Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verlauf Stromverbrauch messen


von Sebastian W. (wangnick)


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Liebe Leute,

ich möchte den Verlauf des Stromverbrauchs einer Niedervolt-Schaltung 
bzw. eines Geräts über mehrere Minuten aufzeichnen. Die Stromaufnahme 
des zur Zeit untersuchten Geräts schwankt, bei 6V Versorgung, zwischen 
unter 100uA und 1,5A. Ich habe ein Saleae Pro mit Analogeingängen ±10V 
und 5mV Auflösung. Zur Zeit messe ich den Spannungsabfall über einen 
100mΩ Shuntwiderstand, bekomme damit den uA-Bereich aber nur extrem grob 
aufgelöst.

Wie geht ihr bei so etwas vor? Kennt jemand ein Vorsatzgerät zur 
Strommessung, das gleichzeitig mehrere Ausgänge bereitstellt, z.B. 
1V/A und 1V/mA, so dass man mit zwei Analogkanälen sowohl größere Ströme 
(gröber) als auch kleinere Ströme (feiner) messen und aufzeichnen kann?

LG, Sebastian

von Michael B. (laberkopp)


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Sebastian W. schrieb:
> Wie geht ihr bei so etwas vor?

100uA an 0.1 Ohm sind 10uV, das kann man messen, aber kaum mit 1% 
Genauigkeit, denn das wäre eine 100nV genaue Messung.

Du musst dir also erst mal Überlegen, welche Genauigkeit und welche 
Auflösung du möchtest.

Dann solltest du erahnen können, dass du nicht der Erste bist, der so 
was messen will, und nachschlagen, wie andere das machen. Selbst hier im 
Forum gibt es alle paar Monate einen thread darüber (bloss wie findet 
man die...).

Üblicherweise nimmt man einen Kondensator aus dem die Schaltung ihren 
Strom bezieht, und lädt ihn so nach, dass seine Spannung sich nur wenig 
ändert. Damit hat man schnelle Stromwechsel, schneller als man messen 
kann, eliminiert, und kann den shunt und seinen Spannungsabfall VOR die 
Stelle mit nahezu konstanter Versorgungsspannung legen.

von Christian H. (ch-hunn)


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Michael B. schrieb:

> Üblicherweise nimmt man einen Kondensator aus dem die Schaltung ihren
> Strom bezieht, und lädt ihn so nach, dass seine Spannung sich nur wenig
> ändert. Damit hat man schnelle Stromwechsel, schneller als man messen
> kann, eliminiert, und kann den shunt und seinen Spannungsabfall VOR die
> Stelle mit nahezu konstanter Versorgungsspannung legen.

So wird aber nur die mittlere Stromaufnahme gemessen, nicht aber deren 
Verlauf, wie es der TE möchte…

von Εrnst B. (ernst)


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Sebastian W. schrieb:
> bei 6V Versorgung, zwischen
> unter 100uA und 1,5A.

Hat das Gerät einen eigenen Spannungsregler, und kommt mit etwas 
lastabhängig schwankender Eingangsspannung klar?  --> Mach den Shunt 
größer.

Du kannst auch evtl. zwei unterschiedliche Shunts hintereinander setzen, 
und den für den µA-Bereich mit einer Diode überbrücken. Gibt aber etwas 
Rechnerei in der Auswertung, weil dein Saleae nur einen gemeinsamen GND 
für die Analogeingänge hat.

von Joe L. (joelisa)


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Michael B. schrieb:
> 100uA an 0.1 Ohm sind 10uV, das kann man messen, aber kaum mit 1%
> Genauigkeit, denn das wäre eine 100nV genaue Messung.

Dieser Hinweis müsste eigentlich reichen, trotzdem noch mal explizit: Es 
gibt auch "Mess-Shunts" mit z.B. 0.2Ohm, 0.5Ohm. Und man kann die 
Messspannung am Shunt per geeigneter (OP-)Schaltung auch verstärken...

