Forum: Platinen Alternativen bleifreies Lötzinn


von Steffen N. (bummibaer)


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Wir rüsten in unserem Institut gerade auf bleifrei um.

Ich habe diesen Thread als sehr interessant empfunden:
Beitrag "Vergleich Lötzinne: Felder EL Sn100Ni+ und Amasan BF32-3"

Warum werden nur 2 Marken verglichen? Was ist mit
 - EDSYN
 - STANNOL
 - WELLER

Gibt es da auch Aussagen?
Danke

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Steffen N. schrieb:
> Warum werden nur 2 Marken verglichen?

Es ging nicht um „Marken-Fetischismus“, sondern um zwei ganz konkrete
Lotlegierungen.  Diese wiederum waren in vorangegangenen Threads als
recht gut verarbeitbar herausgekommen, daher halt Chris' Test mit
genau diesen beiden.

Es steht dir natürlich frei, x-beliebige Lote zu testen, aber der
Aufwand steigt dann einfach ins Unermessliche.

von JoJoBa (Gast)


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Ich möchte mit einem einfachen Satz diesen
scheinbar zeitgemäßen Umrüstungswahn kommentieren;

Im falschem Leben kann es keine richtige Handlung geben.

Unsere Firma hat auch auf Bleifrei umgestellt (vor2Jahren)
bis die Elektroniker-Entwickler sich durch heftigen
Beschwerden die Führungsetage "zwangen" weiterhin PB-haltiges
einzukaufen.

Schon durch die Verantwortung gegenüber Kunden,voll hinter
der Funktionsgarantie stehen zu können.

Nebenbei gemerkt; in der Rüstungsindustrie, Raumfahrt und
Medizinelektronik ist Bleifrei verboten!!!

Fragt man sich, ist dann alles Bleifreigelötetes dann Minderwertiges ???

Von wem wird es gewollt, warum, und wer profitiert davon???

Ich glaube, es lohnt sich etwas drüber nachzu-denken,-forschen....

MfG

von Steffen N. (bummibaer)


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Entschuldigung, der Satz war wohl unglücklich gewählt:)
Ich wollte nur nach Erfahrungen mit anderen Loten fragen.

von JoJoBa (Gast)


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@Steffen,
Du brauchst Dich nicht entschuldigen !!!

Ich glaube, meine Antwort hilft insoweit bei deiner Recherce weiter,
dass ich Dir ein Erfahrungsbericht gebe.

In der Tat!
Nicht zuletzt geht es dann auch um deine Gesundheit, soweit du
mit dem Löten auch zu tun hast.

Euere Institut kann auf bleifrei umstellen, ich finde es aber
sehr Wichtig, sich darüber zu informieren, welchen Arbeitsmitteln
man sich aussetzt.

Betrachte meinen Beitrag einfach als Denkanstoß !

Gruß!

von Bernd K. (prof7bit)


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JoJoBa schrieb:
> Nicht zuletzt geht es dann auch um deine Gesundheit, soweit du
> mit dem Löten auch zu tun hast.

Nein, das bleifrei-Lot wird mit angeblichen Umweltbelastungen bei der 
Entsorgung von bleihaltig gelötetem Elektronikschrott begründet.

Mit gesundheitlichen Aspekten bei der Verarbeitung hatte das zu keinem 
Zeitpunkt jemals was zu tun (es werden nämlich überhaupt keine 
Bleidämpfe freigesetzt, eher würde ich mir über Flussmitteldämpfe 
Gedanken machen), wenn es nämlich den Eurokraten um Gesundheit am 
Arbeitsplatz gegangen wäre hätte man genausogut auf entsprechende 
Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz (Rauchabzug, Atemschutz, etc) bestehen 
können wie das bei den wirklich gefährlichen Stoffen die tagtäglich 
vielerorts verarbeitet werden schon lange üblich ist.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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JoJoBa schrieb:
> Unsere Firma hat auch auf Bleifrei umgestellt (vor2Jahren)
> bis die Elektroniker-Entwickler sich durch heftigen
> Beschwerden die Führungsetage "zwangen" weiterhin PB-haltiges
> einzukaufen.

Vielleicht solltet ihr euch ja fragen, warum unzählige andere Firmen
es schaffen, auch mit bleifreien Loten arbeiten zu können, ohne dass
das von dir beschriebene Chaos eingetreten wäre …

Ich benutze das übrigens auch privat problemlos.  Was man braucht,
ist ordentliches Werkzeug.  Als ich letztens bei unserem lokalen
Bestücker auf dem Rundgang war, standen da, wo vor Jahren alles von
Weller dominiert war, mittlerweile nur noch JBC herum.

von JoJoBa (Gast)


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Wie es überall im Leben, geht es natürlich auch um
pros und kontras.
Jeder soll hier sein eigenes Bild machen können!

Das sogenannte Fachwissen äußert sich manchmal als Ignoranz!

--------
Die RoHS-Richtlinie betrifft Gerätehersteller, nicht Privatleute.
Sie dürfen also Ihr vorhandenes Lötzinn bei Lötvorgängen an Ihrer 
Modellbahn weiterbenutzen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen.
(Warum denn ?)

>> Sogar für professionelle Hersteller und Anwendungen aus den
 Bereichen Automobil, Medizin, Luft- und Raumfahrt,
 Messtechnik sowie Kraftwerksbau und Rüstungsindustrie
 gibt es großzügige Ausnahmeregelungen.<<

(Unsere Firma hat diese Ausnahmeregelung. Warum denn?)

Darf ich weiterzitieren;

Die Folgen, die sich aus dem Verbot des Bleis und
etlicher anderer „die Umwelt belastender Stoffe“
(ROHS: Restriction of the use of certain hazardous
substances in electrical and electronic equipment)
ergeben, haben einen wesentlichen Einfluss auf die
bisher stabilen und erprobten Lötverfahren und auch
in negativer Weise auf die Gesundheit der Menschen,
die mit Lötaufgaben betraut werden.
 Der Lötprozess musste verändert werden. Die zusätzlichen
Nebenwirkungen müssen eingeschränkt oder eliminiert werden.

