Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Bauteilarchäologie: Alter DIP40-Sockel mit eigenem Flachkondensator


von Wollvieh W. (wollvieh)


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Nachdem man jahrzehntelang neben jeden TTL-Baustein einen 
Abblockkondensator einbauen mußte, kamen dann irgendwann Sockel mit 
eingebautem Kondensator raus. Gerade passend zum Ende der TTL-Ära, als 
sie niemand mehr brauchte. :)

In Werbung und freier Wildbahn sind mir dabei immer nur bedrahtete 
gewöhnliche Keramikkondensatoren begegnet, die man halt irgendwie in die 
Fassungen geklemmt hat.

Bei dem abgebildeten Gerät von ca. 1993 wurde eine Fassung mit einem 
eigens entwickelten "Flachkondensator" eingebaut. Die blaue Folie ist 
weich und rundum zugeschweißt. Die Anschlußbeinchen sind bei der 
Demontage abgerissen. Natürlich war der Kondensator genau mittig im 
Sockel eingebaut, er liegt für das Bild lose in den Überresten der 
Fassung. Das Material der Elektroden ist wohl das gleiche gestanzte 
Blech, aus dem die Füßchen herausschauten.

Wenn man für 100 nF so eine große Fläche braucht, gab es diese Art von 
Kondensator wohl kaum in 14-poligen Fassungen, selbst 24polig dürfte 
schon eng werden. Umso merkwürdiger, daß es dieses Teil überhaupt gibt. 
Vor allem, weil es die billigste Machart der Kontakte verwendet.

Könnte es irgendeinen Vorteil geben, wie z.B. einen superduper niedrigen 
ESR, den man bei einem solchen CPU-Sockel ausnutzen könnte? Denn viel 
anderes als eine CPU gab es ja nicht für 40 Pole. Ein 7400-NAND mit 37 
Eingängen? :)

Gerade bei den großen Fassungen hat man ja bei Platzmangel (der der 
Grund für einen Kondensator in der Fassung sein könnte) gerne einen 
ganzen Stall von Bauteilen im "Erdgeschoß" untergebracht, teils sogar 
ICs. Das ist hier nicht mehr möglich.

Also ein ziemlich merkwürdiges Bauteil ohne echte Existenzberechtigung 
und wohl zu recht von der Bildfläche verschwunden.

von (prx) A. K. (prx)


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Die störende Induktivität der Anschlüsse des Kondensators steigt mit der 
Länge der Anschlusskabel. Bei 40ern ist das deutlich mehr als bei 14ern.

: Bearbeitet durch User
von (prx) A. K. (prx)


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Wollvieh W. schrieb:
> Denn viel anderes als eine CPU gab es ja nicht für 40 Pole

Es gab reichlich. Etwa Peripherie vielerlei Art, auch solche ohne 
Mikroprozessor-Bezug.

: Bearbeitet durch User
von Manfred P. (pruckelfred)


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Wollvieh W. schrieb:
> Nachdem man jahrzehntelang neben jeden TTL-Baustein einen
> Abblockkondensator einbauen mußte,

Musste man das?

> kamen dann irgendwann Sockel mit eingebautem Kondensator raus.
> Gerade passend zum Ende der TTL-Ära, als sie niemand mehr brauchte. :)

Sehe ich anders. Der Kondensator war bei CMOS 40xx von Interesse, deren 
Stromaufnahme von der Schaltfrequenz abhängt und auf der Versorgung 
saut.

von Thomas W. (dbstw)


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Das wird sicherlich ein Unikat sein. Bei DIL14/16 war die 
VCC/GND-Verteilung einigermassen gleichmaessig (Vcc Pin 14/16, GND 7), 
dagegen war es bei komplexeren ICs komplett willkuerlich (OK, 8080 hatte 
drei Spannungen, 6502 hatte Pin1/21 fuer GND, VCC pin 8), 6522/6532/6845 
(Pin 1 GNC, Pin 20(!) VCC).

D.h. Dein Kondensator waere nur fuer einen IC-Typen gut. Ob sich das 
lohnt?

Was fuer ein IC war denn in dem Sockel?

: Bearbeitet durch User
von Wollvieh W. (wollvieh)


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Thomas W. schrieb:
> Bei DIL14/16 war die
> VCC/GND-Verteilung einigermassen gleichmaessig (Vcc Pin 14/16, GND 7),
> dagegen war es bei komplexeren ICs komplett willkuerlich (...)
>
> D.h. Dein Kondensator waere nur fuer einen IC-Typen gut. Ob sich das
> lohnt?

Das frage ich mich auch. Vielleicht hat man den Kondensator ja im 
Laminiergerät für die Firmenausweise hergestellt und konnte so auch auf 
kleine Stückzahlen reagieren. :) Es sieht so aus, als ob da noch mehr 
Anschlüsse waren außer direkt an den Enden, die dann abgetrennt wurden. 
An der Oberkante 3 Pins vom linken Ende sieht man so einen Blechstummel, 
der aus der Verschweißung ragt, aber nicht mit dem Sockel kontaktiert 
war.

