Forum: Offtopic Wann sieht man im Reaktorbecken Tscherenkow-Strahlung?


von A. D. (egsler)


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Ich war heute im AKW Philipsburg und stand am Abklingbecken der 
Brennstäbe, wo man dieses typische bläuliche Leuchten sehen konnte.
Ich bin kein Physiker, sondern "nur" physikinteressierter Elektroniker, 
und bin bisher immer davon ausgegangen, dass das diese 
Tscherenkow-Strahlung ist. So habe ich das nämlich schon einige Male 
gelesen.

Dort aber habe ich mich aufklären lassen, dass dort keine 
Tscherenkow-Strahlung zu sehen sei, diese könnte man nur ganz kurz 
sehen, wenn der Reaktor gerade abgeschaltet und zum Brennstabwechsel 
geöffnet wird. Im Abklingbecken käme das blaue Leuchten nur durch die 
Borsäure im Wasser.

Aus welchem Grund die Tscherenkow-Strahlung nur so kurz zu sehen war, 
konnte man mir allerdings dann nicht erklären.
Diese entsteht ja, wenn sich die Neutronen schneller bewegen als die 
Lichtgeschwindigkeit in dem jeweiligen Medium. Das sollte doch auch noch 
im Anklingbecken der Fall sein? Nach meinem Verständnis nimmt ja nur die 
Anzahl der Zerfälle mit der Zeit ab, nicht die kinetische Energie der 
Neutronen!

Ist hier vielleicht ein Physiker, der mir das verständlich erklären 
kann?^^

Viele Grüße
EGSler

von (prx) A. K. (prx)


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Meine Erklärung als Nicht-Physiker:

Julian S. schrieb:
> Diese entsteht ja, wenn sich die Neutronen schneller bewegen als die
> Lichtgeschwindigkeit in dem jeweiligen Medium.

Nicht Neutronen, sondern Elektronen. Neutronen können allerdings an der 
Erzeugung dieser Elektronen beteiligt sein, wie auch Gammastrahlung.

> Das sollte doch auch noch im Anklingbecken der Fall sein?

Neutronenstrahlung entsteht, bezogen auf Reaktoren, fast nur im Rahmen 
von Spaltung. Die findet im Abklingbecken so gut wie nicht statt, also 
gibts da kaum Neutronenstrahlung.

> Nach meinem Verständnis nimmt ja nur die
> Anzahl der Zerfälle mit der Zeit ab, nicht die kinetische Energie der
> Neutronen!

Die Zerfallsprozesse der Spaltprodukte führen zu Alpha, Beta und 
Gammastrahlung, die wiederum zum Freiwerden hochenergetischer Elektronen 
führen kann. Die beim einzelnen Zerfall freiwerdende Energie ist 
charakteristisch für das zerfallende Nuklid, d.h. ein späterer Zerfall 
des gleichen Nuklids verhält sich nicht anders als ein früher. Aber 
unterschiedliche Nuklide haben unterschiedliche Zerfallsenergien.

Indem kurzlebige Nuklide schnell zerfallen ändert sich sowohl die Anzahl 
solcher Zerfälle über die Zeit, als auch als Folge davon die 
Nuklidverteilung. Übrig bleiben die langlebigen Nuklide geringer 
Zerfallshäufigkeit. Damit ändert sich also nicht nur die Anzahl Zerfälle 
pro Sekunde, sondern auch die statistische Verteilung der pro Zerfall 
freiwerdenden Energie.

Für gut sichtbares Tscherenkow-Licht nach Abschaltung des Reaktors 
brauchst du nun aber ein hohes Mass hochenergetischer Zerfälle. Und das 
gibts nur anfangs.

Bei laufenden Reaktor ist die Situation etwas anders, denn da mischt die 
Neutronenstrahlung als Elektronenquelle mit. Davon kriegt man aber in 
Reaktoren zur Energieerzeugung nichts mit, weil geschlossen. Die sieht 
man hingegen gut in kleinen drucklosen Forschungsreaktoren, die nur von 
Wasser umgeben sind (selbst gesehen, medizinischer Forschungsreaktor).

: Bearbeitet durch User
von Asko B. (dg2brs)


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Ich arbeite ca. 1000m neben solch einem abgeschalteten AKW.
Macht mir bitte keine Angst.
Eigentlich wollte ich mal eine "Besichtigung" beantragen.
Aber jetzt ist mir irgendwie mulmig.
Uebrigens, waere das denn nicht mal eine Frage fuer
"Frag den Lesch" ??