Das Prozessfenster für die Entstehung einer zuverlässigen
Lötverbindung ist enger geworden. Als wesentlichste Folge
haben die Legierungen,die jetzt zum Löten eingesetzt werden,
eine nennenswert höhere Schmelztemperatur.
--------------
Sie machen den Einsatz größerer Mengen und dabei auch sehr
aggressiver Flussmittel erforderlich .
--------------

Die Gefahr besteht darin,dass eine einzige unaufmerksam gelötete
Lötstelle die Qualität eines ganzen Produktes in Frage stellt.
-------------
Viel wichtiger sind aber die
       >> negativen Folgen für die Gesundheit <<
des Anwenders:
Bei erhöhten Temperaturen, die aus der Notwendigkeit bei bleifreien
Loten oder willentlich aus vordergründigen
Vorteilen eingestellt wurden, werden wesentlich größere Mengen von 
Flussmittel verdampft und verbrannt.
--------------

Gesundheitsrisiken;

Welche Wirkungen haben diese Prozessgase auf die Löterinnen oder Löter,
die einen ganzen Tag lang diesem Prozessgas ausgesetzt sind und es 
einatmen ?

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und trotz aller guten Ratschläge
entstehen bei Temperaturen zwischen 280°C und 400°C
(oder bei großer Unvernunft bei noch höheren Temperaturen) während
des Handlötprozesses Aerosole, Schwebeteilchen und
giftige Verbindungen, verursacht allein durch die Zufuhr von Wärme.

Die erhitzten Flussmittel gehen als Aerosol und Partikel in die 
Prozessluft.
Die Flussmitteldämpfe können zu einer Sensibilisierung der Haut und
der Atemwege führen. Doch die Gefahr besteht nicht alleine durch das
verdampfte Kolophonium.
Die Zersetzungsprodukte, die bei der Erhitzung und Verbrennung 
entstehen,
sind Aldehyde und diese könnten krebserregende Stoffe sein.
Im Falle von Acetaldehyd und Formaldehyd besteht ein begründeter
Verdacht auf ein krebserzeugendes Potential.

Viel gefährlicher sind jedoch die häufig beteiligten Polyuretane,
(PUR) in dem Trägermaterial von gedruckten Schaltungen,
in Schutzlacken, als Bestandteil in beteiligten Bauteilen,
als Beschichtung oder Kunststoffisolation oder aus Resten von 
Klebstoffen.
Diese geben nach der Erhitzung als Zersetzungsprodukte
giftige Isocyanate an die Umgebung ab.

Isocyanate entstehen schon, sobald Polyurethan auf oder über 160°C 
erhitzt wird.
Die Grenzwerte für Isocyanate sind sehr niedrig:
 MAKWert 0,01 ppm (in Schweden 40μg/m³). In dieser geringen,
 aber schon gefährlichen Konzentration sind Isocyanate nicht wahrnehmbar
 und erst seit Kurzem überhaupt messbar.

Diese Stoffe können über die Atemwege in den Körper gelangen und sich,
je nach der Größe der Moleküle, in unterschiedlichen Bereichen
des Körpers ablagern. Selbst wenn die Grenzwerte für jeden der
schädigenden Stoffe eingehalten sind, können dennoch Kombinationen
verschiedener Stoffe Schädigungen hervorrufen .

MfG!

von Sonja (Gast)


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JoJoBa, verstehe ich Dich richtig, daß Du sagst, daß Isocyanate das 
gefährlichste ist, was beim Löten entsteht?

Wenn Du schreibst, daß Isocyanate schon ab 160°C entstehen, wieso ist 
dann bleifreies Löten gefährlicher als bleihaltiges?  Über 160°C kommt 
man doch in beiden Fällen.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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JoJoBa schrieb:

> Die RoHS-Richtlinie betrifft Gerätehersteller, nicht Privatleute.
> Sie dürfen also Ihr vorhandenes Lötzinn bei Lötvorgängen an Ihrer
> Modellbahn weiterbenutzen, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen.

Ja, aber sie dürfen genauso gut ohne Blei löten und damit von den
durch diese Richtlinie angeschobenen Forschungen profitieren.  Im
Falle der Privatleute ist der Profit weniger das Blei im Müll als
das bei der Verarbeitung, denn gerade da wird man sich kaum strenge
Arbeitsschutzmaßnahmen leisten.

>  Der Lötprozess musste verändert werden.

Das ist aber nun 13 Jahre her, und man braucht nicht so zu tun, als
hätte die Industrie das nicht innerhalb dieser 13 Jahre langsam auf
die Reihe bekommen, diese Veränderung durchzuziehen.

Ja, die Prozessfenster sind enger, aber sie sind beherrschbar.

> Sie machen den Einsatz größerer Mengen und dabei auch sehr
> aggressiver Flussmittel erforderlich .

Die Flussmittel können sogar weniger aggressiv sein jetzt, denn durch
die höhere Verarbeitungstemperatur wird das Reaktionsvermögen
verbessert.  Allerdings müssen sie eine höhere Verdampfungstemperatur
haben, und trotzdem wird wohl mehr verdampfen dabei (insofern gebe
ich dir schon recht, dass das ein größeres Problem ist als früher).

Aber das hat auch ein Gutes: der Abstand zwischen Betriebs- und
Löttemperatur ist höher, was dazu führt, dass die
Flussmittelrückstände bei Betriebstemperatur weniger korrosiv sind.
Das ist positiv für den Anwender.

> Die Gefahr besteht darin,dass eine einzige unaufmerksam gelötete
> Lötstelle die Qualität eines ganzen Produktes in Frage stellt.

Ach, „kalte Lötstellen“ sind eine Erfindung des Bleifrei-Zeitalters?

Das wäre mir neu …

Eine einzige unaufmerksam gelötete Lötstelle konnte auch vor 50
Jahren schon die Qualität des ganzen Produkts in Frage stellen.

