Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisfrage Temperaturgang Operationsverstärker


von Third E. (third-eye)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hallo,

ich habe die einfache Schaltung im Anhang in Betrieb. Sie läuft an 5 V 
und soll eine AC-Sinusspannung mit rund 10 kHz und DC-Offset 2,5 V um 
den Faktor 2 verstärken.
Jetzt ist mir aufgefallen, dass die AC-Verstärkung stark 
temperaturabhängig ist. Wenn ich den OP mit dem Feuerzeug von 
Raumtemperatur auf (geschätzt) 50° C erwärme, erhöht sich die Amplitude 
des Ausgangssignals gleich um  2 oder 3%.
Ich bin etwas überrascht, dass das so viel ist.

Woran liegt das?
Ich weiß nicht recht, welcher Parameter im Datenblatt für das Verhalten 
ausschlaggebend ist.

Hier auf Seite 6:
http://www.ti.com/lit/ds/symlink/lmv321-n-q1.pdf

Angaben wie "Input bias current" oder "input offset voltage" würden 
meiner Meinung nach in erster Linie die DC-Verstärkung beeinflussen (Die 
genaue DC-Spannung ist mir ohnehin unwichtig).

Welcher temperaturabhängige Parameter ist es dann, der die sich ändernde 
AC-Verstärkung zur Folge hat?
Was kann ich dagegen tun?

Danke
Third Eye

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

Die Widerstände sind über jeden Verdacht erhaben? Und der Kondensator 
auch?

von Axel S. (a-za-z0-9)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Jetzt ist mir aufgefallen, dass die AC-Verstärkung stark
> temperaturabhängig ist.

Was ist das für ein Kondensator? Schon mal den Temperaturkoeffizienten 
eines Kerkos angeschaut?

von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Es ist ein X7R-Kondensator. Dass die einen sehr schlechten 
Temperaturkoeffizienten haben, ist mir bekannt.
Aber bei der Schaltung dient der Kondensator ja als Koppelkondensator. 
Dessen Grenzfrequenz ist weit weg von der Frequenz des Messsignals. Also 
wirkt sich eine Kapazitätsänderung praktisch nicht aus.
Wie erwartet, änderte ein Aufheizen des Kondensators nichts am 
Ausgangssignal. Die Widerstände sind auch unauffällig.
Die Verstärkung ändert sich nur, wenn ich den OP aufheize.

von Achim S. (Gast)


Lesenswert?

kommt dein Ausgangssignal in die Nähe der Versorgung? Der 
Aussteuerbereich dürfte ein Stück weit von der Temperatur abhängen.

von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Das ist ein guter Punkt. Habe es gerade nochmal kontrolliert: Das 
verstärkte Signal bewegt sich zwischen 0,5 und 4,5 V.
Das ist aber schon worst case. Weniger als 0,5 oder mehr als 4,5 V wird 
es nicht werden.

von Der Andere (Gast)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Das ist ein guter Punkt. Habe es gerade nochmal kontrolliert: Das
> verstärkte Signal bewegt sich zwischen 0,5 und 4,5 V.

Das messe doch mal den Fehler für ein Signal das nur zwischen 2 und 3V 
Ausgang hat.
Wie stark wird das Signal ausgangsseitig belastet? VIeleicht hat der 
R2R-OP schon Probleme und ist nicht mehr niederohmig genug.
Das könnte auch sehr temperaturabhängig sein.

von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Der Andere schrieb:
> Third E. schrieb:
>> Das ist ein guter Punkt. Habe es gerade nochmal kontrolliert: Das
>> verstärkte Signal bewegt sich zwischen 0,5 und 4,5 V.
>
> Das messe doch mal den Fehler für ein Signal das nur zwischen 2 und 3V
> Ausgang hat.
Getestet: Da ist das Temperaturverhalten identisch.

> Wie stark wird das Signal ausgangsseitig belastet? VIeleicht hat der
> R2R-OP schon Probleme und ist nicht mehr niederohmig genug.
> Das könnte auch sehr temperaturabhängig sein.
Die Last ist ein ohmscher Widerstand von 10 kOhm gegen GND. Diesen habe 
ich mal testhalber entfernt. Egebnis: Temperaturverhalten immer noch 
schlecht.

