Forum: HF, Funk und Felder '80er Radio Schaltplan verstehen


von Felix U. (ubfx)


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Guten Abend,

ich habe mir über ebay Kleinanzeigen für 3€ ein altes ITT Amigo Cassette 
514 Radio gekauft. Der Plan ist es, daraus für ein LF-RFID Projekt den 
460kHz IF Filter und den AM Mischer (LA1260) auszuschlachten. Da die 
LW-Skala vorne bis 150kHz runtergeht, nehme ich einfach mal an, dass der 
Mischer auch noch bei 100kHz oder darunter funktioniert. Das soll aber 
gar nicht die eigentliche Frage sein.

Mir geht es jetzt zunächst darum, den Schaltplan zu verstehen, dazu habe 
ich mir die Datenblätter der zwei verwendeten ICs (LA1186 [1] für FM -> 
IF, LA1260 [2] für IF amp und AM -> IF) angeschaut, und die sind Dank 
Schaltungsbeispielen auch sehr aufschlussreich. Nur ein paar Dinge in 
der Eingangsstufe sind mir jetzt noch nicht ganz klar. Vielleicht ist ja 
hier ein (Amateur)funker, der mir das erklären kann.

Ich habe den relevanten Teil des Schaltplans (von radiomuseum.org) 
angehängt und gleich noch die Block Diagramme aus den IC-Datenblättern 
reinkopiert, damit ihr es auf einen Blick sehen könnt. Der Umschalter 
für SW-MW-LW ist SB2 und grün markiert, SB1 ist der Schalter für AM-FM. 
Der Drehkondensator zur Frequenzeinstellung (rot markiert) ist ein sehr 
großes Bauteil, das scheinbar 4 Kondensatoren enthält, die parallel 
geändert werden. Außerdem kann man jeden davon nochmal mit einer 
Schraube feineinstellen.

- Welche Funktion haben die gekoppelten Spulen/Übertrager L203, L204 und 
L205, die mit dem SW/MW/LW-Schalter umgeschaltet werden? Im Radio sind 
L204 und L205 zwei Spulenpaare die auf einem sehr großen Ferrit(?) Stab 
aufgewickelt sind. Handelt es sich um Eingangsfilter? Wenn ja, warum 
sind sie als Transformatoren/Übertrager gestaltet? Ein Balun macht hier 
auch keinen Sinn, weil der Eingang des LA1260 ja auch nicht 
differenziell ist.

- Welche Funktion hat der Parallelschwingkreis aus C112, C113, C104 und 
L101 an Pin 3 des FM-ICs? Handelt es sich um einen zusätzlichen 
Eingangsfilter, der im Gegensatz zu dem statischen B.P.F am Eingang 
mitverstellt wird?

- Wie funktioniert die Kapazitätsdiode im LA1186, die am 
Oszillatorschwingkreis angeschlossen ist? Stimmt die noch irgendwie 
automatisch den Oszillator ab?

Würde mich freuen, wenn mir hier jemand auf die Sprünge hilft, vor allem 
bei der ersten Frage.

Gruß

[1] http://pdf.datasheetcatalog.com/datasheet/sanyo/ds_pdf_e/LA1186N.pdf
[2] http://cdn-reichelt.de/documents/datenblatt/A200/LA1260%23SAN.pdf

: Bearbeitet durch User
von Manfred (Gast)


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Felix U. schrieb:
> - Welche Funktion hat der Parallelschwingkreis aus C112, C113, C104 und
> L101 an Pin 3 des FM-ICs? Handelt es sich um einen zusätzlichen
> Eingangsfilter, der im Gegensatz zu dem statischen B.P.F am Eingang
> mitverstellt wird?
Ja!

Aus L101 / C104 ergibt sich ein Schwingkreis, der dank der 
Bauteiletoleranzen seine Sollfreuenz nicht genau genug trifft. C112 (mit 
dem Pfeil dran) ist Dein Drehkondensator, die Toleranz wird mit C113 
(Trimmer) abgeglichen.

von René S. (thebit)


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Kurz mal drüber geschaut

Felix U. schrieb:
> Welche Funktion haben die gekoppelten Spulen/Übertrager L203, L204 und
> L205, die mit dem SW/MW/LW-Schalter umgeschaltet werden? Im Radio sind
> L204 und L205 zwei Spulenpaare die auf einem sehr großen Ferrit(?) Stab

Dabei handelt es sich um die Antenne für den AM Bereich, hauptsächlich 
da LW und MW. Die Teleskopantenne ist für den FM Bereich und unterstützt 
den AM SW Bereich.