> Welche Wirkungen haben diese Prozessgase auf die Löterinnen oder Löter,
> die einen ganzen Tag lang diesem Prozessgas ausgesetzt sind und es
> einatmen ?

Die durften das weder früher noch heute einatmen.

von X2 (Gast)


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JoJoBa schrieb:
> Nebenbei gemerkt; in der Rüstungsindustrie, Raumfahrt und
> Medizinelektronik ist Bleifrei verboten!!!

VERBOTEN halte ich für eine gewagte Behauptung...

JoJoBa schrieb:
>>> Sogar für professionelle Hersteller und Anwendungen aus den
>  Bereichen Automobil, Medizin, Luft- und Raumfahrt,
>  Messtechnik sowie Kraftwerksbau und Rüstungsindustrie
>  gibt es großzügige Ausnahmeregelungen.<<

Das trifft die Sache schon eher...

von JoJoBa (Gast)


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Ohne mich in eine Diskusion zu verwickeln,
wollte ich drauf aufmerksam machen, dass eine einseitige
Stellungsnahme zum Bleifreilöten nicht zufriedenstellend zur
Aufklärung beiträgt.

Weichlöten ist kein physikalischer, sondern ein chemischer Vorgang.
Das flüssige Lot löst die festen Füge-Bestandteile  und durch Diffusion 
findet eine Mischung statt, die beim Erstarren des Lotes zur 
Legierungsbildung führt .
Für die Einteilung der Lötverfahren ist die Schmelztemperatur
der Lote entscheidend. Bis zu einer Liquidustemperatur von 450°C
spricht man von Weichlöten .

Die beteiligten Metalle Zinn und Blei in einem Mischungsverhältnis
von 62%Sn und 38%Pb bilden ein  Eutektikum. Diese Legierung hat die 
Eigenschaft, dass Liquidustemperatur, und Erstarrungstemperatur (Soli
dustemperatur) zusammenfallen. Die mit diesem Lot erzeugten
Lötstellen haben eine glänzende Oberfläche und erweisen sich
als zuverlässige Verbindungen. Durch die Zugabe geringer Mengen weit
erer Metalle, zum Beispiel Kupfer (Cu), Silber(Ag), oder Nickel (Ni)
werden vorteilhafte Eigens chaften, wie niedrigere Schmelztemperaturen, 
höhere Festigkeiten oder verbesserte Korrosionsbeständigkeit erreicht.

Soviel ich weiß, beim Pb haltigem Löten sind nicht so sehr die
entstehende Gase Gesundheitsbedenklich, sondern die Tatsache,dass
Lötzin angefasst wird. Pb Schmelzpunkt liegt bei etwa 330C aber
zur Pb-Verdampfung kommt es beim Löten nicht, erst bei viel höheren
Temperaturen.

Im gegensatz zu Bleifreiem Löten, wo technisch bedingt mit höcheren
Temperaturen und anderen gefährlichen Flußmittelbestandteilen
gearbeitet wird,geht die Gefahr also vielmehr von den Folgen
einer hohen oder zu hohen Löttemperatur aus bzw die Entstehung von 
gesundheitsschädlichen Prozessgasen der Verbrennung von Flussmitteln und 
der Verdampfung von Lösungsmitteln.

Ich bin kEIN Experte, will auch nicht sein und kenne mich Fachlich
nicht perfekt aus. Ich will auch nicht diskutieren.
Habe die TO Frage aber aufgeschnappt, um diese Argumente hier
für interessenten bereitzustellen, da die ERFAHRUNG ein ganz
anderes Bild wiedergeben kann, wie die Medienbestrebungen
dazu das Bleihaltiges Löten zu Verdammen und Bleifreies als fast
bedenkenlos darzustellen !

Zu den "Kalten Lötstellen" möchte ich noch Folgendes erwähnen;
Ich arbeite in der Industrie in einer Werkstatt, wo etwa 3 Dutzend
Techniker die Entwicklungsabteilung-Pläne von Prototyp-Elektronik
in die Praxis umsetzen. Somit ist unsere Arbeit mit ständigem
Handlöten verbunden (pro Person Jährlich etwa 3Kg Lötzinn und mehr)
Wie Oben erwähnt, wir sind ofiziell von diesem Umstellungszwang
befreit worden !

MfG!

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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JoJoBa schrieb:
> Weichlöten ist kein physikalischer, sondern ein chemischer Vorgang.

Unsinn.

Sorry, mehr kann man dazu nicht sagen.  Wenn du nichtmal die Physik
von der Chemie auseinanderhalten kannst, was soll man dann noch von
deinen Ausführungen halten?

(Dass da auch chemische Prozesse eine Rolle spielen, ist keine Frage,
aber nicht für die eigentliche Lötverbindung, sondern nur für die
Wirkung des Flussmittels.)

> Ich bin kEIN Experte, will auch nicht sein und kenne mich Fachlich
> nicht perfekt aus. Ich will auch nicht diskutieren.

Machst du aber.

von Christian B. (luckyfu)


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Ich frage mich, was das soll. Sämtliche Bestücker die ich kenne haben 
ihre Bleihaltigen Anlagen zurückgebaut. Mit Glück haben sie noch eine 
Blei-Wellenlötanlage irgendwo in der Ecke stehen. Der absolute Großteil 
wird bleifrei gelötet. Man darf sich also so weit aus dem Fenster lehnen 
und behaupten, daß das heutzutage kein Ausfallgrund mehr ist. In den 
Anfangsjahren kurz nach der Einführung gebe ich dir recht, da gab es 
vermehrt Ausfälle. Diese Zeit ist jedoch überwunden.

