.6mm im 5mm-Raster. Da bleiben also mindestens 0.8mm Isolation, eher mehr, weil die Bahn schmal sein kann, es fließt kein nennenswerter Strom. Die Isolation von Lage zu Lage durch eine Prepreg-Schicht ist wahrscheinlich viel kritischer, 0.5mm wären ja schon sehr dick. Und wer bestellt schon einen definierten Lagenaufbau :( Jedenfalls reichte das in 2 bis 3 von 1000 Fällen nicht für Dauerbetrieb am 230V-Netz.
Leider Leider ist sind Prepregs nicht fehlerfrei und können Lunker haben. Daher gibt es diese Probleme auch immer wieder in der Leistungselektronik. Als Beispiel: Man nehme eine einfache 4 Layer Platine. Der Layeraufbau wäre wie folgt: 1 ---------- Signal-Layer OOOOOOOOOO FR4 Material prepregs 2 ---------- Ground zu Signal-Layer ========== FR4 core 3 ---------- Ground 1000Vdc OOOOOOOOOO FR4 Material prepregs 4 ---------- 1000V Nach UL darf diese Konfiguration niemals realisisert werden. Auch wenn FR4/GFK ein sehr gute Isolator ist. Selbst wenn mehrere prepregs (was ohnehin gemacht wird) übereinander gelegt werden dann wird man keine UL Erlaubnis bekommen. Rein statistisch wäre es recht unwahrscheinlich einen Durchschlag auf der Platine zu bekommen. Die bei UL haben halt Angst. Ps. Warum lässt man sich bitte beim TÜV beraten? Der Verein ist nicht wirklich durch seine Kompetenz bekannt. Aber das ist meine Meinung...
Tim R. schrieb: > Ps. Warum lässt man sich bitte beim TÜV beraten? Ich weiss dass das hier nicht populär ist, die gängige Meinung ist wohl illegal scheissegal, aber der TÜV (u.a.) erteilt z.B. die Zulassung für medizinische Geräte, und diese ohne eine Zulassung zu vertreiben ist strafbar und wenn man Pech hat fahrlässige Tötung. Es gibt dafür auch andere Stellen als den TÜV, das ändert aber garnichts - keine wird ein unsicheres Gerät zertifizieren. Und es lohnt sich immer, mit der Zulassungstelle rechtzeitig zu reden, alles andere ist einfach nur blöd und im Sinne der Firma unverantwortlich, da unnötige Mehrkosten in abenteuerlicher Höhe entstehen können. Tim R. schrieb: > Leider Leider ist sind Prepregs nicht fehlerfrei und können Lunker > haben. Nach MIL sind mindestens 2 Lagen Prepreg zwischen CU-Lagen vorgeschrieben, und in der Praxis machen das alle seriösen Hersteller auch bei nicht-MIL-Aufträgen. Also ein nichtexistentes Problem. Georg
Georg schrieb: > Also ein nichtexistentes Problem. Du würdest mir einen riesigen Gefallen tun, wenn du das UL verklickern könntest ;-) Wir müssen aufgrund dessen immer auf Kompromisse im Layout einlassen. Aber die bekommen auch schon Angst, wie viele auch, wenn die DC Spannung über 600V ist.