Max 1.5A an 0.1Ohm, das sind gerade mal 150mV -- keine optimale 
Aussteuerung der +-10V Saleae Analogeingänge ...

von Michael B. (laberkopp)


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Christian H. schrieb:
> So wird aber nur die mittlere Stromaufnahme gemessen, nicht aber deren
> Verlauf, wie es der TE möchte…

Wenn die Stromaufnahme schneller schwankt, als du messen kannst, misst 
du auch nicht die reale Stromaufnahme.

Man muss mitteln um mitkommen zu können. Und netterweise reicht mitteln, 
man muss kein rms ermitteln.

Joe L. schrieb:
> Max 1.5A an 0.1Ohm, das sind gerade mal 150mV -- keine optimale
> Aussteuerung der +-10V Saleae Analogeingänge ...

Denken hat man dir nicht in die Wiege gelegt.
1.5A uber 0.5 Ohm macht 0.75V Spannungseinbruch, so viel wollte er 
seiner Schaltung wohl nicht zumuten.

von Helmut -. (dc3yc)


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Also ich bin mit meinem Current Ranger sehr zufrieden. Der kann von 
Nanoampere bis 3A mit Autorange messen. Current Viewer ist das 
dazugehörige Auswerteprogramm.
https://lowpowerlab.com/guide/currentranger/

von Sebastian W. (wangnick)


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Εrnst B. schrieb:
> Du kannst auch evtl. zwei unterschiedliche Shunts hintereinander setzen,
> und den für den µA-Bereich mit einer Diode überbrücken.

Das klingt interessant. Das geht sicher auch mit noch mehr überbrückten 
Shunts mit verschiedenen Werten in Reihe. Das probiere ich aus!

Helmut -. schrieb:
> Also ich bin mit meinem Current Ranger sehr zufrieden.

Den uCurrent und den CurrentRanger hatte ich schon im Blick. Also deiner 
Meinung nach sind die 180€ für den CurrentRanger gut angelegt?

LG, Sebastian

von Sebastian W. (wangnick)


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Sebastian W. schrieb:
> Das klingt interessant. Das geht sicher auch mit noch mehr überbrückten
> Shunts mit verschiedenen Werten in Reihe. Das probiere ich aus!

Anbei eine Messung. Es wird hier der Stromverbrauchsverlauf einer 
Wildkamera untersucht. Die Kamera wird hier mit 6,5V statt der 
eigentlich vorgesehenen 6V versorgt.

Die ersten 35 Sekunden nach dem Einschalten wird ein Menü angezeigt, 
dann geht die Kamera in den Bereitschaftsmodus mit sehr geringem 
Stromverbrauch von 80-200uA. Wird eine Bewegung erkannt, so wird ein 
Foto und danach ein Video von 30 Sekunden Dauer aufgezeichnet. An 
Schluss wird die Versorgungsspannung wieder ausgeschaltet.

Man kann gut in der ersten Zeile den Strompeak von ~1.1A nach der 
Bewegungserkennung sehen, in der zweiten Zeile die regulären Verbräuche 
während des Betriebs, und in der dritten Zeile die Verbräuche im 
Bereitschaftsmodus.

Während des Strompeaks fallen allerdings für einige 100us bis zu 1V an 
den beiden Dioden plus 110mV am kleinen Shunt an "burden voltage" ab. 
Dieses Gerät steckt den kurzen Einbruch weg. In anderen Fällen könnte so 
ein Ereignis schon einen Brownout auslösen, insbesonders wenn keine 
künstliche Spannungserhöhung möglich ist.

LG, Sebastian

von Joe L. (joelisa)


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Michael B. schrieb:
> Denken hat man dir nicht in die Wiege gelegt.
> 1.5A uber 0.5 Ohm macht 0.75V Spannungseinbruch, so viel wollte er
> seiner Schaltung wohl nicht zumuten.

Messtechnik ist wohl nicht so deine Stärke...

Auch 0.75V lassen sich durch einen einfachen Trick 'kompensieren'. Ein 
geeignetes (gutes) Netzteil kann das - sonst muss man da ein wenig 
nachhelfen. Braucht man aber meist nicht

Selbst der TO hat eine praktikable Lösung gefunden, siehe 
Beitrag "Re: Verlauf Stromverbrauch messen".

