Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Regelstrecke erfassen (Temperaturregelung)


von Newbie (Gast)


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Hallo, ich versuche aktuell die Temperatur von einem Bügeleisen zu 
regeln.

"Ein wenig" ist das Projekt von diesem Video inspiriert: 
https://youtu.be/6NPTslF68Q0?t=299 – Ich möchte mir auch einen 
Bügeleisen PCB Ofen bauen.

Ich benutzte zum Anschalten des Bügeleisens auch ein Halbleiterrelais 
und einen PT100 um die Temperatur zu messen.

Meine Ziel Temperatur ist ~180°C nur kann ich leider nicht einfach eine 
Sprungantwort aufnehmen – denke ich zumindest. Wenn ich das Relais 
schalten lasse und warte bis die Temperatur bei 180°C ist und das 
Heizelement ausschalte ist das Heizelement noch so heiß, dass es das 
Bügeleisen auf über 230°C erhitzt und an diesem Punkt schmilzt eine 
Sicherung durch. Ich möchte ungern die Sicherung überbrücken da ich 
davon ausgehe, dass über den 230°C das Bügeleisen Schaden nimmt (es ist 
schon die ein oder andere Sicherung durchgebrannt).

wie kann ich mit dieser Regelstrecke umgehen - Wie kann ich die 
Sprungantwort aufnehmen?

Ich hatte bisher nur ein Modul Reglungstechnik und dort war es bisher 
so, dass nach einer Gewissen Zeit die Strecke einen festen Wert 
angenommen hat, nachdem man die Strecke „eingeschaltet“ hat. Wie ein 
Motor, den man anschaltet und dieser hat nach einer gewissen Zeit seine 
maximale Drehzahl erreicht. Mit der Kennlinie konnte man dann die 
Parameter der Strecke bestimmen.

Bei dem Bügeleisen bin ich mir sicher, dass ich dieses in den Defekt 
gehen lasse, wenn ich warte, bis die maximale Temperatur erreicht ist. 
Wie nimmt man typischer weise eine solche Regelstrecke auf?

Schonmal vielen Dank für eure Hilfe!

Beitrag #6637980 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Dirk B. (dirkb2)


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Taste dich ran.
Fang bei 100 °C abzuschalten und schaue was passiert
dann in 10er oder 20er Schritten weiter.

von Newbie (Gast)


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Metpooli schrieb im Beitrag #6637980:
> Ich denke mal so wie man eine Röhrenkennlinie aufnimmt vielleicht?

Wie nimmt man die Röhrenkennlinie auf? Irgendwie scheine ich falsch 
gesucht zu haben und kam nur auf Artikel/Blog Einträge zu 
Kennlinienschreiber usw.

Dirk B. schrieb:
> Fang bei 100 °C abzuschalten und schaue was passiert

Okay, wenn ich es geschafft habe die Zieltemperatur zu erreichen bei 
z.B. abschalten nach 120°C wie würde ich dann weiter machen? Würde ich 
dann bei dem Wendepunkt, indem das Heizelement abkühlt, einfach davon 
ausgehen, dass es anschließend konstant wäre? Oder gibt es da noch was 
zu beachten?

von Newbie (Gast)


Angehängte Dateien:

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Ich hatte die Wärmekapazität des Heizelements unterschätzt. Es reicht 
aus auf 80°C zu erhitzen und die Oberfläche wird sich auf 190°C 
erhitzen.

Ich habe für den Fall die Kennleine aufgenommen und der Datei angehängt.

Die späte Antwort kommt daher, dass ich die manuell von einem Video 
übertragen habe (Gab bestimmt clevere Wege).

Kann ich aus der Antwort einfach die Streckenparameter ablesen?

Hat jemand Erfahrungen inwieweit das mathematische Modell von einem 
Regelkreis im Bildbereich modifiziert werden muss, wenn man die 
Sprungfunktion nicht ganz durchgängig anliegen hat?

