Forum: Offtopic Halbleiterbauelemente - wie ergibt sich die Maximaltemperatur - oder warum gibt es diese?


von Hibbert (Gast)


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Hallo

Halbleiterbauteile haben alle eine relativ niedrige maximale 
Betriebstemperatur welche meist irgendwo beim 125°C bis 175°C liegt.

Darüber gibt es irreparable Defekte - die Frage ist warum und wie - am 
Schmelzpunkt der Materialien (Silizium...) kann es eindeutig nicht 
liegen die Ursache liegt woanders - aber wo?
Und warum ist die maximal zulässige Temperatur letztendlich doch 
deutlich Unterschiedlich obwohl es sich fast immer um Silizium handelt.

Über sinnvolle Erklärungen, gute(!) Suchbegriffe oder gute 
Literaturhinweise würde ich mich freuen. Schön wären deutschsprachige 
Texte aber Englisch ist da wohl leider die "Standardsprache" ? :-(

Wer keine Lust zu Antworten hat, nur herumnörgeln will, seine 
"Genialität" heraus hängen lassen will, Beleidigungen verteilen möchte 
oder "witzig" sein möchte darf gerne schweigen...

Hibbert

: Verschoben durch User
von K. L. (trollen) Benutzerseite


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Lesestoff: Dotierung
Fremdatome werden in Silizium eingebracht um die Eigenschaften zu 
ändern. Dabei senkt sich auch der Schmelzpunkt massiv.

Hibbert schrieb:
> Und warum ist die maximal zulässige Temperatur letztendlich doch
> deutlich Unterschiedlich obwohl es sich fast immer um Silizium handelt.

Es ist eben kein reines Silizium mehr. Je nach eingebrachten Atomen, 
ändert sich der Schmelzpunkt.

von Guido B. (guido-b)


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Das Problem ist die "Gitterheilung", die schon bei relativ niedriger
Temperatur einsetzt (vgl. "Anlassen" von Stahl). Die Gitterfehler, die
hierbei ausheilen sind die Dotieratome, die an die Oerfläche wandern.

Wenn der Chip seine max. Temperatur erreicht, gibt es bei komplexeren
Strukturen schon Bereiche (s. Hotspots) die genügend heiß sind, so
dass der Effekt eintritt.

von Dipl.- G. (hipot)


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Antwort: Massenwirkungsgesetz (nachschlagen)

Die Eigenleitung in undotierten Halbleitern, also die thermische 
intrinsische Ladungsträgerdichte, ist temperaturabhängig. Wird der 
pn-Übergang zu heiß, überschreitet die intrinsische Ladungsträgerdichte 
die Dotierung und der Halbleiter ist nicht mehr funktionsfähig. Des 
weiteren entstehen bei zu großer Temperatur extrem heiße Fehlstellen im 
Kristallgitter (Neudeutsch "hotspots"), die zur Zerstörung des 
Halbleiters führen. Man spricht vom thermischen Durchbruch. Wir reden 
hier bei einigen Baulementen von Temperaturen im Bereich 
Sonnenoberfläche und höher.

Bücher von DEM Experten im deutschsprachigen Raum:

https://www.amazon.de/Halbleiter-Leistungsbauelemente-Eigenschaften-Zuverl%C3%A4ssigkeit-Josef-Lutz/dp/3642297951/ref=asap_bc?ie=UTF8

https://www.amazon.de/Semiconductor-Power-Devices-Characteristics-Reliability/dp/B01K0SLUG4/ref=asap_bc?ie=UTF8

von Jens G. (jensig)


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@ K. Laus (trollen) Benutzerseite

>Lesestoff: Dotierung
>Fremdatome werden in Silizium eingebracht um die Eigenschaften zu
>ändern. Dabei senkt sich auch der Schmelzpunkt massiv.

>Hibbert schrieb:
>> Und warum ist die maximal zulässige Temperatur letztendlich doch
>> deutlich Unterschiedlich obwohl es sich fast immer um Silizium handelt.

>Es ist eben kein reines Silizium mehr. Je nach eingebrachten Atomen,
>ändert sich der Schmelzpunkt.

Die Antwort, daß der Schmelzpunkt von ein paar ppm Fremdatomen so 
signifikant erniedrigt werden soll, daß das die typische Grenztemperatur 
von irgendwas um 150°C erklären würde, paßt wirklich zu jemand, der den 
Zusatz (trollen) im Namen hat ...

von Michael B. (laberkopp)


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Hibbert schrieb:
> Halbleiterbauteile haben alle eine relativ niedrige maximale
> Betriebstemperatur welche meist irgendwo beim 125°C bis 175°C liegt.

