Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Ist das eine normale Situation in der Entwicklung?


von Ohne Name (Gast)


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Abend.
 Ich arbeite seit  2 Jahren als HiWi in einer kleine Firma (ca. 20 
Menschen) weit in Süden Deutschland. Die Firma beschäftigt sich mit der 
OEM Entwicklung.
 Als ich in der Firma angefangen habe, wurde ein Projekt gestartet, und 
ich habe an der Entwicklung  ziemlich viel mitgemacht. Passende Bauteile 
ausgesucht und bestellt,  PCBs gelayoutet, Prototypen gebaut, 
programmiert etc.
Nicht nur ich, auch andere, "echte" Ingenieure haben da mitgemacht.Nun 
stellt sich fest, das der Kernbauteil, um  den sich alles gebaut wurde, 
für seinen Zweck nicht passt, und  das Projekt wird anscheinend deswegen 
geschlossen, weil es keine Alternative dazu gibt.
 Für mich ist die Situation sehr lustig, weil hätte man am Anfang das 
Datenblatt gelesen(ich habe es nicht gelesen,das war für meine Aufgaben 
nicht nötig), hätte es sofort aufgefallen, das  der Teil für den Zweck 
nicht geeignet ist.
Jetzt waren 2 Jahren Arbeit und so um 10-15k€ für verschiedene 
Prototypen/ Dev. Boards/Bauteile umsonst.
Was mich noch wundert ist die Reaktion der Mitarbeiter : "Ja, XYZ passt 
dafür nicht, daraus wird nichts, das Projekt  wird nicht weitergemacht."
Ist so eine Situation ganz normal im Berufsleben?:D

von Antimedial (Gast)


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Ja, kann vorkommen, auch bei Millionenprojekten.

von Claus M. (energy)


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Ohne Name schrieb:
> 10-15k€

Peanuts

von Ohne Name (Gast)


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Claus M. schrieb:
> Ohne Name schrieb:
>> 10-15k€
>
> Peanuts

Auch für ein so kleines Unternehmen?

von Thomas D. (thomasderbastler)


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Ohne Name schrieb:
> Auch für ein so kleines Unternehmen?

Anscheinend nix....sonst hättest keinen Job mehr..oder Deine Kollegen.

von Mark B. (markbrandis)


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Claus M. schrieb:
> Ohne Name schrieb:
>> 10-15k€
>
> Peanuts

Du vergisst die Personalkosten.

von Claus M. (energy)


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Mark Brandis schrieb:
> Du vergisst die Personalkosten.

Ne. Es lag mir auf der Tastatur zu schreiben, dass demgegenüber die 15k€ 
lächerlich sind. Das habe ich dann aber jedem selber überlassen zu 
erkennen...

von Klaus R. (klaus2)


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...die Materialkosten sind lächerlich, Personalkosten, verschwendete 
Zeit und die Demotivation sind viel schlimmer.

Klaus.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Ohne Name schrieb:
> Auch für ein so kleines Unternehmen?

Was wäre die Alternative? Dem schlechten Geld noch mehr gutes 
hinterherwerfen? Genau das können sich kleinere, wirtschaftlich 
arbeitende Unternehmen nicht erlauben, sondern nur ein paar staatlich 
subventionierte Großunternehmen.

WENN es aber für das Produkt wirklich einen Markt gäbe UND eine 
Neuentwicklung auf Basis eines komplett anderen Ansatzes möglich wäre, 
könnte es Wege geben, dass Projekt auf Basis der bisherigen Erkenntnisse 
noch einmal neu aufzusetzen.

Aber einfach weiter herumzuwurschteln, nur weil schon viel Geld 
ausgegeben wurde, ist hingegen tötlich.

von Dumdi D. (dumdidum)


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War das Projekt vielleicht gefoerdert? Oder ist die Firma auf allen 
Kosten sitzen geblieben?

von Ohne Name (Gast)


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soweit ich weiß wurde das Projekt tatsächlich gefoerdet

von Dumdi D. (dumdidum)


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Ohne Name schrieb:
> soweit ich weiß wurde das Projekt tatsächlich gefoerdet

Dann kann es sich ja fuer den Betrieb gelohnt haben nicht ins Datenblatt 
zu schauen. Ist aber schon 'pfui' sowas.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Erst mal hatte ja irgendwer die Idee zu dem Projekt. Der sollte ja nicht 
nur mit Tunnelblick genau einen Parameter des Bauteils beachtet haben, 
der gerade passend aussah.
Und ein Produkt genau auf einem Bauteil aufzubauen, ohne Second source 
und Alternativen - was passiert, wenn der Hersteller nicht mehr mag oder 
kann?

von meckerziege (Gast)


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Was issn das für ein Bauteil bzw. warum war das so unmöglich zu sehen, 
dass es nicht klappt?

