Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Bourns TBU Stoßspannungsunterdrücker - wie funktionierts?


von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

Hallo,

ich recherchiere gerade ein wenig zum Thema Schutz von Datenleitungen 
und da bin ich auf die TBU-Serie von Bourns gestoßen:
http://www.bourns.com/ProductLine.aspx?name=tbu

Sobald ein bestimmter, modellabhängiger Strom fließt, z.B. 500mA, 
schalten die Dinger innerhalb von 1µs ab und können dann je nach Modell 
bis zu 850V dauerhaft abhalten. Erst wenn die Spannung wieder auf 
niedrigeres Niveau runtergeht (z.B. 16V) machen sie wieder auf. 
Typischerweise setzt man ne TVS-Diode dahinter die bei Überspannung dann 
den Triggerstrom erzeugt.

Im Gegensatz zu ner Polyfuse schalten die wirklich schnell ab und halten 
auch hohe Spannungsdifferenzen aus. Im Gegensatz zu ner TVS-Diode, 
Varistor, Crowbar, Gasentladungsröhre oder ähnlichem verbraten sie nicht 
die Überspannung, sondern trennen das zu schützende Gerät. Klingt 
eigentlich interessant.

Was ich mich jetzt frage ist wie die Dinger innendrin funktionieren. 
Bourns schreibt nur was von "constructed using MOSFET semiconductor 
technology". Leider zeigen sie nirgends ein Prinzipschaltbild oder 
ähnliches.

Hat jemand ne Idee wie die Dinger innendrin aufgebaut sein könnten?

von D. V. (mazze69)


Lesenswert?

Gerd E. schrieb:
> Leider zeigen sie nirgends ein Prinzipschaltbild oder
> ähnliches.

Was hast du als nicht Chinese erwartet?

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

D. V. schrieb:
> Was hast du als nicht Chinese erwartet?

Bourns sind Amis, keine Chinesen, die sollten das mit den 
Prinzipschaltbildern im Datenblatt und ohne NDA eigentlich schon drauf 
haben...

von Purzel H. (hacky)


Lesenswert?

naja. Etwas Phantasie... ein P-Mos, dessen Gate wird bei Ueberspannung 
entladen, und erst unterhalb einer Schwelle wieder geladen wird. Solange 
die zu trennende Quelle nicht induktiv ist ... geht das.

von D. V. (mazze69)


Lesenswert?

Gerd E. schrieb:
> Bourns sind Amis, keine Chinesen

Das weiß ich auch, aber bei deren Paranoia?
Die schaffen es ja nicht mal, ihre clothes lines (vs. power lines) 
wenigstens in den Städten unter die Erde zu bringen. Ein wenig mehr 
snowfall und aus die Maus :-)

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

Siebzehn mal Fuenfzehn schrieb:
> ein P-Mos, dessen Gate wird bei Ueberspannung
> entladen, und erst unterhalb einer Schwelle wieder geladen wird.

Im eingeschalteten (=leitenden) Zustand sieht das Teil nur ne minimale 
Differenz zwischen seinen beiden Anschlüssen. Das kann ein normaler FET 
nicht, da brauchst Du ja etwas Differenzspannung am Gate um 
einzuschalten.

Könnte ein selbstleitender FET sein der über seinen eigenen 
DS-Widerstand bei genug Strom abgeschaltet wird. Doch wie hält das Teil 
diesen Zustand wenn abgeschaltet ist? Wie wird wieder eingeschaltet wenn 
die Überspannung weg ist?

Und wie reagiert das Teil, wenn ich eine niedrige Spannung aber einen 
hohen Strom habe? Also z.B. einen Kurzschluss?

von panikplauze (Gast)


Lesenswert?

Wahrscheinlich sind da zwei selbstleitende N-Kanal-FET's back-to-back 
drin, dazwischen ein kleiner Widerstand. Wie ich gerade sehe, gibts im 
Netz auch einige Patentschriften dazu.

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

panikplauze schrieb:
> Wahrscheinlich sind da zwei selbstleitende N-Kanal-FET's back-to-back
> drin,

N? Da müsste das Gate ja dann eine etwas höhere Spannung als Source 
bekommen damit das Teil sperrt. Woher kommt diese Spannung am Gate dann? 
Ich hätte jetzt eher an P gedacht, bin mir aber mit der ganzen Schaltung 
nicht sicher.

> Wie ich gerade sehe, gibts im
> Netz auch einige Patentschriften dazu.

Hast Du zufällig einen Link?

von panikplauze (Gast)


Lesenswert?

Gerd E. schrieb:
> N?

Ja, N-Kanal. Die werden bei negativer GS-Spannung abgeschnürt. Aber die 
realisierte Schaltung ist noch ein wenig trickreicher, siehe zum 
Beispiel hier:

http://www.freepatentsonline.com/y2009/0323243.html

Der Weisheit letzter Schluss ist das nicht, da alle gezeigten 
Schaltungen zusätzliche Versorgungsanschlüsse haben. Der große Vorteil 
der TBU's ist jedoch, dass diese 'potentialfrei' sind. Hier scheint es 
in die richtige Richtung zu gehen:

http://patentscope.wipo.int/search/en/WO2007022136

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

Danke für die Patentlinks. Das sind ja doch einige Varianten.

panikplauze schrieb:
> Der große Vorteil
> der TBU's ist jedoch, dass diese 'potentialfrei' sind.

genau. Das ist gar nicht so einfach hinzubekommen.

