Forum: Offtopic welches Jahrzehnt war bzw. ist das beste?


von Sohn (Gast)


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Hallo zusammen,

mein Vater, Anfang 60, schwärmt immer davon, wie toll die 70er Jahre 
waren, wie da super Geld verdient worden ist, wie damals Leute einfach 
zu einer Firma gingen, von wegen "ich suche arbeit" und die Antwort war 
"kein Problem, kannst Montag Anfangen?" teils bevor großartig Papiere 
gecheckt wurden.

Ich will nur mal wissen ob das eine Vergangenheitsverkärung ist oder ob 
es früher wirklich besser war? und wenn ja, was denkt ihr war die beste 
Zeit für Ingenieure oder ist vielleicht auch die heutige Zeit die beste 
Zeit? auch unter Berücksichtigung des kaufkraft bereinigten Lohns

Grüsse

: Verschoben durch Admin
von Jesus (Gast)


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Die "Guten alten Zeiten" beruhen meistens auf einem ziemlich schlechten 
Gedächtnis!

von Fpgakuechle K. (Gast)


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Sohn schrieb:
> Hallo zusammen,
>
> mein Vater, Anfang 60, schwärmt immer davon, wie toll die 70er Jahre
> waren, wie da super Geld verdient worden ist, wie damals Leute einfach
> zu einer Firma gingen, von wegen "ich suche arbeit" und die Antwort war
> "kein Problem, kannst Montag Anfangen?" teils bevor großartig Papiere
> gecheckt wurden.

Wo?
"DDR"?
Österreich?
USA?
Schweiz?
Nordkorea?
...?

welcher Job?

Steiger?
Stahlflechter?
Löter?
Rohrpostausträger?
Zeichner?

MfG,

von (prx) A. K. (prx)


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Mit der ersten Ölkrise 1973 und der dadurch ausgelösten Rezession drehte 
sich der Wind und das Aufwärts seit den 50ern fand ein Ende. Zwar war 
die Situation auch danach noch besser als heute, aber in der damaligen 
Wahrnehmung sah das natürlich anders aus.

von Sohn (Gast)


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Zum Job muss ich was sagen: Gegend Süddeutschland, erst Elektriker, 
anschließend Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker, in beiden 
Jobs hat er die oben beschrieben Erfahrungen gemacht. Mit 35 hatte er 
einen Abteilungsleiter Posten wo sich heute viele Master oder Dipl 
Ingenieure sich die Finger nach lecken würden.

von Jesus (Gast)


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Allerdings darf man nicht vergessen: man konnte damals mit (verglichen 
mit heute) vergleichsweise einfachem Knowhow relativ viel 
bewerkstelligen. Heute ist von Anfang an alles dermaßen komplex, dass es 
für eine einzelne Person fast nicht mehr möglich ist, ein neues Produkt 
zu entwickeln. Beispiel: Ein paar Anzeige-LEDs reichen nicht mehr. Es 
muss ein Touch-Screen mit allem pipapo sein. Die Funktionalität lassen 
wir mal dahingestellt sein.

von Chris M. (yoblid) Benutzerseite


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Sohn schrieb:
> was denkt ihr war die beste
> Zeit für Ingenieure oder ist vielleicht auch die heutige Zeit die beste
> Zeit?

Die heutige Zeit ist die beste. Niemand weiß, was die Zukunft bringen 
wird, und was vorbei ist, ist vorbei.
Das Gedächtnis verdrängt gerne Schlechtes. Es mag sein, das man in den 
70ern schnell einen neuen Job bekommen hat, aber ich kann mich erinnern, 
dass man teils mehr als 40h und auch Samstags gearbeitet hat.

von Fpgakuechle K. (Gast)


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Sohn schrieb:
> Zum Job muss ich was sagen: Gegend Süddeutschland, erst Elektriker,
> anschließend Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker, in beiden
> Jobs hat er die oben beschrieben Erfahrungen gemacht. Mit 35 hatte er
> einen Abteilungsleiter Posten wo sich heute viele Master oder Dipl
> Ingenieure sich die Finger nach lecken würden.

Mit dem richtigen Fachwissen als Jungspund Abteilungsleiter oder gar 
Firmengründer werden ging auch in den Achtzigern - Stichwort 
Computerisierung.