Gruss Asko.

von (prx) A. K. (prx)


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Asko B. schrieb:
> Macht mir bitte keine Angst.

So ein Abklingbecken ist normalerweise völlig harmlos, solange du nicht 
den Iwan gibts und drin baden willst. Einige Meter Wasser zwischen dir 
und dem Tod reichen.

Im Sicherheitsbehälter ist es normalerweise auch ziemlich sauber. Ausser 
vielleicht während der Revision, da kanns darin schon mal abgesperrte 
Zonen geben - und den hochkant rumstehenden Deckel des Druckbehälters 
muss man ja auch nicht unbedingt streicheln wollen.

: Bearbeitet durch User
von Asko B. (dg2brs)


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A. K. schrieb:
> Asko B. schrieb:
>> Macht mir bitte keine Angst.
>
> So ein Abklingbecken ist normalerweise völlig harmlos, solange du nicht
> den Iwan gibts und drin baden willst. Einige Meter Wasser zwischen dir
> und dem Tod reichen.

Danke fuer die Entwarnung.

Den "Iwan" werd ich wohl nicht geben.
Hier ist im Umkreis von einigen km 0,0 Promille angesagt.
Und wird auch wirklich ab und zu (zufaellig) geprueft.
Waere ja auch nen Gag, wenn besoffene auf dem Gelaende eines AKW
rumtorkeln. (oder ebend gar kein Gag mehr)
PS: Ich bin sogar schon negativ aufgefallen und habe ein
"Sternchen" in meiner Akte.
Am ersten Anreisetag hatte ich satte 0,01 Promille.
Wehe ich falle nochmal auf, egal wie.

Gruss Asko.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Asko B. schrieb:
> Den "Iwan" werd ich wohl nicht geben.
> Hier ist im Umkreis von einigen km 0,0 Promille angesagt.

Das ist ja auch 'ne krasse Regelung.

Das mit „dem Iwan geben“ hat eine andere Bewandnis: es gab hier im
Forum mal einen (noch vor dem Fukushima-Desaster), der war partout
der Meinung, er würde doch gern mal bei so einer Besichtigung im
Abklingbecken baden gehen wollen.

von Asko B. (dg2brs)


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Jörg Wunsch schrieb:
> Das mit „dem Iwan geben“ hat eine andere Bewandnis: es gab hier im
> Forum mal einen (noch vor dem Fukushima-Desaster), der war partout
> der Meinung, er würde doch gern mal bei so einer Besichtigung im
> Abklingbecken baden gehen wol

Awei

nee, sowas hab ich nicht vor.
Ich wuerde aber doch gerne sehen ob da noch die "alten"
Messinstrumente aus Russland drin sind.
(die mit den buckligen Linsenkopfschraunen)

Und vor allem wuerde mich die Sicherheit im allgemeinen
interessieren.
Als Hinweis, ohne Anmeldung kommt man gerade bis zur Kantine.

Gruss Asko.

von (prx) A. K. (prx)


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Asko B. schrieb:
> Und vor allem wuerde mich die Sicherheit im allgemeinen
> interessieren.

Dazu gibts natürlich unterschiedliche Ansichten.
Die vor und die nach der Katastrophe. ;-)

> Als Hinweis, ohne Anmeldung kommt man gerade bis zur Kantine.

Yep. Anmeldung für drinnen ging nur mit vorher eingesammelter 
Ausweiskopie.

Aber wenn du wirklich was sehen willst: Zwentendorf. Die Ösis haben das 
richtig gemacht: komplett aufgebaut und dann ohne Betrieb stillgelegt. 
Dementsprechend zugänglich ist es.

: Bearbeitet durch User
von Asko B. (dg2brs)


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A. K. schrieb:
> Yep. Anmeldung für drinnen ging nur mit vorher eingesammelter
> Ausweiskopie.

Du denkst, nur so kommt man "IN" ein AKW...denkste.
dieselbe Prozedur hab ich durch als ich 2009 mit
´nem Zug von Taschkent nach Samarkant fahren wollte.

Da kannste nich einfach wie Du denkst ....