Georg schrieb: > Ok, aber wenn der Schwarm andrer Meinung als der TÜV ist, > was glaubst du wer gewinnt? Naja, ein Kampf sollte das Ganze nicht sein. Und als Sieger möchte ich da auch keinen betrachten. Eher ist der Findungsprozess als ein Miteinander zu sehen, der zur technisch sauberen Lösung münden sollte. Aber ja, im Zweifelsfall ziehst du immer den Kürzeren ;) Tim R. schrieb: > Leider Leider ist sind Prepregs nicht fehlerfrei und können Lunker haben. > Daher gibt es diese Probleme auch immer wieder in der Leistungselektronik. Die Prepreg-Schicht „zwischendrin“ möchte ich nicht als Isolation nehmen. Im vorgeschlagenen Fall fährt man auf den Zwischenlagen nur näher ran als auf den Außenlagen. Als Beispiel in etwa so: A)Klassische Anordnung mit normalen Luft- und Kriechstrecken (3x s): 1 x---sssxxxxx Hochspannung Plus (Top) OOOOOOOOOO FR4 2 xxxxsss---x Hochspannung Minus (Bottom) B)Vorgeschlagene Anordnung mit verkürzen Luft- und Kriechstrecken (1x s) in Zwischenlagen: 1 x---sxxxxxx Hochspannung Plus (Top) OOOOOOOOOO FR4 Material prepregs 2 xxxxxxxxxxx Freier Layer (Mid. 1) ========== FR4 core 2 xxxxs---xxx Hochspannung Minus (Mid. 2) OOOOOOOOOO FR4 Material prepregs 4 xxxxxxxxxxx Freier Layer (Bottom) Tim R. schrieb: > Warum lässt man sich bitte beim TÜV beraten? Weil wir unsere Geräte bei denen zulassen. Wie Georg bereits gesagt hat: Hier die Sichtweise früh einzuholen macht aus unternehmerischer Sicht nur Sinn. Georg schrieb: > Also ein nichtexistentes Problem. Seh ich, wie Tim, nicht ganz so. Wenn man das Problem gekonnt umschiffen kann, dann muss es doch irgendwas geben das sagt „Mach das so und so, dann bist du auf der sicheren Seite“. Und das würde ich dann dem TÜV und der UL unter die Nase halten wollen.
Georg Bauer schrieb: > Seh ich, wie Tim, nicht ganz so. Ich meinte das auch nur in Bezug auf Löcher im Prepreg, aber es gibt ja auch noch andere Fehlerquellen wie Lufteinschlüsse oder Delamination. Im Sinne von Zulassungsvorschriften ist ein Core als Isolation natürlich viel klarer definiert, da kann man dem TÜV einfach das Datenblatt des Herstellers unter die Nase halten - bei Prepregs kommt der Prozess des Verpressens mit ins Spiel und auch mögliche eigene Fehler (z.B. wenn die Harzmasse des Pregpregs nicht ausreicht um alle Lücken zu füllen). Da erhebt sich dann die Frage, ob man nach der Zulassung noch den LP-Lieferanten wechseln kann. Georg
Bleibt die Frage an den TS: Sind die Aufbauten der HF-60601-2-2-Geräte tatsächlich so kompakt bei Deiner Ausführung der Leiterplatte, das man die Signal- und Spannungskritischen Pfade nicht auf die in der restlichen 60601 angegeben Abstände 2xMOPP bzw. MOOP bringen kann? So lösen wir das in unseren Geräten, und das kann man den Prüfern weltweit (TÜV, FDA, Jap., Rus., China) auch plausibel vemritteln das man damit "clean" und standarkonform ist. Oder galt Dein Frage eher "was wäre mahcbar" -- dann ist sicher eine Teilnahme am Normenboard/MA-Entsendung eher sinnig als eine Frage im uc Forum.
Andrew Taylor schrieb: > -- dann ist sicher eine > Teilnahme am Normenboard/MA-Entsendung eher sinnig als eine Frage im > uc Forum. Na ja, unter solchen Gesichtspunkten waere das uC-Forum ja leer ... :-)) Rufus! Mach endlich Deinen Job!
Georg Bauer schrieb: > Was gängige Praxis > zu sein scheint, man reduziert die Luft- und Kriechstrecken die auf der > Platinenoberfläche mit Verschmutzungsgrad 2 bewertet sind auf der auf > Kriechstrecken des Verschmutzungsgrades 1. Das war früher mal so, in aktuellen Normen geht der Trend zum Verschmutzungsgrad 2 auf Innenlagen. In der akteullen Version der EN 60950-1 z.B. wird für Innenlagen erstmal der Verschmutzungsgrad 2 angenommen. Nur wenn man aufwändige Test mit Temperaturzyklen in feuchter Umgebung macht und dabei nachweisen kann, dass die Spannungfestigkeit dann auch noch OK ist, darf man für Innenlagen den Verschmutzungsgrad 1 verwenden.