Ich werde die OP-Schaltung nochmal separat auf Lochraster aufbauen. Ich 
will ausschließen, dass ein Bauteil einen Schaden hat. z.B. ein 
ESD-Schaden kann die merkwürdigsten Phänomene zur Folge haben.

von Harald W. (wilhelms)


Lesenswert?

Third E. schrieb:

> Jetzt ist mir aufgefallen, dass die AC-Verstärkung stark
> temperaturabhängig ist.

Normalerweise ist die Verstärkung von OPV-Schaltungen allein von
der Beschaltung und nicht vom OPV abhängig. Deshalb kann eine
temperaturabhängige Verstärkung auch nur von der Aussenbeschaltung
kommen. Voraussetzung ist natürlich die Einhaltung der Grenzdaten
des OPVs laut Datenblatt. Liegt z.B. der Pegel des Eingangs- oder
Ausgangs-Signals in der Nähe der Betriebsspannungs-"Schienen", kann
es schon zu unerwarteten Effekten kommen.

von Der Andere (Gast)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> rund 10 kHz

Nur zur Info:
Der OP hat eine GainBW von 1Mhz.
Das bedeutet, bei 10kHz hat er noch eine effektive Verstärkung von 100, 
verhält sich also nicht mehr ideal.

von Alex S. (Gast)


Lesenswert?

OK, 100k auf 22nF sind etwa 72 Hz Grenzfrequenz. Da sind deine 10 kHz 
deutlich drüber, da ist der Frequenzgang flach vom RC-Netzwerk.

Wie heitzt du denn? Eine Flamme enthält Ionen und ist leitfähig. Probier 
es mal mit Heißluft aus.
Ansonsten hat der OPV als temperaturabhängige Parameter eine Offset 
Voltage Drift eine Offset Current Drift und evtl. ein Bandwidth Product.

von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Lesenswert?

Ich kann mich nur Matthias und Axel anschließen - der Hauptverdächtige 
ist der Kappa.
Auf Startnummer zwei liegt unsymmetrische Erwärmung der 
Rückkopplungswiderstände.

https://en.wikipedia.org/wiki/Ceramic_capacitor

https://en.wikipedia.org/wiki/Ceramic_capacitor#/media/File:MLCC-Cap-Temp-Klasse-2-Kurven-engl.svg

Wenn Du Schaltung nochmal testest, dann schließe den Kappa mal kurz.

von Harald W. (wilhelms)


Lesenswert?

Der Andere schrieb:

>> rund 10 kHz
>
> Nur zur Info:
> Der OP hat eine GainBW von 1Mhz.
> Das bedeutet, bei 10kHz hat er noch eine effektive Verstärkung von 100,
> verhält sich also nicht mehr ideal.

Bei einer Endverstärkung von zwei erklärt das aber nicht das Problem
des TEs.

von Der Andere (Gast)


Lesenswert?

Harald W. schrieb:
> Bei einer Endverstärkung von zwei erklärt

Nicht ganz, aber bei einer realen Verstärkung von 100 hängt die 
tatsächliche durch die Rückkopplung eingestellte Verstärkung auch schon 
messbar von der realen Verstärkung des OPs ab, nicht mehr nur von den 
Widerstandsverhältnissen.

Denn für 4V Ausgangshub braucht man jetzt schon 40mV Differenz an den 
Eingängen.
Ist das GBWP temperaturabhängig könnte es einen Teil des Fehlers 
erklären.

Ich bin mir auch nicht sicher, deshalb schrieb ich "könnte".

von Mark S. (voltwide)


Lesenswert?

Ich denke mal das 10kHz mit diesem Hub diesen OPA schon fordern. Könnte 
sein, dass bei dem Pegel die SlewRate-Begrenzung in Erscheinung tritt.
Mach mal denselben Test mit 1kHz!
oder teste mit 50% des pegels!

: Bearbeitet durch User
von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Lesenswert?