Die 12-bit-Auflösung (72dB) des Saleae reichen aber eh nicht: 1.5V/100uA 
verlangen schon nach 84db; will man 20uA auflösen sind es schon 98dB. Um 
2(+) Messzweige, z.B. 2(+) Verstärkerstufen für die Shunt-Spannung, 
kommt man also nicht rum. Verstärker mit 100nV "Auflösung" (um bei 
deinem Beispiel zu bleiben) sind zwar nicht trivial, aber - je nach 
Messbandbreite - beherrschbar.

just my 2ct

von Sebastian W. (wangnick)


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Joe L. schrieb:
> sonst muss man da ein wenig nachhelfen

Mein LNT hat leider keinen separaten Sense-Eingang. Wie würde denn "ein 
wenig nachhelfen" aussehen? Ein Linearregler zwischen Shunt(s) und DUT? 
Der verbraucht u.U. ja selbst auch einige uA ...

LG, Sebastian

von C-hater (c-hater)


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Sebastian W. schrieb:

> Wie geht ihr bei so etwas vor?

Man benutzt schlicht mehrere Meßkanäle mit unterschiedlicher 
"Empfindlichkeit" für dasselbe Signal.

von Wolf17 (wolf17)


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Wie kurz können da Stromimpulse auftreten? Eine 10µs 1A Nadel im 100µA 
Umfeld bräuchte schon 1µs Abtastrate für 10% Fehler. Wenn das nur alle 
paar Sekunden auftritt ist das im Mittel zu vernachlässigen, aber 
bereits bei 100ms Folgezeit wird der Fehler dominant.

Wenn man den Spitzenstrom mit einem Kondensator auf 1A und akzeptable 
Anstiegszeit runter bekommt geht ein HP3458A zum messen im 1A (0R1) 
Bereich.
Mit 10µA Auflösung 1350Rdg/s, mit 1µA 157Rdg/s, mit 100nA 26Rdg/s.

Geht es hier um die Messung des Stromdurchschnitts (analog 
aufintegrieren) oder um die genaue Höhe des Strompeaks (sehr schnell 
abtasten).
Beides gleichzeitig bei kleinen Fehler geht nur mit Einschränkung.

: Bearbeitet durch User
von Vanye R. (vanye_rijan)


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> Wie geht ihr bei so etwas vor?

Wenn man arm und beduerftig ist, so wie ich, dann baut man selbst.
Lohnt sich auch wenn man Sonderwuensche hat. Mir war es z.B wichtig
potentialfrei zu sein. :-)

Ich hab verschiedene wechselbare Messkoepfe die den Spannungsabfall
an einem kleinen Widerstand messen. Dann ein Operationsverstaerker,
danach analoger Optokoppler (200khz Bandbreite), danach diverse
zuschaltbare Filter.

Und lass dich nicht von den Kondensatornutzern verwirren, die sind nur 
neidisch dass sie sowas nicht messen koennen und sagen dann immer das 
man sowas nicht braucht. :-p

> Kennt jemand ein Vorsatzgerät zur u
> Strommessung, das gleichzeitig mehrere Ausgänge bereitstellt, z.B.

Auf der letzten Embedded war eine (schwedische?) Firma die hatte was in 
der Richtung, allerdings samplen die direkt und geben es digital in den 
PC.
Das wuerde mir nicht gefallen da es mir wichtig ist einen zeitlichen
Bezug zu anderen Kanaelen auf dem Oszi zu haben. Dafuer waren sie mit
1000Euro relativ preiswert. Agilent hat ansonsten fuer sowas noch eine
Spezialkiste. Ich meine aber die war so 20kEuro.
Deshalb selber bauen.