> Das war früher mal so, in aktuellen Normen geht der Trend zum > Verschmutzungsgrad 2 auf Innenlagen. > Nach meinen letzten Wissensstand kann ich dies bestätigen, dies sollte auch für UL gelten. Allgemein ist man mit dem Verschmutzungsgrad 2 meist nicht falsch!
@ Tim R. (mugen) >auch für UL gelten. Allgemein ist man mit dem Verschmutzungsgrad 2 meist >nicht falsch! Aber dann ist auch alles riesengroß!
Falk Brunner schrieb: > @ Tim R. (mugen) > >>auch für UL gelten. Allgemein ist man mit dem Verschmutzungsgrad 2 meist >>nicht falsch! > > Aber dann ist auch alles riesengroß! Konservative Leute wie ich nehmen 1mm/100V, aber mit Coating sehe ich auch keine Probleme mit 0,55mm/100V.
Georg schrieb: > bei Prepregs kommt der Prozess des Verpressens mit ins Spiel und auch mögliche > eigene Fehler (z.B. wenn die Harzmasse des Pregpregs nicht ausreicht um > alle Lücken zu füllen). Da gebe ich dir natürlich recht, dass es bei Prepregs zu Delamination und Lufteinschlüssen führen kann. In dem Normenbereich hat sich da die letzten Jahre einiges getan. Gerade bei der 60601 wurde in der dritten Edition der Punkt Festkörper und Klebeeigenschaften mit aufgenommen. Der TÜV war hier in der Vergangenheit aber auch schon etwas weiter. Hier wurden bei Verringerungen der Isolationsabstände in Zwischenlagen Qualifikationen von Fertigungsprozessen der Platinenhersteller angefordert (Klebeprozess im Vakuum, Hochspannungstest sowie Belastung durch Stresstest). Nur stellt sich hier die Frage wie „hart“ sind die Prüfungen nun durch Änderung der Norm geworden. Hier fehlt es leider an Erfahrung. Georg schrieb: > Da erhebt sich dann die Frage, ob man nach der Zulassung noch den > LP-Lieferanten wechseln kann. Ja, wohl kaum. Wenn er allerdings seine Prozesse qualifizieren kann und die vom TÜV gewünschten Unterlagen liefert, sehe ich das nicht so kritisch. Andrew Taylor schrieb: > Bleibt die Frage an den TS: Sind die Aufbauten der HF-60601-2-2-Geräte > tatsächlich so kompakt bei Deiner Ausführung der Leiterplatte, das man > die Signal- und Spannungskritischen Pfade nicht auf die in der > restlichen 60601 angegeben Abstände 2xMOPP bzw. MOOP bringen kann? Leider Nein. Sobald es um HF-Hochspannung geht greift die 60601-2-2. Die besagt 3mm/kV und mindestens 4mm für Luft- und Kriechstrecken. Sobald man Spannungen unter einem 1,3kV hat, könnte man theoretisch hoffen die Anforderungen der Hauptnorm 60601-1 anwenden zu dürfen. Hier darf man sich meines Wissens leider nicht die "süßen Kirschen" zusammen suchen. Wenn es um die Patientensicherheit geht ist das ziemlich eindeutig in der 60601-2-2 beschrieben (siehe Absatz 201.8.5.1.2). Johannes E. schrieb: > Das war früher mal so, in aktuellen Normen geht der Trend zum > Verschmutzungsgrad 2 auf Innenlagen. Gut zu wissen. Habe auch gleich mal nachgeschlagen. Leider ist das nicht anwendbar für HF-Geräte nach 60601. Wenn man sich an anderen Normen orientiert ist aber solch ein Hinweis immer wertvoll. Dankeschön! (So nebenbei - der Netzeingangsbereich von HF-Geräten lässt sich nach 60950-1 bauen).
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