Ich arbeite auch bei einem Medizintechnik Hersteller, wir arbeiten schon 
sehr lange Bleifrei, auch für Prototypen, die man von Hand lötet. Man 
benötigt ein gutes Flussmittel, dann bekommt man damit durchaus sichere 
und Langlebige Lötstellen hin. De facto unterscheidet sich der 
Lötvorgang nur durch die Temperatur des Lötkolbens, welche geringfügig 
höher ist. Das ist aber weder beim Auf, noch beim Entlöten ein Problem. 
Mittlerweile sind auch alle Bauteile, die ich verarbeite, Bleifrei, im 
Gegenteil, es ist ja schon schwierig Bleihaltige Bauteile zu bekommen. 
Wenn man aber Bleifreie Bauteile mit Bleihaltigem Lot lötet kann man 
sehr leicht kalte Lötstellen produzieren, die dann auch noch schwer 
erkennbar sind.

: Bearbeitet durch User
von Frank B. (f-baer)


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JoJoBa schrieb:
> Ohne mich in eine Diskusion zu verwickeln,
> wollte ich drauf aufmerksam machen, dass eine einseitige
> Stellungsnahme zum Bleifreilöten nicht zufriedenstellend zur
> Aufklärung beiträgt.

Vielleicht sollte trotzdem angemerkt werden, dass bleifrei heutzutage 
Stand der Technik und vor allem Stand geltenden Rechts ist.

> Weichlöten ist kein physikalischer, sondern ein chemischer Vorgang.
> Das flüssige Lot löst die festen Füge-Bestandteile  und durch Diffusion
> findet eine Mischung statt, die beim Erstarren des Lotes zur
> Legierungsbildung führt .

Aber nur direkt am Übergang. Das nennt sich dann "Intermetallische 
Phase". Diese Grenzschicht ist nur wenige µm dick.

Den Exkurs in die Werkstoffwissenschaften spare ich mir mal, er enthält 
keinen argumentativen Wert.

> Soviel ich weiß, beim Pb haltigem Löten sind nicht so sehr die
> entstehende Gase Gesundheitsbedenklich, sondern die Tatsache,dass
> Lötzin angefasst wird. Pb Schmelzpunkt liegt bei etwa 330C aber
> zur Pb-Verdampfung kommt es beim Löten nicht, erst bei viel höheren
> Temperaturen.

Und die Entsorgung ist problematisch. Schwermetalle reichern sich in 
Organismen an und werden nicht wieder ausgeschieden. Und wer vom 
verbleiten Löten noch keine Atemwegsbeschwerden bekommen hat, hat noch 
nie ohne Abzug länger damit gearbeitet. Die Dämpfe, die beim bleifreien 
Löten entstehen, sind ebenfalls keineswegs ungiftig.

> Im gegensatz zu Bleifreiem Löten, wo technisch bedingt mit höcheren
> Temperaturen und anderen gefährlichen Flußmittelbestandteilen
> gearbeitet wird,geht die Gefahr also vielmehr von den Folgen
> einer hohen oder zu hohen Löttemperatur aus bzw die Entstehung von
> gesundheitsschädlichen Prozessgasen der Verbrennung von Flussmitteln und
> der Verdampfung von Lösungsmitteln.

Deswegen ist eine Lötrauchabsaugung vorgeschrieben.

> Ich bin kEIN Experte, will auch nicht sein und kenne mich Fachlich
> nicht perfekt aus. Ich will auch nicht diskutieren.
> Habe die TO Frage aber aufgeschnappt, um diese Argumente hier
> für interessenten bereitzustellen, da die ERFAHRUNG ein ganz
> anderes Bild wiedergeben kann, wie die Medienbestrebungen
> dazu das Bleihaltiges Löten zu Verdammen und Bleifreies als fast
> bedenkenlos darzustellen !

Bist du jetzt Experte oder zumindest aussagekräftig, oder nicht?
Du willst nicht diskutieren, stellst aber Argumente bereit und verweist 
auf deine unantastbare "Erfahrung".

> Zu den "Kalten Lötstellen" möchte ich noch Folgendes erwähnen;
> Ich arbeite in der Industrie in einer Werkstatt, wo etwa 3 Dutzend
> Techniker die Entwicklungsabteilung-Pläne von Prototyp-Elektronik
> in die Praxis umsetzen. Somit ist unsere Arbeit mit ständigem
> Handlöten verbunden (pro Person Jährlich etwa 3Kg Lötzinn und mehr)
> Wie Oben erwähnt, wir sind ofiziell von diesem Umstellungszwang
> befreit worden !

Was hat das mit kalten Lötstellen zu tun?
Vielmehr darf hier angemerkt werden, dass bleifreie Prozesse heutzutage 
von jedem EMS absolut problemlos beherrscht werden.
Das Prozessfenster dafür ist absolut beherrschbar und fehlerhafte 
Lötstellen, die wirklich auf bleifreie Lötung zurückzuführen sind, habe 
ich seit über 10 Jahren nicht gesehen.
Und abschliessend noch eine Bemerkung: Firmen werden nicht von der 
Einhaltung von RoHS befreit. Es gibt Produktgruppen, für die Ausnahmen 
gelten. Das ist ein großer Unterschied.

>
> MfG!

von Carsten W. (eagle38106)


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JoJoBa schrieb:
> Zu den "Kalten Lötstellen" möchte ich noch Folgendes erwähnen;
> Ich arbeite in der Industrie in einer Werkstatt, wo etwa 3 Dutzend
> Techniker die Entwicklungsabteilung-Pläne von Prototyp-Elektronik
> in die Praxis umsetzen. Somit ist unsere Arbeit mit ständigem
> Handlöten verbunden (pro Person Jährlich etwa 3Kg Lötzinn und mehr)
> Wie Oben erwähnt, wir sind ofiziell von diesem Umstellungszwang
> befreit worden !

Man, was muß das für eine Bastelbude sein.

Handlöten mit bleifreiem Lot geht seit der Umstellung vor ?13? Jahren 
völlig problemlos. Alle anderen können das. Warum Deine Firma nicht?

Selbst unter sub-optimalen Bedingunen am heimischen Lötplatz bleifrei 
handgelötete Platinen, die seit über 10 Jahren im Außenbereich 
eingesetzt sind, funktionieren bei mir ununterbrochen fehlerfrei.

Ist schon wieder Troll-Zeit?

