Forum: HF, Funk und Felder Leitungstheorie - ich bin verwirrt


von Emil (Gast)


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Hi,

Ich bin gerade von der Leitungstheorie etwas verwirrt und habe daher ein 
paar Fragen an euch.


1. Wann ist die Länge der Leitung relevant

Ich weiß, dass der Wellenwiderstand einer Leitung nicht von der Länge 
der Leitung abhängt. Wenn ich jetzt einen festen Ausgangswiderstand Ra 
habe und möchte den Gesamtwiderstand (Leitung + Ausgang) bestimmen, 
wieso ist dann plötzlich die Länge der Leitung wieder relevant?

2. Komplexer Reflexionsfaktor

Wenn der Reflexionsfaktor am Ende einer Leitung reell ist, kann ich mir 
sehr anschaulich darunter etwas vorstellen. Leider geht, dass nicht mehr 
wenn er komplex wird. Rein mathematisch wird dann die rücklaufende Welle 
gegenüber der hinlaufenden Welle phasenverschoben. Hat das irgendwelche 
Auswirkungen?


3. Angenommen ich stecke zwei Drähte (aka Lecherleitung) in eine 
Steckdose und schließe keinen Lastwiderstand an (offenes Ende). Fließt 
da dann Strom auf den zwei Leitungen oder nicht?

Ich denke, dass der Reflexionsfaktor von 1 am offenem Ende, dazu führt, 
dass sich eine Stehende Welle ausbildet und sehr wohl Strom fließt. Ich 
könnte eine Glühbirne zwischen die Leitungen halten und sie würde 
leuchten. Ich finde es nur komisch, weil der Stromkreis ja eigentlich 
nicht geschlossen ist.



Entschuldigt, falls euch die Fragen etwas trivial erscheinen, ich habe 
es mit Google versucht, bin nur zu keinem befriedigendem Ergebnis 
gekommen.

Ich freue mich auf eure Antworten!

von Ordner (Gast)


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Emil schrieb:
> Entschuldigt, falls euch die Fragen etwas trivial erscheinen, ich habe
> es mit Google versucht, bin nur zu keinem befriedigendem Ergebnis
> gekommen.

Welches Ergebnis hätte Dich den befriedigt?

> 3. Angenommen ich stecke zwei Drähte (aka Lecherleitung) in eine
> Steckdose und schließe keinen Lastwiderstand an (offenes Ende). Fließt
> da dann Strom auf den zwei Leitungen oder nicht?

Gegenfrage: Ist die Grundvoraussetzung für Stromfluß - geschlossener 
Stromkreis - erfüllt oder nicht? Was ist überhaupt ein Stromkreis?

> Rein mathematisch wird dann die rücklaufende Welle
> gegenüber der hinlaufenden Welle phasenverschoben. Hat das irgendwelche
> Auswirkungen?

Was ist Wellenauslöschung? Was ist Interferenz?

von Emil (Gast)


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Bisher wirkt das Thema Leitungstheorie auf mich noch wie eine Art 
Religion - glauben oder nicht glauben. Ich möchte gerne von der Religion 
zur Wissenschaft umschwenken, sodass aus glauben verstehen wird. Dann 
bin ich befriedigt.


Zum Stromkreis:
Wenn ich mir das Leitungsersatzschaltbild als Vierpol vorstelle, dann 
ist der Stromkreis geschlossen über die Querkapazitäten und 
Querleitungwerte. Wenn ich mir jetzt aber ganz primitiv die zwei Drähte 
nebeneinanderliegend vorstelle, sind die definitiv nicht verbunden. Mit 
der Steckdose wollte ich auf den Fall anspielen, dass ich durch das 
offene Ende an den Drähten und einer Leitungslänge von Lambda/4 den 
Leerlauf umtransformierten kann in einen Kurzschluss. Zumindest aus 
Sicht des Generators. Dann hätte ich quasi einen Kurzschluss ohne die 
Kabel zu verbinden. Ab hier bin ich wieder stark im Glaubensbereich 
unterwegs ;)


Hier ist mir Beispielsweise unklar was dann auf der halben Leitungslänge 
zu beobachten ist.


                 Leitung Lambda/4
Generator ---------------------------- offenes Ende


Beim Generator ist definitiv ein Spannungsknoten und damit ein 
"scheinbarer" Kurzschluss. Bei der Hälfte der Leitung ist aber kein 
Spannungsknoten und somit liegt dort eine Spannung an. Wenn ich an diese 
Stelle jetzt eine Glühbirne halte, müsste sie eigentlich leuchten... 
Halte ich die Glühbirne an direkt an den Leitungsanfang leuchtet sie 
nicht... Ist das so richtig?


Wellenauslöschung und Interferenz

Die Spannung die auf der Leitung herrscht ist immer als 
Überlagerung/Summe von hinlaufender und rücklaufender Welle zu 
verstehen. Daher macht eine Phasenverschiebung für die Summe schon einen 
enormen Unterschied und kann im Extremfall zur Auslösung führen.

von LKa (Gast)


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Hi,

nur um noch mal auf dein Beispiel mit den Drähten und der Steckdose 
zurück zu kommen.
Überleg mal wo da der Generator steht :)
Und überleg dir mal die Impedanz des Stromnetzes.

