Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Frage zur Erde, Masse, Bezugpotential allgemein und inbesondere bei der Bahntechnik


von Praktiker (Gast)


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Hallo,

in diesen Thread Beitrag "Stromschlag in Pfütze" schrieb 
U. B. (pasewalker)  u.a. :
"15 Jahre später lernte ich, dass so eine Tram beim Anfahren ein halbes
Kiloampere zieht, dass Schienen nicht "null Ohm" haben, - und dass die
BOStrab (Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung) eine Spannung von 90 V
zwischen Schienen und "Erde" toleriert ..."

Meine Frage ist jetzt: Wie wird das Erdpotenzial, die Erdung oder auch 
Masse festgelegt?
Ein Erder hat wie jeder Leiter einen Widerstand, und die Erde im Sinne 
von Boden, Untergrund usw, natürlich auch einen, sogar meist deutlichen 
größeren.

Wenn ich jetzt, um bei den Beispiel mit der Tram zu bleiben, einen 
großflächigen Erder aus Kupfer wenige Zentimeter neben den Gleisen tief 
in gut leitendes Erdreich vergraben würde, ergibt sich bei den von  U. 
B. (pasewalker) beschriebenen Szenario eine kleinere Spannung, als wenn 
der Erder, das Erdpotential usw. viele Meter entfernt ist und nur aus 
einen Stahlstab besteht welcher nur 1 oder 2 Meter in trockenen 
Sandboden getrieben wurde.

Wann ist eine Erdung "wirklich" eine Erdung?
Wie kann der Erdungswiderstand überhaupt gemessen werden?
Einfach eine Prüfspitze des Multimeters in den Erdboden stecken und die 
andere an den "richtigen" Erder funktioniert natürlich nicht.

Wenn der Stromversorger z.B einen neuen Trafo am Kraftwerk aufstellt 
oder eine Gebäudeerdung erfolgt wie stellt man fest das eine korrekte 
und ausreichende Erdung vorliegt, nacharbeiten sind ja oft nur sehr 
schwer bis nahezu unmöglich machbar?
Bitte jetzt nicht einfach mit "Messen" oder einhalten der Vorschriften 
antworten, sondern Falls möglich beschreiben nach welchen Prinzip eine 
Messung abläuft und warum bestimmte Werte ausreichen bzw. vorgeschrieben 
sind.

mfg

    Praktiker

von Route_66 H. (route_66)


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Praktiker schrieb:
> Wann ist eine Erdung "wirklich" eine Erdung?

Idealerweise? Nie!

Wenn der für die geforderte Funktion notwendige Erdübergangswiderstand 
erreicht wird, und die Potetialsteuerung funktioniert, ist die Erdung 
gut.

Mit geeigneten Messgeräten und -verfahren, meist über mehrere 
Hilfserder.

Als "Praktiker" ist Dir das sicher zu hoch. Wärest Du "Theoretiker" 
wüsstest Du, dass man mit den Kirchhoffschen Gesetzen in elektrischen 
Netzwerken die Einzelkomponenten bestimmen kann.
Auf diese Art kann mit mehreren Hilfserden der gesuchte Wert des zu 
messenden Haupterders sehr einfach und genau ermittelt werden.

von Linksammler (Gast)


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Praktiker schrieb:
> Wann ist eine Erdung "wirklich" eine Erdung?

Sh. Bild. SCNR.


Praktiker schrieb:
> Wenn der Stromversorger z.B einen neuen Trafo am Kraftwerk aufstellt...

Selbst wenn der Theoretiker ausrechnet, dass ein 42.23 cm langer Spieß 
zur ausreichenden Erdung genügen würde: das kommt so nie in die 
Ausschreibung für die Bausausführung.
Da nimmt man dann einen ordentlichen Sicherheits-Multiplikator dazu.
Kostenmäßig macht das kaum einen Unterschied, ob nun ein oder vier Erder 
unter dem Fundament verbuddelt sind. Und wenn der Bauarbeiter einen von 
den vieren nicht richtig angeklemmt hat: Egal, sind ja noch drei übrig.

von Günter Lenz (Gast)


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Praktiker schrieb:
>Wie kann der Erdungswiderstand überhaupt gemessen werden?

Wenn du das Zuhause machen willst, lass einen Strom
über eine Glühbirne (25W oder mehr) von dein Hausnetz 230V
in den Erder fließen. Messe den Strom, und messe die Spannung
zwischen dem Erder und einem Hilfserder, den du in einiger
entfernung (vielleicht 50m) setzt.
Und dann ausrechnen  R = U / I
Das ganze darf aber nicht über einen FI-Schutzschalter gehen,
weil der sonst anspricht.
So habe ich das bei mir Zuhause schon gemacht.

von Günter Lenz (Gast)


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Noch ein Hinweis: Es geht auch ohne Hilfserder,
in dem du die Spannung zwischen Erder und Nulleiter
mißt.

von Praktiker (Gast)


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Hallo,

danke erstmal für die praxisnahen Antworten.