Beispiel: Andreas von Bechtolsheim

In den Neunzigern war es dann Internet, so hat halt jedes Jahrzehnt 
seine Gewinner und Verlierer. Und meistens ist das Jahrzehnt das Beste 
in dem man den 35 Geburtstag feiert. Vorher ist man zu jung und dumm für 
den Erfolg, nachher zu alt und weise für die Tretmühle ;-)

MfG,

von Sohn (Gast)


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glaubt mir eh keiner aber ist so: er ist heute in Altersteilzeit und hat 
dennoch seine 90k Brutto im Jahr. Mit MS Office tut er sich schwer, 
Outlook bedienen kann er nur sehr knapp, da braucht er oft hilfe und 
fragt oft wie er einen "Schrank" in Windows öffnet und sowas. Er sagt 
selber das er es krass findet wie die Situation heute ist für Leute die 
noch weiter qualifiziert sind als er.

Er sagt er kennt es gar nicht, das man überhaupt ein 
Bewerbungsanschreiben braucht und Lebenslauf. Er sagte damals hat man 
sich halt bei einer Firma gemeldet und bisschen geredet, fertig und 
eingestellt.

von hans wurscht (Gast)


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Es ist allgemein bekannt, dass man im Alter, diejenige Zeit nachträglich 
als besonders toll empfindet, wo man selber zwischen 20 und 30 Jahre alt 
war. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Jesus schrieb:
> Heute ist von Anfang an alles dermaßen komplex, dass es
> für eine einzelne Person fast nicht mehr möglich ist, ein neues Produkt
> zu entwickeln. Beispiel:

Das erinnert irgendwie an folgendes Zitat
"Es gibt nichts Neues mehr. Alles, was man erfinden kann, ist schon 
erfunden worden." (Charles H. Duell, US-Patentamt, 1899)

Von Napoleon gibt es auch eine ähnliche Aussage.

von ennen (Gast)


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Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren 
zurücksehnen ;-)

von M. (Gast)


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Man findet immer das Jahrzehnt am Besten, in dem man aufgewachsen ist, 
es sei denn man hatte eine schlimme Kindheit.

von Jo S. (Gast)


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Sohn schrieb:
> mein Vater, Anfang 60, schwärmt immer davon, wie toll die 70er Jahre
> waren, wie da super Geld verdient worden ist, wie damals Leute einfach
> zu einer Firma gingen, von wegen "ich suche arbeit" und die Antwort war
> "kein Problem, kannst Montag Anfangen?" teils bevor großartig Papiere
> gecheckt wurden.
>
> Ich will nur mal wissen ob das eine Vergangenheitsverkärung ist oder ob
> es früher wirklich besser war?

Es ist sicherlich auch etwas Vergangenheitsverkärung, aber trotzdem war 
es in den 70ern viel leichter Arbeit zu bekommen, auch bei geringerer 
Qualifikation und dennoch mit rel. guter Bezahlung. Die Stimmung war 
gut.

Die Industrie beschäftigte damals 8 Millionen Menschen mehr als heute. 
Die gute Lage am Arbeitsmarkt führte aber dazu, daß die Leute keine 
Notwendigkeit von Weiterbildung verspürten. Es gab nur einen geringen 
Anteil von hochqualifizierten Positionen. Ein Ingenieur war damals eine 
Respektperson. Es herrschten aber auch strenge Regeln: In technischen 
Büros trugen alle gebleichte und gestärkte weiße Hemden und Krawatten. 
;)

Die gute Zeit endete zunehmend ab 1979 - 2. Ölpreisschock (zur 
Stabilisierung des US Dollars). Danach wurde massiv rationalisiert und 
Personal entlassen. Die Stimmung in der Bevölkerung wurde depressiv. Für 
junge Ingenieure war es schwer, eine Anstellung zu finden.

Erst ab dem Staatsbesuch Honeckers in Bonn 1987 wurde die Wirtschaft 
wieder massiv angekurbelt. Ich vermute, daß damals die Übernahme der 
bankrotten DDR vereinbart wurde und dazu die Westwirtschaft in Schwung 
gebracht werden mußte. Von 1992 bis 1997 war die Arbeitsmarktlage für 
Ing. wieder schlecht - ähnlich der Situation in den 80ern.

Vergleich 1975 - 2015:
In 40 Jahren hat sich das Realeinkommen der Beschäftigten nicht erhöht, 
aber der Industrieumsatz ist pro MA um das 9-fache gestiegen.  :)

Wünsche nachdenkliche Feiertage!

von lazarus (Gast)


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Was früher "besser" war?

