Forum: Offtopic Warum brauchen Car-Hifi-Endstufen dicke Kabel und Kondensatoren?


von Paul H. (powl)


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In der Car-Hifi Szene ist es allgemeiner Konsens, dass man an Verstärker 
der Leistungsklasse mehrer 100W, z.B. um einen Subwoofer zu treiben, 
fingerdicke Anschlusskabel, am besten noch mit Kondensator davor, 
benötigt.

Gehen wir mal von einer 500W-rms-Endstufe aus. 500W sind bei 14,4v ca. 
35A. Masse wird an die niederohmige Karosserie angeschlossen. Zuleitung 
zur Batterie 5m. Hier würde eine Leitung mit 10mm² schon gut ausreichen.

Die hat dann 8mOhm was bei 35A zu einem Spannungsabfall von gerade mal 
0,3V führt. Durchaus erträglich.

Stattdessen geht man her und verbaut 16..25...35mm² und noch einen 1F 
Kondensator davor. Klar. Viel hilft viel.

Aber hat das auch eine tatsächlich technisch begründbare Bewandnis? In 
der Endstufe befindet sich ein Schaltwandler welches die 
Eingangsspannung auf eine Zwischenkreissspannung von z.B. 50V 
hochtransformiert. Bei den üblichen Schaltfrequenzen eines solchen 
Wandlers sollte es völlig irrelevant sein wenn die Spannung sogar um 
mehrere Volt abfällt während bei einem Bass-Impuls viel Strom fliest. 
Der Schaltwandler sollte ja eine ausreichend niedrige Eingangsimpedanz 
erzeugen um auch an Zuleitungen mit besonders hohem Widerstand noch 
genug Leistung reinzubekommen um die Zwischenkreissspannung halten zu 
können.

Stattdessen scheinen zu dünne Zuleitungen, fehlende Kondensatoren oder 
alte Batterien mit etwas höherem Innenwiderstand zu deutlich hörbaren 
Klangeinbußen zu führen. Letzteres Phänomen habe ich an meiner 400W-rms 
Endstufe im Auto auch mal live vor Augen geführt bekommen, trotz 1F 
Kondensator-Puffer. Bei Einbau einer neuen Batterie ergab sich eine 
deutliche Klangverbesserung in Richtung "sauberer, präziser, 
druckvoller". Das war kein Placebo. Ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Das kann ich mir nun nur dadurch erklären, dass der Schaltwandler in 
meiner Endstufe (oder generell in vielen Car-Hifi-Endstufen) nicht 
vernünftig nachregelt.

Warum?

lg Paul

von Icke ®. (49636b65)


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Paul H. schrieb:
> Letzteres Phänomen habe ich an meiner 400W-rms
> Endstufe im Auto auch mal live vor Augen geführt bekommen

Gutes Beispiel, daß Praxis immer Theorie schlägt. Leistung ist gleich 
Spannung mal Strom. Wenn der Schaltregler nicht genügend Strom bekommt, 
kann er auch nicht die gewünschte Spannung bereitstellen. Stichwort 
Impulsbelastung. Der Strom kann kurzzeitig durchaus über dem aus der 
Nennleistung berechneten liegen. Bei 500W sind 16mm² sicher nicht 
überdimensioniert.

von Michael B. (laberkopp)


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Wer 35000 EUR für ein Auto ausgegeben hat, dem kann man auch noch 3500 
EUR für eine schlechte HiFi Anlage aus der Tasche ziehen.

a) Der Raum in einem Auto ist sowieso klein, braucht also keine 1000 
Watt, nicht mal 100 Watt. Die Nebengeräusche im Auto sind sowieso hoch, 
Rauschabstand und Qualität sind damit ziemlich egal.Und mehr als 100dB 
sind auf Dauer ohrenschädlich, und verkehrsgefährdend weil man 
Martinshörner überhört, es ist also besser nicht lauter sein zu können.

b) Audioverstärker regeln die Spannung am Ausgang selber aus, und zwar 
schnell, schneller als 20kHz, daher muss die Eingangsspannung nicht 
stabil sein, normale 50Hz Netzteile im Heimverstärker sind ungeregelt. 
Lediglich wenn die Spannung zu sehr absackt um die gewünschte Lautstärke 
des Tons noch zu erzeugen, clippt sie und verzerrt dadurch spürbar. Das 
ist aber einfach durch eine leistungsstärkere Anlage zu beheben.

c) Natürlich benötigt man theoretisch für 1000 Watt bei 12V satte 83A 
und damit von den 14.4V der Autobatterie noch 12V übrig bleiben bei 
angenommener Länge von 4m satte 10mm2. Stallt man gar die Forderung nach 
13.8V sind auch 35mm2 nicht abwegig.