Ich weiß, dass es wo sogar noch schlimmer ist: Da bastelt man seit >zwei 
Jahren herum und mittlerweile ists jedem klar dass es wohl SO nicht 
geht. Aber es wird weitergemacht...

von fill_out (Gast)


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...and that is the reason why you will have a pre-meeting before every 
meeting, the next 40 years...

von Doppelknilch (Gast)


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Hatte ich kuerzlich auch. Ein Geraet basieren auf einem Sensor gebaut. 
Dann stellt sich heruas, der Sensor selbst ist ein Prototyp und haelt 
die spezifikationen nicht ein, und hat je nach Stueck andere Offsets. 
Also .. neuen Sensor suchen, Interface passt nicht. Also Leiterplatte, 
Firmware und PC software anpassen. Macht 4 Monate Mehrarbeit. Ja ... ist 
halt so.

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Christoph Kessler (db1uq) schrieb:
> Und ein Produkt genau auf einem Bauteil aufzubauen, ohne Second source
> und Alternativen - was passiert, wenn der Hersteller nicht mehr mag oder
> kann?

Sehr viele Projekte basieren darauf, und es ist vielfach auch nicht zu 
vermeiden. Schauen wir uns Smartphones an: ein Gerätehersteller steckt 
hunderte oder tausende von Mannjahren in ein Gerät, dessen 
Schlüsselkomponenten während der ersten Hälfte des Projektes noch nicht 
einmal vorliegen, sondern von dem betreffenden Halbleiterhersteller noch 
entwickelt werden müssen! Mit sehr viel Glück erhält er dann 
irgendwelche fehlerhaften Engineering Samples und noch keine 
serientauglichen Bauteile. Und dann muss er sich darauf verlassen, dass 
die Bauteile rechtzeitig zum avisierten Fertigungsbeginn des Gerätes 
lieferbar sein werden. Verpasst auch nur ein einziger Beteiligter seine 
zugesagten Termine, platzt das ganze Produkt, denn ein halbes oder gar 
ganzes Jahr später kann man sich die Produkteinführung auch gleich 
schenken.

von tmomas (Gast)


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Ohne Name schrieb:
> Nun
> stellt sich fest, das der Kernbauteil, um  den sich alles gebaut wurde,
> für seinen Zweck nicht passt, und  das Projekt wird anscheinend deswegen
> geschlossen, weil es keine Alternative dazu gibt.

Gibt es in der µC-Entwicklung sowas wie eine D-FMEA?
Da hätte sowas IMHO frühzeitig auffallen müssen.

von fill_out (Gast)


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tmomas schrieb:
> Ohne Name schrieb:
>> Nun
>> stellt sich fest, das der Kernbauteil, um  den sich alles gebaut wurde,
>> für seinen Zweck nicht passt, und  das Projekt wird anscheinend deswegen
>> geschlossen, weil es keine Alternative dazu gibt.
>
> Gibt es in der µC-Entwicklung sowas wie eine D-FMEA?
> Da hätte sowas IMHO frühzeitig auffallen müssen.

bei einem 15.000 Euro Projekt? :)

von horst (Gast)


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War das Projekt ein Lückenfüller, an dem zumindest die "echten" 
Ingenieure nur zwischendurch gewerkelt haben?
Hätten mindestens 3 Entwickler hauptsächlich an diesem Projekt 2 Jahre 
verschwendet, dann wäre ein Schulterzucken nicht normal.
Wird nur ab und zu an dem Projekt gearbeitet, wenn man bei den wichtigen 
Projekten gerade Standzeit hat, und nebenbei auch noch eine Förderung 
mitgenommen, dann ist das ganze nicht so tragisch.


15k€ über 2 Jahre sind keine 700€ im Monat, das muß sich eine Firma 
leisten können, sonst hat sie echte Probleme.

von Franz Eder (Gast)


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Mir ist, als ich noch Techniker war, was Ähnliches passiert.
War damals für Alarm und Videoanlagen, sowie Zeit/Zutritt zuständig.