: Bearbeitet durch User
von Steffen N. (bummibaer)


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O.K. Als Threadersteller melde ich mich nochmal.
Sorry, ich wollte wirklich keine ideologische Diskussion auslösen...

Vielleicht können mir die erfahrenen Kollegen Ihre Lot/Flussmittel-
Kombination einfach mal mitteilen( Umfrage?)
Danke, und einen schönen Tag noch
Steffen

von Olaf (Gast)


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> Vielleicht können mir die erfahrenen Kollegen Ihre Lot/Flussmittel-
> Kombination einfach mal mitteilen( Umfrage?)

Du kannst bleifrei sehr gut mit allen Loten loeten die einen geringen 
Nickelanteil haben. Das ist z.B SN100C. Das funktioniert nicht nur super 
in Loetstrassen sondern auch sehr gut bei Handloetungen.

Es gibt aber vier Probleme:

1. Ist der Umgang mit Nickel auf Dauer gesund? (Nickelallergie)

2. Leute die mit bleihaltigem Lot nicht gut loeten koennen, die sind 
bleifrei noch schlechter. (vgl: der Typ mit der Frickelbude hier im 
Thread)
Wenn man aber loeten kann dann ist es damit kein Problem!

3. Bleifrei zu loeten ist auf jedenfall eine hoehere thermische 
Belastung fuer Bauteile und vor allem Platinen. Und genau deshalb nutze 
ich in der Entwicklung lieber verbleit weil man oefter mal an einer 
Platine an derselben Stelle rumloetet.

4. Platinen mit grosser Masseflaeche und dick Kupfer die sich auch mit 
Blei schon schlechter von Hand loeten lassen, sind bleifrei natuerlich 
noch schlimmer. Man braucht dann eher eine Vorwaermplatte die man privat 
kaum haben duerfte.

Es gab aber in der Anfangszeit auch einige bleifreie Lote die sich 
wirklich sehr beschissen loeten liessen. Also aufpassen was man kauft!

Olaf

von Carsten W. (eagle38106)


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Moin!

Ich hatte hier schon einmal das Lot (Sn99.3Cu0.7 von Elsold) 
beschrieben, mit dem ich meine Schaltungen per Hand lötet. THD und SMD 
bis 0.5er Fine-Pitch.

Beitrag "Re: Was für eine Entlötlize, welches Flußmittel und welches bleifreie Lot soll man sich kaufen?"

Gruß
Carsten

: Bearbeitet durch User
von Robert (Gast)


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wir setzen bei uns das Amasan BF32-3 ein. Wir haben damasl auch etliche 
sorten getestet. Das war tatsächlich ziemlich aufwendig und am Schluss 
stellte sich das BF32-3 als das (für uns) Beste raus. Wir nehmen es 
heute noch, denn es ist wirklich gut. Wir nehmen je nach Lötstelle 0,5mm 
oder 0,8mm. 1mm haben wir getestet, ist aber schon wg. der benötigten 
Energie für bleifreie Lote schlechter zu löten.
Wichtig: wir (bzw. der Idiot von Einkäufer ;-)) haben dann allerdings 
den Fehler begangen und das (vermutlich billigere) BF32-2 gekauft - das 
war dann deutlich schlechter und liegt heute noch verschmäht im Lager.

von Fabian F. (fabian_f55)


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Wir benutzen auf der Arbeit AG3,8 SN95.5 CU0.7 harzfrei. Funktioniert 
eigentlich kaum schlechter als Bleihaltiges.


Riecht nach Orange beim löten :-)

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Robert schrieb:
> wir setzen bei uns das Amasan BF32-3 ein.

Ich benutze das oben verlinkte Felder EL Sn100Ni+, da ich zu dem
Zeitpunkt, als ich es gekauft habe, von Amasan BF32-3 noch nichts
wusste. ;-)  Seitdem wartet die Rolle drauf, bis sie endlich mal alle
wird, aber das wird wohl noch ein Weilchen dauern …

Ich kann die im genannten Thread getroffenen Einschätzungen so
bestätigen.  Seit ich mir eine (einfache) JBC-Station gegönnt habe,
löte ich den normalen Krams bleifrei mit den gleichen 320 °C Temperatur,
die ich früher mit der Weller für bleihaltiges Lot eingestellt hatte.

Fürs Grobschlächtige (FR4-Teile zusammenlöten oder große Blechteile)
habe ich auch noch einen ansehnlichen Rest von Edsyn SAC 8250 in 0,8 mm,
den ich mir zu Beginn der Bleifrei-Ära mal gekauft habe.  Das fließt
halt nicht ganz so schön.

Ach so, einen Flussmittelstift sollte man immer parat haben.

(Bleihaltiges Lötzinn hab' ich auch noch rumliegen, benutze es aber
kaum noch.)

: Bearbeitet durch Moderator
von Carsten S. (dg3ycs)


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Hi,

Also das für Allerweltsprodukte bleifreie Lötung keine Problem mehr ist, 
das bezweifelt hoffentlich niemand mehr ernsthaft.. Anfangs gab es 
tatsächlich massive Probleme, aber insbesondere die Automatisierte 
Fertigung bereitet keinerlei Kopfzerbrechen mehr.

Was bei Beschlussfassung der Bleifreipflicht nicht vorlag, aber auch 
jetzt noch nicht abschließend abschließend vorliegt, das sind echte 
Langzeiterfahrungen bei mechanisch stark beanspruchten Verbindungen 
(Erschütterungen, Vibrationen usw.) ODer wie die Langzeitzuverlässigkeit 
bei bestimten Umgebungsbedingungen (klimatisch, chemisch) sich 
entwickelt. Das ist bisher nur aus Laborversuchen für eine Zeitdauer 
größer 15 Jahre abschätzbar.
Daher hat man aus Sicherheitsgründen bei Produkten wo dies in einer 
realen Gefährdung von Menschenleben münden kann Ausnahmeregelungen 
getroffen.
(Wobei dies nur einer der beiden Hauptgründe für die Ausnahmeregelungen 
ist)

Und ja - für bestimmte Produkte ist bleifreies Lot bis heute NICHT 
zulässig. Ist natürlich nicht in einem speziellen Gesetz geregelt, 
sondern in Anforderungen der Auftraggeber und ggf. (noch) in gewissen 
Internationalen Normen/Verträgen. Aber ich selbst kenne nur für ersteres 
konkrete Fälle. Wird aber immer weniger.