Nicole hat den Grand Prix Eurovision de la Chanson noch mit ner Schnulze 
gewinnen können. "Ein bisschen Frieden, ein bisschen ..".

Mal ehrlich, sooo schlecht war doch der deutsche Beitrag von Ann Sophie 
("Black Smoke") nicht oder?!

Germany: 0 Punkte !!

Wer kennt noch von den Song von Ideal: "Hundsgemein"

"Das ist gemein .. sau gemein .. hundsgemein"

Ich glaub wir ham's bei all unseren Nachbarn verschissen seit wir 
Weltmeister geworden sind.

;-)

von (prx) A. K. (prx)


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lazarus schrieb:
> Ich glaub wir ham's bei all unseren Nachbarn verschissen seit wir
> Weltmeister geworden sind.

Und was haben die Ösis verbrochen? ;-)

von Thomas1 (Gast)


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Jesus schrieb:
> Die "Guten alten Zeiten" beruhen meistens auf einem ziemlich schlechten
> Gedächtnis!

Nicht unbedingt. An gutes erinnert man sich einfacher, während 
schlechtes aus der Vergangenheit verdrängt wird.

von Thomas1 (Gast)


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Chris M. schrieb:
> aber ich kann mich erinnern,
> dass man teils mehr als 40h und auch Samstags gearbeitet hat.

 Dafür ist heute die Arbeitsintensität viel höher. Alles wurde viel 
stressiger als zu der genannten Zeit.

von Joachim B. (jar)


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Jo S. schrieb:
> Ich vermute, daß damals die Übernahme der
> bankrotten DDR vereinbart wurde

fast richtig, nur wer hat denn nun wen übernommen?
Wer ist heute an der Spitze?

von Paul B. (paul_baumann)


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Thomas1 schrieb:
> Dafür ist heute die Arbeitsintensität viel höher.

Die Arbeits- Agenturen sind auch viel höher als früher, als noch ein 
Flachbau ausreichte, um die paar Leute zu verwalten.
:-(
MfG Paul

von Jan H. (j_hansen)


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Jo S. schrieb:
> Vergleich 1975 - 2015: In 40 Jahren hat sich das Realeinkommen der
> Beschäftigten nicht erhöht, aber der Industrieumsatz ist pro MA um das
> 9-fache gestiegen.  :)

Jetzt müsstest du noch beim Industrieumsatz die Inflation 
berücksichtigen, dann könnte man diese Zahlen auch sinnvoll vergleichen.

von (prx) A. K. (prx)


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Joachim B. schrieb:
> fast richtig, nur wer hat denn nun wen übernommen?

Das kommt stark drauf an, ob du gerade die Wirtschaft oder die 
Sicherheitsorgane im Fokus hast. ;-)

von M. S. (bugles)


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Sohn schrieb:
> Hallo zusammen,
>
> mein Vater, Anfang 60, schwärmt immer davon, wie toll die 70er Jahre
> waren, wie da super Geld verdient worden ist, wie damals Leute einfach
> zu einer Firma gingen, von wegen "ich suche arbeit" und die Antwort war
> "kein Problem, kannst Montag Anfangen?" teils bevor großartig Papiere
> gecheckt wurden.
>
> Ich will nur mal wissen ob das eine Vergangenheitsverkärung ist oder ob
> es früher wirklich besser war? und wenn ja, was denkt ihr war die beste
> Zeit für Ingenieure oder ist vielleicht auch die heutige Zeit die beste
> Zeit? auch unter Berücksichtigung des kaufkraft bereinigten Lohns
>
> Grüsse

Habe auch Nachbarn die davon schwärmen. Wenn man gekündigt wurde bzw. 
was neues gesucht hatte konnte man am Tag drauf überall anfagen.

Ich glaube es war aufjedenfall leichter, auch für ungelernte, anständig 
entlohnt zu werden. Heute ist irgendwie der Wurm drin und selbst 
arbeiten die damals problemlos von gelernten erledigt werden konnten 
sind heute häufig Akademikern vorbehalten. Auch Ausbildungsstellen haben 
Ihre Anforderungen an den Schulabschluss immer weiter hoch gezogen.

von (prx) A. K. (prx)


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M. S. schrieb:
> Ich glaube es war aufjedenfall leichter, auch für ungelernte, anständig
> entlohnt zu werden. Heute ist irgendwie der Wurm drin und selbst
> arbeiten die damals problemlos von gelernten erledigt werden konnten
> sind heute häufig Akademikern vorbehalten. Auch Ausbildungsstellen haben
> Ihre Anforderungen an den Schulabschluss immer weiter hoch gezogen.