Aber Leitungstheorie ist schon nicht einfach. voir allem wenn es dann 
über in die Antennentheorie geht wird es ganz komisch :)

Viele Grüße

L

von Pandur S. (jetztnicht)


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Glauben... vielleicht. Aber mit einem Experiment vorher.

Nimm einem Funktionsgenerator 5..20mHz und speise mit einem kurzen Koax 
per T-stueck auf ein Oszilloskop, beobachte die Amplitde.
Dann nimm ein koaxkabel, 5m oder so, und hang das auch an das T-stueck. 
Beobachte.
Soviel zur Interferenz.

von EMU (Gast)


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versuche Dich einmal damit schlau zu machen ist wirklich gut geschrieben

http://www.gunthard-kraus.de/Kommunikationstechnik/index.html

EMU

von michi42 (Gast)


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Hi,

wir reden von einer verlustfreien Leitung?

falls ja:

1. Wann ist die Länge der Leitung relevant

relevant wofür?
Wenn sie beiderseits impedanzrichtig abgeschlossen ist, ist die Länge 
egal.
Sonst transformiert sie. Abhängig von Länge zu Frequenz

2. Komplexer Reflexionsfaktor

Hat Auswirkungen. Bei Fehlanpassungen entstehen lokale Strom und 
Spannungs Maxima und Minima.  "Stehwellen"

3. Angenommen ich stecke zwei Drähte (aka Lecherleitung) in eine
Steckdose

Bei 50 Hz? da muss die Lecherleitung schon laaaaaang werden.
Es fließt natürlich ein paar nA Verschiebungsstrom weil deine "Leitung" 
eher ein "Kondensator" ist.

Ist die Frequenz im Verhältnis zur Leitungslänge so, dass nennenswerte 
Transformationen auftreten -> siehe 2.
Dann hast Du evtl. stark überhöhte Felder in der Leitung. Koppelst Du 
dort Energie aus, ist sie allerdings nicht mehr verlustfrei.

von Ordner (Gast)


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Oh D. schrieb:
> Nimm einem Funktionsgenerator 5..20mHz

Mili-Hertz ist wohl eher nicht gemeint, Megahertz schon eher. Und für 
Experimente mit einer Lecherleitung auf den Tisch darf es schon in 
Richtung 100+ MHz gehen, sonst wird die Leiterlänge die ja 
praktischerweise mindestens eine Wellenlänge haben sollte zu lang. 
Einfach mal mit der Gleichung:

Wellenlänge = Lichtgeschwindigkeit/Frequenz

spielen.

von Emil (Gast)


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Ok vielen Dank für alle bisherigen Antworten!


Problem an meinem Steckdosen-Beispiel war, dass die Frequenz zu gering 
ist und damit die Leitung deutlich zu lang sein müsste. Okay das behebe 
ich jetzt gedanklich ich dem ich (wie vorgeschlagen) die Steckdose durch 
einen Signalgenerator mit einer Frequenz von 100Mhz austausche. Jetzt 
glaube ich, dass bei einer Leitungslänge von Lambda/4 und einem offenem 
Ende ein Kurzschluss an den Leitungsanfang transformiert wird. Folglich 
würde die komplette Spannung des Generators an seinem Innenwiderstand 
abfallen. Es fließt aber definitiv Strom. Er fließt über die 
Querkapazitäten der Leitungen und damit ist der Stromkreis geschlossen.


Gibt es einen Unterschied zwischen Stehwellen und stehenden Wellen?
Nach meinem bisherigem Kenntnisstand bilden sich stehende Wellen nur aus 
wenn hin und rückläufige Wellen die gleiche Amplitude haben. Dafür 
müsste der Reflexionsfaktor den Betrag 1 haben und kann daher nur durch 
Kurzschluss oder Leerlauf am Ende erzeugt werden. Sind Stehwellen, dann 
Art stehende Wellen, nur welche bei denen die Amplituden nicht gleich 
sind?

von michi42 (Gast)


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schau mal hier:
http://elektroniktutor.de/signalkunde/reflex.html

da kann man schön rumspielen.

Möchtest Du jetzt wissen was in der Leitung passiert?
oder was der Generator "sieht"?

Natürlich kann man einen Leerlauf in einen Kurzschluss transformieren. 
Es wird aber so oder keine Leistung übertragen.

Die Leitung, so wie man sie kennt (ideal, verlustfrei) funktioniert nur 
wenn der Längsbelag sehr viel kleiner als der Querbelag ist.
Auch bei Gleichstrom oder "kleinen" Frequenzen sehen die 
Leitungsgleichungen aueinmal sehr "anders" aus.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wellenwiderstand#Frequenzabh.C3.A4ngigkeit_des_Leitungswellenwiderstandes

von michi42 (Gast)


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häng Dich nicht an den Querkapazitäten auf. Es gibt auch noch die 
Längsinduktivitäten.

Stehende Wellen und Stehwellen sind das gleiche.
Die treten bei jeder Fehlanpassung auf - je fehlangepasster um so 
größer.
i.A. möchte man die nicht haben wegen delektrischen Verlusten, 
Spannungsfestigkeit und ohmschen Verlusten an Strombäuchen.

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