TO schrieb "Amplitude wird größer", daher liegt das Hauptaugenmerk 
zunächst nicht auf Open Loop Gain und Slew Rate, sondern auf dem 
Rückkopplungsnetzwerk.

von Der Andere (Gast)


Lesenswert?

Marcus H. schrieb:
> TO schrieb "Amplitude wird größer", daher liegt das Hauptaugenmerk
> zunächst nicht auf Open Loop Gain und Slew Rate, sondern auf dem
> Rückkopplungsnetzwerk.

Moment, du weisst nicht wie sich die nicht mehr idealen Werte des OPs 
bei Temperaturerhöhung ändern. Auf jeden Fall um Größenordungen mehr als 
die WIderstände, und der Kondensator wurde ja alleine schon erwärmt, 
ohne das sich was getan hat:

Third E. schrieb:
> Wie erwartet, änderte ein Aufheizen des Kondensators nichts am
> Ausgangssignal. Die Widerstände sind auch unauffällig.
> Die Verstärkung ändert sich nur, wenn ich den OP aufheize.

von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Lesenswert?

Der Andere schrieb:
> Marcus H. schrieb:
>> TO schrieb "Amplitude wird größer", daher liegt das Hauptaugenmerk
>> zunächst nicht auf Open Loop Gain und Slew Rate, sondern auf dem
>> Rückkopplungsnetzwerk.
>
> Moment, du weisst nicht wie sich die nicht mehr idealen Werte des OPs
> bei Temperaturerhöhung ändern. Auf jeden Fall um Größenordungen mehr als
> die WIderstände, und der Kondensator wurde ja alleine schon erwärmt,
> ohne das sich was getan hat:
>
> Third E. schrieb:
>> Wie erwartet, änderte ein Aufheizen des Kondensators nichts am
>> Ausgangssignal. Die Widerstände sind auch unauffällig.
>> Die Verstärkung ändert sich nur, wenn ich den OP aufheize.

Touché. In dem Fall - siehe Datenblatt: Input Bias-Current.
5V/200kR = 25µA
Ibias(Hot) bis zu 500nA
-> 2%

von Der Andere (Gast)


Lesenswert?

Marcus H. schrieb:
> In dem Fall - siehe Datenblatt: Input Bias-Current.
> 5V/200kR = 25µA
> Ibias(Hot) bis zu 500nA
> -> 2%

Stimmt, guter Hinweis :-)

von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

!!! ICH HABE DIE URSACHE GEFUNDEN: DER $CH31§$ OP WAR TATSÄCHLICH DEFEKT 
!!!
Er verhält sich komplett so, wie man das von einem OP erwarten würde, 
ausgenommen der unterirdisch schlechte Temperaturgang!
Vermutlich ein ESD-Schaden oder ich habe im Versuchsaufbau mal einen 
Kurzschluss gebaut. Überspannung schließe ich aus, weil die ganze 
Platine nur mit 5 V versorgrt wird.

Hatte wie angekündigt den Schaltungsteil auf einem Steckbrett aufgebaut 
und da ist bei selber Erwärmung eine Veränderung der AC-Verstärkung 
nicht messbar. Daraufhin war ich mir fast sicher, dass es nur der OP 
selber sein konnte.

Trotzdem vielen Dank für die vielen Hinweise. "Hätt' ja sein können".

: Bearbeitet durch User
von Third E. (third-eye)


Lesenswert?

Marcus H. schrieb:
> Touché. In dem Fall - siehe Datenblatt: Input Bias-Current.
> 5V/200kR = 25µA
> Ibias(Hot) bis zu 500nA
> -> 2%

Diese Rechnung würde doch nur anwendbar sein, wenn es sich um 
DC-Verstärkung handelt, oder?

von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Marcus H. schrieb:
>> Touché. In dem Fall - siehe Datenblatt: Input Bias-Current.
>> 5V/200kR = 25µA
>> Ibias(Hot) bis zu 500nA
>> -> 2%
>
> Diese Rechnung würde doch nur anwendbar sein, wenn es sich um
> DC-Verstärkung handelt, oder?