Jedenfalls sollte ein größeres Pharmaka Unternehmen abgesichert werden, 
Produktion/Lager.

Wie das so ist, der Vertriebler/Planer plant und verkauft dem Kunden die 
Dinge, der Techniker muss das Ganze dann montieren (bzw. das eher der 
Sub), anschalten, programmieren, etc.

Was ist nun, ich komme morgens dahin, erst mal kein Material da.

Vertriebler: Ja, hab es definitiv losgeschickt/geordert.
Um 15:00 (am Freitag!) kam es dann. 7 Stunden rumgesessen 

Das Beste war aber, der Kollege hat sich dermaßen verplant, er hat 2 
Anlagen verkauft, das hat aber im Leben nicht für die ganze Peripherie 
gereicht! Es mussten dann noch 3 Anlagen nachbestellt werden. Der Kunde 
weigerte sich zu zahlen, klar er hatte ja den Vertrag schon. Das waren 
dann auch etwas über 15.000 Euro die da dann fehlten.

Allgemein hatte ich damals Pech mit dem Planer/Vertiebler für mein 
Gebiet.
Kunde hat EISEN-Tür, Planer plant ein Einbausatz für Holztüren!

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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tmomas schrieb:
> Ohne Name schrieb:
>> Nun
>> stellt sich fest, das der Kernbauteil, um  den sich alles gebaut wurde,
>> für seinen Zweck nicht passt, und  das Projekt wird anscheinend deswegen
>> geschlossen, weil es keine Alternative dazu gibt.
>
> Gibt es in der µC-Entwicklung sowas wie eine D-FMEA?
> Da hätte sowas IMHO frühzeitig auffallen müssen.

Eine kurze Zwischenfrage:

Wie muss ich mir so eine D-FMEA denn in der Praxis vorstellen?

Bisher versuchen wir hier mit gesundem Menschenverstand Fehler im Design 
zu vermeiden (insbeondere bzgl. Beschaffungsproblematik bei langjährigen 
Serien), aber ein richtiges Konzept habe ich bisher nicht. Ist 
vielleicht bei zwei Leuten auch nicht nötig bzw. der Aufwand zu groß(?).

Wikipedia liefert dazu leider, was es ist, aber nicht, wie das praktisch 
wirklich aussieht.

Zum Thema: Shit happens :-)
€15000 sind nicht wirklich viel, eineinhalb Gehälterzahlungen. Das 
sollten für ei größeres Unternehmen wirklich Peanuts sein.

von progger (Gast)


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Ohne Name schrieb:
> weil hätte man am Anfang das
> Datenblatt gelesen(ich habe es nicht gelesen,das war für meine Aufgaben
> nicht nötig)

Das werden sich wohl deine Kollegen auch gedacht haben ;)

Ja, in der Realität kommt das schon mal vor. Gut, wenn dann die Eier da 
sind, das Projekt abzudrehen. Wir hatten so etwas in der 
Softwareentwicklung. Da wurde eine Plattform gewählt, die laut 
PowerPoint die eierlegende Wollmilchsau ist. In der Realität ist sie 
aber ein untauglich Haufen Müll.
Das hat man leider nicht abgedreht, sondern Massen an gutem Geld 
nachgeschmissen. Der Zombie ist leider nicht mehr weg zu bekommen und 
der notwendige Support ein Wahnsinn. Nachdem so viel Entwicklung in das 
Projekt gesteckt wurde, hat das Management beschlossen dieses Produkt 
auch an andere Kunden zu verkaufen. Nur sind leider nicht alle Kunden 
unwissend und gutmütig ;) Finanziell und imagemäßig wird die Tragödie 
daher immer tragischer, je mehr man es zu retten versucht.

von Bussard (Gast)


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Richtig hinschauen/ keine Förderung hätte beim BER millionenfach mehr 
gespart :(

von Fuerst-René (Gast)


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Kenne ich nur zu gut :-)
Ebenfalls Sicherheitstechnik, Habe in zwei Schränken Material für ca 
30k€ aus drei Projekten im laufe von 3 Jahren :-(
Auftrag mach dass und am schluss ne zu teuer oder kein bedarf mehr :-(

von Martin B. (Gast)


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Chris D. schrieb:

>
> Eine kurze Zwischenfrage:
>
> Wie muss ich mir so eine D-FMEA denn in der Praxis vorstellen?
>