Die Anforderungen sind natürlich schon gestiegen. Wer verkrampft, sobald 
er vor einem Bildschirm landet auf dem kein Fussball läuft, der hat 
heute mehr Probleme als früher. Früher hat ein Busfahrer einfach nur 
einen Bus gefahren und mit simplen mechanische Kassen geklimpert. Heute 
kämpft er nicht nur mit Lenkung und Pedalen, sondern zusätzlich mit 
spinnenden komplexen Touchscreen-Kassensystemen und verzweifelt an 
unlesbaren Kundenkarten und immer mal ausfallenden Online-Anzeigen. Und 
zwischendurch darf er in der Zentrale am PC mit dem Einsatzplan kämpfen.

von Uhu U. (uhu)


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M. S. schrieb:
> Ich glaube es war aufjedenfall leichter, auch für ungelernte, anständig
> entlohnt zu werden.

Es gab praktisch keine Arbeitslosigkeit - da mussten sich die 
Arbeitgeber ihren Leuten gegenüber anständig und fair verhalten, wenn 
sie sie nicht verlieren wollten und so viele Ungelernte, 
Minderqualifizierte etc., wie heute gab es nicht. Einen Job als 
Hilfsarbeiter auf dem Bau hat jeder gefunden, der halbwegs zupacken 
konnte und von Baumaschinen, wie wir sie heute kennen, träumte man noch 
nichteinmal.

Das waren natürlich zu einem guten Teil noch Kriegsfolgen: vieles war 
zerstört, viele junge vor allem Männer waren umgekommen - es gab mehr 
Arbeit, als Leute, die sie machen konnten. Zudem benötigte die 
Landwirtschaft noch ein Vielfaches der Arbeitskräfte, die heute dort 
benötigt werden.

Mitte der 50er holte man wieder "Gastarbeiter" ins Land -- ganz zu 
Beginn sprach man noch im alten Nazi-Jargon von "Fremdarbeitern" -- um 
das Selbstbewusstsein der einfachen Malocher nicht zu groß werden zu 
lassen.

Das ist natürlich alles Schnee von gestern. Der Wert der Arbeitskraft 
war zunächst langsamer, nach der Eingemeindung der DDR beschleunigter 
Inflation unterworfen.

Dass unter solchen Bedinungen die Zeiten rauer werden, kann nicht 
ausbleiben und trotz möglicher Verklärung der eigenen Jugendzeit 
herrscht eine klare Tendenz in Richtung sehr deutlicher Verschlechterung 
der Lebensverhältnisse und vor allem der Zukunftssicherheit für die, 
denen nicht ein halbwegs ansehnliches Erbe in den Schoß fällt.

Für die in den 1930ern geborenen sah es umgekehrt aus: die 1960er und 
70er waren viel besser, als die vom Krieg geprägte Jugendzeit und 
folglich kam auch -- außer denen, deren Familien sich gar zu sehr mit 
der Hitlerei verbrüdert und es damit zu Wohlstand gebracht hatten -- 
kaum einer auf die Idee, von der "guten alten Zeit" zu schwärmen.

Wer die Verhältnisse in der BRD kritisierte, bekam auf der Stelle ein 
"Geh doch in die Ostzone!" an den Kopf geworfen...

: Bearbeitet durch User
von P. M. (o-o)


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Uhu Uhuhu schrieb:
> Dass unter solchen Bedinungen die Zeiten rauer werden, kann nicht
> ausbleiben und trotz möglicher Verklärung der eigenen Jugendzeit
> herrscht eine klare Tendenz in Richtung sehr deutlicher Verschlechterung
> der Lebensverhältnisse und vor allem der Zukunftssicherheit für die,
> denen nicht ein halbwegs ansehnliches Erbe in den Schoß fällt.

Absolut gesehen ist der Wohlstand doch heute viel grösser als in den 
70ern. Das meiste materielle, was für uns heute alltäglich und 
durchschnittlich ist, war damals High-End oder noch gar nicht denkbar.