Fuer geringere Ansprueche kann man auch einen MAX4080 nehmen. Wenn man 
da noch
einen LT1615 dran pappt dann kann man sich schnuckelige Tastkoepfe fuer 
den Oszi bauen. Braucht man aber auch mehrere je nach Messbereich. 
Bandbreite sind auch so 200khz. Ich kann ja mal ein Bild davon 
anhaengen.
Da man hier keine analogen Filter hat kann es sinnvoll sein mit dem Oszi 
zu filtern. Koennen die aber wohl unterschiedlich gut. Mein alter 
HMO2022 war da besser wie der neue RTB2004.

Vanye

von Vanye R. (vanye_rijan)


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Da ich es gerade durch zufall gesehen habe, das ist moeglich:

https://www.keysight.com/se/en/product/CX1102A/dual-channel-12-v-100-mhz-40-na-1-a.html

Aber ich denke mal das kommt fuer die meisten hier aus irgendwelchen 
Gruenden nicht in betracht. Aber es zeigt immerhin wo die Messlatte fuer 
Eigenentwicklungen liegen koennte. :-D

Und hier auch noch ein interessantes Bastlerprodukt:

 https://www.labdevice.ch

Etwa 300Euro fuer 2Mhz BW. Das ist nicht schlecht.

Vanye

von Sebastian W. (wangnick)


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Vanye R. schrieb:
> kann man auch einen MAX4080 nehmen. Wenn man da noch
> einen LT1615 dran pappt

Das ist mir leider zu kryptisch. Der MAX4080 bezieht sein Ausgangssignal 
doch gegen GND. Wozu braucht es dann eine negative Versorgungsspannung 
aus dem LT1615?

LG, Sebastian

von Vanye R. (vanye_rijan)


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> Wozu braucht es dann eine negative Versorgungsspannung
> aus dem LT1615?

Du brauchst einen Boostkonverter. Wie du im Bild siehst versorge
ich die Probe aus einer 1.5V Zelle. Der MAX braucht aber am besten
15V Versorgung damit er einen weiten Messbereich hat.
Waere man mit weniger zufrieden koennte man auch darauf verzichten und
ihn aus seiner Messchaltung versorgen, allerdings braucht er auch etwas
Strom. Da fand ich es einfacher Problemen aus dem Weg zu gehen indem man 
direkt eine eigene Versorgung vorsieht.
Man koennte dafuer vielleicht auch eine 9V Batterie nehmen oder diese
sehr kleinen 12V Batterien die im inneren aus Knopfzellen bestehen.
Ich fand aber den Booster eleganter. Ausserdem lag das Teil gerade rum. 
:)

Vanye

von Vanye R. (vanye_rijan)


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Noch eine Kleinigkeit. Ganz rechts unten auf dem Bild
seht ihr eine kleine weisse LED die mit 100k an den 15V haengt
und die mich daran erinnern soll den Tastkopf nach dem Tagwerk
auszuschalten. Leider halbiert die auch die Lebensdauer weil
die etwas genauso viel Strom braucht wie der Rest der Schaltung.

An der Stelle kann man dann darueber nachsinnen ob man die LED
fuer sehr wichtig oder totalen Unsinn haelt. Ist sozusagen
eine Frage der Persoenlichkeit. :-D

Vanye

von Sebastian W. (wangnick)


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Vanye R. schrieb:
> Der MAX braucht aber am besten
> 15V Versorgung damit er einen weiten Messbereich hat.

Ah, ok. Ich hab jetzt zwei MAX4080 im Zulauf, und in der Zwischenzeit 
schon mal mit einem von mehreren hier vorhandenen INA194 rumgespielt. 
Die INA194 sind bei sehr kleinen Messspannungen zwar wohl nicht ganz 
linear, aber das fällt auch nur auf weil der Ausgang nicht ganz auf GND 
herunterkommt. Von den MAX4080 könnte man dagegen u.U. zwei 
hintereinander schalten ...

LG, Sebastian

von Vanye R. (vanye_rijan)


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Es gibt auch noch den ZXCT1009. Den kann man bei Reichelt bekommen,
er ist etwas schneller, verkraftet aber wohl nur 20V.
Hab ich zwar hier rumliegen, aber bisher noch keine praktischen 
Erfahrungen
gesammelt.

Vanye

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