Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik LR-Glied Berechnung vs. LTSpice


von Johann H. (johann_h821)


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Liebe Freunde!

Hab Probleme mit Berechnung und Simulation eines LR-Glieds.

Ich hab I0 mit Ue/R1 = 0,24A ausgerechnet.

Zur Zeit t=42ms -> I42=I0*e ^ -0,042*R2(???)/(L1+L2) = 0,00648A

Spice sagt 0,222A

Wo mache ich den Fehler?

Wie komme ich auf UL1 und UL2?

von Volker S. (vloki)


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Deine Simulation passt nicht.

1. Die Bedingung zum Zeitpunkt 0 ist schon nicht erfüllt. Da müsste ja 
laut deiner Berechnung der Strom 240mA sein!

2. Dein Zeitpunkt 0 ist bei 0.5s, weil da deine Spannungsquelle auf 0V 
geht. -> Simulationsdauer von 0.1s ist zu kurz!

3. Ohne Schalter ergibt sich bei V1=0V eine Parallelschaltung von der 
Widerstände!

Die Summe der Spannungen an den Spulen zum jeweiligen Zeitpunkt ist 
gleich der Spannung an R2 die du ausrechnen können solltest, da du ja 
den Strom durch R2 zum jeweiligen Zeitpunkt auch ausgerechnet hast. Die 
Teilspannungen sollten dann kein Problem sein.

Im Anhang eine Version mit Schalter.

: Bearbeitet durch User
von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Eine Simulation sollte immer das Prinzip abbilden. Dabei muß die 
Schaltung nicht exakt nachgebaut werden, sondern die Bedingung, welche 
gegeben ist. Für eine Simulation benötigst du also weder die 
Spannungsquelle noch den Widerstand R1 oder irgendwelche Schalter. 
Vielmehr löst du die Aufgabe mit den gegebenen Anfangsbedingungen und 
das ist der Strom durch beide Spulen. Im Übrigen muß in beiden 
Simulationen, der deinigen und auch in der von Volker S. der 
Serienwiderstand auf null gesetzt werden. Ansonsten setzt LTSpice hier 
einen Default-Wert ein. Das ist für reale Simulation auch korrekt, führt 
jedoch oft bei akademischen Aufgaben zu einem Fehler.

von Johann H. (johann_h821)


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Oh, herzlichen Dank!
Mein Hauptirrtum war der Schalter.
Der wird geöffnet und nicht geschlossen.

Bin so begeistert, was die Hilfsbereitschaft und Kompetenz hier 
betrifft!

LG, Hannes

von Johann H. (johann_h821)


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Noch eine Frage zu den Anfangsbedingungen.
Warum fügt man zur Induktivität zusätzlich einen Strom hinzu?
Wie ist das dokumentiert?
Man kommt da ja nicht von selbst drauf.

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Das ergibt sich aus der Mathematik der zugehörigen 
Differentialgleichungen. Eine Kapazität kann immer zu einem beliebigen 
Zeitpunkt (oft setzt man den Startpunkt gleich null) eine Anfangsladung 
besitzen. Diese Ladung bewirkt eine Anfangsspannung. Eine Induktivität 
kann zu einem beliebigen Zeitpunkt einen Stromfluss besitzen. In LTSpice 
wird das durch die Direktive IC gelöst. (IC wie initial conditions)

von H. H. (Gast)


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Johann H. schrieb:
> Warum fügt man zur Induktivität zusätzlich einen Strom hinzu?

Das ist der Strom, der sich bei geschlossenem Schalter nach längerer 
Zeit eingestellt hätte.

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Johann H. schrieb:
> Noch eine Frage zu den Anfangsbedingungen.