Oder sollte man die Strecke noch weiter abstrahieren? Also z.B. mit 
einem PWM Signal (f = 1Hz) einen Wert finden, der es schafft, das 
Bügeleisen auf 180°C hochzuheizen und diesen Wert würde man als 
Sprungfunktion nehmen so wäre das Eingangssignal "kontinuierlich". Was 
wäre hier gängige Praxis?

von Mirko W. (Gast)


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Schön, ein tolles Experiment. Wenn du magst, werte ich mit dir zusammen 
aus und beschrebe, was ich gemacht habe.
Magst du die Messdaten nochmal hochladen?
Und genau, um die Sprungantwort zu modellieren, wird oft das 
Kleinsignalverhalten um einen Arbeitspunkt genommen, also zum Beispiel 
von 50% auf 60% springend. PWM mit einer Frequenz viel höher als die 
kleinste Zeitkonstante ist gängige Praxis, um das Ganze quasistetig 
anzusteuern.

von Newbie (Gast)


Angehängte Dateien:

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Sehr gerne! Ich könnte etwas Erfahrung an meiner Seite gebrauchen. Und 
um deine Beschreibungen wäre ich dir sehr Dankbar :)

Der Dateianhang beinhaltet meine Messreihe und die Diagramme. Die Zeiten 
sind jetzt anders als bei den Diagrammen die ich gepostet habe. Ich 
hatte einen Umrechnungsfehler von Frame auf Sekunde.

Die Messreihe hört auf wenn die Temperatur wieder um 10 Grad gefallen 
ist. Das liegt nicht daran, dass das Video nicht länger ging sondern 
daran, dass ich für mich entschieden habe, dass es reichen sollte, also 
wenn die Abkühlphase wichtig sein sollte, ich konnte diese auch mit 
Aufnehmen.
In kurz: sag wenn dir was fehlt :D

Sehr gut, das war mir gar nicht so klar. Ich hatte bisher nur Szenarien 
von 0 auf Wert N.

Kann man aus der gegeben Kennlinie eigentlich auf den PWM zurück 
schließen?
Nach 30s habe ich das Relais ausgeschaltet und nach 80s war die 
Temperatur bei 190°C also könnte man auch 3/8 einer Sekunde anschalten 
um auf die Temperatur zu kommen oder ist die Annahme des konstanten 
Stroms an der Stelle zu Naiv?

Dann müsste ich die Kennlinie nochmal aufnehmen  und zusätzlich den 
Strom messen.

von Purzel H. (hacky)


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Vergiss das ganze Regelungstechnik Gedoens. Das war nett in der Schule. 
Die Strecke ist nicht bidirektional, kann zB nicht kuehlen, hat eine 
nichtlineare Kennlinie, und mehrere Zeitkonstanten.
Als wichtigste Addition zum PID waere eine Vorwaerts Groesse als 
Spannung von Temperatur zu Umgebung zu nennen. Das ist am Besten eine 
Tabelle. Naemlich welchen Steuerwert benoetigst du fuer eine statische 
Steuerung, um die Temperatur zu erreichen.
40deg = 3%, 70 deg = 10%, 100deg= 20%, 150deg = 30%, 200deg =50%, dabei 
ist zu betrachen, dass die Leistung quadratisch zur Spannung geht. Und 
jetzt musst du noch etwas drueben nachdenken wie das Ganze etwas 
schneller wird. Allenfalls auch eine (zeitabhaengige) Tabelle. Den PID 
kann st du am Schluss noch oben drauf werfen, wenn's denn sein muss.

von Newbie (Gast)


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Purzel H. schrieb:
> Vergiss das ganze Regelungstechnik Gedoens. Das war nett in der Schule.

Jaein also tatsächlich würde ich es wenn möglich ungern vergessen. 
Bisher hatte ich einzelne Module wie Regelungstechnik, Diskrete/Analoge 
Systeme & Signale, Leitungstechnik, Messtechnik. Ich hatte gehofft, mit 
Hilfe dieser Temperaturregelung alle Module mal anzuschneiden.

