Forum: Offtopic Modchips & CE, WEEE


von Fynn P. (fynn23)


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Hey Leute,
wieder eine Frage zur EU-Regulation und deren Edge-Cases:

Ich entwickle zurzeit einen "Modchip" der die günstigen P-Touch 
Labeldrucker dazu befähigen soll, über WiFi Eingaben anzunehmen. Das 
ganze funktioniert, indem ein FlexPCB an die Verbindungsstelle zwischen 
Hauptplatine und Tastaturplatine angelötet wird. So können dann Eingaben 
auf der Tastaturmatrix vorgegaukelt werden, ohne die normale 
Tastatureingabe dabei zu beschädigen.
Das ganze basiert auf einem ESP32 der auf einem Flex PCB sitzt.
Die Eingabe könnte so aussehen, dass der ESP32 einen WiFi Hotspot 
startet und man dann Eingaben per Webformular macht. Alternativ könnte 
man Apps bauen, Netzwerkdruckprotokolle implementieren, etc...

Proof of work mit einzelnen Eingaben hat schon geklappt und das erste 
Set PCBs von Oshpark ist gerade auf dem Weg zu mir.
Sobald es spruchreif ist, postiere ich hier auch noch mal einen Link zum 
Code- und Kicad-Repo unter freier Lizenz.

Ich würde, falls möglich, diesen "Modchip" auch selbst vertreiben, 
ähnlich wie z.B. das FHD Modkit für den x220 von Nitrocaster. [1]

Soweit ich weiß, sitzt der aber z.B. in Russland und muss sich herzlich 
wenig Gedanken über EU-Gesetze machen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, kann die Maschinenrichtlinie und 
auch das ElektroG hier nicht unbedingt angewendet werden und ich müsste 
keine CE-Kennzeichnung machen, da es sich um eine seperat verkaufte 
Komponente handelt, die der Kunde eben noch selbst anlöten und ggf auch 
flashen muss.

Wie sieht es aber z.B. mit WEEE aus? Und muss ich noch irgendwas anderes 
(regulatives) beachten, wenn ich so ein Kit verkaufen will?

[1] https://nitrocaster.me/store/x220-x230-fhd-mod-kit.html

: Verschoben durch Moderator
von MaWin (Gast)


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Fynn P. schrieb:
> Und muss ich noch irgendwas anderes (regulatives) beachten, wenn ich so
> ein Kit verkaufen will?

Du verkaufst kein Gerät und auch keine laieninstallierbare Erweiterung 
für ein Gerät.
Du brauchst kein WEEE weil dein Teil zusammen mit dem P-Touch 
weggeschmissen wird, dein Teil enthält keinen Motor also entfällt eine 
Betrachtung der Maschinenrichtlinie (nicht ganz, es könnte den Motor des 
P-Touch zu unpassenden Gelegenheiten in Betrieb setzen, das solltest du 
verhindern).
Offiziell müsstest du prüfen, ob der Einbau deines Teils das EMV 
Verhalten der Kiste verschlechtert.

Fynn P. schrieb:
> über WiFi

Aber jetzt kommt der Hammer: du rüstet Funk nach.
Vergiss es.
Ganz grosses VERGISS ES
Es ist nicht deine Intelligenz, die dazu führt, dass du der erste bist, 
der so was anbietet, sondern die Erfahrung der klügeren Konkurrenten, 
dass die nötigen Prüfungen nach RED sich für so geringe Stückzahlen 
niemals amortisieren.

Denn es nützt dir nichts, wenn dein WLAN Modul schon ein CE hat und nach 
RED geprüft wurde, es muss das ganze Gerät mit eingebautem Modul nach 
RED geprüft werden, so 5000 EUR pro Durchlauf.

Einfach nur die Platine ohne WLAN Modul zu verkaufen geht, dann obliegt 
der Test des Gesamtgerätes dem Kunden, macht aber die Kundenbasis noch 
kleiner. Belass es als open source Projekt, es ist damit kein Geld zu 
verdienen.

von F. M. (foxmulder)


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MaWin schrieb:
> Denn es nützt dir nichts, wenn dein WLAN Modul schon ein CE hat und nach
> RED geprüft wurde, es muss das ganze Gerät mit eingebautem Modul nach
> RED geprüft werden, so 5000 EUR pro Durchlauf.

Woher kommen immer diese absurden Preise für EMV und RED Tests?
Wo lasst ihr die machen? Bei Boeing?

Normaler EMV/RED Test für Industriegeraffel kostet hier ca. 1-2k.

von Helge (Gast)


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Ja ähm. Es soll doch nur eine Art Bausatz verkauft werden. Es läuft 
dabei doch niemals das Gerät mit Einbau übern Ladentisch. Also kann das 
doch gar nicht testbar sein?

von Μαtthias W. (matthias) Benutzerseite


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F. M. schrieb:
> MaWin schrieb:
>> Denn es nützt dir nichts, wenn dein WLAN Modul schon ein CE hat und nach
>> RED geprüft wurde, es muss das ganze Gerät mit eingebautem Modul nach
>> RED geprüft werden, so 5000 EUR pro Durchlauf.
>
> Woher kommen immer diese absurden Preise für EMV und RED Tests?
> Wo lasst ihr die machen? Bei Boeing?
>
> Normaler EMV/RED Test für Industriegeraffel kostet hier ca. 1-2k.