Felix U. schrieb:
> Welche Funktion hat der Parallelschwingkreis aus C112, C113, C104 und
> L101 an Pin 3 des FM-ICs? Handelt es sich um einen zusätzlichen
> Eingangsfilter, der im Gegensatz zu dem statischen B.P.F am Eingang
> mitverstellt wird?

Ja, der Bandpass am Eingang ist breitbandig für das komplette FM 
Rundfunkband. Der Abstimmbare Filter im FM Vorverstärkerteil des IC 
sorgt für die Kanaltrennung.

Felix U. schrieb:
> Wie funktioniert die Kapazitätsdiode im LA1186, die am
> Oszillatorschwingkreis angeschlossen ist? Stimmt die noch irgendwie
> automatisch den Oszillator ab?

Das ist die AFC die sorgt für die Automatische Feinabstimmung des 
Oszillators damit dieser exakt 10,7MHz über dem Träger des Senders 
liegt. Die Regelspannung wird im Demodulator generiert. Alles was am Pin 
6 rauskommt ist das empfangene Sendersignal welches auf 10,7 MHz 
Zwischenfrequenz runtergemischt wurde. Damit benötigt man in den ZF 
Verstärker Stufen keine abstimmbaren Filter mehr. Bei AM liegt die ZF 
bei 460kHz.

Hoffe das hilft dir weiter

Gruß René

: Bearbeitet durch User
von Günter Lenz (Gast)


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Felix U. schrieb:
>Welche Funktion haben die gekoppelten Spulen/Übertrager L203, L204 und
>L205, die mit dem SW/MW/LW-Schalter umgeschaltet werden?

Das sind die Eingangsschwingkreise, die werden auf die Empfangsfrequenz
abgestimmt.

>Wenn ja, warum
>sind sie als Transformatoren/Übertrager gestaltet?

Zur Impedanzanpassung.

> Welche Funktion hat der Parallelschwingkreis aus C112, C113, C104 und
>L101 an Pin 3 des FM-ICs? Handelt es sich um einen zusätzlichen
>Eingangsfilter, der im Gegensatz zu dem statischen B.P.F am Eingang
>mitverstellt wird?

Ja.

>- Wie funktioniert die Kapazitätsdiode im LA1186, die am
>Oszillatorschwingkreis angeschlossen ist? Stimmt die noch irgendwie
>automatisch den Oszillator ab?

Ja, das nennt sich AFC, Automatisch Frequenzabstimmung, wenn dicht
neben den Sender abgestimmt ist, springt die Abstimmung automatisch
genau auf den Sender.

von Possetitjel (Gast)


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Felix U. schrieb:

> - Welche Funktion haben die gekoppelten Spulen/Übertrager
> L203, L204 und L205, die mit dem SW/MW/LW-Schalter
> umgeschaltet werden? Im Radio sind L204 und L205 zwei
> Spulenpaare die auf einem sehr großen Ferrit(?) Stab
> aufgewickelt sind. Handelt es sich um Eingangsfilter?

Jein: Es wird sich im die Ferritantenne handeln, die bei
Mittelwelle und schätzungsweise bei Langwelle verwendet
wird. Hatte ich schon vermisst :)

Wenn Deine Beobachtung, dass der Drehko vier Platten-
pakete hat, richtig ist, dann gehort im Plan C211 auch
noch rot markiert. C211 bildet dann mit L204/L205 einen
abgestimmten HF-Vorkreis.

> Wenn ja, warum sind sie als Transformatoren/Übertrager
> gestaltet?

Impendanzanpassung.

Der Eingangswiderstand von Bipolartransistoren ist für
das meiste HF-Geraffel zu niedrig; also passt man mit
Übertragern an.

> Ein Balun macht hier auch keinen Sinn, weil der Eingang
> des LA1260 ja auch nicht differenziell ist.

Richtig. Zweck ist Verbesserung der Anpassung.

> - Welche Funktion hat der Parallelschwingkreis aus C112,
> C113, C104 und L101 an Pin 3 des FM-ICs? Handelt es sich
> um einen zusätzlichen Eingangsfilter, der im Gegensatz
> zu dem statischen B.P.F am Eingang mitverstellt wird?

Aus der Hüfte geschossen: Ja.