Also über die Sprungantwort an die PID Schätzwerte kommen die 
Übertragungsfunktion bilden diese dann Z-Transformieren und anschließend 
die Rekursiv-Form bestimmen und diese dann implementieren.

Sollte es mit den Methoden die ich kenne nicht gehen - klar dann geht es 
nicht und muss eine andere Verwenden würde es aber gerne doch erstmal so 
versuchen. @Mirko W. war zumindest zuversichtlich, dass es klappt.



Purzel H. schrieb:
> Als wichtigste Addition zum PID waere eine Vorwaerts Groesse als
> Spannung von Temperatur zu Umgebung zu nennen. Das ist am Besten eine
> Tabelle. Naemlich welchen Steuerwert benoetigst du fuer eine statische
> Steuerung, um die Temperatur zu erreichen.
> 40deg = 3%, 70 deg = 10%, 100deg= 20%, 150deg = 30%, 200deg =50%, dabei
> ist zu betrachen, dass die Leistung quadratisch zur Spannung geht.

Das klingt für mich wie die Stellgröße also das PWM Signal oder meinst 
du etwas anderes?

Purzel H. schrieb:
> Die Strecke ist nicht bidirektional, kann zB nicht kuehlen, hat eine
> nichtlineare Kennlinie, und mehrere Zeitkonstanten.

Nach meinem Wissen muss eine Strecke weder (aktiv) bidirektional oder 
linear sein um Sie regeln zu können oder hab ich da was falsch 
verstanden? Also warum ist für eine Regelung einer Temperatur eine 
aktive Kühlung notwendig, wenn ich einfach passiv kühlen kann indem ich 
das Heizelement ausschalte.

Beitrag #6638998 wurde von einem Moderator gelöscht.
von Newbie (Gast)


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Metpooli schrieb im Beitrag #6638998:
> Du musst viele Kurvenscharen fahren.

Kannst du mir das bitte etwas präziser erklären?
Die Kurvenschar abhängig von welchem zusätzlichen Parameter?

Wenn ich die Kurvenschar ermittelt habe abhängig von dem neuen Parameter 
was bringt es für einen Vorteil den ich aktuell nicht habe und wie würde 
ich diese Kurvenschar auswerten?

von Olaf (Gast)


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> Meine Ziel Temperatur ist ~180°C nur kann ich leider nicht einfach eine
> Sprungantwort aufnehmen – denke ich zumindest.

Doch das kannst du. Wenn du Angst hast dann faehrst du halt nur bis 
150Grad
und schaltest vorher hab. Dann ist das Ergebnis vielleicht nicht ganz so 
genau, aber es reicht fuers erste. Dein Probleme sind anderer Natur.

1. Der Abstand zwischen Heizelement und deinem Fuehler sollte klein 
sein.
   Jede zusaetzliche Zeitkonstante die da du einbaust macht dir das 
Regeln
   schwerer.

2. Idealerweise sollte die maximale LEistung die du in dein Buegeleisen 
steckst
   nicht zuviel ueber deine maximale Wunschtemperatur liegen. Wenn du 
also
   z.B 180Grad willst dann solltest du bei maximaler Einschaltzeit 
vielleicht
   250Grad erreichen, aber nicht 500. Das macht deine Regelung erheblich
   einfacher.
   Das bedeutet das du deine PWM mit der du die Heizung regelst so 
auslegst
   das 100% ungefaehr so liegen. Steuer das Buegeleisten also mal auf 
180Grad,
   schau welche Einschaltzeit du dafuer brauchst, leg da noch etwas 
drauf,
   aber nicht zuviel!

3. Deine Regelstrecke sollte linear sein! Notfalls arbeite am Ausgang 
mit
   einer Tabelle oder eine Funktion um die Leistung zu linearisieren.