Wo ist hier? RED mit welcher Art von Funk?

von Soul E. (Gast)


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F. M. schrieb:

> Normaler EMV/RED Test für Industriegeraffel kostet hier ca. 1-2k.

Rechne 250 Euro pro Stunde Hallenzeit. Messen geht mittlerweile schnell, 
FFT sei Dank. Aufbauen dauert, und die Menge der ggf notwendigen 
Prüflingspositionen macht auch was aus.

von MaWin (Gast)


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F. M. schrieb:
> Normaler EMV/RED Test für Industriegeraffel kostet hier ca. 1-2k.

Normaler EMV sicherlich  wäre sogar grosszügig, aber RED (egal ob für 
WLAN oder GSM), das möchte ich sehen, das nehm ich dir nicht ab.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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F. M. schrieb:
> Normaler EMV/RED Test für Industriegeraffel kostet hier ca. 1-2k.
Mitsamt der nötigen Doku? Oder nur "um zu wissen was geht"?

Helge schrieb:
> Es soll doch nur eine Art Bausatz verkauft werden. Es läuft
> dabei doch niemals das Gerät mit Einbau übern Ladentisch. Also kann das
> doch gar nicht testbar sein?
Dann muss es der Kunde, der es einbaut, testen lassen, weil er ja mit 
diesem Modul eine Funkanlage baut. Das solltest du ihm sagen. Nur für 
den Fall.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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MaWin schrieb:
> Denn es nützt dir nichts, wenn dein WLAN Modul schon ein CE hat und nach
> RED geprüft wurde, es muss das ganze Gerät mit eingebautem Modul nach
> RED geprüft werden

Das stimmt mit dieser Absolutheit auch wieder nicht.

> Belass es als open source Projekt, es ist damit kein Geld zu
> verdienen

Dem würde ich mich dennoch anschließen.

von Μαtthias W. (matthias) Benutzerseite


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Jörg W. schrieb:
> MaWin schrieb:
>> Denn es nützt dir nichts, wenn dein WLAN Modul schon ein CE hat und nach
>> RED geprüft wurde, es muss das ganze Gerät mit eingebautem Modul nach
>> RED geprüft werden
>
> Das stimmt mit dieser Absolutheit auch wieder nicht.

Da würde ich gerne mehr wissen :-)
Ich habe ein (WLAN/LTE)Modul das "vorzertifiziert" ist. Ich habe also 
Dokumentation die angibt wie das Modul getestet wurde (z.B. mit welcher 
externen Antenne). Das Modul verbaue ich jetzt (per Auflöten auf eine 
eigene LK) in mein eigenes Gerät. Was muss denn da noch genau nach RED 
gemessen werden? Wir haben selbst von Laboren unterschiedliche Aussagen 
gehört.

Matthias

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Μαtthias W. schrieb:
> Wir haben selbst von Laboren unterschiedliche Aussagen gehört.

Das ist eigentlich das Hauptproblem dabei. ;-)

Prinzipiell erklärst du erst einmal die Konformität, und du muss 
natürlich für diese Erklärung irgendwelche Belege haben. Irgendwo muss 
da auch mal eine "benannte Stelle" gemessen haben. Es ist aber eben gar 
nicht so explizit, dass du jedesmal auch alles messen lassen musst (FCC 
ist da strikter, aber selbst die haben mittlerweile Möglichkeiten 
geschaffen, dass man nicht unbedingt immer alles messen muss). Du musst 
natürlich im Zweifelsfalls schlüssig nachweisen können, dass du 
gegenüber den Bedingungen, unter denen mal die Messung gemacht worden 
ist, auf keinen Fall etwas zum Ungünstigeren verändert hast. Schon eine 
blöde Antennenanordnung kann ja da etwas ändern, wenn nicht sowieso in 
jeglicher Hinsicht genug Spielraum da war (bspw. indem eine Antenne die 
Oberwellen stärker abstrahlt als gewünscht).

Eine ganz andere Sache ist allerdings die EMV-Messung, also Abstrahlung 
jenseits der gewünschten Aussendung (durch all deine Digitallogik) sowie 
Einstrahlfestigkeit. Vermutlich brauchst du eine gute Messausrüstung und 
viel Erfahrung, um dort mit völliger Sicherheit eine Komformität 
erklären zu können, ohne noch ein Messlabor aufzusuchen.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Aber wie du schon festgestellt hast, manches daran ist etwas schwammig. 
Das dürfte dazu führen, dass man bei kommerzieller Fertigung bei einer 
Kosten-Risiko-Analyse schnell zu dem Schluss kommt, lieber gleich alles 
nochmal messen zu lassen. Die Kosten dafür kannst (und musst) du ja auf 
dein Produkt umlegen und dir von deinen Kunden letztlich bezahlen 
lassen. Irgendwelche Ordnungsstrafen oder Produkt-Rückrufkosten bei sich 
herausstellender Nichtkonformität dagegen zahlst du aus der eigenen 
Tasche.

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