> Was fuer ein IC war denn in dem Sockel?

Püh, da ich in letzter Zeit einige Geräte zerlegt habe, fallen mir 
verschiedene Sachen ein. Ich vermute ein maskenprogrammiertes 
8051-Derivat. Jedenfalls keine "echte" CPU, weil kein RAM und EPROM auf 
der Platine.

Beim Entwurf war jedenfalls kein BWLer beteiligt, teure 
Glimmerkondensatoren am Quarz, tststs.

von J. S. (engineer) Benutzerseite


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Wollvieh W. schrieb:
> Beim Entwurf war jedenfalls kein BWLer beteiligt,

"damals" wurden Elektrotechnikabteilungen meistens auch noch von 
gestandenen Ingenieuren geleitet, die auf Qualität gesetzt haben, weil 
Langlebigkeit ein wichtiges Designziel war.

von Andreas D. (rackandboneman)


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Habe solche Dinger mal beim Ausschlachten irgendwelcher alten Boards 
(ich glaube Autotelefon mitte 80er) vorgefunden, allerdings unter 
eingelöteten Chips (wo sie für Sauerei sorgen wenn sie beim Auslöten mit 
Heissluft anschmelzen...).

: Bearbeitet durch User
von Christian M. (likeme)


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J. S. schrieb:
> "damals" wurden Elektrotechnikabteilungen meistens auch noch von
> gestandenen Ingenieuren geleitet, die auf Qualität gesetzt haben, weil
> Langlebigkeit ein wichtiges Designziel war.

Das heutige Engineering: Entwickle eine Funktion oder Schaltung mit 
möglichst NULL Bauteilen. Wofür ich früher a "Watschn" vom Meister 
bekommen hätte ist heute übliches Design. Z.B. Eingänge mit >100kOhm 
oder NULL Kapazität ungefiltert direkt in den µC.

: Bearbeitet durch User
von Johnny B. (johnnyb)


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Christian M. schrieb:
> Entwickle eine Funktion oder Schaltung mit möglichst NULL Bauteilen.

So ist es; warum auch den LEDs Vorwiderstände spendieren, wenn man 
stattdessen einfach zur Versorgung eine Batterie mit entsprechend hohem 
Innenwiderstand nehmen kann.

von Thorsten S. (thosch)


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Wollvieh W. schrieb:
> Beim Entwurf war jedenfalls kein BWLer beteiligt, teure
> Glimmerkondensatoren am Quarz, tststs.

Vielleicht war der BWLer ja nur schon zufrieden damit, die Platine ohne 
Lötstoplack und die billigen IC-Fassungen, statt guten mit gedrehten 
Kontakten, durchgesetzt zu haben. ;-)

von Peter D. (peda)


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Viel ist auf dem Bild nicht zu erkennen. Sieht wie ne vollverzinnte 
Platine aus, das ergibt dann solche Muster. Irgendwo sollte noch der 
kleine SMD-Kondensator sitzen. Vielleicht ist der mit abgerissen.

https://www.electromyne.de/Electronic-Components-Sockets-DIP-32-IC-Socket-Gold-w--Decoupling-Capacitor--Sockel---Entkopplungs-Kondensator.html

von Thorsten S. (thosch)


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Peter D. schrieb:
> Irgendwo sollte noch der
> kleine SMD-Kondensator sitzen. Vielleicht ist der mit abgerissen.

Den wird es hier nie gegeben haben. Das blaue Plastikding ist der 
Kondensator, nicht wie bei der von dir verlinkten anderen Fassung mit 
Präzisionskontakten eine dünne Platine mit SMD Kerko.

: Bearbeitet durch User
von Gerald B. (gerald_b)


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Ich kenne nur Sockel mit KerKo, vorzugsweise in zylindrischer Form. Das 
was du da zutage gefördert hast, könnte ein Akku (NiCd) oder Goldcap 
sein, als RAM-Puffer. Flash und EEPROM steckten noch in den 
Kinderschuhen und reichten nicht für den ganzen Programmspeicher.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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von Gerhard H. (ghf)


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Ich habe mal $GANZ_FRUEHER ein paar Experimente zu diesen
Sockeln gemacht. 6.8 MB .pdf, am Ende.

Das wollte mir erst mal keiner glauben, weil
"noch direkter geht doch überhaupt gar nicht!".

< 
http://www.hoffmann-hochfrequenz.de/downloads/experiments_with_decoupling_capacitors.pdf 
>

Das schlimme ist, dass sogar ein ordentlicher SMD-Kondensator
parallel verschlimmbessert wird.

Gruß, Gerhard

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