4. Wenn du nicht nur 180Grad sondern auch sehr kleine Temperaturen 
regeln willst, sagen wir mal 50 oder 80Grad, dann wirst du dafuer andere 
Regelparameter brauchen weil sich deine Strecke dort anders verhaelt. In 
dem Falle die Regelung mehrfach parametrisieren und je nach Sollwert die 
Parameter umschalten.

Olaf

von Karatona (Gast)


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Ich kann dir nur den Tipp geben dir erstmal ein Modell deiner 
Regelstrecke aufzubauen. Du hast 3 Vorgänge, die wichtig sind:

1. Zufuhr von elektrischer Energie (Stellgröße) und Umwandlung in Wärme 
des Heizelementes
2. Wärmediffusion (Konduktion) durch den Werkstoff auf die Oberfläche 
des Bügeleisens
3. Wärmeverlust durch Konvektion mit der Umgebung (auszuregelnde 
Störung)

Punkt 2. macht es schwieriger, weil du "vorausschauend" regeln musst, 
wie du schon richtig erkannt hast. Eventuell findet du im Internet ein 
thermisches Modell für ein Bügeleisen und brauchst nur noch die 
Parameter zu schätzen.

von Sebastian S. (amateur)


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>Eventuell findet du im Internet ein
>thermisches Modell für ein Bügeleisen und brauchst nur noch die
>Parameter zu schätzen.
Vergiss das ursprüngliche Bügeleisen!
Ein Bügeleisen tanzt zwischen den folgenden Extremen:
1. Bleib Ruhig, wenn Du in der Halterung stehst.
   Also heize, mangels Wärmeabfuhr nicht auf 500°. Auch wenn die
   Teile nicht mehr die Masse von Uromas Teil haben, würde die
   Wäsche echt Sauer werden, wenn das Teil durchdreht.
2. Heize möglichst schnell nach, wenn z.B. feuchte Wäsche ordentlich
   die Wärme schluckt.
Dein "neues" Bügeleisen wird wohl, um beherrschbare Verhältnisse zu 
bekommen, in einem Gehäuse werkeln. Dort ist aber die Umgebung eine 
völlig andere. Je nach Isolierung wirst Du auch mit wesentlich weniger 
Leistung (im Gegensatz zu feuchter Wäsche) auskommen.
Ich würde einen leichten (zügig reagierenden) Sensor empfehlen und einen 
"von Hand" eingestellten/optimierten PDI-Regler verwenden.
Da es sich um einen recht langsamen (für einen µP) Prozess handelt, 
sollte eine Paketsteuerung für das Heizelement ausreichen. Deine 
Nachbarn werden es Dir auch Danken. Die stellst Du so ein, dass die 
"Endtemperatur" nicht übermäßig überschritten wird. Dadurch dauert das 
Einheizen zwar etwas länger, das System lässt sich aber besser regeln.
Muss aber nicht sein.

von Hermann W. (hermannw)


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Wie schon vorgeschlagen ermittelt man die Sprungantwort mit einer 
kleinen Stellgröße (PWM), die stationär deine Zieltemperatur gerade 
erreicht. Also ausprobieren: z.B. 10% PWM für 180°C. Dann einen Sprung 
mit diesen 10% und lange heizen, bis sich die Endtemperatur nicht mehr 
ändert. Aus dem Kurvenverlauf ermittelst du per Regression die PT1- oder 
PT2-Parameter der Strecke. Die Werte stimmen dann auch für andere 
Stellgrößensprünge. Sie müssen vielleicht für viel größere oder kleinere 
Temperaturen angepasst werden.
Der fertige PID-Regler wird dann zu Sprungbeginn kräftig heizen. Man 
muss dafür sorgen, dass er nicht an den Anschlag der Stellgröße geht, 
sonst dauert es ewig, bis der I-Anteil eingeschwungen ist.

von Hermann W. (hermannw)