>
> - Wie funktioniert die Kapazitätsdiode im LA1186, die am
> Oszillatorschwingkreis angeschlossen ist? Stimmt die noch
> irgendwie automatisch den Oszillator ab?

Klar. Automatische Scharfabstimmung fur UKW. Bekommt die
Nachstimmspannung vermutlich über R106.

von michael_ (Gast)


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Schön, aber für den TO wimmelt es doch hier von Fremdbegriffen.
Schön aber auch, dass er sich darin vertiefen will.

Felix U. schrieb:
> Der Plan ist es, daraus für ein LF-RFID Projekt den
> 460kHz IF Filter und den AM Mischer (LA1260) auszuschlachten.

Das ist mutig, mal sehen, wie es ausgeht.

von Wolfgang (Gast)


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René S. schrieb:
> Bei AM liegt die ZF bei 460kHz.

Woran siehst du das? Üblicherweise lag die ZF für LMK bei 455kHz.

von michael_ (Gast)


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Üblicherweise?
Ich kenne auch 468KHz.

von Possetitjel (Gast)


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Wolfgang schrieb:
> René S. schrieb:
>> Bei AM liegt die ZF bei 460kHz.
>
> Woran siehst du das? Üblicherweise lag die ZF für
> LMK bei 455kHz.

Das ist Streiterei um des Kaisers Bart. Es waren leicht
unterschiedliche Frequenzen in diesem Bereich in Gebrauch.

von michael_ (Gast)


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Ist eigentlich auch Wurscht.

von Possetitjel (Gast)


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michael_ schrieb:

> Ist eigentlich auch Wurscht.

???
Meine Bemerkung ging nicht an Dich.

von Felix U. (ubfx)


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Hi,

Danke erstmal für eure zahlreichen Antworten.

Wolfgang schrieb:
> Woran siehst du das? Üblicherweise lag die ZF für LMK bei 455kHz.
In dem Schaltplan stand IF 459KHz/10.7MHz.

René S. schrieb:
> Damit benötigt man in den ZF
> Verstärker Stufen keine abstimmbaren Filter mehr. Bei AM liegt die ZF
> bei 460kHz.

Warum nimmt man nicht einfach die gleiche ZF für AM und FM? Dann würde 
man sich einen Filter sparen.

Possetitjel schrieb:
> Wenn Deine Beobachtung, dass der Drehko vier Platten-
> pakete hat, richtig ist, dann gehort im Plan C211 auch
> noch rot markiert. C211 bildet dann mit L204/L205 einen
> abgestimmten HF-Vorkreis.

Ah ja, ich hatte den vierten schon gesucht.

Jetzt nochmal zur Impedanzanpassung: Woher kennt man denn die 
Ausgangsimpedanz der Antenne und die Eingangsimpedanz des ICs (im 
Datenblatt steht sie zumindest nicht)? Hat man das mit einem 
Netzwerkanalysator gemessen und dann die Wicklungen mit der Wurzel des 
Impedanzverhältnisses ausgelegt? Oder reicht es da, grob zu sagen, dass 
die Antenne wohl einen relativ hohen Ausgangswiderstand hat, und man 
deshalb runtertransformieren muss?

Viele Grüße

von René S. (thebit)


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Wolfgang schrieb:
> Woran siehst du das? Üblicherweise lag die ZF für LMK bei 455kHz.

weils der To geschrieben hat, 460kHz ZF Filter.

und wie einige schon bemerkt haben es gab bei AM über die Jahre mehrere 
verschiedenste ZF Frequenzen:

Welche Zwischenfrequenzen sind (waren)  in Gebrauch?
Gängige AM ZF-Frequenzen bei Einfachsupern sind (waren) 124  (Beispiel 
Stassfurt Imperial 5W), 129, 132, 164 , 232 - 500 kHz und andere 
niedrige Frequenzen**, 452 kHz, 455 kHz, 460 kHz, 468 kHz, 472 kHz, 473 
kHz, 1600 kHz. Bei AM Doppelsupern (z.B. Weltempfängern) gibt es viele 
weitere ZF-Frequenz-Kombinationen.


quelle: http://www.welt-der-alten-radios.de/a--g-abgleich-53.html

455kHz dürfte am Ende in Europa dem Frequenzplan geschuldet sein, steht 
auch auf der Seite, Radio Luxemburg sendete LW 230kHz, erste Oberwelle 
ergo 460kHz.