Ich habe dir mal eine Rechnung erstellt für ein einfaches RC-Glied. In 
dieser siehst du die Herleitung, ausgehend vom Maschensatz. Bei der 
Lösung der Dgl. entstehen zwei Konstanten, welche berechnet werden 
müssen. Eine Konstante errechnet sich aus der Anfangsbedingung (Spannung 
am Kondensator zum Zeitpunkt null) Ich habe die Stelle rot markiert. 
Somit kommst du dann auf die Gesamtlösung.

PS: Die Lösung für ein RL-Glied ist äquivalent. Hier würde man die Dgl. 
für den Strom aufstellen.

von Volker S. (vloki)


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Johann H. schrieb:
> Warum fügt man zur Induktivität zusätzlich einen Strom hinzu?
> Wie ist das dokumentiert?

Man kann in der Hilfe nachschauen. Da sind alle Bauteile mit ihren 
Parametern aufgelistet. (inkl. dem von Joe G. oben angemerkten Rser)
->Help->LTspice->Circuit Elements->L. Inductor

Auch die PULSE Spannungsquelle hat ja einen Parameter für die initiale 
Spannung (-8 < t < 0). Ansonsten würde die Simulation nicht wie 
gewünscht funktionieren.

Die Herangehensweise von Joe G. ist natürlich sehr elegant, erfordert 
aber die zugegebenermaßen nicht sehr komplizierte Berechnung von IL im 
Moment der Schalteröffnung und schon etwas erweitertes Wissen.

: Bearbeitet durch User
von Johann H. (johann_h821)


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Vielen herzlichen Dank für die super detaillierten Erläuterungen.

Noch eine Frage zu LTSpice.

Wie kann ich den Spannungsabfall an einem Bauelement ermitteln?
Die Spannungsproben sind doch immer bezogen auf GND, oder?

von H. H. (Gast)


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Auf positiven Knoten klicken und halten, auf negativen Knoten ziehen und 
loslassen.

von Johann H. (johann_h821)


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H. H. schrieb:
> Auf positiven Knoten klicken und halten, auf negativen Knoten
> ziehen und loslassen.

Wow! Genial! Herzlichen Dank!

von Klaus H. (hildek)


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H. H. schrieb:
> Johann H. schrieb:
>> Warum fügt man zur Induktivität zusätzlich einen Strom hinzu?
>
> Das ist der Strom, der sich bei geschlossenem Schalter nach längerer
> Zeit eingestellt hätte.

Wenn man die Simulation ein wenig anders gestaltet, muss man der 
Induktivität keinen Anfangsstrom vorgeben, das macht LTSpice dann von 
alleine: Einfach den Schalter z.B. nach 10ms öffnen und bei t1=31ms 
(Δt=21ms) und t2=52ms (Δt=42ms) die gewünschten Werte ablesen. Also 
letztlich die Zeitachse ein wenig verschieben, so dass die Bedingung t < 
0 mit dabei ist.
Vor Beginn der Simulation wird von LTSpice der statische Arbeitspunkt 
ausgerechnet und das ist denn der Anfangsstrom durch die Spulen als ob 
die Anordnung schon seit t=-∞ real betrieben würde. IL startet dann bei 
konstanten 19V/79Ω.

von Volker S. (vloki)


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Klaus H. schrieb:
> Einfach den Schalter z.B. nach 10ms öffnen und bei t1=31ms
> (Δt=21ms) und t2=52ms (Δt=42ms) die gewünschten Werte ablesen. Also
> letztlich die Zeitachse ein wenig verschieben, so dass die Bedingung t <
> 0 mit dabei ist.

Das ist nicht nötig, weil die Anfangsbedingung für t<0 durch die 
Ansteuerung des Schalters vorgegeben wird.
(10ms wären auch zu wenig. Es müssten mehr als 150ms sein)

von H. H. (Gast)


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Viele Wege führen nach...

von Volker S. (vloki)


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Joe G. schrieb:
> In LTSpice
> wird das durch die Direktive IC gelöst. (IC wie initial conditions)

Hmmm, du hast das ic (initial current) einfach zur Induktivität dazu 
geschrieben anstelle über [Strg][Rechtsklick] den "Component Attribute 
Editor" zu öffnen und es bei "Spice Line" einzutragen?