Aber wie gesagt, wirklich problematisch ist Bleifrei heute nicht mehr in 
der Verarbeitung.

Allerdings:
Bleifreies Löten HAT einige Nachteile.
Der Größte ist die höhere Löttemperatur. Das betrifft automatiserte 
Fertigung genauso wie Handlötung.
Die Bauteile werden stärker gestresst, was halt höhere Anforderung an 
die Einhaltung der Prozessparameter stellt. ISt aber auf jeden Fall 
beherrschbar.
Ansonsten fällt mir für die automatisierte Fertigung (Reflow/Dampfphase) 
jetzt kein weiteres größeres Manko mehr ein.

Anders ist es aber bei der Handlötung:
Es gibt mittlerweile ja durchaus einige brauchbare Drahtlote. Das ist 
keine Frage. Ich verwende -wie im anderen Thread geschrieben- für alle 
bleifreien Lötungen auch das AMASAN BF 26-3. Damit kann man arbeiten.

ABER: Keines der Lote -auch das BF26-3 kommt in der Anwendung an ein 
auch nur mittelklassiges Bleilot heran.
Die Verarbeitung ist zwar nicht "schwierig" aber doch unbequemer. Zudem 
habe ich die Erfahrung gemacht das die entstehenden Flussmitteldämpfe 
mich doch deutlich beeinträchtigen, während ich bei dem normalne Bleilot 
überhaupt keine Probleme habe.

Auch sind die Standzeiten der Lötspitzen mit Bleilot deutlich höher und 
ich habe auch die Erfahrung gemacht das meine Entlötstation (Weller 
VP801) mit bleifreien Lot deutlich häufiger gereinigt werden muss als 
beim normalen Lot.
Und zu guter letzt ist vernünftiges Bleifreies Lot auch noch dreimal so 
teuer wie Bleilot.

Das alles sind doch schon deutliche NAchteile. Und das wo es praktisch 
keinen Vorteil für den Anwender bei bleifreien Lot gibt. ZWar wird immer 
wieder die Gesundheitsgefährdung durch Blei angegeben, aber wenn man 
sich die tatsächlichen Verhältnisse ansieht ist das für einen 
vernünftigen Hobbyisten Blödsinn.
Wenn man mit Bleilot hantiert können zwar tatsächlich geringste 
Bleispuren an die Hände kommen, aber wenn man nun nicht gerade den 
ganzen Tag abwechselnd Bleilot in die Hände nimmt (oder gar durch die 
Hände zieht) und dann wieder die Finger in den Mund nimmt (oder halt mit 
den FIngern isst), sind die aufgenommen Mengen von nicht nachweisbar bis 
unbedenklich.
Und dann kommt noch dazu von dem Oral Aufgenommenen Blei bei einem 
Erwachsenen gerade mal 10% Überhaupt resorbiert werden...

Also vor dem Essen Hände waschen und es besteht absolut KEINE 
Beeinträchtigung. Aber das sollte selbstverständlich sein wenn man 
bastelt. Zumal auch bleifreies Lötzinn und andere Dinge die man beim 
Basteln anpackt jetzt nicht gesundheitsfördernd ist.

Verdampfen oder sonstwie in die Luft geblasen wird ja beim Löten vom 
Blei überhaupt nichts...
Da ist das agressivere FLussmittel beim Bleifreien Lot doch schon 
stärker Beeinträchtigend.

Daher: Wer darf, der ist gut beraten beim Bleihaltigen Lot zu bleiben. 
Mit Bleifreien geht zwar auch alles, aber es ist halt unnötigerweise 
teurer und Umständlicher...

Gruß
Carsten

P.S.: Bei mir wurde vor ein paar Jahren, als ich noch richtig viel 
gelötet habe und -ich gebe es schamvoll zu- dabei auch noch regelmäßig 
gegessen habe, mal der Bleiwert im BLut bestimmt.

Ergbeniss: Noch Unterhalb des Durchschnittswertes von Großstädlern in 
derselben Altersgruppe. Und das wo ich zu dem Zeitpunkt schon über 15 
Jahre viel mit Bleitlot gebastelt habe und 10 Jahre neben Hobby auch 
noch im Job damit zu tun hatte.

: Bearbeitet durch User
von Robert (Gast)


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Ich persönlich trauere dem bleihaltigen Lötzinn eigentlich nur noch bei 
großen Masseflächen (z.B. dem Auflöten eines TO252 oder D2PAK oder dem 
Einlöten eines Steckers/Kabels direkt in eine Massefläche) nach, da ist 
das Löten tatsächlich langwieriger, das bleihaltige schmilzt einfach 
schneller. Dafür muss ich nicht mehr aufpassen, dass ich mit meinen 
verbleiten Fingern nicht an meinem Mund komme oder nicht mehr in der 
Nase pule ;-)

>Daher: Wer darf, der ist gut beraten beim Bleihaltigen Lot zu bleiben.
>Mit Bleifreien geht zwar auch alles, aber es ist halt unnötigerweise
>teurer und Umständlicher...
mmhhh - hier 
http://www.shop.display3000.com/werkstatt/loetzinn-lote/index.html steht 
aber etwas anderes. Da die Bauteil-Pins meist bleifrei verzinnt sind und 
die Leiterbahnen oft auch (HAL), betrifft es wohl jeden. Klar, für 
Hobbyzwecke geht sicher auch verbleit, aber professionell kann man sich 
solche potentiellen Probleme nicht leisten.