Laut radiomuseum.org hatte das ITT Amigo Cassette 514 eine AM ZF von 
459kHz. Würde mich aber auch nicht wundern wenn das nur eine von vielen 
Ausführungen war, da ja laut TO ein 460kHz Filter drin ist.

Soweit so verwirrend

Gruß René

von michael_ (Gast)


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Was soll das?
Willst du mir den Mund verbieten?
Technisch gesehen ist es doch egal, ob 468, 460, 455, oder eine ähnliche 
ZF gewählt wird.

von michael_ (Gast)


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Felix U. schrieb:
> Warum nimmt man nicht einfach die gleiche ZF für AM und FM? Dann würde
> man sich einen Filter sparen.

Das hängt mit der Bandbreite zusammen.

von Felix U. (ubfx)


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René S. schrieb:
> Laut radiomuseum.org hatte das ITT Amigo Cassette 514 eine AM ZF von
> 459kHz. Würde mich aber auch nicht wundern wenn das nur eine von vielen
> Ausführungen war, da ja laut TO ein 460kHz Filter drin ist.
>
> Soweit so verwirrend
Sorry, ich hatte es aus dem Gedächtnis aufgerundet. Mir war vor dem Kauf 
nur wichtig, dass es einen Filter im KHz Bereich gibt, damit ich die 
LO-Frequenz noch mit relativ kleiner Auflösung mit einem Mikrocontroller 
erzeugen kann. Bei 10.7 wäre das schon schwieriger geworden, aber bei 
450-460 dürfte es gut gehen.

von René S. (thebit)


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Felix U. schrieb:
> Warum nimmt man nicht einfach die gleiche ZF für AM und FM? Dann würde
> man sich einen Filter sparen.

Damit das alles funktioniert darf auf den genbutzten ZF Frequenzen und 
in deren Näher kein Leistungstarke Sender betrieben werden. Daher hat 
man sich international auf einge ZF Bereiche geeinigt. Zudem sollte der 
Oszillator auch etwa in dem Empfangsband schwingen. Auch wenn das Gerät 
noch so gut geschirmt sein sollte überall wo Frequenzen auf nichtlineare 
Kennlinien treffen entstehen Mischprodukte und die Mischprodukte bilden 
untereinander sowie mit den Ursprungsfrequenzen wieder Mischprodukte. 
Alles in allem neben dem gewünschten Mischprodukt noch viel 
ungewünschtes. Zudem ist FM viel später als AM entwickelt worden und 
eine ZF von 455 kHz ist für FM nicht zu gebrauchen.

Wenn du dich mal in Empfangstechnik einliest wirst du feststellen das es 
jede Menge ZF Bereiche gibt.
Beispiel Analoges Fernsehen:
Bild ZF: 38,9MHz
Ton1: Bild-ZF - 5,5 MHZ
Ton2: Bild-ZF - 5,74 Mhz
Pal Farbhilfsträger: Bild-ZF + 4,43 Mhz

Gruß René

von Possetitjel (Gast)


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Felix U. schrieb:

> Warum nimmt man nicht einfach die gleiche ZF für AM
> und FM? Dann würde man sich einen Filter sparen.

Das geht nicht sinnvoll:

1. Die Bandbreite ist zu verschieden. AM 9kHz, FM ca.
   200kHz (!).
2. Spiegelselektion. Wenn auf UKW ein Sender auf 90.0MHz
   empfangen wird, schwingt der Lokaloszillator auf 100.7MHz.
   Es würde bei dieser Einstellung auch ein Sender auf
   111.4MHz empfangen werden (weil 111.4-110.7 = 10.7 ist);
   das muss die Vorselektion (abgestimmter HF-Vorkreis)
   verhindern. Bei 10.7MHz ZF ist der Abstand der Spiegel-
   frequenzen 21.4MHz, das ist machbar. Bei 455kHz ZF wäre
   der Abstand nur knapp 1MHz; das ist (war) nicht sinnvoll
   machbar.

Der Frequenzfahrplan eines Superhet ist nicht so einfach,
wie er auf den ersten Blick aussieht :)

> Possetitjel schrieb:
>> Wenn Deine Beobachtung, dass der Drehko vier Platten-
>> pakete hat, richtig ist, dann gehort im Plan C211 auch
>> noch rot markiert. C211 bildet dann mit L204/L205 einen
>> abgestimmten HF-Vorkreis.
>
> Ah ja, ich hatte den vierten schon gesucht.