Trotzdem :
Zu der Aussage

"Wenn der für die geforderte Funktion notwendige Erdübergangswiderstand
erreicht wird, und die Potetialsteuerung funktioniert, ist die Erdung
gut."

Hätte ich gerne deutlich tiefergehende Infos.

Nehmen wir das Trambeispiel:
U darf max. 90V sein und I beträgt max. 500A - oder zur sicherten Seite 
mal besser 1500A angenommen.
Der Erdungwiderstand muß also 0,06 Ohm oder geringer sein.
Und jetzt?
Einfach nur auf Erfahrungswerte verlassen kann es doch nicht sein - auch 
wenn es in der Praxis funktioniet.
Das Erdungsmaterial korrodiert mit den Jahren was sich negativ auf die 
Leitfähigkeit auswirkt, die Bodenleitfähigkeit ist zumindest 
Oberflächennah nicht immer gleich - bei den gegenwärtigen "Sauwetter" 
ist sie besser als bei einer langen Trockenperiode und sicherlich gibt 
es noch einige andere Aspekte die ich übersehen habe, bzw. nicht kennen 
kann.

Oder um ein Beispiel zu nehmen was auch im Privatleben vorkommen kann:

Mitten auf den Akker, oder noch schlimmer im Gebirge oder auf einen 
Sandstrand soll ein Notstromgenerator sicher betrieben werden, einige 
der angeschlossene Verbraucher haben einen Schukostecker und benötigen 
zum sicheren Betrieb unbeding eine Schutzzerdung.
Wie stelle ich ->vor<- einer "handfesten" Messung z.B. nach den Prinzip 
von  Günter Lenz (Gast) sicher das mein, eventuell sehr mühsam erfolgtes 
Erdungssystem ausreichend sein wird?

Wie schon geschrieben: Es handelt sich um eine Beispielfrage - es geht 
nicht explizit um diese Generatorfrage, das richtige Vorgehen kann auch 
gerne an anderen Beispielen erläutert werden.

mfg

  Praktiker

von Route_66 H. (route_66)


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Günter Lenz schrieb:
> Noch ein Hinweis: Es geht auch ohne Hilfserder,
> in dem du die Spannung zwischen Erder und Nulleiter
> mißt.

Dann ist der Sternpunkterder in Deiner Trafostation der Hilfserder und 
versaut Dir den Messwert durch die parasitären Erdströme die von allen 
anderen Häusern kommen.
Also: untauglich!

von Route_66 H. (route_66)


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Praktiker schrieb:
> Mitten auf den Akker, oder noch schlimmer im Gebirge oder auf einen
> Sandstrand soll ein Notstromgenerator sicher betrieben werden, einige
> der angeschlossene Verbraucher haben einen Schukostecker und benötigen
> zum sicheren Betrieb unbeding eine Schutzzerdung.

Dafür gibt es in jeder Anschlussleitung einen Schutzleiter: das ist der 
gelb/grüne!

: Bearbeitet durch User
von Route_66 H. (route_66)


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Was zum lesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bahnerdung

http://de.wikipedia.org/wiki/TN-System

http://de.wikipedia.org/wiki/TT-System

http://de.wikipedia.org/wiki/IT-System

Im Gegensatz zu: selber trinken macht besoffen, selber essen macht fett 
gilt hier: selber lesen macht klug!

von U. B. (Gast)


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Das Problem der Schienen"erdung"  (die Anführungstriche sind 
absichtlich) ist bei Gleichstrombahnen besonders blöd:

So konnte man einem Standartwerk (Elsners Taschenbuchuch der 
Eisenbahntechnik) -zumindest um 1985 herum- entnehmen, dass Schienen von 
Gleichstrom-S-Bahnen absichtlich "relativ isoliert" verlegt würden, um 
den Fahrstrom überwiegend über diese Schienen zu führen und somit 
Korrosionsschäden zu vermindern.
(Natürlich nur dort, wo kein Zutritt möglich ist.)

von Noch wer (Gast)


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"Dafür gibt es in jeder Anschlussleitung einen Schutzleiter: das ist der
gelb/grüne"

Diese schöne Gelb/Grüne Leitung muss aber irgendwo anschlossen werden.
Da kann die Leitung noch so schön Gelb/Grün sein, alleine stellt sie 
noch keine Erdung her.

:-)

von Soul E. (Gast)


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Wobei man ja durchaus ein lokales System bauen könnte. Wenn im frei in 
der Luft hängenden Generator Null und Schutzleiter verbunden sind, dann 
würde ein Kurzschluß zwischen Phase und Gehäuse eines angeschlossenen 
Gerätes die Sicherung reissen.

Eine Spannung zwischen Gehäuse und Erdboden kann nicht auftreten, da 
kein geschlossener Stromkreis vorhanden ist.

von Kiefer (Gast)


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Nennt sich IT Netz.