Ich glaube ich probier auch mal beim Vertrieb von Bourns selber 
nachzufragen. Vielleicht rücken die ja doch noch mehr Infos raus wenn 
man gezielt nachfragt.

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

Ach so, noch eine Idee: von Bourns gibt es ja auch SPICE-Modelle für die 
Teile, z.B. hier:
http://www.bourns.com/data/global/engineering/TBU-CA/TBU-CA065-500-WH_NOM_SPICE.txt

Bei manchen Modellen kann man ja aus der Zusammenstellung des Modells 
Rückschlüsse auf den Aufbau des realen Bauteils ziehen. Leider bin ich 
in SPICE nicht so fit um da was rauszulesen. Kann mir jemand erklären 
wie das Modell funktioniert?

von Karsten W. (lsmod)


Lesenswert?

Gibt es hier keine neuen Erkenntnisse?

Bei mir wurde vor 2 Tagen unsere Fritzbox gebraten, als ein Blitz 
relativ nahe bei uns eingeschlagen ist.

Ersatzlösungen sind auf jeden Fall hier zu finden:
Beitrag "Re: Überspannungsschutz für DSL16000 am Übergabepunkt"
http://www.elektrikforum.de/viewtopic.php?p=85376#85376

: Bearbeitet durch User
von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


Lesenswert?

Gerd E. schrieb:
> Bei manchen Modellen kann man ja aus der Zusammenstellung des Modells
> Rückschlüsse auf den Aufbau des realen Bauteils ziehen. Leider bin ich
> in SPICE nicht so fit um da was rauszulesen. Kann mir jemand erklären
> wie das Modell funktioniert?

Das Modell ist eine Mischung aus Behaviour und physikalischer 
Darstellung. Die Funktion ist jenseits der offensichtlichen 
Grundstruktur nicht ersichtlich.
Vielleicht findest du ein passendes Patent. Aber selbst dann wirst du es 
nicht nachbauen können, da es bestimmt nicht die passenden 
Einzelhalbleiter geben wird.

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

Karsten M. schrieb:
> Gibt es hier keine neuen Erkenntnisse?

Bourns hat leider auch auf 2-malige Nachfrage hin nicht geantwortet. Ich 
hab dabei nicht von meiner Privatadresse aus gefragt, sondern von der 
Firma aus. Das reicht aber wohl für die nicht, ich fürchte da muß man 
erst einen gewissen Umsatz direkt mit denen machen bevor die einen ernst 
nehmen.

Abdul K. schrieb:
> Das Modell ist eine Mischung aus Behaviour und physikalischer
> Darstellung. Die Funktion ist jenseits der offensichtlichen
> Grundstruktur nicht ersichtlich.

Danke für den Versuch.

> Aber selbst dann wirst du es
> nicht nachbauen können, da es bestimmt nicht die passenden
> Einzelhalbleiter geben wird.

Ich wollte die Dinger nicht aus Einzelteilen nachbauen, sondern 
eigentlich nur genau verstehen wie sie funktionieren und wie sie sich in 
Randfällen (z.B. der oben gennannte Kurzschluss) verhalten.

von Gerd E. (robberknight)


Lesenswert?

Falls jemand nur hier mitliest, hier noch ein anderer Beitrag, der sich 
mit dem Spice-Modell der TBUs beschäftigt:
Beitrag "Bourns-TBU-Modell für LTSpice anpassen"

von Abdul K. (ehydra) Benutzerseite


Lesenswert?

Gerd E. schrieb:
> Karsten M. schrieb:
>> Gibt es hier keine neuen Erkenntnisse?
>
> Bourns hat leider auch auf 2-malige Nachfrage hin nicht geantwortet. Ich
> hab dabei nicht von meiner Privatadresse aus gefragt, sondern von der
> Firma aus. Das reicht aber wohl für die nicht, ich fürchte da muß man
> erst einen gewissen Umsatz direkt mit denen machen bevor die einen ernst
> nehmen.
>

Woraus du deine Schlüsse ziehen darfst. Sagen wir mal so:
1. SPICE erwähnen und nicht bekannter Großabnehmer führt bei den meisten 
Herstellern sofort zur Rundablage.
2. Was bei digikey nicht in Mengen gelistet ist, sollte man nur bei 
wirklich signifikant tollen Eigenschaften passend fürs Projekt 
verwenden.


> Abdul K. schrieb:
>> Das Modell ist eine Mischung aus Behaviour und physikalischer
>> Darstellung. Die Funktion ist jenseits der offensichtlichen
>> Grundstruktur nicht ersichtlich.
>
> Danke für den Versuch.
>

Das war kein Versuch, sondern ein endgültiges Urteil. Die eigentliche 
Nichtlinearität ist als nichtlineare Gleichung definiert. Drumherum sind 
ein paar Dioden, Bahnwiderstände usw. definiert, deren Parameter 
vermutlich nur gefittet wurden.
Letztlich wird das mehr oder weniger die bekannte Schaltung aus 
depletion-MOSFETs sein.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.