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Ich nehme an, du willst etwas lernen und die Regeltechnik anwenden. Aber 
wenn du es einfach haben willst, bist du mit einem fertigen Regler 
schnell am Ziel. Meine Pizza-Ofen-Lösung ginge genauso für ein 
Bügeleisen:
Beitrag "Re: Backofen umbau zu Reflow-Ofen"

von Karatona (Gast)


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Hermann. Die Regelstrecke ist weder PT1 noch PT2. Zum einen ist eine 
Totzeit beim start des Aufheizens drin, zum anderen strebt die 
Regelstrecke bei eingeschalteter Spannung keinem Gleichgewicht zu 
sondern erwärmt sich kontinuierlich weiter. Und zu guter letzt kommt es 
zu einem "Nacherwärmen". Die Spannung ist bereits abgeschaltet und 
trotzdem steigt der Ausgang zunächst weiter an.

von Joachim B. (jar)


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Newbie schrieb:
> Ich benutzte zum Anschalten des Bügeleisens auch ein Halbleiterrelais
> und einen PT100 um die Temperatur zu messen.

wo ist dein Problem?
Ging schon vor 35 Jahren

Ich nahm aber einen Typ J Eisen Konstantan oder auch Fe-CuNi genannt
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantan

Mit einem Halbleiterschalter bist du so schnell das eine 2-Punktregelung 
locker ausreicht, deine thermischen Konstanten sind viel zu groß als das 
du einen PID brauchst!

Beitrag "Re: Temperaturmessung bis 1000°C"

habe es damals nur um die Geradenkennlinie pendeln lassen +-5K mehr ging 
bei der 8-Bit Auflösung nicht bei 1200°C max.
Die Steigung war trotzdem schön linear mit 800°C/h max Speed

: Bearbeitet durch User
von Michel M. (elec-deniel)


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: Bearbeitet durch User
von Purzel H. (hacky)


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Sprungsantwort Messen und Laplace is etwas fuer lineare Systeme. Denn 
die Fouriertransformation ist fuer lineare Systeme. Bei nichtlinearen 
Systemen geht das zunehmend nicht mehr. Die Frage is nun, wieviel 
Nichtlinearitaet ist zuviel. Dazu fehlt dir aber die Mathematik.

Das Abkuehlen hat eine andere Zeitkonstante, welche aber nichtlinear 
abhaengig von der Temperatur ist.

von Olaf (Gast)


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> Bei nichtlinearen Systemen geht das zunehmend nicht mehr.

Deshalb hab ich auch vorgeschlagen zu lineariesieren.

> Die Frage is nun, wieviel Nichtlinearitaet ist zuviel.
> Dazu fehlt dir aber die Mathematik.

Braucht man nicht. Das ist die der Unterschied zwischen der 
Regelungstechnikvorlesung und der Praxis.
Man kann das System sowieso nicht so genau bestimmen das man das
Mathematisch exakt vorhersagen kann, aber grob und hinter noch
etwas gefuehl beim Parametriesieren und es geht.

> Das Abkuehlen hat eine andere Zeitkonstante, welche
> aber nichtlinear abhaengig von der Temperatur ist.

Ich hab so schon Laboroefen geregelt die eine extrem gute 
Waermeisolierung
haben. Es geht also.

Olaf

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Newbie schrieb:
> Ich hatte bisher nur ein Modul Reglungstechnik und dort war es bisher
> so, dass nach einer Gewissen Zeit die Strecke einen festen Wert
> angenommen hat, nachdem man die Strecke „eingeschaltet“ hat.

Das ist bei deiner Regelstrecke auch so. Die hat keinen Integralanteil 
drinnen.

> Wie ein
> Motor, den man anschaltet und dieser hat nach einer gewissen Zeit seine
> maximale Drehzahl erreicht.

Wenn das ein Linearmotor waere, und du wuerdest die Entfernung regeln 
wollen, dann waere da ein Integralanteil in deiner Strecke. Da waere es 
tatsaechlich etwas doof, sowas mit einer Sprungfunktion erfassen zu 
wollen, weil das dann nicht auf einen konstanten Wert strebt, sondern 
der Linearmotor immer weiter wegfaehrt.

