Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Welches Prüfverfahren brauche ich?


von Paul (Gast)


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Hallo,

Kann mir jemand beschreiben, was auf mich so in etwa zukommt, wenn ich 
ein Gerät kommerziell vertreiben will, das folgende Komponenten enthält:

1.Controller board (smd-bauteile, ähnlich einem Arduino mega)
2. 2 schrittmotoren mit 1-2A, 12V
3. Netzgerät 5A 12V im Lieferumfang
4. noch ein paar kleine Komponenten, wie etwa Encoder und Endschalter

Ich könnte mir jetzt vorstellen, dass ich das CE-Zeichen im Prinzip 
getrost anbringen kann, mit Verweis auf die bestimmungsgemäß verwendeten 
Einzelteile, die ja teilweise bereits über ein CE-Zeichen verfügen.

Vermutlich müsste man aber im Ernstfall die EMV nachweisen können. Dazu 
meine Frage: Bevor ich mich an ein EMV-Labor wende, würde mich 
interessieren, womit bei dieser Anordnung zu rechnen ist. Ich denke mal, 
jemand mit mehr Erfahrung als ich müsste doch eigentlich auf einen Blick 
sehen, ob eine solche Anordnung einen EMV-Test mit großer 
Wahrscheinlichkeit überstehen würde, oder? z.b. müsste es ja bereits 
Erfahrungen geben, ob ein Schrittmotor, kontrolliert über einen drv8825 
EMV-mäßig normalerweise "durchgeht", oder ob man da irgendetwas beachten 
muss. Mir geht es darum, vor einer evtl. Prüfung schon mal die 
wichtigsten Grundlagen zu beachten, um die Wahrscheinlichkeit zu 
erhöhen, eine derartige Prüfung beim ersten Anlauf zu überstehen. leider 
konnte ich im internet keine hinweise auf die konkreten normen finden, 
bzw. würde das ohne die entsprechenden teuren Messgeräte ohnehin nicht 
viel bringen. was aber helfen könnte wären eure Erfahrungswerte - falls 
vorhanden - mit ähnlichen "anlagen"...

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Paul schrieb:
> Bevor ich mich an ein EMV-Labor wende, würde mich interessieren, womit
> bei dieser Anordnung zu rechnen ist.
Das kommt auf den Verwendungszweck und das Umfeld an.
Wenn du das kommerziell machst und öfter machen willst, dann solltest du 
mal bei einen Labor vorbeischauen und fragen, was da so die "üblichen" 
anzuwendenden Normen und Prüfungen sind. Dann kannst du dir die mal 
ansehen und z.B. sagen und bestimmen, dass du z.B. eine 
Hochspannungsprüfung nicht nötig ist, weil das "eigentlich nie" 
passieren kann...

von Paul (Gast)


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Danke Lothar, da hast du natürlich recht. Meine Vorrichtung wird sich 
verschiedener anderer Prüfungsverfahren unterziehen müssen, z.b. auch 
der Maschinen-Verordnung. Was ich aber meine ist jetzt rein auf die EMV 
bezogen, und ob da zu erwarten ist, dass es grobe Überraschungen gibt, 
wenn man so etwas prüfen lässt. Wie sensibel sind da die Unterschiede 
bei einzelnen PCBs bzw. Schrittmotoren, oder könnte man ganz salopp 
sagen, dass - vorausgesetzt das PCB ist von einem Profi gemacht, das 
Netzgerät hat CE Norm und die Schrittmotoren sind auch in Ordnung - 
eigentlich keine großen Probleme zu erwarten sein werden? Oder sind die 
Schwellenwerte bei so einem Prüfverfahren so gering, dass normalerweise 
auch kleinste Unterschiede in der Bauweise - immer vorausgesetzt es ist 
von einem erfahrenen Elektroniker zusammengestellt - bereits oft zu 
einem Negativbescheid führen?

von Michael B. (laberkopp)


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Paul schrieb:
> Bevor ich mich an ein EMV-Labor wende, würde mich
> interessieren, womit bei dieser Anordnung zu rechnen ist.

Dein Gerät wird weder Spielzeug noch Medizinprodukt sein, für 
Niederspannungsversordnung ist die Spannung zu klein (und das Netzgerät 
schon getestet, lass dir das vom Lieferanten bestätigen), also bleibt 
nur EMV.