Ein paar Beispiele:
- Ein günstiges Hausfrauen-Auto wartet heute mit Komfort, Ausstattung 
und Fahrleistungen auf, für die man in den 70ern einen Oberklasse- oder 
Sportwagen kaufen musste.
- In den 70ern flog niemand für weniger als einen Tageslohn quer durch 
Europa.
- Informationsbeschaffung erfolgte händisch aus Büchern und beschränkte 
sich auf das, was das eigene Archiv und die örtliche Bücherei hergab.
- Unterhaltung beschränkte sich auf das, was im Radio/Fernsehen/Kino 
gerade lief, oder allenfalls auf eine Plattensammlung.
- Die schnellste und flexibelste Kommunikationsmethode damals war das 
Telefon. An Hilferufe von unterwegs, spontane Verabredungen oder 
kurzfristige Planänderungen war nicht zu denken.
- In den 70ern gab es weder Computertomographie noch MRI. Die 
Rettungsfliegerei steckte in den Kinderschuhen. Viele heute einfach zu 
behandlenden Krankheiten- und Verletzungen waren damals noch ein echtes 
Problem.
- usw.

von Uhu U. (uhu)


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P. M. schrieb:
> Absolut gesehen ist der Wohlstand doch heute viel grösser als in den
> 70ern. Das meiste materielle, was für uns heute alltäglich und
> durchschnittlich ist, war damals High-End oder noch gar nicht denkbar.

Absoluter Wohlstand ist auch nicht das Kriterium, das die Leute 
glücklich oder unglücklich macht. Dem Menschen als sozialem Wesen dient 
relativer Wohlstand zu einem großen Teil als Statussymbol - der Pfau 
gibt mit seinem Schwanz an, der Homo sapiens - Mann mit dem Plunder, mit 
dem er seine Gattin behängen kann, den sich andere nicht leisten können.

Heute muss das Hausfrauenauto mit allerlei technische Gimmics oder mehr 
aufwarten - in den 1950ern hatte die Hausfrau schlicht keinen 
Führerschein und träumte - wenn sie ganz verwegen war - von einer 
Waschmaschine und wenn sie beides hatte, war sie schon sehr 
privilegiert. Die Gimmics der 1950er waren zwar nicht besser, als die 
heutigen, aber langlebiger, was das Leben deutlich geruhsamer machte...

von Marek N. (Gast)


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Aus meiner Sicht waren die 90-er das beste Jahrzehnt. Anständige 
elektronische Mukke mit 180 Bpm und praktisch alle digitalen Spielzeuge 
zumindest technisch vorhanden, wenn auch unerreichbar! Discmen gab es 
schon für 150 bis 300 DM mitte der Neunziger. Wer nen Mini-Disc hatte, 
war der King auf dem Schulhof, ein DAT-Recorder war bekannt aus den 
Katalogen aber unbezahlbar.

An sonsten würde ich sagen, dass jede Gernation das Jahrzehnt als das 
Beste bezeichnet, in dem sie ihre Jugend/Pubertät verlebt hat. Da gibts 
auch irgendwo ein Video von Vsauce zu.

Übrigens habe ich die Erfahrung gemach, dass man sich eher an die 
schlechten Sachen erinnernt, als an die guten.

von P. M. (o-o)


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Uhu Uhuhu schrieb:
> Absoluter Wohlstand ist auch nicht das Kriterium, das die Leute
> glücklich oder unglücklich macht.

Genau. Was ich sagen will: Es geht nicht etwas bergab und die früheren 
Zeiten waren eigentlich nicht besser. Es ist eher so, dass es immer 
schwieriger wird, den Wohlstand noch zu steigern. Denn viele der 
heutigen wirtschaftlichen Probleme basieren auf den genau gleichen 
Fortschritten, die uns auch den hohen heutigen materiellen Wohlstand 
bringen. Das wichtigste Stichwort ist hier die Automatisierung. Was 
früher ein Arbeiter in tagleanger Handarbeit gefertigt hat, schafft eine 
grosse Fabrik in Minuten. Das Produkt wird somit günstig, aber es 
entfallen auch Arbeitsplätze.

von Uhu U. (uhu)


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P. M. schrieb:
> Was ich sagen will: Es geht nicht etwas bergab und die früheren
> Zeiten waren eigentlich nicht besser.

Wenn man den Wohlstand als Maß dafür nimmt, stimmt das. Nur kommt dem 
einfach platten materiellen Wohlstand dieses Gewicht zu?