Die klassische Regelungstechnik geht von linearen  (und natuerlich auch 
zeitinvarianten) Systemen aus. Also kannst du deinen Sprung natuerlich 
auch deutlich kleiner waehlen und danach das Ergebnis entsprechend 
skalieren.
Wuerdest du z.b. das Buegeleisen an eine Monozelle haengen (1.5V) dann 
waere doch nach aller Erfahrung damit zu rechnen, dass da kaum was 
passiert. Also auch nicht nach einer Woche Bestromung (und immer 
rechtzeitigem Batteriewechsel). Bei 230V hast du (begruendete) Angst, 
dass was kaputt geht. Also: Such dir halt eine Spannung dazwischen aus, 
bei der das Ding messbar warm wird, aber eben noch nicht zu heiss und 
die du gut aus deinem vorhandenen Equipment (z.b. Labornetzteil, 
irgendwelche alten Netztrafos, ...) erzeugen kannst.
Damit kannst du dann deine Kurve aufnehmen.

Gruss
WK

von Olaf (Gast)


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> Die klassische Regelungstechnik geht von linearen  (und natuerlich auch
> zeitinvarianten) Systemen aus.

Ja, aber in der Praxis wird das vermutlich kein perfektes LTI System 
sein.
Deshalb ist es schon sinnvoll die Sprungfunktion da zu machen wo man
spaeter regeln wird, und wenn man den Sollwert ueber weite Bereich 
verschieben
will dann ist mein Trick, mehrere Spruenge zu machen und mit
unterschiedlichen Parametern zu arbeiten auch sinnvoll. Man linearisiert
dann praktisch um einen Arbeitpunkt.

Das hat natuerlich Grenzen. Man sollte nicht erwarten ein Buegeleisen 
mit der Technik bei 30Grad auf +/-0.1Grad regeln zu koennen. Aber nach 
meiner Erfahrungen sollten +/-1Grad unter 50Grad und +/- 0.5Grad ueber 
50Grad moeglich sein. (relativ)

Aber selbstverstaendlich geht das alles auch viel besser, nur macht man 
dann schnell eine Doktorarbeit ueber sein Buegeleisen. Ich fand das 
immer faszinierend das wir in den entsprechenden Vorlesungen bergeweise 
mit Mathematik ueberschuettet wurden, man aber in der Praxis ein reales 
System niemals so genau bestimmen kann.

Olaf

von Newbie (Gast)


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Danke für die ganzen Ideen. Ich bin leider gestern nicht mehr zum 
Basteln gekommen habe aber spätestens Zeit am Wochenende (damit Ihr den 
Zeitlichen Rahmen kennt).

Ich lag eindeutig falsch! Da habt ihr Recht es sollte linear sein. Da 
hatte ich anscheinend was verpasst.

@Karatona Ansatz finde ich an sich sehr ansprechend aber da ich leider 
bisher keine Ahnung habe wie ich ein thermisches Modell aufbaue 
geschweige denn wie ich Parameter schätzen kann. Denke ich, dass ich es 
als Option B erstmal vernachlässigen werde da es eigentlich nur ein 
kleines Projekt sein sollte.

Jedes Mal als ich PWM gesagt habe, meinte ich eine Paketsteuerung also 
ich hatte einen PWM zwar im Kopf aber vergessen, dass es eigentlich 
Wechselstrom ist.

Nachdem ich eure Ideen gelesen habe denke ich werde @Olaf Vorschlag 
folgen. Wenn die Strecke nicht so will wie ich möchte, dann passe ich 
diese erstmal an und "ignoriere" die Eigenschaften der Strecke die bei 
einer Temperatur von 200°C sind.