Antrag, Kopie vom Pass, (bestimmt auch noch die zustimmung
von der Botschaft) und dann darf man endlich von der
zweitaeltesten Stadt an der Seidenstrasse in die aelteste
fahren. (Vier Stunden durch eine Gegend, die aussah wie
Afghanistan im Fernsehen)
Taschkent = 2200 Jahre alt
Samarkant = 2700 Jahre alt
(zu der Zeit, als damals schon Staedte gegruendet wurden
sind in Europa die meisten Menschen noch mit´m
Lendenschurz rumgerannt und nannten ihre Hoehle ein
"zu Hause".

Gruss Asko.

von (prx) A. K. (prx)


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Asko B. schrieb:
> (zu der Zeit, als damals schon Staedte gegruendet wurden
> sind in Europa die meisten Menschen noch mit´m
> Lendenschurz rumgerannt und nannten ihre Hoehle ein
> "zu Hause".

Bisschen OT, aber du solltest deinen Kalender neu kalibirieren. Rom 
liegt so betrachtet ziemlich genau zwischen Smarkand und Taschkent. Und 
ganz so unzivilisiert waren auch die Kelten nicht.

von Asko B. (dg2brs)


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A. K. schrieb:
> Bisschen OT, aber du solltest deinen Kalender neu kalibirieren. Rom
> liegt so betrachtet ziemlich genau zwischen Smarkand und Taschkent. Und
> ganz so unzivilisiert waren auch die Kelten nicht.

Ich wollte ja ach nicht, das das einer auf ne
Goldwaage legt.

Gruss Asko.

PS: aber der waren vor den "Kelten" da.

von Asko B. (dg2brs)


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Nichtsdesttrotz

Ich bin immernoch an einer "sicheren" Besichtigung
eines solchen Gebildes interessiert.
Zumal ich den aufwand sehe/schaetzen kann der benoetigt
wird um diese elende Angelegenheit aus der Welt zu schaffen.
Da gibt es SLW und LLW....hmm.
SLW= Short Long Waste
LLW= Long Short Waste (oderso aehnlich)
Dieser Bereich hat uebrigens nur einen "Eingang" ,aber
keinen "Aussgang" mehr.

Gruss Asko.

von Nilix N. (nilix)


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Unbedingt ansehen

Die Fukushima-Lüge
http://www.youtube.com/watch?v=CPQ-AZzL_kA

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Nilix Nilix schrieb:
> Unbedingt ansehen

Was hat das mit Tscherenkow-Strahlung zu tun?

Für Fukushima ist doch ein ellenlanger Thread nun wirklich genug.

von Tobias K. (kurzschluss81)


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A. K. schrieb:
> Aber wenn du wirklich was sehen willst: Zwentendorf. Die Ösis haben das
> richtig gemacht: komplett aufgebaut und dann ohne Betrieb stillgelegt.
> Dementsprechend zugänglich ist es.

Dies sit auch in Deutschland in Greifswald Lubmin (Mecklenburg 
Vorpommern) Möglich.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_Greifswald

Dort ist der Block sechs zwar fertiggestellt worden aber nie mit 
Brennelemtnen bestückt worden.

von (prx) A. K. (prx)


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Für virtuellen Rundgang in http://www.zwentendorf.com auf "Blick ins 
Innere des AKWs" klicken.

von A. D. (egsler)


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A. K. schrieb:
> Nicht Neutronen, sondern Elektronen. Neutronen können allerdings an der
> Erzeugung dieser Elektronen beteiligt sein, wie auch Gammastrahlung.
Oh, wohl wahr. Da war ich auf dem falschen Dampfer.

> Neutronenstrahlung entsteht, bezogen auf Reaktoren, fast nur im Rahmen
> von Spaltung. Die findet im Abklingbecken so gut wie nicht statt, also
> gibts da kaum Neutronenstrahlung.
Im Abklingbecken findet kaum noch Spaltung statt?
Also weniger als noch im Reaktor, das ist klar. Sonst würde das Becken 
nicht so ruhig da rumdümpeln^^
Aber das muss ja schon ordentlich gekühlt werden, also hat man doch 
sicher auch noch ein gutes Maß an Zerfällen, oder nicht?

> Die Zerfallsprozesse der Spaltprodukte führen zu Alpha, Beta und
> Gammastrahlung, die wiederum zum Freiwerden hochenergetischer Elektronen
> führen kann.
Ist Betastrahlung denn nicht schon nichts anderes als ein 
hochenergetisches Elektron?