Aber die Leistungsangaben der üblichen Autoverstärker sind gelogen, ein 
STK4182II wird mit 400W beworben, ein TDA7375 mit 4x70W. Daher braucht 
es die Zuleitungen nicht, erkennt man oft auch an den verbauten 
Sicherungen von 20A oder so.

Das heisst nicht, daß es nicht auch ehrliche Verstärker gäbe, aber 
sicher nicht im Autozubehörshop.

Paul H. schrieb:
> Das kann ich mir nun nur dadurch erklären, dass der Schaltwandler in
> meiner Endstufe (oder generell in vielen Car-Hifi-Endstufen) nicht
> vernünftig nachregelt.

Die üblichen Schaltwandler in Autoendstufen regeln gar nicht, sondern 
verdreifachen bloss. Es reicht auch die Endstufe, die regelt die 
Lautsprecherspannung schon exakt nach Musikvorgabe.

Das schön beim subjektiven Gehöreindruck ist, daß er alles glaubt, auch 
das Musik "druckvoll" wäre.

von Harald W. (wilhelms)


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Paul H. schrieb:

> In der Car-Hifi Szene ist es allgemeiner Konsens, dass man an Verstärker
> der Leistungsklasse mehrer 100W, z.B. um einen Subwoofer zu treiben,
> fingerdicke Anschlusskabel benötigt.

Ja, das macht mehr her. :-)

> Masse wird an die niederohmige Karosserie angeschlossen.

Naja, zumindest bei älteren Autos ist die garnicht so niederohmig.
Ein etwas dickeres Kabel vom Verstärker zur Batterie würde ich
schon als sinnvoll ansehen.

> In der Endstufe befindet sich ein Schaltwandler welches die
> Eingangsspannung auf eine Zwischenkreissspannung von z.B. 50V
> hochtransformiert.

Genau an dieser Stelle wäre ein etwas grösserer Elko zur Über-
brückung von Bass-Spitzen sinnvoll.

> Bei Einbau einer neuen Batterie ergab sich eine
> deutliche Klangverbesserung

Ja, ein Bleiakku hat einen Innenwiderstand, der typisch deutlich
niedriger als der von irgendwelchen Superelkos ist.

> Das kann ich mir nun nur dadurch erklären, dass der Schaltwandler in
> meiner Endstufe (oder generell in vielen Car-Hifi-Endstufen) nicht
> vernünftig nachregelt.

Meines Wissens regeln diese Wandler überhaupt nicht, sondern
setzen die Spannung nur in einem festen Verhältnis hoch.
Gruss
Harald

von Sni T. (sniti)


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Du solltest noch Impulsstrom, Induktivität der Leitungen und die 
Übergangswiderstände mit einbeziehen.

Wenn das schlecht gemacht ist bzw viel Leistung entnommen wird, sind das 
eher ein paar Volt um die das einbricht, statt mV.

: Bearbeitet durch User
von Harald W. (wilhelms)


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Michael Bertrandt schrieb:

> Lediglich wenn die Spannung zu sehr absackt um die gewünschte Lautstärke
> des Tons noch zu erzeugen, clippt sie und verzerrt dadurch spürbar. Das
> ist aber einfach durch eine leistungsstärkere Anlage zu beheben.

Entsprechend dimensionierte Elkos an dieser Stelle sollten solche
Spitzen auch übernehmen können.

von Peter D. (peda)


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Paul H. schrieb:
> Bei Einbau einer neuen Batterie ergab sich eine
> deutliche Klangverbesserung

Bei hohem Innenwiderstand (alte Batterie) kann auch der beste Verstärker 
nicht zaubern. Es kommt zum Clipping und damit zu Verzerrungen.