Bei einer FMEDA (Failure Modes, Effects and Diagnostic Analysis)gehst du 
jedes einzelne Bauteil einer Schaltung durch und beschreibst die 
Auswirkungen auf das System, wenn

- das Bauteil fehlt
- das Bauteil den doppelten Wert hat
- das Bauteil den halben Wert hat
- das Bauteil kurzgeschlossen ist

So findet man die kritischen Bauteile heraus und kann aus einer 
Fehlerbeschreibung von Rückläufern schnell die schuldigen Bauteile 
einkreisen.

von Klaus I. (klauspi)


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Dumdi Dum schrieb:
> War das Projekt vielleicht gefoerdert? Oder ist die Firma auf allen
> Kosten sitzen geblieben?

Ich bin nicht in der Branche tätig und frage mich gerade was das 
bedeutet. Der Hersteller des Bauteils ist an interessanten 
Applikations-Beispielen zur Produktförderung interessiert und lässt 
dafür bare Münze springen, für denjenigen der soetwas entwickelt oder 
wie kann ich mir das vorstellen?

Grüße
Klaus

von Jay (Gast)


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Klaus I. schrieb:
> Ich bin nicht in der Branche tätig und frage mich gerade was das
> bedeutet. Der Hersteller des Bauteils ist an interessanten
> Applikations-Beispielen zur Produktförderung interessiert und lässt
> dafür bare Münze springen, für denjenigen der soetwas entwickelt oder
> wie kann ich mir das vorstellen?

Ich vermute eher den Klassiker: Eine staatliche oder halbstaatliche 
Organisation hat, fest das Ziel "Budget muss ausgegeben werden" in den 
Augen, das Projekt gefördert, weil ein Aspekt des Projekts formal auf 
dem Papier mit einem Ziel der Organisation übereinstimmte.

Das kann irgendeine regionale Wirtschafts- oder Technologieförderung 
sein, vielleicht auch eine Arbeitsplatsförderung, bis hinauf zu den ganz 
dicken Brocken, wie EU-geförderten Forschungsprojekten. Fleischtöpfe 
gibt es genug.

von Dipl-Inf (Gast)


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Förderung heisst in den meisten Fällen dass der Steuerzahler das 
zahlt...

Stichwort Kohlepfennig.

von Entwickler (Gast)


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Hallo,

je größer die Firma, desto normaler.

War bei einem Dax-Konzern in der Entwicklung eines Steuerungsprojektes:

Software-Entwicklungssystem wurde angeschafft vom Oberblender 
(200.000DM), hat nie richtig funktioniert. Dann neues System für 
100.000.

Aufteilung der Entwicklung auf 2 Standorte, Reisekosten im fünfstelligen 
Bereich.

Hardware hat EMV-Prüfungen nicht bestanden. Nachbesserungen zu teuer. 
Neuentwicklung der Hardware begonnen. Hardware irgendwann o.k.

Entscheidung des Oberblenders für ein Zukauf-Echtzeitbetriebssystem, 
nach 10 Mannjahren Softwareentwicklung dort gravierenden Fehler 
gefunden. Hersteller erstaunt, angeblich 10.000 Auslieferungen, keiner 
hat es bisher gemerkt. Großer Teil der SW-Entwicklung für die Katz.

Neuer Anlauf bei der Softwareentwicklung. Fertiges Programm zu groß für 
den Speicher.

Weiterentwicklung der Hardware mit größerem Speicher.

Softwareentwicklungssystem unterstützt Speichervergrößerung nicht.

Neues Softwareentwicklungssystem angeschafft, 60000DM.

usw. usw. usw.

Nach 4 Jahren mit etwa 4 Millionen Entwicklungskosten eingestellt, wobei 
ein Teil wohl für andere Projekte "abgezweigt" wurde.

In diesem Sinne ...

von tmomas (Gast)


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Chris D. schrieb:
> Wie muss ich mir so eine D-FMEA denn in der Praxis vorstellen?

Umfangreich. :)

Chris D. schrieb:
> Wikipedia liefert dazu leider, was es ist, aber nicht, wie das praktisch
> wirklich aussieht.