Das ist eine grobe Überschlagsrechnung um die Größenordnung des 
Störeinflusses zu ermitteln. Diese gilt für ACDC.

In der Hoffnung Dich nicht zu langweilen:
- in erster Näherung geht man beim OP von Eingangswiderstand unendlich, 
Verstärkung unendlich, Offset Null aus. Das hätte zur Folge, dass im 
Regelbetrieb die Spannungsdifferenz zwischen den Eingängen Null und der 
Spannungsteiler unbelastet ist.
- im reellen Leben hat der OP allerdings Offset und Bias-Ströme, die von 
den Betriebsbedingungen abhängen.
- im vorliegenden Fall sagt das Datenblatt, dass im OP-Eingang eine 
Stromquelle sitzt, die das Rückkopplungsnetzwerk belastet. Fließt nun 
also ein Strom in den Eingang, muss sich die Ausgangsspannung erhöhen, 
um diesen Fehler auszugleichen. Je kleiner der Strom im externen 
Netzwerk, desto größer die Wirkung jeglicher Störung (Bias-Strom, EMV, 
Kriechströme).

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


Lesenswert?

Third E. schrieb:
> Diese Rechnung würde doch nur anwendbar sein, wenn es sich um
> DC-Verstärkung handelt, oder?

richtig: die Drift des Bias-Stroms hätte nur eine DC-Drift des Ausgangs 
bewirkt (um I_Bias*100kOhm), aber keine Veränderung der Amplitude des 
10kHz-Signals.

von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Lesenswert?

Asche auf mein Haupt - der Bias-Strom macht in diesem Fall nur Offset.

von Mark S. (voltwide)


Lesenswert?

Also kommen wir nochmal auf das Grosssignalverhalten respektive die 
Leistungsbandbreite zurück. 10kHz bei dem Pegel sind für diese lahme 
Gurke kein Pappenstiel. Wie also verhält sich das bei 1kHz 
Signalfrequenz?

: Bearbeitet durch User
von Marcus H. (Firma: www.harerod.de) (lungfish) Benutzerseite


Lesenswert?

Achim S. schrieb:
> Third E. schrieb:
>> Diese Rechnung würde doch nur anwendbar sein, wenn es sich um
>> DC-Verstärkung handelt, oder?
>
> richtig: die Drift des Bias-Stroms hätte nur eine DC-Drift des Ausgangs
> bewirkt (um I_Bias*100kOhm), aber keine Veränderung der Amplitude des
> 10kHz-Signals.

Soo, ich war die ganze Zeit nur halb bei der Sache. Habe nun meinen 
anderen Kram fertig und nochmal den LMV321 angeschaut.
Vielleicht mag noch jemand mitdiskutieren.

Der Opamp ist bias-kompensiert, deswegen werden Beträge von 
bias/offset-Strömen angegeben. Vorzeichen und Größe sind 
arbeitspunktabhängig.

Das Datenblatt schweigt sich zwar zu dem Thema aus, jedoch sind die 
Bias-Ströme spannungsabhängig. Der Effekt verstärkt sich mit steigender 
Temperatur. Es werden Ströme bis 500nA erwartet.
Ursachen: siehe Blockdiagramm 8.2 im Datenblatt.
- Schutzdioden
- BJT-/Stromquelle-Eingangsstufe

In der vorliegenden nicht-invertierenden Schaltung wandern die 
Eingangsspannungen mit dem Eingangssignal mit. Damit wären die 
Voraussetzungen für AC-Störungen, zusätzlich zu DC-Störungen, erfüllt.

Wenn man's jetzt für dieses Bauteil konkret wissen wollte, müsste man 
mal messen. Oder den Hersteller fragen.

Literatur:
http://www.ti.com/lit/ds/symlink/lmv321.pdf
http://www.analog.com/media/en/training-seminars/tutorials/MT-038.pdf


Soviel zum Thema Bias-Ströme. Im vorliegenden Aufbau gibt es sicher noch 
andere, ggf. dominantere Störquellen.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.