Die 1F sind ein Witz.
1F = 1As/V, d.h. bei deinen 35A würde bei 1s Entladung die Spannung um 
35V abfallen wollen.
Ein wirksamer Kondensator müßte 100..1000F haben.

von Icke ®. (49636b65)


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Michael Bertrandt schrieb:
> Die Nebengeräusche im Auto sind sowieso hoch,
> Rauschabstand und Qualität sind damit ziemlich egal.

Das mag dir egal sein. Andere Leute legen vielleicht Wert auf guten 
Klang, auch wenn der im Auto niemals so gut ausfallen kann wie im 
Wohnzimmer. Es müssen keine 1000W sein, aber 100W sind aus eigener 
Erfahrung etwas knapp, wenn man auch mal bißchen lauter aufdrehen will. 
Ein bißchen lauter heißt nicht, bis zur akustischen Schmerzgrenze. Zum 
einen sind die Lautsprecher im Auto keine Wirkungsgradwunder und zum 
anderen wird viel Leistung durch den miserablen akustischen Raum 
aufgefressen. Wenn da nur 100W Nennleistung zur Verfügung stehen, 
passiert dies:

Peter Dannegger schrieb:
> Es kommt zum Clipping und damit zu Verzerrungen.

Und das klingt nicht nur schlecht, sondern kann auch die Lautsprecher 
beschädigen.

von Dominik S. (dasd)


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Michael Bertrandt schrieb:
> Aber die Leistungsangaben der üblichen Autoverstärker sind gelogen,
>
> Das heisst nicht, daß es nicht auch ehrliche Verstärker gäbe, aber
> sicher nicht im Autozubehörshop.

Ist so definitiv nicht richtig.

Gelogen sind die Leistungsangaben der üblichen Ramsch-Verstärker der 
Klasse Chinaböller, wie du sie zu Haufen bei eBay oder dergleichen 
bekommst. Kauft man ordentliche Ware (z.B. im Fachgeschäft) bekommt man 
im Normalfall auch die Ausgangsleistung die draufsteht.

Über Sinn und Unsinn von Leistung im kW-Bereich müssen wir uns jetzt 
nicht unterhalten ;)

von Old P. (Gast)


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Michael Bertrandt schrieb:
> ...
> c) Natürlich benötigt man theoretisch für 1000 Watt bei 12V satte 83A
> ...

Natürlich nicht! Da die PA nur einen Wirkungsgrad von 50-60% hat, 
braucht man bei echten 1000W gut 150A! (In den Impulsspitzen) Genau 
gegen diese Spitzen werden fette Elkos verbaut.

Und ja, natürlich braucht man das alles in einem KFZ nicht! Mit 2 bis 4x 
10 Watt grölt das einem schon das Kleinhirn weg.

Old-Papa

von J. A. (gajk)


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Peter Dannegger schrieb:

> Die 1F sind ein Witz.
> 1F = 1As/V, d.h. bei deinen 35A würde bei 1s Entladung die Spannung um
> 35V abfallen wollen.
> Ein wirksamer Kondensator müßte 100..1000F haben.

Sind die 1F nicht als Stützkondensator aufzufassen? So wie die kleinen 
Fuzzeldinger, die man neben integrierten Schaltungen auf Platinen 
findet?

Beim Stützen hätte man es mit sehr wenig Dauerstrom zu tun sondern mit 
Pulspitzen, wie sie etwa bei Bass-Schlagen auftauchen. Da ist dann zwar 
eine Taktrate von sagen 100 pro Minute angesagt, aber jeweils nur 1 ms.

von Harald W. (wilhelms)


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J. Ad. schrieb:

> Beim Stützen hätte man es mit sehr wenig Dauerstrom zu tun sondern mit
> Pulspitzen, wie sie etwa bei Bass-Schlagen auftauchen. Da ist dann zwar
> eine Taktrate von sagen 100 pro Minute angesagt, aber jeweils nur 1 ms.