:-)

> Jetzt nochmal zur Impedanzanpassung: Woher kennt man denn die
> Ausgangsimpedanz der Antenne

Naja, wirksam werden wird die Impedanz des HF-Vorkreises. Das
kann man über L/C-Verhältnis und Spulengüte schon recht
brauchbar abschätzen (Resonanzwiderstand).

> und die Eingangsimpedanz des ICs (im Datenblatt steht sie
> zumindest nicht)?

Ich bin jetzt zu faul, im DaBla nachzusuchen, aber das kann
man in der Regel auch wenigstens brauchbar abschätzen.
Zumindest Bipolartransistoren verhalten sich ziemlich
berechenbar :)

> Hat man das mit einem Netzwerkanalysator gemessen und dann
> die Wicklungen mit der Wurzel des Impedanzverhältnisses
> ausgelegt? Oder reicht es da, grob zu sagen, dass die Antenne
> wohl einen relativ hohen Ausgangswiderstand hat, und man
> deshalb runtertransformieren muss?

Ja, wohl irgendwie beides. Das hängt von der Frequenz und dem
Jahrzehnt ab :)

Mein Vater erzählt mir immer wieder von den Zeiten, als in
der Bauanleitung der Hinweis stand, dass dieser Transistor
wohl nicht im gesamten Mittelwellenband schwingen wird.
Heutzutage hat ein ausgesprochener NF-Transistor wie der
BC547 eine Transitfrequenz von 150MHz und mehr.

Bei (im Vergleich zur Transitfrequenz) niedrigen Frequenzen
kann man einfach mit den DC/NF-Werten bzw. den Werten rechnen,
die sich aus theoretischen Betrachtungen der Halbleiterphysik
ergeben. Kommt man in die Nähe der Transitfrequenz, sind
natürlich Messungen notwendig. Bei Mikrowellentransistoren
findet man die auch im Datenblatt.

Abgesehen davon genügt es in den meisten Fällen, die richtige
Impedanz wenigstens UNGEFÄHR zu erwischen. Selbst doppelte
oder halbe Impedanz bewirken nur 10% Leistungsverlust; so
kritisch ist das nicht. Man sollte eben nur nicht um
Faktor 10 danebenliegen.

von Felix U. (ubfx)


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Hi!

Danke nochmal für eure Antworten bisher, das hat mich im Verständnis 
schon um einiges weitergebracht. Ein paar Fragen habe ich allerdings 
noch.

Possetitjel schrieb:
> Zumindest Bipolartransistoren verhalten sich ziemlich
> berechenbar :)

Was ich mich schon häufiger bei HF-Schaltungen gefragt habe: Wenn die 
Eingangsimpedanz zu niedrig ist, warum setzt man nicht noch einfach eine 
Kollektorschaltung davor, die Stromverstärkung dürfte da ja sehr gelegen 
kommen. Oder ist da die Eingangsimpedanz bei einigen MHz durch die 
Basiskapazitäten auch schon zu klein?

Und zur Impedanzanpassung allgemein: Ist die übertragene Leistung in der 
Eingangsstufe wirklich ein Argument? Wäre bei einem Bipolartransistor am 
Eingang nicht vielleicht sogar eine "Stromanpassung" besser geeignet um 
einen hohen Pegel zu erreichen? Ich frage das im Hinblick auf das RFID 
Projekt weil ich vermute, dass bei LF (~100KHz) Reflexionen eher keine 
Rolle spielen.

> Heutzutage hat ein ausgesprochener NF-Transistor wie der
> BC547 eine Transitfrequenz von 150MHz und mehr.

Aber schon bei ~10 MHz kriege ich damit kaum noch was verstärkt was 
nicht eine sehr niedrige Quellenimpedanz hat.

von Possetitjel (Gast)


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Felix U. schrieb:

> Was ich mich schon häufiger bei HF-Schaltungen gefragt
> habe: Wenn die Eingangsimpedanz zu niedrig ist,

Wofür "ZU" niedrig?

Bei HF läuft das in der Regel andersherum: Wenn Du ein
Signal auf einer Leitung von Punkt A zu Punkt B bringen
willst, ist der Wellenwiderstand dieser Leitung das Maß
aller Dinge.

Im übertragenen Sinne gilt das auch für konzentrierte
Baugruppen wie LC-Filter oder Verstärkerstufen: Die
vorige Stufe hat eine Ausgangsimpedanz, die folgende
eine Eingangsimpedanz. Wenn die zu weit auseinanderliegen,
wird es Mist, weil durch die Fehlanpassung Ärger entsteht.