Und EMV ist bei hohen Leistungen mit schnellen Schaltvorgängen wie sie 
bei einem Schrittmotor mit Stromchopper-Steuer-IC vorkommen sehr 
kritisch zu sehen. Man kann keineswegs davon ausgehen, daß die Anordnung 
so wenig EMV abstrahlt, daß sie alle Grenzwerte unterschreitet, man 
sollte also messen lassen, und vor dem Messen auf gutes 
Leiterplattenlayout achten (Stützelko der Spannung nahe im IC, Leitung 
zum Strommesswiderstand kurz, Leitung zum Motor zumindest verdrillt, 
besser noch zusätzlich abgeschirmt mit Verbindung zum Motorblock (falls 
die Motoren untereinander elektrisch isoliert sind, sonst würde sich ja 
eine Leiterschleife bilden), Zuleitung der Stromversorgung nahe am 
Stützelko per Drossel abblocken).

von 6a66 (Gast)


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Paul schrieb:
> Maschinen-Verordnung.

Hallo Paul,

Maschinenverordnung hat meist auch noch verschiedenen Anforderungen 
hinsichtlich EMV zur Grundlage. Mache Dich da schlau. Dort ist meist 
auch nicht nur abgestrahlte EMC sodern auch eingestrahlte EMC oder ESD 
Grundlage. Genaue Schärfekriterien sind dort auch verankert (z.B. ESD 
8kV Contact, 15KV Air.).

Paul schrieb:
> dass es grobe Überraschungen gibt

Ja, kann es durchaus geben. War erst letzte Woche zur EMV. Was die 
Kollegen da so erzähzlen :)) Da gibt es auch Kunden die sind schon das 
n-te Mal da, die Verbesserungen sind nur marginal (weil nicht richtig 
daran gearbeitet), die Grenzwerte nur knapp gehalten. Ich selbst war mal 
mit nem Kunden in der Kammer (Kunde hatte am Tisch gegenüber ESD) dem 
ist das n-te Mal das Geräte bei ESD kaputt gegangen. Einen habe ich mit 
dem Medizingerät schon das dritte Mal gesehen - seit etwa einem Jahr.
Wichtig: Welcher Anwendungsbereich? Welche Anforderungen entstehen 
daraus? Wie erfüllst Du die Anforderungen? GUT vorbereiten. Sprich das 
Labor Deiner Wahl mal an.

rgds

von 6a66 (Gast)


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Paul schrieb:
> womit bei dieser Anordnung zu rechnen ist.

Rechne pro Prüftrag etwa mit 1000...1500EUR, etwa 150...200EUR/h (Labor 
plus Prüfer). ESD dauert etwa 1h, Freifeld etwa 1...2h, Surge etwa 
1...4h, Burst zwischen 1...4h. Zuzüglich Bericht und Märchensteuer. 
Preise gelten auch für nicht bestandene Prüfungen oder andere 
Laborstunden.

Im Übrigen: Maschinenrichtlinie und CE "aufkleben" ohne vernünftigen 
Nachweis verträgt sich nicht.

rgds

von h2o2 (Gast)


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Die EMV-Prüfungen sind oft bereits das Ende eines Produktes. Hier lauern 
viele Probleme und Überraschungen. Allein dass ein Netzteil ein 
CE-Zeichen hat, besagt noch gar nichts, den es wurde ohne reale Last 
geprüft.
Die üblichen Grundnormen bei Produkten für gewerbliche oder 
nichtgewerbliche Anwendungen:


Leitungsgebundene Störungen (EN 55016-2-1)
Strahlungsgebundene Störungen (EN 55016-2-3)
Oberwellen (??)
Störbeeinflussung durch ESD (EN 61000-4-2)
Störbeeinflussung durch eingestrahlte HF (EN 61000-4-3)
Störbeeinflussung durch Bursts (EN 61000-4-4)
Surges (EN 61000-4-5)
Störbeeinflussung durch eingeströme HF (EN 61000-4-6)
Störbeeinflussung durch Magnetfelder (EN 61000-4-8)
Störbeeinflussung durch Netzschwankungen (EN 61000-4-8)

Man muss dann entscheiden, ob man noch zusätliche Prüfungen braucht, 
oder einiges davon weglassen kann.

von Paul (Gast)


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ah, das klingt schon mal "praxisnah". ich verstehe, d.h. ich werde mich 
im pcb-layout nicht nur um logisch korrektes und pcb-technisch korrektes 
layout kümmern müssen, sondern auch um EMV-mäßige Aspekte.

