Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik IC-Temperaturbereiche


von Franzi (Gast)


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Hallo Leute,

ich habe versucht mir ein paar Frage selbst zu beantworten und habe die 
Hoffnung, das mir vielleicht der/die eine oder andere diese Aussage 
bestätigen oder widerlegen kann.

Und jetzt die eigentliche Fragestellung:
Viele Halbleiter (z.B. OPs und Co) werden für unterschiedlichen 
Temperaturbereiche verkauft, 0 bis +70, -40 bis +85 und -40 bis +125 
(alles in °C) um nur ein paar zu nennen.

Erste Annahme:
Ich kann mir nicht vorstellen, das vom identischen Chip drei 
unterschiedliche Designs angefertigt werden (als Beispiel TLC2262 
https://www.ti.com/lit/ds/symlink/tlc2262.pdf - der sogar in 4 Stufen 
angeboten wird). Daher ist meine erste Annahme, das die Chips nach 
Offset/Drifft/... selektiert werden. Je besser diese sind, um so höher 
kann die temperaturspanne gesetzt werden, in denen sie "vernünftig" 
funktionieren.
Ein Widerspruch ist hier allerdings, das ich mir nicht vorstellen kann, 
das jede Chip-Lot so genau getestet werden kann - das wäre ja viel zu 
teuer weil es nahezu eine 100% Testabdeckung entspricht.
Erweitere erste Annahme wäre, das einige Lots auf speziell darauf 
selektiert werden, die höchste Güte zu erfüllen, alles was durchfällt 
landet dann in den niedrigeren Güten die an sich nicht selektiert werden 
(keine Tests = billiger).

Zweite Annahme:
Der Verguss bzw. das Gehäuse wird für unterschiedliche 
Temperaturbereiche eine andere Zusammensetzung haben. z.B. 
Hochtemperatur Epoxy und/oder ein höheren Glasanteil bei höheren 
Temperaturspannen - das Die ist dann ggf. das selbe (wie in den unteren 
Qualitätsstufen/Güten) oder speziell ausselektiert.

Dritte Annahme:
Das Bonding wird vermutlich ein anderes bei der obersten Güte sein wie 
z.B. das klassische Gold. - bei den anderen Stufen reicht vermutlich 
Kupfer (ich meine TI macht das so) oder vielleicht sogar Alu?

Stimmen meine Vermutungen und Herleitungen in Ansätzen?

von Wolfgang R. (Firma: www.wolfgangrobel.de) (mikemcbike)


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Franzi schrieb:
> Daher ist meine erste Annahme, das die Chips nach
> Offset/Drifft/... selektiert werden. Je besser diese sind, um so höher
> kann die temperaturspanne gesetzt werden, in denen sie "vernünftig"
> funktionieren.

ist auch mein Kenntnisstand.

von MaWin (Gast)


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Franzi schrieb:
> Stimmen meine Vermutungen

Für 70 bis 125 schon, derselbe Chip, und verlangt der Kunde 125 wird 
jeder zugesicherte Grenzwert bei 125 getestet und der Ausschuss der den 
Test nicht besteht eben als 70er verkauft. Daher sind 125 teurer, 
Testaufwand und Ausschuss muss nezahlt werden, aber nicht jeder 70 Grad 
Chip wird Ausschuss sein, manch einer würde auch bei 125 korrekt 
arbeiten, er wurde nur nie getestet.

Bei 175 oder gar 300 GradC ist zumindest das Gehäuse anders, oft aber 
auch der Chip speziell und wäre viel zu teuer um ihn als simplen 70 
GradC Chip zu verkaufen.

von asd (Gast)


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Früher war das Gehäuse des Chips anders: Teures Keramikgehäuse für -55 
bis +125°C. Billiges Plastik für 0-70°C
Heute geht alles mit Plastik, so dass der Unterschied nicht mehr so 
augenfällig ist.

von Asdf Q. (Gast)


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Franzi schrieb:

> (...) Daher ist meine erste Annahme, das die Chips nach
> Offset/Drifft/... selektiert werden. Je besser diese sind, um so höher
> kann die temperaturspanne gesetzt werden, in denen sie "vernünftig"
> funktionieren.

Echtes Binning macht man nur bei sehr teuren Bauteilen. Alles andere 
wird bei Grenzbedingungen geprüft (z.B. 125°C) und was nicht besteht 
wird verworfen (und nicht nochmal bei niedrigerer Temperatur 
nachgeprüft).

So kann auch ein 70°C-Bauteil bei 125°C funktionieren -- man hat es bloß 
nicht geprüft.

Das gilt auch für Ausstattungsvarianten. Der 64k-Controller ist meist 
ein 128k-Controller, dessen restlicher Speicher nicht geprüft wurde. Es 
ist fast nie ein 128k-Controller, dessen restlicher Speicher defekt ist 
-- echtes Binning macht man nur bei sehr teuren Bauteilen. Desktop CPUs 
(AMD Ryzen, Intel Core) und GPUs werden tatsächlich einzeln auf ihre 
Grenzen hin geprüft und dann entsprechend einsortiert.


> Erweitere erste Annahme wäre, das einige Lots auf speziell darauf
> selektiert werden, die höchste Güte zu erfüllen, alles was durchfällt
> landet dann in den niedrigeren Güten die an sich nicht selektiert werden
> (keine Tests = billiger).

Auch das kommt vor -- Binning anhand von Prozesskontrollparametern, und 
dann innerhalb eines Bins siehe oben.


> Zweite Annahme:
> Der Verguss bzw. das Gehäuse wird für unterschiedliche
> Temperaturbereiche eine andere Zusammensetzung haben.

Auch das kommt vor, wobei die Gehäuse bzw der Vorgang des Packaging 
heute meist zugekauft wird. Marktführer ist Amkor Packaging.

> Dritte Annahme:
> Das Bonding wird vermutlich ein anderes bei der obersten Güte sein wie
> z.B. das klassische Gold. - bei den anderen Stufen reicht vermutlich
> Kupfer (ich meine TI macht das so) oder vielleicht sogar Alu?

Selten, kommt aber auch vor. Heute stellt man von Gold auf Kupferdrähte 
um, und HighRel bleibt da schonmal bei Gold und Keramik, wo Consumer und 
Automotive auf Kupfer und Epoxy läuft.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Ich denke um Null Grad herum kann es vor allem im Auto Probleme geben, 
ein häufiger Wechsel von Eis und Wasser wenn der Kunststoff Risse hat. 
Wird der billigste Kram nicht erst über 5°C spezifiziert?

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