Man ist innerhalb einer Baugruppe (d.h. auf derselben
Leiterplatte) natürlich nicht gezwungen, alles auf
50.0 Ohm auszulegen -- aber über Anpassung zwischen
Ausgang der einen und Eingang der nächsten Stufe sollte
man sich schon Gedanken machen.

> warum setzt man nicht noch einfach eine Kollektorschaltung
> davor, die Stromverstärkung dürfte da ja sehr gelegen
> kommen.

Im Prinzip geht das; wird teilweise auch gemacht. Praktisch
hat es häufig mehr Nach- als Vorteile. Beispiele:

Am Empfängereingang ist das nicht günstig, weil die Kollektor-
stufe rauscht, aber relativ wenig Leistungsverstärkung liefert.
Es ist im Regelfall besser, entweder die Quellimpedanz zu
transformieren (Übertrager, Schwingkreis) oder einen FET zu
verwenden.

Bei der Kopplung einzelner Stufen bzw. Baugruppen innerhalb
eines Gerätes hat man häufig andere Möglichkeiten. Bei
Selektivverstärkern mit LC-Kreisen kann man die Schwingkreise
so auslegen (Anzapfungen), dass sie eine Impedanztransformation
vornehmen. Man spart sich die zusätzlichen Verstärkerstufen und
damit ihr Rauschen und ihre Verzerrungen.

Bei allen Verstärkerstufen (also auch bei Breitbandverstärkern)
hat man die Möglichkeit, die Ein- und Ausgangsimpedanz über
die - ohnehin notwendige - Gegenkopplung zu beeinflussen.

Radios für Hörrundfunk sind hier schlechte Beispiele, weil
die häufig auf die allerbilligste denkbare Weise konstruiert
sind :)
Zu den wenigen echten Vorteilen der diskreten Schaltungstechnik
gehört die Möglichkeit, Stufen lokal gegenzukoppeln. Das macht
sich drastisch in allen Vierpolparametern bemerkbar; der
Eingangswiderstand lässt sich - je nach Wunsch - vergrößern
oder absenken, die Ausgangsimpedanz wird in der Regel verringert.

> Oder ist da die Eingangsimpedanz bei einigen  MHz durch
> die Basiskapazitäten auch schon zu klein?

Ja, im Prinzip richtig.

Der Punkt ist: IRGENDEINEN Wellenwiderstand hat man immer.
Es gilt aber R² = L/C

Folge: Bei sehr hochohmigen HF-Schaltungen stört jedes
Picofarad Streukapazität wie verrückt; bei sehr nieder-
ohmigen HF-Schaltungen hat jedes Nanohenry katasrophale
Wirkung.
Man fährt in der Praxis am besten, wenn man die NF-Denkweise
"möglichst hochohmig" aufgibt und eine sinnvolle Bezugs-
impedanz wählt, in der Regel einige Hundert bis Tausend Ohm.

Nur wenn das Signal über ein Kabel muss, ist man auf den
Wellenwiderstand verfügbarer Kabel festgelegt (wobei es
auch dort Tricks gibt).

> Und zur Impedanzanpassung allgemein: Ist die übertragene
> Leistung in der Eingangsstufe wirklich ein Argument?

Kommt auf die Anwendung an. Bei bekannter reeller Quellimpedanz
ist das normalerweise so, ja.

> Wäre bei einem Bipolartransistor am Eingang nicht vielleicht
> sogar eine "Stromanpassung" besser geeignet um einen hohen
> Pegel zu erreichen? Ich frage das im Hinblick auf das RFID
> Projekt weil ich vermute, dass bei LF (~100KHz) Reflexionen
> eher keine Rolle spielen.

Kannst Du das mal bitte etwas genauer darstellen?

(Nur ein kurzer Einwurf: Stromsteuerung beim Bipolartransistor
ist fast immer akademisch.)

>> Heutzutage hat ein ausgesprochener NF-Transistor wie der
>> BC547 eine Transitfrequenz von 150MHz und mehr.
>
> Aber schon bei ~10 MHz kriege ich damit kaum noch was
> verstärkt was nicht eine sehr niedrige Quellenimpedanz hat.

Klar -- weil man BiPos spannungsgesteuert betreibt, wenn man
nennenswerte Frequenzen hat. Stromsteuerung ist akademische
Fiktion.