Zitat aus dem Link oben:
"Ein Mischen von verbleitem und unverbleitem Lot kann jedoch auf der 
Leiterplatte zu Problemen führen (z.B. dem Abheben von Leiterbahnen, dem 
sog. Lift-Off, durch unterschiedliches Erstarrungsverhalten). Zudem kann 
dann der Schmelzpunkt an der Übergangsstelle noch unterhalb dem von 
verbleitem Lötzinn liegen, was besonders bei sich stark erwärmenden 
Bauteilen problematisch sein kann."

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Robert schrieb:
> Zudem kann dann der Schmelzpunkt an der Übergangsstelle noch unterhalb
> dem von verbleitem Lötzinn liegen, was besonders bei sich stark
> erwärmenden Bauteilen problematisch sein kann.

Das ist allerdings nur ein Problem für bismuthaltige Lote.  Eine
rein verzinnte Oberfläche kann man in jedem Falle auch problemlos
mit bleihaltigem Lot verlöten, ohne Probleme erwarten zu müssen.

Bismuthaltige Lote waren in der Anfangszeit von bleifrei (eben wegen
ihres geringen Schmelzpunktes) deutlich mehr in der Diskussion, als
sie es heutzutage noch sind, da die Industrie die um 30 K höhere
Verarbeitungstemperatur der zinndominierten Lote durchweg in ihren
Prozessen zu beherrschen gelernt hat.  Heute taucht sowas eigentlich
nur noch für Sonderfälle auf, bei denen man für sehr wärmeempfindliche
Bauteile mit geringer Temperatur löten muss.

von Günter (Gast)


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>Das ist allerdings nur ein Problem für bismuthaltige Lote.

Naja, nicht wirklich. Durch mischen zweier Stoffe/Legierungen (hier also 
Lote) kreiert man eine neue Legierung mit neuen (hier völlig 
unbekannten) Eigenschaften und der Schmelzpunkt der neuen Legierung 
liegt auf jeden Fall niedriger als bei den beiden verwendeten Loten 
(bleifrei / bleihaltig). So habe ich das auf jeden Fall mal gelernt, 
wenn mich mein Gedächtnis nicht in die Irre führt... ich lass mich aber 
gerne korrigieren.

Ich bekomme also so eine Menge Lötpunkte mit unvorhersehbaren und 
unterschiedlichen Eigenschaften. So ganz unproblematisch ist das also 
nicht. Für private Prototypen und Basteleien aber vermutlich OK.

von Olaf (Gast)


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> Und zu guter letzt ist vernünftiges Bleifreies Lot auch noch
> dreimal so teuer wie Bleilot.

DAs ist nicht ganz so schlimm weil man Lot nach Gewicht kauft, aber nach 
Volumen verbraucht und bleifrei ist leichter.

Olaf

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Günter schrieb:
> Durch mischen zweier Stoffe/Legierungen (hier also Lote) kreiert man
> eine neue Legierung mit neuen (hier völlig unbekannten) Eigenschaften
> und

Jein.  Die wesentlichen Legierungspartner, die die Eigenschaften
bestimmen, sind ja bekannt: Blei, Zinn, Silber.  Deren Verhalten
bezüglich Eutektika ist damit ebenfalls bekannt.

Die Anteile an Nickel, Germanium und dergleichen spielen da keine
große Geige, da sie sehr gering sind.  Selbst der Silberanteil hat
bezüglich des Schmelzpunktes nur sehr wenig Einfluss: sowohl die
Reinzinnlote als auch die SAC-Lote (Sn, Ag, Cu) haben Schmelzpunkte,
die sich nur um wenige Kelvin unterscheiden.

Neben Bismut wäre noch Indium ein Kandidat, bei dem sich niedrige
Schmelzpunkte ergeben, ist aber meiner Kenntnis nach noch seltener
in Loten anzutreffen als Bismut.  (Manchmal hilft da auch die
Ökonomie :), Indium ist meines Wissens ziemlich teuer.)

> der Schmelzpunkt der neuen Legierung liegt auf jeden Fall niedriger
> als bei den beiden verwendeten Loten (bleifrei / bleihaltig).

Wenn du das übliche nahe-eutektische SnPb-Lot (Schmelzpunkt so um die
185 °C) mit Reinzinn- oder SAC-Loten (Schmelzpunkt um 220 °C) mischst,
dann bleibt der Soliduspunkt wie bei SnPb (183 °C), der Liquiduspunkt
schiebt sich in Richtung höherer Werte.

Wenn das beteiligte Reinzinn nur aus der dünnen Verzinnung einer
Platine oder eines Anschlussbeinchens herrührt, wird der Unterschied
kaum messbar sein, denn letztlich entscheiden die Mengenanteile.

: Bearbeitet durch Moderator
von W.A. (Gast)


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Mit dem höheren Schmelzpunkt bleifreier Lote wird im Lötprozess der Grat 
zwischen Bauteilbelastung und Löttemperatur schmaler, d.h. das 
Toleranzfenster für Schwankungen von Prozessparametern wird kleiner. 
Zusammen mit nicht so toller Prozesskontrolle resultiert draus dann eine 
geringere Zuverlässigkeit der verarbeiteten Baugruppen.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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W.A. schrieb:
> Zusammen mit nicht so toller Prozesskontrolle resultiert draus dann eine
> geringere Zuverlässigkeit der verarbeiteten Baugruppen.

Oder andersrum: mit besserer Prozesskontrolle ist es am Ende kein
Problem, die gewohnte Zuverlässigkeit dennoch zu erreichen.

von Jawa (Gast)


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Ich verwende schon seit Jahren auch fuer Prototypen Bleifrei. Nach ein 
paar Tests kam heraus, dass die Loten mit vielFlussmittel besser fuer 
manuell gehen. Ich verwend eines mit 3% Flussmittel, Silber und Kupfer.

NB. Erstaunlich mit welchen Argumenten die Umweltschweine ihr 
schaendliches Tun rechtfertigen.

von ZF (Gast)


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JoJoBa schrieb:
> Nebenbei gemerkt; in der Rüstungsindustrie, Raumfahrt und
> Medizinelektronik ist Bleifrei verboten!!!