> Die beim einzelnen Zerfall freiwerdende Energie ist
> charakteristisch für das zerfallende Nuklid, d.h. ein späterer Zerfall
> des gleichen Nuklids verhält sich nicht anders als ein früher. Aber
> unterschiedliche Nuklide haben unterschiedliche Zerfallsenergien.
Hm, das ergibt irgendwie Sinn.
Mich wundert nur, dass dann in recht großem Anteil der Literatur zu 
finden ist, dass man gerade in Abklingbecken diese Tscherenkow-Strahlung 
sieht? WIkipedia ist sicher nicht das Maß der Dinge, aber da schreiben 
ja nun auch mittlerweile viele Physiker dran mit^^

von (prx) A. K. (prx)


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Julian S. schrieb:
> Im Abklingbecken findet kaum noch Spaltung statt?

Ja.

> Aber das muss ja schon ordentlich gekühlt werden, also hat man doch
> sicher auch noch ein gutes Maß an Zerfällen, oder nicht?

Ja. Aber das ist der normale radioaktive Zerfall der Spaltprodukte. Das 
Ergebnis der Uranspaltung sind instabile Nuklide, darunter ein paar alte 
Bekannte wie Iod und Caesium, die in einigen Stufen zu stabilen Nukliden 
zerfallen. Auch das erzeugt Wärme, und nicht zu knapp.

http://en.wikipedia.org/wiki/Decay_chain#Beta_decay_chains_in_uranium_.26_plutonium_fission_products

Nur zur Peilung, es ist zwar keines der Spaltprodukte, aber ziemlich 
berüchtigt: Das hochradioaktive Polonium 210, Halbwertszeit 138 Tage, 
erzeugt durch den Zerfall 140W Wärme pro Gramm.

> Ist Betastrahlung denn nicht schon nichts anderes als ein
> hochenergetisches Elektron?

Ja, aber die bleibt weitgehend im Brennstab, wie auch Alphastrahlung.

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


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Julian S. schrieb:
> Mich wundert nur, dass dann in recht großem Anteil der Literatur zu
> finden ist, dass man gerade in Abklingbecken diese Tscherenkow-Strahlung
> sieht?

Wo?

von Johann L. (gjlayde) Benutzerseite


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Julian S. schrieb:
> Dort aber habe ich mich aufklären lassen, dass dort keine
> Tscherenkow-Strahlung zu sehen sei, diese könnte man nur ganz kurz
> sehen, wenn der Reaktor gerade abgeschaltet und zum Brennstabwechsel
> geöffnet wird. Im Abklingbecken käme das blaue Leuchten nur durch die
> Borsäure im Wasser.

Und wie entsteht dieses "normale" blaue Leuchten dann?

Fluoreszenz? In W steht zur Farbe lediglich "weißes Pulver" und "reine 
Borsäure bildet schuppige, farblos-glänzende Kristalle".  Vermutlich ist 
sie in wässriger Lösung auch nicht blau.

Oder einfach Core-Modding? Damit die Besucher was haben für's 
Eintrittsgeld und später was vom Tscherenkow erzählen können.  Sonst 
sieht man ja nix von de Atome und so.

von (prx) A. K. (prx)


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Jörg Wunsch schrieb:
> Das mit „dem Iwan geben“ hat eine andere Bewandnis: es gab hier im
> Forum mal einen (noch vor dem Fukushima-Desaster), der war partout
> der Meinung, er würde doch gern mal bei so einer Besichtigung im
> Abklingbecken baden gehen wollen.

https://what-if.xkcd.com/29/

von (prx) A. K. (prx)


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Johann L. schrieb:
> Und wie entsteht dieses "normale" blaue Leuchten dann?

Mein obiges Modell ging übrigens von der Annahme aus, dass jene, die ihm 
das erzählt hatten, recht hatten. Wär natürlich denkbar, dass grad Homer 
Dienst hatte und ... ;-)

Im Ernst: Aus besagtem Modell ergibt sich ein stark altersabhängiger 
Unterschied in der Helligkeit. Wenn du in der Revision mit 
Festbeleuchtung draufstrahlst, dann siehst du vermutlich nichts davon. 
Wenn du anschliessend zu romantisch schummriger Beleuchtung wechselst, 
dann schen eher.

: Bearbeitet durch User
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