Davon abgesehen: Definiere "sehr niedrig" :)

Wie schon mehrfach gesagt: Im praktischen Aufbau sind IMMER
irgendwelche Blindleitwerte vorhanden, kapazitive wie
induktive. Deren Größe lässt sich aufgrund von Erfahrung
oder notfalls Simulation abschätzen.
Wenn Du R = Wurzel(L/C) ausrechnest, kommt typischerweise
ein Wert zwischen 10 und 1000 Ohm heraus. Das ist dann der
Wellenwiderstand, auf den Du das ganze Bauwerk auslegen
solltest, weil sich dort kapazitive und induktive Blind-
anteile die Waage halten :)

von Felix U. (ubfx)


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Guten Morgen,

Danke für deine ausführliche Antwort.

Possetitjel schrieb:
>> Wäre bei einem Bipolartransistor am Eingang nicht vielleicht
>> sogar eine "Stromanpassung" besser geeignet um einen hohen
>> Pegel zu erreichen?
>
> Kannst Du das mal bitte etwas genauer darstellen?
>
> (Nur ein kurzer Einwurf: Stromsteuerung beim Bipolartransistor
> ist fast immer akademisch.)

Bei genauerem Überlegen macht es auch wenig Sinn, da Strom und Spannung 
ja über die exponentielle Eingangskennlinie verknüpft sind. Um auf 
dieser Kennlinie einen hohen Strom zu erreichen, ist der beste Weg also 
Spannung und Strom im Verhältnis des differenziellen 
Arbeitspunktwiderstands zu liefern. Und das ist dann (zumindest 
kleinsignaltechnisch) die Eingangsimpedanz.
Mir geistert nur nach wie vor die Tatsache im Kopf herum, dass man im 
Audiobereich ja Spannungsanpassung verwendet.

>>> Heutzutage hat ein ausgesprochener NF-Transistor wie der
>>> BC547 eine Transitfrequenz von 150MHz und mehr.
>>
>> Aber schon bei ~10 MHz kriege ich damit kaum noch was
>> verstärkt was nicht eine sehr niedrige Quellenimpedanz hat.
>
> Klar -- weil man BiPos spannungsgesteuert betreibt, wenn man
> nennenswerte Frequenzen hat. Stromsteuerung ist akademische
> Fiktion.
Das Phänomen könnte man aber auch mit der Stromsteuerung erklären, die 
hohen Quellenimpedanzen verhalten sich wie Worwiderstände und senken so 
den Eingangsstrom.

Felix U. schrieb:
> In dem Schaltplan stand IF 459KHz/10.7MHz.

Plot Twist: Auf dem Filter steht "460A", was wohl ein Hinweis darauf 
sein könnte, dass er doch 460 KHz Mittenfrequenz hat. Ich habe mal das 
Frequenzverhalten angehängt (1 KHz / DIV, Maximum bei 459-460). Er 
scheint in etwa 20dB Einfügedämpfung und eine 3dB-Bandbreite von 
2800-3000Hz zu haben. Ich denke das wäre mit LC-Filtern ziemlich 
aufwendig geworden.

Viele Grüße

von nachtmix (Gast)


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Felix U. schrieb:
>> Heutzutage hat ein ausgesprochener NF-Transistor wie der
>> BC547 eine Transitfrequenz von 150MHz und mehr.
>
> Aber schon bei ~10 MHz kriege ich damit kaum noch was verstärkt was
> nicht eine sehr niedrige Quellenimpedanz hat.

Das ist auch richtig so.
Die fT ist die Frequenz, bei der die Stromverstärkung in 
Emitterschaltung auf 1 abgefallen ist.
De Transistor kann dennoch dort Leistungsverstärkung haben und 
schwingen, weil die Ausgangsimpedanz wesentlich größer ist, als die 
Eingangsimpedanz.

Hinzu kommt, dass die fT normalerweise keine gemessene Größe ist, 
sondern bei niedriger Frequenz, z.B. 1kHz, gemessen wird und dann anhand 
des Verstärkungsabfalls über die Frequenz extrapoliert wird.
Für den Verstärkungsabfall mit der Frequenz sind die 
Transistorkapazitäten maßgeblich verantwortlich, und man kann sich 
leicht überlegen, dass die Ströme durch diese Kapazitäten sich bei einer 
Verdoppelung der Frequenz auch verdoppeln.
Auf diese Weise sinkt die nach aussen sichtbare Stromverstärkung mit der 
Frequenz.