Jetzt hätt ich da gleich noch zwei andere Frage an dich, nachdem du ja 
sehr kompetent zu sein scheinst:

1. ich habe bis dato (fast nur) auf arduino basis "gebastelt" , einmal 
habe ich ein pololu board programmiert. jetzt wäre meine frage: ich 
würde das ganze gerne auf hardware und softwaremäßig "gesündere beine" 
stellen, möchte aber meine kontrolle nicht aufgeben bzw. ganz abhängig 
von externen profis werden. wenn ich jetzt also bei einem profi ein 
einfaches pcb-layout zur steuerung eines programmablaufs in auftrag 
geben würde, ist es dann normalerweise ein no-go zu erwarten, dass ich 
das c-ähnlich programmieren kann, oder ist das ohnehin der standard für 
solche applikationen?

2. kann man ungefähr sagen, was ein profi (von dem ich auch z.b. 
verständnis in oben erwähnter EMV - Problematik erwarten kann) für ein 
solches board-layout verlangen würde? ich weiß schon, preise sind so 
eine sache. sagen wir es anders: wieviel zeit bräuchte ein profi dafür? 
konkret bräuchte ich einen IC mit c-programmierbarer umgebung, einen 
möglichkeit, das ganze zu compilen und irgendwie auf den chip 
hochzuladen (in größerer stückzahl). ausserdem benötigt das pcb noch 
einige analoge und digitale ein-und ausgänge. manche signale (in und 
out) sollten echte hardware-unterstützung haben (z.b. sehr schnelle 
encoder-signale bzw. step-anweisungen im microstepping-modus). luxus 
wären auch noch zwei echte analoge V-Ausgänge, deren Spannung ich über 
die programmierung steuern können möchte. ausserdem soll noch ein tft 
angeschlossen werden, da bin ich flexibel, was die auswahl desselben 
betrifft.
so, das wärs. falls das jetzt hier den rahmen sprengt, wäre ich 
natürlich auch an einem echten Angebot interessiert. bitte bescheid 
geben, ich würde mich dann melden. es wäre aber vielleicht auch für 
andere interessant, mit was für einem aufwand ein profi bei so einer 
applikation rechnen würde- für mich wäre es vermutlich das 10-fache an 
zeit, da ich mich eben mit meinem know-how eher auf "mittelmäßiger 
arduino-leistungsstufe" befinde;-)

Michael B. schrieb:
> laberkopp

Michael B. schrieb:
> Und EMV ist bei hohen Leistungen mit schnellen Schaltvorgängen wie sie
> bei einem Schrittmotor mit Stromchopper-Steuer-IC vorkommen sehr
> kritisch zu sehen. Man kann keineswegs davon ausgehen, daß die Anordnung
> so wenig EMV abstrahlt, daß sie alle Grenzwerte unterschreitet, man
> sollte also messen lassen, und vor dem Messen auf gutes
> Leiterplattenlayout achten (Stützelko der Spannung nahe im IC, Leitung
> zum Strommesswiderstand kurz, Leitung zum Motor zumindest verdrillt,
> besser noch zusätzlich abgeschirmt mit Verbindung zum Motorblock (falls
> die Motoren untereinander elektrisch isoliert sind, sonst würde sich ja
> eine Leiterschleife bilden), Zuleitung der Stromversorgung nahe am
> Stützelko per Drossel abblocken).

von Michael L. (michael_l345)


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5stellig

von h2o2 (Gast)


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Falls Du es nicht ganz so eilig hast, und nicht unbedingt ein Vermögen 
ausgeben willst, kannst Du dir mal die Webseite vom compliance club 
ansehen. Besorge Dir die Artikelreihe "EMC Testing" von Keith Armstromg 
und schau Dir an, was Du davon übernehmen kannst.

Hier ist der erste Teil:
http://www.compliance-club.com/pdf/emctestingpart1.pdf

von Paul (Gast)


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im ernst? 5stellig würde ja bedeuten, dass es so übern daumen mindestens 
200 Std. benötigt?? also mit so einem zeitaufwand hab ich nicht 
gerechnet - das würde ich mir dann fast selbst zutrauen;-)
was genau soll da so zeitaufwändig sein? ich denke, wenn die 
anforderungen hier klar vorgegeben sind, ist es doch nur ein 
zusammenbauen von wenigen standardkomponenten. ich hätte mir das in etwa 
so vorgestellt:

3 Std. Kundengespräch, um die vorgaben nochmal mündlich abzuklären
20 Std. Schaltplan/PCB-Layout

Programmierungskosten jetzt mal rausgenommen, kommen dann noch 1500 EUR 
für Bestückungskosten/PCB-Ätzen dazu.