Nein. In ECSS-Q-ST-70-08C und ECSS-Q-ST-70-38C findet sich auch 
bleifreies Lot.

von Michael B. (laberkopp)


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Offenbar erinnert sich niemand an die Reparaturen, die er an Geräten mit 
bleihaltigem Lot dürchführen dufte:

Sich selbst ausgelötete Transistoren und Relais, zumindest so weit die 
Lötstelle erhitzt daß das weiche Lot durch Erschütterungen immer wieder 
aufgebrochen wurde bis die Lötstelle endlich keinen Kontakt mehr gab.

Das Problem ist mit bleifreiem Lot auf Grund der höheren 
Schmelztemperatur sicher geringer geworden, bleifreies Lot ist in der 
Hinsicht also zuverlässiger.

Und einen Bastler, der sich nach jedem Anfassen von Leiterplatten und 
Lot die Hände wäscht, bevor er Essen geht, ist mir auch noch nicht 
untergekommen. Der Bastler ist derjenige, der von Bleifreien Lot am 
meisten profitiert. Der normale Anwender lässt das Blei schön im 
verschlossenen Gehäuse von Kauf bis zu Entsorgung.

Bedauerlicherweise verschiessen Jäger immer noch Tonnen von Blei in die 
Umwelt, wo sie zu qualvollem Sterben vieler Tiere (die nicht mal Ziel 
des Schusses waren) führen und ganze Regionen (beispielsweise der Grund 
von Seen) nachhaltig mit Blei verseuchen. Aber die Killer in Grün haben 
eine starke Lobby und sowieso ein kaltes Herz.

von SkyperHH (Gast)


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Ich mag die Frage jetzt garnicht stellen ...
Meiner Info nach ist das auch die einzige Ausnahme warum in bestimmten 
Bereichen noch weiterhin mit bleihaltigen Lot gearbeitet wird. Bleifreis 
Lot kann Whisker bilden:

--> https://de.wikipedia.org/wiki/Whisker_%28Kristallographie%29
--> 
http://www.dguv.de/medien/ifa/de/pra/zinnwhisker/ifa_info_zinnwhisker.pdf

Hat jemand mit dem Problem schon mal zu tun gehabt, darüber gestolpert, 
also beruflich?

von michael_ (Gast)


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Michael B. schrieb:
> Und einen Bastler, der sich nach jedem Anfassen von Leiterplatten und
> Lot die Hände wäscht, bevor er Essen geht, ist mir auch noch nicht
> untergekommen. Der Bastler ist derjenige, der von Bleifreien Lot am
> meisten profitiert. Der normale Anwender lässt das Blei schön im
> verschlossenen Gehäuse von Kauf bis zu Entsorgung.

Doch, ich!
Denn für mich gilt, "Vor dem Essen händewaschen nicht vergessen!".
Mindestens, wenn man die Möglichkeit dazu hat.

Geld, Straßenbahnhalterungen, Krankenhaus usw. sind viel gefährlicher 
als eine Bleileiterplatte.
Sehr kritisch wird ein vercadmiertes Teil in Zusammenhang mit Obst.
Diese silbrigen Eisenteile sind in alten Radios zu finden.

von Max G. (l0wside) Benutzerseite


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Michael B. schrieb:
> Sich selbst ausgelötete Transistoren und Relais, zumindest so weit die
> Lötstelle erhitzt daß das weiche Lot durch Erschütterungen immer wieder
> aufgebrochen wurde bis die Lötstelle endlich keinen Kontakt mehr gab.

Dafür hat bleifreies Lot den Nachteil, starrer zu sein, was bei Biege- 
und Scherbelastungen zu einem früheren Reißen der Lötstelle führen kann. 
Und das ist nicht nur ein theoretisches Problem.

SkyperHH schrieb:
> Bleifreis Lot kann Whisker bilden:
[...]
> Hat jemand mit dem Problem schon mal zu tun gehabt, darüber gestolpert,
> also beruflich?

Ja, habe ich. Macht keinen Spaß.
Allerdings sind sowohl die Reinzinnbeschichtungen der IC-Beinchen als 
auch die Lote in den letzten anderthalb Jahrzehnten so viel besser 
geworden, dass das Problem bei den meisten Anwendungen keines mehr ist.
Whiskerbildung ist ein Spannungsabbauprozess. Wenn also keine innere 
(mechanische) Spannung im Zinn ist, gibt es auch keine Whisker. Für 
diese Spannung kann es verschiedene Ursachen geben: Biegen von 
IC-Beinchen nach dem Verzinnen; zu schnelles Abkühlen von Lötstellen; 
externe Temperaturwechsel.
Die NASA hat eine eigene Website dafür: http://nepp.nasa.gov/whisker/

Mein Lieblingsbild: http://www.leadfreedod.com/images/pbfree-verdi2.gif

Max

: Bearbeitet durch User
von Mampf F. (mampf) Benutzerseite


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Christian B. schrieb:
> Man darf sich also so weit aus dem Fenster lehnen
> und behaupten, daß das heutzutage kein Ausfallgrund mehr ist. In den
> Anfangsjahren kurz nach der Einführung gebe ich dir recht, da gab es
> vermehrt Ausfälle.

So wie damals, als die NVidia GPUs in Notebooks ausfielen, wofür die 
Umstellung auf bleifrei schuld war?

Denke, wenn es ums Geld geht, werden die Probleme sehr schnell in den 
Griff bekommen haben

von Stefan (Gast)


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Steffen N. schrieb:

> Ich habe diesen Thread als sehr interessant empfunden:
> Beitrag "Vergleich Lötzinne: Felder EL Sn100Ni+ und Amasan BF32-3"

Persönlich verwende ich (neben einer steinalten bleihaltigen Rolle) 
Amasan BF26-3 (ja, sechsundzwanzig-drei)...

Ich kann in der Verarbeitung beim Handlöten eigentlich keinen 
Unterschied zum bleihaltigen Lot feststellen, wenn man von der leicht 
höheren Temperatur einmal absieht.

HTH,
Stefan

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