Ich glaube nicht. Ein Leben im Stil einer Lotterie - man gewinnt oder 
verliert nach dem Zufallsprinzip und nicht nach Tüchtigkeit - bietet 
keine Sicherheit, auf die man ein Familie gründen will. Der Trend geht 
in diese Richtung.

Das war im Krieg ähnlich: dort kam der Zufall in Form von Bomben und 
Granaten ist Spiel - nichts, was man als Einzelner beeinflussen konnte.

In den 50ern bis Mitte 80er herrschte wieder vergleichsweise sehr hohe 
Sicherheit, es gab viel aufzubauen, die Leute waren optimistisch.

von Le X. (lex_91)


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Uhu Uhuhu schrieb:
> Nur kommt dem einfach platten materiellen Wohlstand dieses Gewicht zu?

Jein.
Der materielle Wohlstand ermöglicht uns unser Leben so zu führen  dass 
wir "inneren" Wohlstand erlangen.
Das Auto ermöglicht mir schnell und bequem meinen Arbeitsplatz zu 
erreichen. Das Geld dass ich dort verdiene erlaubt mir ohne 
Existenzängste zu leben und Geräte oder Handwerker zu bezahlen die mir 
Arbeit abnehmen so dass ich mehr Freizeit (imho das wichtigste Gut) 
habe.

Die kann ich nutzen um Sport zu treiben, zu Reisen, Musizieren, eine 
neue Sprache lernen oder einfach nur basteln. Hier kann jeder selbst 
definieren was ihn glücklich macht.

So gesehen bringt materieller Wohlstand schon ein erfülltes Leben, auch 
wenn er dafür keine zwingende Grundlage ist.

Ontopic: ich lebe gern im Jetzt.
Die 80er hatten aber die bessere Musik und Comics (Captain Future :-))

von Lasst mich A. (ich_bin_durch)


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Wenn ich die Möglichkeiten bis zum Ende des Studiums vergleiche leben 
wir heute ziemlich gut. Es kann ja prinzipell jeder Hannes von ner H4 
Familie ein Studium erfolgreich abschließen - was auch gut und richtig 
so ist. In meinem Studiengang war die Hälfte in einem Auslandssemester 
und hat Auslandserfahrung gesammelt, also auf Erasmuskosten gesoffen was 
das zeug hält. Es gab auch sehr viele Wochenendheimfahrer, sind mit dem 
Zug mehrere hundert km heimgefahren und das wirklich jedes Wochenende. 
Das geht ganz schön ins Geld, gab es diese Möglichkeiten früher auch? 
Hinzu kommen noch die technischen Hilfsmittel. Heute zu faul zum 
Aufstehen? Kein Problem, irgend ein Kommilitone wird die Tafel schon 
abfotografiert haben.

Und weil es so einfach ist drücken zu viele Akademiker später in den 
Arbeitsmarkt. Da könnte ich mir durchaus einige Verbesserungen 
vorstellen. Was ich als kritisch erachte ist die flexibilisierung des 
Arbeitsmarktes, speziell was Jobsicherheit anbelangt. Momentan steht bei 
mir ein Wohnungskauf an und wenn ich mich so umhöre ist Jobverlust bei 
allen die größte Angst, sogar noch vor der Scheidung.

von (prx) A. K. (prx)


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Uhu Uhuhu schrieb:
> In den 50ern bis Mitte 80er herrschte wieder vergleichsweise sehr hohe
> Sicherheit, es gab viel aufzubauen, die Leute waren optimistisch.

Und heute weiss man, dass man nicht mehr am Aufstieg ist, sondern sich 
oben befindet. Mit Glück kann man sich dort halten, aber tendenziell 
geht die Aussicht eher nach unten. Krisen wohin man blickt, Unken aller 
Art haben Hochkonjunktur. Egal wie es einem objektiv geht, die Stimmung 
ist miserabel.

von (prx) A. K. (prx)


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Lasst mich Arzt schrieb:
> Was ich als kritisch erachte ist die flexibilisierung des
> Arbeitsmarktes, speziell was Jobsicherheit anbelangt. Momentan steht bei
> mir ein Wohnungskauf an und wenn ich mich so umhöre ist Jobverlust bei
> allen die größte Angst, sogar noch vor der Scheidung.