Die hohen fT-Werte der NF-Transistoren beruhen hauptsächlich auf den 
sehr hohen Stromverstärkungswerten dieser Transistoren, die jedoch wegen 
der großen internen Kapazitäten mit der Frequenz rasch abfallen.
Die fT-Werte von echten HF-Transistoren liegen oft gar nicht einmal viel 
höher, aber dahinter verbergen sich geringere Kapazitäten und geringere 
Stromverstärkungswerte.
Auf diese Weise sinkt die Verstärkung eines HF-Transistors mit der 
Frequenz weitaus weniger ab, als das bei einem NF-Transistor der Fall 
ist.

Beispielsweise wird für den NF-Transistor BC548C die fT = 300MHz 
angegeben, während beim BF420 die fT nur 60MHz beträgt.
Unterschiedlich sind auch die Stromverstärkungen, die beim BC548C 
mindestens 420 beträgt, während sie beim BF420 nur 50 beträgt.
Die wichtige Kollektor-Basis-Kapazität ist beim BC mit bis zu 4,5pF 
angegeben, während sie beim BF420 nur 1,6pF beträgt.

Der BF420 wurde für die Ansteuerung von Fernsehbildröhren verwendet und 
muß in dieser Anwendung max. 5MHz verarbeiten.
Seine Verstärkung sollte von DC bis zu dieser Frequenz möglichst 
konstant sein.

Nun wollen wir einmal schauen, welcher der beiden  Transistoren den 
besseren Frequenzgang liefert:
Wie ich schon schrieb, beträgt bei fT die Verstärkung 1 und die 
Spannungsverstärkung verdoppelt sich mit jeder Halbierung der Frequenz.
Für die beiden Transistoren ergeben sich dann folgende Abhängigkeiten 
der Verstärkung von der Frequenz:
1
f[MHz]   BC548  BF420 
2
300        1      -
3
150        2      -
4
75         4      -
5
60                1
6
7
32,5       8      
8
30                2
9
10
16         16
11
15                4
12
13
8          32     
14
7,5               8  von hier an unterscheiden sich die Frequenzen nur noch unwesentlich, und ich setze sie daher gleich:
15
4         64      16  (!) 
16
2         128     32
17
1         256     50  von hier an ändert sich die Verstärkung des BF420 nicht mehr!
18
0,5       512     50
19
erst bei noch tieferen Frequenzen ändert sich auch die Verstärkung des BC548 nicht mehr.

Wie man sieht, ist der hinsichtlich Verstärkung und fT scheinbar 
schlechtere Transistor dem NF-Typ mindestens ebenbürtig und hinsichtlich 
der Konstanz der Verstärkung sogar überlegen.
Im interessierenden Frequenzbereich ändert sich die Verstärkung des BF 
nur etwa um den Faktor 3, während sie sich beim BC um den Faktor 8 
ändert.


Die obige Betrachtung ist natürlich stark vereinfacht und bietet auch 
einige theoretische Angriffspunkte, aber ich denke, dass sichtbar 
geworden ist, weshalb ein NF-Transistor mit hoher fT oft eben kein guter 
HF-Transistor ist.

von michael_ (Gast)


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nachtmix schrieb:
> Die wichtige Kollektor-Basis-Kapazität ist beim BC mit bis zu 4,5pF
> angegeben, während sie beim BF420 nur 1,6pF beträgt.

Und das ist oft wichtiger, als Grenzfrequenz oder Stromverstärkung.
Natürlich kann man heute mit einen NF-Universaltransistor alles 
erschlagen, was vor 40 Jahren ausgesuchte Exemplare benötigte.

Und die Stromverstärkung ist bei HF auch oft nicht wichtig.
Deshalb wurden in UKW-Tunern Transistoren in Basisschaltungen 
eingesetzt, wo eine hohe Spannungsverstärkung vorhanden ist. Bei relativ 
niedriger fT.

von nachtmix (Gast)


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michael_ schrieb:
> Und die Stromverstärkung ist bei HF auch oft nicht wichtig.
> Deshalb wurden in UKW-Tunern Transistoren in Basisschaltungen
> eingesetzt, wo eine hohe Spannungsverstärkung vorhanden ist.

Vielleicht sollte man für Anfänger noch erwähnen, dass die 
Stromverstärkung in Basisschaltung sogar stets kleiner als 1 ist!

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