U. B. schrieb:
> (Natürlich nur dort, wo kein Zutritt möglich ist.)

Oder es gibt Hinweisschilder bei den Gleisen "nur kleine Schritte 
zulässig, bei Regen queren verboten".

von Amateur (Gast)


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Die Erdung einer Schiene ist nicht ganz trivial.
Liegen diese doch normalerweise nicht auf der Erde, sondern auf 
Schwellen aus Holz (trocken, imprägniert) oder Beton (auch isoliert).
Als Leiter sind Schienen, vor allem in älteren Systemen (rostige 
Schraubverbindungen die in der Hauptsache mechanischen Anforderungen 
entsprechen mussten), auch nicht der Bringer.
Schon allein diese zwei Punkte sollten jedem klarmachen, dass die 
Herrschaften, die die zugehörigen Bestimmungen verfasst haben, eine 
gewisse Flexibilität walten lassen mussten.

von Noch wer (Gast)


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Hallo,

"Eine Spannung zwischen Gehäuse und Erdboden kann nicht auftreten, da
kein geschlossener Stromkreis vorhanden ist."

Irgendwie "hat das was" - warum wird dann überhaupt mit großen Aufwand 
geerdet ?

Eine "echte" Leitung mehr ("N") vom letzten Trafo vor der 
Endeinspeisungen in die Häuser, und dafür keinerlei Nutzung des 
Erdbodens als N-"Leitung" und auch keinerlei Erdung an diesen Trafo und 
schon würden doch jede Erdungsmaßnahmen, zumindest aus 
Sicherheitgründen, beim Endverbraucher bzw. den Häusern unnötig - 
Trenntrafoprinzip -.

Es wird aber aus guten Grund nicht gemacht, aber was ist an meiner 
Vorstellung falsch ?

Selbst bei Gehäuseschluss sollte dann nicht mehr passieren, wie schon 
"soul eye " ausgeführt hat.
Der Knackpunkt liegt wohl irgendwo in den Beispiel bei den "lokalen 
System" was ja im Versorgungsnetz so nicht vorliegt ?

mfg

   Noch wer

von Route_66 H. (route_66)


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Noch wer schrieb:
> Diese schöne Gelb/Grüne Leitung muss aber irgendwo anschlossen werden.
> Da kann die Leitung noch so schön Gelb/Grün sein, alleine stellt sie
> noch keine Erdung her.

Ja natürlich! Hast Du mal die Erklärungen zu den Netzformen TN, TT, IT 
gelesen?
Auch verstanden?
Der gelb/grüne wird an deinem ominösen Genarator mit dem Neutralleiter 
oder einem Außenleiter (wenn kein N da ist) verbunden. Schon kann eine 
Sicherung im Fehlerfall (Gehäuseschluß eines SKI-Gerätes) ansprechen.

Wenn dieser Verbindungspunkt am Generator auch noch geerdet ist, dann 
können auch andere Fehler, wie Erdschlüsse am Verbraucher (nicht zum PE 
sondern z.B. zur Wasserleitung), erkannt und meist über den FI 
abgeschaltet werden.
Das wäre jetzt ein TN-S-Netz.
An der Verbraucherseite ist dann noch häufig ein Erder (z.B. 
Fundamenterder). Der dient bei TN aber NUR zum Potentialausgleich 
(->Google) und nicht zur Abschaltung.

von Bernd K. (bmk)


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Noch wer schrieb:
> . . .und auch keinerlei Erdung an diesen Trafo und
> schon würden doch jede Erdungsmaßnahmen, zumindest aus
> Sicherheitgründen, beim Endverbraucher bzw. den Häusern unnötig -
> Trenntrafoprinzip -.
>
> Es wird aber aus guten Grund nicht gemacht, aber was ist an meiner
> Vorstellung falsch ?

Trenntrafo ist schon eine prima Sache. Aber nur in der Werkstatt,
wenn die Ausgangsseite einen begrenzten Umfang hat und der Anwender
weiss, was er tut. Hierbei kann die eine Leitung ODER die zweite
Leitung gefahrlos berührt werden, weil kein Strom zur Erde fließt.

Ganz anders sieht es aus, wenn ein Ortsnetztrafo etwa 100 Haushalte
mit Strom versorgt. Würde da vom Trafo bis zu den Endverbrauchern
alles isoliert und ohne Erdbezug (Trenntrafoprinzip) verlegt sein,
hätten wir trotzdem keinen Berührungsschutz, weil durch die Summe
aller Kabelkapazitäten ein Stromfluss vom Körper zur Erde erfolgt.

Was aber viel gravierender wäre: Wenn in einem der Haushalte ein
Fehler vorliegt. Oder ein Hobbybaster will mal sehen, was passiert,
wenn er den Außenleiter L1 mit der Wasserleitung verbindet.
Das hätte zur Folge, dass durch die Potentialverschiebung in allen
100 Haushalten L2 und L3 400V zur Erde aufweisen. Nicht gut.
Und wenn Haushalt Nr. 73 gerade einen Wasserschaden hat mit mehr
oder weniger Verbindung der Elektrik zur Erde, ergeben sich die
tollsten Verschiebungen der Potentiale mit Querströmen usw.

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