Yep. Scheidungsrate/-Verfahren plus Zeitverträge/-Arbeit sind optimale 
psychologische Voraussetzungen für eine konventionelle Familiengründung. 
Da helfen keine Sonntagsreden oder Kindergelder, das hat nachvollziehbar 
Konsequenzen.

von Uhu U. (uhu)


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Lasst mich Arzt schrieb:
> Es kann ja prinzipell jeder Hannes von ner H4
> Familie ein Studium erfolgreich abschließen - was auch gut und richtig
> so ist.

Warum tun es dann so furchtbar wenige?

von Peter D. (peda)


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Lasst mich Arzt schrieb:
> Es gab auch sehr viele Wochenendheimfahrer, sind mit dem
> Zug mehrere hundert km heimgefahren und das wirklich jedes Wochenende.
> Das geht ganz schön ins Geld, gab es diese Möglichkeiten früher auch?

Ich bin ganz froh, noch in der DDR studiert zu haben.
Das Studententicket war 75% ermäßigt (12,60M von Ilmenau nach Leipzig 
und zurück).
200,-M Grundstip für jeden, abzüglich 10,-M Miete fürs Wohnheim, den 
Rest konnte man in die Kneipe (0,40M das Glas Bier) bringen.
Ich hab keinen Studenten nebenbei jobben sehen.

von Uhu U. (uhu)


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Im Westen wars in den 70ern auch nicht schlecht: vom Bafög konnte man 
problemlos das Studium bestreiten. Es wurden dann zwar auch schon Teile 
als Darlehen gezahlt, ich habe nach Ablauf der tilgungsfreien Zeit nach 
Abschluss des Studiums ganze 5.000 DM zurückgezahlt.

Davon können die Jungen heute nur träumen...

: Bearbeitet durch User
von Chris M. (yoblid) Benutzerseite


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Uhu Uhuhu schrieb:
> Im Westen wars in den 70ern auch nicht schlecht: vom Bafög konnte man
> problemlos das Studium bestreiten.

Auch heute kann man problemlos ein Studium finanzieren. Die Mehrheit der 
Studenten kümmert sich jedoch kaum noch um ein Stipendium, obwohl es nie 
einfacher war eins zu finden und zu bekommen.

http://www.welt.de/politik/bildung/article4018127/Von-der-Renitenz-der-deutschen-Studenten.html

von Uhu U. (uhu)


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Chris M. schrieb:
> Die Mehrheit der
> Studenten kümmert sich jedoch kaum noch um ein Stipendium, obwohl es nie
> einfacher war eins zu finden und zu bekommen.

Wenn sich mehr darum kümmerten, wären die Aussichten, eins zu bekommen 
um so schlechter...

von Paul B. (paul_baumann)


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Uhu Uhuhu schrieb:
> Wenn sich mehr darum kümmerten, wären die Aussichten, eins zu bekommen
> um so schlechter...

:-))

Einfach, aber logisch!
Da kann man nur Thomas Gottschalk zitieren:
"Respekt, Mein Lieber!!"
MfG Paul

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Von der Musik her mMn immer noch die 80er.
Ein Jahrzehnt, in dem so viel gute und auch richtig schlechte Musik 
gemacht wurde, musste erstmal suchen :-)

von Icke ®. (49636b65)


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Matthias Sch. schrieb:
> Von der Musik her mMn immer noch die 80er.

Gute 80er Mugge lief allerdings zum größten Teil nur abseits der 
Hitparaden. Den gewöhnlichen Popschrott mochte ich damals schon nicht. 
Musiktechnisch waren die 90er eher meins. Celebration Generation, Feiern 
bis zum Umfallen, nicht selten bis zum nächsten Nachmittag, genial. Aber 
auch ansonsten hatten die 90er in vielen Lebensbereichen eine Dynamik, 
die ihresgleichen sucht. Allen voran natürlich der Wechsel des 
Gesellschaftssystems mit turbulenten, anarchischen Jahren. Rasante 
technische Entwicklung, Computer eroberten die Haushalte, Mobiltelefone 
für jedermann, die Gründerjahre des Internets. Motorsport wurde 
erschwinglich, ich hätte mir noch in den 80ern nie träumen lassen, 
selbst in einem Rennwagen sitzen zu dürfen. Selbst das TV war nicht so 
schrottig und politisch korrekt, wenn auch nicht unbedingt 
anspruchsvoller. "Akte X", legendär. Und am Ende ein Jahrtausendwechsel, 
das erleben auch nicht viele Generationen. Wenn ich nochmal zurückreisen 
dürfte, jederzeit. Auch wenn es den Verzicht auf die Annehmlichkeiten 
aktueller Technik bedeutet.

von Stefan M. (derwisch)


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Heute habe ich den Eindruck, dass der Wahnsinn sich gut getarnt hat, und 
von der Masse der Leute als "normal" akzeptiert wird.