Nicht wirklich, Silizium hält ohne Probleme 300 GradC aus, aber die 
elektrischen Daten ändern sich und die Lebensdauer ist reduziert.

 https://aerospace.honeywell.com/en/products/navigation-and-sensors/high-temperature-microelectronics
 http://www.cissoid.com/

selbst TI hat Bauteile bis 225 GradC

 http://www.ti.com/lit/ds/symlink/ref5025-ht.pdf
 http://www.ti.com/lit/ds/symlink/ads1278-ht.pdf

Die 125 GradC stammen bloss von den Plastikverpackungen "schwarzes 
Epoxy" der üblichen billigen Consumerbauteile.

Deutlisch schwieriger sind hochtemperaturfeste Kondensatoren (Vishay TH5 
sind Tantal bis 200 GradC, VJ X8R Keramik bis 150 GradC, 123 SAL-A Elkos 
kurzlebig bis 200 GradC) und Batterien zu finden.

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Ein Limit von 125..150°C kommt von der Epoxy-Verkapselung. Bauteile in 
Metall- oder Keramikgehäuse halten auch 175..225°C aus. Dabei geht es 
übrigens weniger um die Schmelzpunkte der Materialien als vielmehr um 
die thermische Ausdehnung. Unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten 
führen dazu, daß Bonddrähte abreißen können oder sogar daß sich der Chip 
vom Träger löst.

von Soul E. (Gast)


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Hibbert schrieb:

> Halbleiterbauteile haben alle eine relativ niedrige maximale
> Betriebstemperatur welche meist irgendwo beim 125°C bis 175°C liegt.

Die Halbleiter selber kommen bis 350..400°C klar. Das ist auch die 
Temperatur, mit der sie am Ende der Chipherstellung ausgeheizt 
(annealed) werden. Die Temperaturbegrenzung kommt eher durch das 
Package.

> Darüber gibt es irreparable Defekte - die Frage ist warum und wie - am
> Schmelzpunkt der Materialien (Silizium...) kann es eindeutig nicht
> liegen die Ursache liegt woanders - aber wo?

Durch unterschiedliche Wärmeausdehnungskoeffizienten reisst das Gehäuse 
am Chip und an den Bonddrähten. Die Beschädigungen sind da eher 
mechanischer Natur.


Unabhängig davon ist keine Schaltung so gut temperaturkompensiert, dass 
sie ihre Eigenschaften über einen beliebig großen Bereich konstant hält. 
Wenn man im Datenblatt nicht riesige Toleranzfelder anziehen will, muss 
man den Temperaturbereich einschränken. Oder selektieren: die guten 
Teile halten ihre Genauigkeit bis 150°C, die mittleren bis 105°C und der 
Rest nur bis 85°C.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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soul e. schrieb:
> Die Temperaturbegrenzung kommt eher durch das Package.

Keineswegs nur dadurch.

Bei höheren Temperaturen werden Diffusionsprozesse im Material
beschleunigt, die zu Änderungen in den Dotierungen führen.
Unipolartransistoren sind da vom Prinzip her etwas weniger anfällig
als Bipolartransistoren, weshalb Power-MOSFETs oft bis 175 °C
maximale Temperatur im Innern (von Sperrschichttemperatur kann man
ja da eigentlich nicht reden) spezifiziert sind, bipolare dagegen
häufig nur bis 125 °C.

Bei den alten Germaniumtransistoren waren diese Effekte drastisch
stärker ausgeprägt, weshalb diese meist nur 75 °C im Inneren
vertragen haben.

von David P. (chavotronic)


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Dipl.- G. schrieb:
> Bücher von DEM Experten im deutschsprachigen Raum:

Josef Lutz und Rik de Doncker (mein ehemaliger Prof) sind schon Gurus...

von Christian L. (cyan)


Angehängte Dateien:

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Ein weiteres Problem dürfte wohl auch die Ladungsträgerkonzentration im 
Halbleiter sein. Bei höheren Temperaturen wird diese nicht mehr von der 
Dotierung bestimmt. Dadurch durfte das Verhalten des Halbleiters 
irgendwann wohl nur noch durch die Temperatur anstatt seiner 
eigentlichen Funktion bestimmt sein.

Angehängt mal eine Grafik aus dem "Sze - Physics of Semiconductor 
Devices", welche man auch zum Teil bei Google Books lesen kann. Man 
sieht deutlich, das der Bereich, in dem die Dotierstoffkonzentration die 
Gesamtkonzentration im HL bestimmt, in genau dem Bereich liegt, indem 
die zulässigen Betriebstemperaturen für die meisten ICs liegt.

Ansonsten gilt natürlich wie immer, dass bei höheren Temperaturen die 
Halbleiter schneller altern. Dies liegt, meines Wissens nach, unter 
anderen auch daran, dass die Dotierung schneller im Halbleiter 
diffundiert und somit sich die Eigenschaften von z.B. pn-Übergängen 
ändern, bis die Funktion nicht mehr Gewährleistet wird.