Woher wusstest du, dass das so funktioniert?

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Volker S. schrieb:
> Woher wusstest du, dass das so funktioniert?

Weil das so in der Doku steht :-)
Cnnn n1 n2 <Kapazität> [ic = <Wert>]
+ [Rser=<Wert>]
+ …
+ …

von Johann H. (johann_h821)


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Warum kann ich eigentlich die Zeit in ms nicht exakt eingeben, oder gibt 
es einen Trick?

von H. H. (Gast)


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Johann H. schrieb:
> Warum kann ich eigentlich die Zeit in ms nicht exakt eingeben,

Wo?

von Johann H. (johann_h821)


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H. H. schrieb:
> Johann H. schrieb:
>> Warum kann ich eigentlich die Zeit in ms nicht exakt eingeben,
>
> Wo?

Man kann eben nirgends die Zeit angeben sondern nur einen Cursor 
ungefähr positionieren.

von H. H. (Gast)


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Klick mal auf den Signalnamen.

von Johann H. (johann_h821)


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H. H. schrieb:
> Klick mal auf den Signalnamen.

Und dann?
Das Feld Horz bzw. Wert wird blau hinterlegt, aber ich kann ihn nicht 
editieren.

von H. H. (Gast)


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von Volker S. (vloki)


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Joe G. schrieb:
> Volker S. schrieb:
>> Woher wusstest du, dass das so funktioniert?
>
> Weil das so in der Doku steht :-)
> Cnnn n1 n2 <Kapazität> [ic = <Wert>]


Ja, aber dass man das einfach in das Feld für die Induktivität mit rein 
schreiben kann, darauf wäre ich nicht gekommen.

Man kann sozusagen jeden beliebigen Parameter in jedes Properties Feld 
schreiben, solange man den Parameter mit angibt.

(Schreib ich bei "Parallel Resistance" "ic=0.24A" rein, passt das 
auch;-)

von Volker S. (vloki)


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Johann H. schrieb:
> Das Feld Horz bzw. Wert wird blau hinterlegt, aber ich kann ihn nicht
> editieren.

Ja, da wünsche ich mir auch schon lange was, habe aber noch nichts 
entsprechendes gefunden, wie man eine ganz bestimmte Zeit vorgeben kann, 
die dann zumindest mit dem nahmöglichst berechneten Wert, oder besser 
noch interpoliert angesprungen wird.

Man kann natürlich extrem in den Bereich rein zoomen, der einen 
interessiert und den Cursor mit der Maus hin schieben, aber das ist 
irgendwie unkomfortabel ;-)

: Bearbeitet durch User
von Klaus H. (klummel69)


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Johann H. schrieb:
> Warum kann ich eigentlich die Zeit in ms nicht exakt eingeben, oder gibt
> es einen Trick?

Du kannst in den Schaltplan eine Spice Directive einfügen mit folgender 
Angabe:
1
.MEAS TRAN wert1 FIND I(L1) AT=42ms

Dieser Befehl bewirkt, dass in das Logfile (Menü View -> Spice Error 
Logfile) eine Ausgabe erfolgt:
1
wert1: i(l1)=0.00646256 at 0.042

Die Ausgabe ist zwar Textform aber der .MEASURE Befehl ist sehr mächtig. 
Schau Dir die Hilfe an.

: Bearbeitet durch User
von Klaus H. (klummel69)


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Nachtrag: es geht auch umgekehrt:
Zu welcher Zeit unterschreitet ein Messwert eine Grenze?
1
.meas TRAN wert2 FIND I(L1) WHEN I(L1)=0.00648A FALL=1

liefert
1
wert2: i(l1)=0.00648 at 0.0419691

von Johann H. (johann_h821)


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Herzlichen Dank!