Vereinfach gesagt, macht man sich bei einer Design-FMEA Gedanken, welche 
Funktionen das System haben soll, welche Fehlermöglichkeiten (Failure 
modes) es gibt die die korrekte Funktion verhindern können, wie schwer 
die Auswirkungen der Fehlermöglichkeiten sind (Severity), wie hoch die 
Entdeckungs- (Detection) und Auftretenswahrscheinlichkeit (Occurence) 
ist
und letztendlich: Wie man die Fehler vermeidet. Ganz wichtig: Das 
passiert BEVOR das Produkt fertig ist und bevor Fehler auftauchen.

Eine D-FMEA hier detailierter zu beschreiben würde sicher den Rahmen 
sprengen. Wenn das Thema für dich interessant ist wirst du nicht 
drumrumkommen, dich ein wenig einzulesen oder noch besser: Eine Schulung 
zu besuchen. Alleine durch Literatur läßt sich die richtige Anwendung 
einer FMEA IMHO nicht erlernen.

Erst kürzlich bin ich bei Durchführung einer Interface-FMEA auf Probleme 
gestoßen, an die ich ohne FMEA nie im Leben gedacht hätte.
Auch wenn eine FMEA einen Arsch voll Arbeit bedeutet zeigt sich doch 
immer wieder: Die Zeit, die eine FMEA erfordert, ist gut investiert.

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Danke für die Erklärungen :-)

Ich werde mich da mal weiter informieren - das Thema interessiert mich 
und mein Unternehmen :-)

von Andreas S. (Firma: Schweigstill IT) (schweigstill) Benutzerseite


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Vor einiger Zeit wurde ich auch zu einer FMEA-Runde eines Kunden 
eingeladen. Dort wurden dann die einzelnen Bestandteile des Produktes 
nach und nach durchgekaut. Das, was mir von vornherein extreme 
Bauchschmerzen bereitete, dass der jeweils verantwortliche Entwickler 
aus dem Bauch heraus entsprechende Ausfallwahrscheinlichkeiten angeben 
sollte.

Nach rund der Hälfte der Zeit begann das Pokern. Das Tool, in welches 
der FMEA-Moderator die zuvor intuitiv ermittelten 
Ausfallwahrscheinlichkeiten eingetragen hatte, spuckte einen Haufen 
kritischer Stellen aus. Nun ging es darum, die Ursachen zu ermitteln. Da 
wurden Ausfallwahrscheinlichkeiten zurechtgelogen, bis sich die Balken 
bogen. Ich weigerte mich, bei solchen wenig fundierten Aktionen 
mitzumachen, woraufhin unterstellt wurde, die von uns zu entwickelnden 
Komponenten wären offenbar von so schlechter Qualität. Letztendlich war 
das Ziel des Tages, alle "roten" Positionen zu beseitigen, so dass ich 
mich entscheiden musste, entweder als Lieferant herauszufallen oder 
einer Verwässerung der kritischen Komponenten bzw. Pfade zuzustimmen. 
Bei den Mitarbeiter meines Kunden lief es eher umgekehrt: "WAAAAS, Herr 
X. vermutet für eine Komponente ein Risiko von 5 und wir liegen bei 8? 
Das kann nicht sein! Wir sind mindestens genauso gut, so dass das Risiko 
höchstens bei 3 liegt." Und Herr X. wollte dann natürlich nicht 
eingestehen, dass Herr Y. "bessere" Leistungen liefert, und bestand dann 
natürlich auf einer 2.

Am Ende des sehr langen und anstrengenden Tages gab es laut Tools 
keinerlei kritische Komponenten und Pfade mehr. Die zuständigen Manager 
klopften sich selbst und gegenseitig vor Stolz auf die Schultern.

Der FMEA-Moderator war dabei keineswegs ein kundeneigener Mitarbeiter, 
sondern ein sehr teuer eingekaufter externer "FMEA-Papst". Eigentlich 
hätte ich von ihm doch ein paar sehr deutliche Worte erwartet.

Ich befürchte, dass der von mir beobachtete Verlauf solcher FMEA nicht 
etwa die Ausnahme darstellt, sondern leider eher die Regel.

: Bearbeitet durch User
von Joerg F. (felge1966)


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Mir ist vor einiger Zeit auch mal ein interessanter Spruch zu dem Thema 
über den Weg gelaufen.