Allerdings bin ich auch kein Experte auf dem Gebiet.

von Jens G. (jensig)


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Jörg Wunsch schrieb:

>Bei höheren Temperaturen werden Diffusionsprozesse im Material
>beschleunigt, die zu Änderungen in den Dotierungen führen.
>Unipolartransistoren sind da vom Prinzip her etwas weniger anfällig
>als Bipolartransistoren, weshalb Power-MOSFETs oft bis 175 °C
>maximale Temperatur im Innern (von Sperrschichttemperatur kann man
>ja da eigentlich nicht reden) spezifiziert sind, bipolare dagegen
>häufig nur bis 125 °C.

Ganz so kann das auch nicht stimmen. BiPo's gibt's/gab's auch bis 200°C 
(lt. meiner Erinnerung ;-). Selbst HFO (sorry für den Blick in die 
Vergangenheit) hat die metallgekapselten Transistoren meist für 175°C 
spezifiziert.

Die Art des Gehäuses ist schon mal ein begrenzender Faktor. Plastik kann 
zu Grenztemperaturen um 125°C oder so führen (zumindest bei älteren 
Dingern). Man könnte die sicherlich auch bei 150 oder gar 175/200°C 
betreiben, sollte sich aber dann nicht wundern, wenn dann anschließend 
auf der Leiterplatte nur noch ein dreibeiniges Gestell mit Kackhaufen 
darunter zu sehen ist ;-), das vielleicht sogar noch funktioniert.

Der Halbleiter selbst dagegen kann auch höhere Temperaturen aushalten. 
Allerdings ist es dann eher eine Frage der Lebenszeit, die man von ihm 
erwartet, und die von der Temperatur stark abhängt - erst recht im 
oberen Bereich (Elektronenmigration, Diffusion, ...). Die 
Lebenszeitverkürzung düfte mit höherer Temperatur "zunehmend zunehmen" - 
also mehr als nur linear.

Dazu kommt, daß der Halbleiter eine zunehmende Eigenleitung zeigt, die 
dann die eigentliche Funktion zunehmend in den Hintergrund drückt. Bei 
Ge ging das ja schon bei weit unter 100°C los - deswegen meistens 75°C, 
teilweise sogar darunter. Teilweise wurden aber auch bis (vielleicht 
sogar über) 100°C spezifiziert. Das war aber dann wirklich durch den 
Halbleiter begrenzt, nicht das Gehäuse.

Und zu guter Letzt: ich denke, daß für 0815-Typen einfach nur bis 150°C 
als Default spezifiziert wird, egal, ob ein bestimmter Typ auch deutlich 
mehr könnte. Man müsste dann mehr garantieren, bzw. die Ausbeute wäre 
dann sicherlich geringer. Und auserdem - wer braucht schon 
Leistungshalbleiter über 150°C - die löten sich ja ohnehin dann selber 
aus ... ;-)

: Bearbeitet durch User
von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Jens G. schrieb:
> Ganz so kann das auch nicht stimmen. BiPo's gibt's/gab's auch bis 200°C

Das ist ja auch eine grobe Richtung, im Einzelfall wirst du
einerseits genügend FETs finden, die trotzdem nur bis 125 °C
Sperrschichttemperatur garantiert werden, zum anderen eben auch
die von dir genannten Bipolartransistoren mit hohen zulässigen
Temperaturen.

Generell sind beim MOSFET aber die Sperrschichten (und deren
gegenseitige Abstände) nicht so funktionswichtig wie beim
Bipolartransistor, daher wirken sich temperaturbedingte
Veränderungen an diesen weniger schlimm aus.

Die Polymer-Vergussmasse scheint erstaunlich temperaturstabil,
die dürfte sich auch bei 200 °C noch nicht zersetzen.  Keramik
hält als solches zwar mehr aus, aber auch bei denen hat man das
Problem, dass die thermische Ausdehnung der Keramik anders ist
als die des Siliziums.  Allerdings liegen im klassischen
Keramikgehäuse zumindest die Bonddrähte frei und werden nicht durch
die unterschiedliche Ausdehnung gefährdet, sondern man hat das Problem
nur da, wo der Die auf den Träger montiert ist.

von Soul E. (Gast)


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Jörg W. schrieb:

> Die Polymer-Vergussmasse scheint erstaunlich temperaturstabil,
> die dürfte sich auch bei 200 °C noch nicht zersetzen.

Das Problem ist nicht die Zersetzung, sondern die Wärmedehnung. Das Zeug 
biegt das Die und rupft an den Bonddrähten. Verbogene Chips liefern 
Offsets in Differenzverstärkern, und abgerissene Bonddrähte führen zu 
intermittierenden Fehlern oder Totalausfall.

Das ist auch eine der häufigsten Todesursachen bei High Power-LEDs. Ein 
bisschen draufdrücken, und dann geht sie wieder eine Weile.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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soul e. schrieb:
> Das Zeug biegt das Die und rupft an den Bonddrähten.

Schon klar, daher sind ja auch Keramikgehäuse für solche Bedingungen
im Vorteil.

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