Eine Gesellschaft, die nach Entschleunigung schreit, gleichzeitig aber 
jede noch so bekloppte Nachicht auf Facebook und Co. sofort mit dem 
Smartphone konsumieren muss.
Burnout hieß in den 70ern und 80ern noch Nervenzusammenbruch, und wurde 
als seltene Überlastung von Müttern mit 5 Kindern angetroffen.

Arbeitgeber pressen das Letzte aus Arbeitnehmern raus, um selbst mit 
viiieeel Kohle solange Urlaub machen zu können wie es ihnen passt.

Kinder werden von "der Gesellschaft" und somit von den eigenen Eltern 
gezwungen jede Minute von Freizeit in Sportvereinen, Musikschulen etc. 
zu verbringen.
Wenn die Kinder dabei wuschig im Kopf werden nennt man es ADHS und gibt 
ihnen Ritalin ( oder wie das Zeug heißt... ).

Eine Zeit, in der Werbeplakate einen QR Code zeigen statt Klartext, 
lässt mich schon frösteln.

Ich hoffe, dass meine noch kleine Tochter mal einen Sinneswechsel 
miterlebt, wo mit alten Smartphones höchstens noch der Grill angefächelt 
wird.

Ich jedenfalls lese ihr Die Geschichten aus Bullerbü aus einem echten 
Buch vor.

Derzeit finde ich leider nur den Fortschritt in der Medizin / 
Lebensrettung besser als früher.

Ansonsten empfinde ich ein gruseliges Gefühl, wenn ich sehe mit wieviel 
vollkommen sinnlosem Zeug sich viele beschäftigen, und dann dabei 
ernshaft glauben, sie seien die Helden der Neuzeit.

: Bearbeitet durch User
von Axel L. (axel_5)


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Wenn ich die Wurzelbehandlung von letzter Woche mit der von 1990 
vergleiche, scheint die Gegenwart viel besser zu sein.

Und das meine Kinder nicht zur Bundeswehr müssen, finde ich auch nicht 
besonders beklagenswert.

Und wenn ich mir ansehe, welche Massen sich einen Flugurlaub in den 
Sommer leisten können, kann es mit der Armut auch nicht so weit her 
sein. Wobei natürlich die Urlaub im Käfer in Italien 1975 schon auch 
nett war, man kannte ja sowas nicht. Aber absolut gesehen fliegen wohl 
heute doch erheblich mehr Leute in den Urlaub als 1975 überhaupt in den 
Süden gefahren sind.

Gruss
Axel

von Uhu U. (uhu)


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Axel Laufenberg schrieb:
> Und das meine Kinder nicht zur Bundeswehr müssen, finde ich auch nicht
> besonders beklagenswert.

Und mein Alter war noch stinksauer, als er erfuhr, dass ich mich 
erfolgreich um die Scheiße gedrückt hatte. Er hatte gehofft, beim Bund 
würden sie mir "die Hammelbeine langziehen"...

von Paul B. (paul_baumann)


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Uhu Uhuhu schrieb:
> Er hatte gehofft, beim Bund
> würden sie mir "die Hammelbeine langziehen"...

Die Uhu-Beine....
...und die Flügel stutzen

MfG Paul

von Martin B. (fruchtstern)


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Die 90er.....

von Thomas E. (thomase)


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Das beste Jahrzehnt ist immer das nächste.

Wenn sich dann zeigt, dass das auch nicht so toll ist, schwelgt man 
wieder in Erinnerungen an vergangene Dekaden. Wenn man diese Frage 
allerdings vor ein paar Jahrzehnten gestellt hätte, hätte keiner 
derjenigen, die jetzt von einem bestimmten Jahrzehnt schwärmen, das auch 
in genau jenem getan.

mfg.

von Joachim B. (jar)


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Thomas Eckmann schrieb:
> Das beste Jahrzehnt ist immer das nächste.

ne danke, je näher an dem Erdmöbel desto mieser :-)

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