"Auch ein rechzeitig abgebrochenes Projekt kann ein erfolgreiches 
Projekt sein"

Das dürfte auf das o.g. Projekt zutreffen, denn nur um es irgendwann mal 
fertig zu bekommen wird man nicht mehr investieren, als mit dem fertigen 
Produkt zu verdienen ist.

von FMEA (Gast)


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Ja, das habe ich in meinen FMEAs so ebenfalls erlebt.
Unterschiedliche Lösungswege für ein Problem werden jeweils in einer 
FMEA bewertet, wobei der aus Kostengründen oder im Sinne der 
Produzierbarkeit einfachste Weg derart favorisiert in das Rennen 
startet, dass schlichtweg alle Punktbewertungen so ausfallen, dass die 
ohnehin favorisierten Lösungen am Ende "gewinnen".

von Chris D. (myfairtux) (Moderator) Benutzerseite


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Andreas Schweigstill schrieb:
> ...
> Ich befürchte, dass der von mir beobachtete Verlauf solcher FMEA nicht
> etwa die Ausnahme darstellt, sondern leider eher die Regel.

Das ist natürlich übel - aber so etwas passiert, wenn niemand das 
Gesicht verlieren will.

Auch die angesprochenen Wahrscheinlichkeiten könnte ich so konkret für 
unsere Bauteile/Produkte nicht angeben. Man kennt natürlich seine 
"Pappenheimer" (= kritischen Bauteile) und setzt diese entsprechend ein, 
aber Punkte dafür zu vergeben - diese Ausfallwahrscheinlichkeiten also 
in Relation zueinander zu setzen - dafür fehlen einfach die Daten.

Einen guten Ansatz finde ich den von Martin genannten:

Martin B. schrieb:
> Bei einer FMEDA (Failure Modes, Effects and Diagnostic Analysis)gehst du
> jedes einzelne Bauteil einer Schaltung durch und beschreibst die
> Auswirkungen auf das System, wenn
>
> - das Bauteil fehlt
> - das Bauteil den doppelten Wert hat
> - das Bauteil den halben Wert hat
> - das Bauteil kurzgeschlossen ist
>
> So findet man die kritischen Bauteile heraus und kann aus einer
> Fehlerbeschreibung von Rückläufern schnell die schuldigen Bauteile
> einkreisen.

Das ist recht einfach durchführbar (die Simulationen könnte man sogar 
automatisieren), transparent und nicht auf das gewünschte Ergebnis 
"hinbiegbar".

FMEA schrieb:
> Ja, das habe ich in meinen FMEAs so ebenfalls erlebt.
> Unterschiedliche Lösungswege für ein Problem werden jeweils in einer
> FMEA bewertet, wobei der aus Kostengründen oder im Sinne der
> Produzierbarkeit einfachste Weg derart favorisiert in das Rennen
> startet, dass schlichtweg alle Punktbewertungen so ausfallen, dass die
> ohnehin favorisierten Lösungen am Ende "gewinnen".

Ja, das wird öfter passieren. Deswegen wären wirklich konkret messbare 
Kriterien wie Martins wichtig anstatt irgendwelcher Bauchgefühle der 
Anwesenden, wo dann auch noch Gesichtswahrung hinzukommt.

Danke für die Einblicke :-)

: Bearbeitet durch Moderator
von bal (Gast)


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Zumindest wenn es um Funktionale Sicherheit geht dienen die FMEA 
vorrangig dazu, Dokumente zu generieren.
Da geht es weniger darum, das Produkt zu verbessern (naja zum Teil 
schon).
Hauptsächlich müssen eben bestimmte Prozesse durchgeführt werden um im 
Fehlerfall die Haftung zu Regeln.
Dazu gehört eben die FMEA + ordnerweise Papier um nachzuweisen, das 
alles vorschriftsmäsig gemacht wurde.

Kommt es dennoch zu einem Schaden weil etwas übersehen wurde bzw. 
schöngerechnet wurde ist das auch kein Problem, denn Irren ist 
menschlich. Die meisten Zahlen die in einer FMEA auftauchen 
(Auftrittswahrscheinlichkeiten etc.) sind eh nicht belegbar sondern 
Schätz- und Erfahrungswerte.
Hauptsache, es wurde der Prozess eingehalten.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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war das jetzt ironisch gemeint?

Ich vertraue immer noch auf den Generationenkonflikt. Die nächste 
Managergeneration hält wieder alles für Unsinn, was ihre Vorgänger 
heiliggesprochen hatten. Hoffentlich kommt mal wieder jemand auf die 
Idee die Methode "Hirn einschalten" zu probieren.

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