1ms entspricht 1000Hz. "Bassspitzen" sollten eigentlich frequenzmäßig
deutlich darunter liegen.

von J. A. (gajk)


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Harald Wilhelms schrieb:
> J. Ad. schrieb:
>
>> Beim Stützen hätte man es mit sehr wenig Dauerstrom zu tun sondern mit
>> Pulspitzen, wie sie etwa bei Bass-Schlagen auftauchen. Da ist dann zwar
>> eine Taktrate von sagen 100 pro Minute angesagt, aber jeweils nur 1 ms.
>
> 1ms entspricht 1000Hz. "Bassspitzen" sollten eigentlich frequenzmäßig
> deutlich darunter liegen.

Na, wie lange dauert denn der Klang, der durch den Tritt auf die 
Fußmaschine einer Basstrommel ausgelöst wird?

Es geht ja nicht um Sinustöne.

von Holm T. (Gast)


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Es gibt Lautsprecher mit 80dB/W/m und mit über 100 dB/W/m.. wozu brauche 
ich im Auto eine Endstufe mit 100W oder mehr?

Gruß,

Holm

von Paul H. (powl)


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Effiziente Lautsprecher brauchen ein enorm großes Volumen um Tiefgang zu 
erreichen. So viel Platz hat man im Auto nicht.

von Magic S. (magic_smoke)


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Aaalso ... da ich solche Endstufen repariere...

Die meisten Netzteile in solchen Endstufen sind in der Tat ungeregelte 
Gegentaktwandler mit festem Übersetzungsverhältnis. Problematisch dabei 
ist, daß eine Schwankung der Eingangsspannung von 1V bei einem 
Übersetzungsverhältnis von 3 schon 6V Schwankung an den Endstufen 
ausmacht (3x12V symmetrisch, +-36V an den Endstufen). Vorteil dieser 
Netzteile: extreme Leistung mit einfachstem Aufbau, wenig Teile.
  Viele bessere Endstufen, die auf Klang optimiert sind, haben geregelte 
Netzteile, die die Betriebsspannung der Endstufen konstant halten. Die 
Endstufe kommt daher später ins Clipping. Nachteile: mehr Teile nötig 
als für ungeregelte Netzteile, meistens weniger leistungsfähig, größere 
Stromspitzen als bei ungeregelten Netzteilen.

So, 500Wrms bei 14V sind auch nur rein rechnerisch etwa 35A. Wenn ich 
die Verluste des Netzteils und einer Class-A/B Endstufe mit einrechne, 
lande ich problemlos in der Nähe des Doppelten davon. Eine Class-D 
Endstufe ist besser, aber 500Wrms werden trotzdem so 45A aus der 
Batterie saugen.

Wenn man wirklich viel Leistung im Auto verbaut, kommt man relativ 
schnell an die Leistungsgrenze des Generators. Wenn der sagen wir 
maximal 90A liefert, was eine total normale Dimensionierung ist und das 
Auto im Normalfall schon 30..40A davon wegknabbert (Licht, die ganzen 
Lüfter, Zündanlage, Radio, diverse Steuerteile, ein klein wenig 
Ladestrom für die Batterie), bleiben noch 50..60A für die Endstufe(n) 
übrig. Das ist nicht wirklich viel und man bekommt einen schicken 
Lichtorgel-Effekt, wobei das Licht bei tiefen Bässen deutlich sichtbar 
dunkler wird. Dem kann man mit Kondensatoren ein klein wenig 
entgegenwirken, oder mit einer zweiten Batterie in der Nähe der 
Endstufe(n).

Warum dicke Kabel Sinn machen: um den Spannungsverlust vor allem bei 
Subwoofer-Endstufen so gering wie möglich zu halten. Ein richtig dicker 
Kondensator direkt an den Versorgungsklemmen und kurzen Kabeln verfolgt 
das gleiche Ziel. Problematisch ist auch, daß sich die FETs im Netzteil 
ihre eigene Gate-Spannung wegziehen wenn die Eingangsspannung nicht 
stabil ist. Wenn durch sie am meisten Strom fließt, bekommen sie die 
niedrigste Gate-Spannung. Manchmal finden die das nicht toll, bei 
extremen Schwankungen kann das zur Beschädigung wegen Überhitzung 
führen.

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