Spice dürfte aber nicht wirklich ganz genau mit dem eingegebenen Wert 
rechnen.
Kann das sein?

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Spice löst ja das Netzwerkproblem numerisch. Der Solver benutzt ohne 
weitere Vorgaben eine automatische Schrittweitensteuerung. Somit kann es 
durchaus sein, dass ein vorgegebener Wert nicht exakt getroffen wird, 
wenn er zwischen zwei Solverschritten liegt.

von Klaus H. (klummel69)


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Selbst wenn der Solver einen vorgegebenen Wert zufällig treffen würde, 
kann es durch die numerische Vorgehensweise und endliche Genauigkeit nur 
ein genähertes Ergebnis geben.

von Klaus H. (hildek)


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Volker S. schrieb:
> (10ms wären auch zu wenig. Es müssten mehr als 150ms sein)

Nö.
Es reichen auch 1µs oder weniger.
LTSpice macht vorab eine statische Analyse der Anfangsbedingungen (außer 
du hast UIC gewählt, dann braucht man mehr als 100...200ms Delay, ja) 
und das Ergebnis ist so, als ob die Schaltung mit geschlossenem Schalter 
schon seit t=-∞ aktiv ist.

Offenbar gehen auch die 0ms, wie ich eben feststellte. Ich meine, das 
schon anders gesehen zu haben. Ich wollte mit dem Delay nur 
sicherstellen, dass zur Berechnung der Arbeitspunkte der Schalter als 
'geschlossen' angesehen wird.

von Klaus H. (hildek)


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Joe G. schrieb:
> Der Solver benutzt ohne
> weitere Vorgaben eine automatische Schrittweitensteuerung. Somit kann es
> durchaus sein, dass ein vorgegebener Wert nicht exakt getroffen wird,
> wenn er zwischen zwei Solverschritten liegt.

Der automatischen Schrittweitensteuerung kann man begegnen, wenn man im 
.tran Kommando den max. Timestep ausreichend klein wählt. Hier mal mit 
10ns und 50ns und ohne Vorgabe:
10ns: wert1: i(l1)=0.00648536 at 0.042
50ns: wert1: i(l1)=0.00648537 at 0.042
ohne: wert1: i(l1)=0.00647426 at 0.042
bei einem Simulationsbereich mit '.tran 50m'.

Das ist insbesondere bei FFT-Analysen empfehlenswert, weil man dort oft 
Ergebnisse mit hoher Dynamik erwartet (Oberwellenanteil etc.)

von Volker S. (vloki)


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Klaus H. schrieb:
> Nö.
> Es reichen auch 1µs oder weniger.

Ja, wollte ich noch löschen, war aber zu langsam ;-)

von Johann H. (johann_h821)


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Liebe Freunde,

Vielleicht schaut jemand noch die Aufgabe mit der Spule an.

Ich versuchte die Schalter mit zwei Switches zu simulieren.
Mache ich da etwas falsch?

LG, Hannes

von Johann H. (johann_h821)


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Das Spice File gehört zum Thread LR-Glied mit Umschalter.

Sorry!

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Da waren einige Macken in deinem Simulationsmodell...

von J. T. (chaoskind)


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Johann H. schrieb:
> Wie kann ich den Spannungsabfall an einem Bauelement ermitteln?
> Die Spannungsproben sind doch immer bezogen auf GND, oder?

Alternativ die Spannung mit Groundbezug auf beiden Seiten messen und 
rechnen.

Oder als dritte Alternative kannst du mit Rechtsklick auf ein Netz und 
dann "set negative Probe" oder so ähnlich, deinen Bezugspunkt für die 
Spannungsmessung festlegen.

Wie der genaue Name der Option war, ist mir gerade entfallen, zu lange 
nicht mir Spice rumgespielt, der Name war aber ziemlich selbsterklärend.

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