Geben wir noch 2 Std. dazu, wären wir bei 25x100.- + 1500.- = 4000.-

Liege ich da soo daneben???

von MaWin (Gast)


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Paul schrieb:
> im ernst? 5stellig

Für ein Board mit TFT-Anschluss, Analogeingängen, hardwareunterstützten 
Incrementaldecodereingängen, Analogspannungsausgängen, 
Schrittmotoransteuerung,

das ganze komplett entwickelt und EMV getestet ?

Kann schon sein, natürlich eher im unteren als oberen Bereich, aber je 
nach TFT und Prozessor auch mehr, das TFT macht die Sache komplex.

von Paul (Gast)


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ok, also wenn man die EMV-Prüfung mit reinnimmt, wären wir natürlich 
auch nach meiner Rechnung mal bei ca. 6000.-

was macht das tft komplex? die anzahl der anschlüsse an sich ist doch 
nicht so eine hexerei, oder? ich meine, wenn ich mich mal für ein 
tft/treiber entschieden habe, muss ich am pcb layout ja nur die 
entsprechenden pins verbinden. oder übersehe ich da etwas? ich habe in 
meinem prototypen ein tft, das auf einem shield montiert ist. wenn ich 
das genau so weiterverwenden möchte, müsste ich ja "nur" den treiber-ic 
und die flachband-pins mit aufs pcb nehmen. ich denke, das sollte ein 
profi mit entsprechender layout-software doch in 2-3 Stunden 
hinbekommen, oder? man muss ja das rad nicht neu erfinden. oder bin ich 
da naiv? ich würd mir dieses quasi "zusammenkopieren" von ähnlich 
bereits vorhandenen layout-teilen auch selbst zutrauen, allerdings wäre 
es mir einfach lieber, wenn es jemand macht, der einfach auch echt 
bescheid weiss, damit sich keine fehler einschleichen. für diese 
know-how zahle ich auch gerne, aber gerade ein profi müsste ja schneller 
sein als ich. wo also liegt da der große aufwand, den ich evtl übersehe? 
es sind ja nach meiner milchmädchenrechnung inkl. EMV-Prüfung immer noch 
mindestens 3000 oder mehr EUR offen, wenn ich vom kleinstmöglichen 
5-stelligen betrag ausgehe...

von h2o2 (Gast)


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Paul schrieb:
> Liege ich da soo daneben???

Das entspricht ungefähr den üblichen Vorstellungen der Produktmanager :)

von MaWin (Gast)


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Paul schrieb:
> was macht das tft komplex?

Das normale TFT wird mit schnellem LVDS angesprochen, dazu muss der 
Prozessor passende Ausgänge haben als ein eeher grosser Baustein sein 
(AMD Elan SC400 oder so) und das Layout diese hochfrequenten Signale 
übertragen, möglicherwise muss man noch Buffer und EMI-Filter 
hinzufügen.

von Paul (Gast)


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ok, aber da sprechen wir dann von einer anderen liga, oder?
ich meine im prinzip: mein pcb soll genau das können, was mein arduino 
mega inklusive tft jetzt gerade kann, nur halt alle pins auf einem pcb 
zusammengefasst, und nicht mit arduino ide, sondern halt einer anderen 
umgebung, die dem techn. standard entspricht. die schrittmotortreiber 
selbst können evtl auch die bisherigen pololu-treiber bleiben und 
einfach über die pins eingesteckt werden. wäre da nicht eine 
semiprofessionelle variante denkbar, die im 4stelligen bereich bleibt, 
aber halt einfach ein paar komponenten zusammenfasst und eine 
EMV-Prüfung überstehen kann?

von gg (Gast)


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Ich glaube beim TFT redet ihr aneinenader vorbei.
Es gibt TFTs mit 1080p Auflösung und sehr schnellem LVDS und welche mit 
64p die mit SPI angesteuert werden, was natürlich ein gewaltiger 
Unterschied ist ;-)

Also was genau isses denn für ein TFT?

von Wolfgang (Gast)


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Paul schrieb:
> 5stellig würde ja bedeuten, dass es so übern daumen mindestens
> 200 Std. benötigt?

Warum meinst du, irgendwo einen Sonderpreis von 50 €/h incl. Laborkosten 
zu bekommen?

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