Da ich bisher manuell gearbeitet habe werde ich zusehen, dass ich 
möglichst schnell auf einen uC umsteige mit dem ich die Daten besser 
aufnehmen kann als ich es bisher gemacht habe. Wenn ich es Rückblickend 
betrachte, hätte es mein erster Schritt sein sollen hätte mir bestimmt 
Zeit gespart.

Auf jeden Fall kann ich so viel einfacher an die von @Metpooli 
angesprochen Funktionschar kommen.

Purzel H. schrieb:
> Die Frage is nun, wieviel
> Nichtlinearitaet ist zuviel. Dazu fehlt dir aber die Mathematik.

Ich denke, Olaf's und dein Ansatz lassen sich sehr gut vereinen. Da die 
Strecke linearisiert wird um den Arbeitspunkt könnte man hingehen und 
messen (im besten Fall berechnen) inwieweit ich andere Parameter 
verwenden müsste zum Regeln, wenn mein Soll-Wert von dem Arbeitspunkt um 
wie viel Grad abweicht. Also letztendlich die Minimale Anzahl aller 
aufzunehmenden Kurven berechnen, wenn ich mein Soll-Wert zwischen 
100°C-200°C liegen könnte oder sowas ähnliches. Das nehme ich auf jeden 
Fall in meine Liste zu den Verfeinerungen auf. Könntest du mir 
vielleicht ein paar Ansätze zur Berechnung der Nichtlinearität geben? 
Ziel könnte es sein eine Funktion zu erstellen die Regelbarkeit im 
Verhältnis zum Abstand des linearisierten
 Arbeitspunktes zu sein. Aber ich muss dir leider recht geben aktuell 
fehlt mir das Verständnis dazu - wäre also nett, wenn du mir ein wenig 
Literatur zur Seite stellen könntest.

So oder so ich werde mich spätestens hier wieder melden, wenn ich die 
funktionschar aufgenommen habe. Danke für eure Ideen und Hilfestellungen 
bis jetzt!

von Olaf (Gast)


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> aufnehmen kann als ich es bisher gemacht habe. Wenn ich es Rückblickend
> betrachte, hätte es mein erster Schritt sein sollen hätte mir bestimmt
> Zeit gespart.

Es ist sehr hilfreich wenn du im Controller eine Serielle Schnittstelle
implementierst die dir immer alle wichtigen Regelparameter raushaut.
Dann kannst du bei Problemen viel besser erkennen woran es gerade liegt.

Aus offensichtlichen Gruenden kommt kurzen Anhalten im Debugger ja
nicht in Frage. :)

Olaf

von Karatona (Gast)


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Olaf hat natürlich nicht unrecht. Wenn es nach Gefühl funktioniert, dann 
passt es ja. Nur manchmal geht das halt eben nicht. Und manchmal muss 
man auch Garantien aussprechen können, was das Regelverhalten angeht. Da 
kann man bei sicherheitskritischen Funktionen nicht mehr nach Gefühl 
gehen, sondern muss mathematisch sauber einen Beweis erbringen.

von Olaf (Gast)


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> kann man bei sicherheitskritischen Funktionen nicht mehr nach Gefühl
> gehen, sondern muss mathematisch sauber einen Beweis erbringen.

Er hat ja noch eine Uebertemperatursicherung. :-D

Olaf

von Purzel H. (hacky)


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Ja, ein Controller ohne serielle Schnittstelle zum Auslesen ist wertlos.

von Hermann W. (hermannw)


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Karatona schrieb:
> Die Regelstrecke ist weder PT1 noch PT2. Zum einen ist eine
> Totzeit beim start des Aufheizens drin, zum anderen strebt die
> Regelstrecke bei eingeschalteter Spannung keinem Gleichgewicht zu
> sondern erwärmt sich kontinuierlich weiter

Eine Totzeit kann es schon aus pysikalischen Gründen nicht geben: die 
Heizleistung beginnt sofort nach dem Sprung der Stellgröße. Diese 
Heizleistung verschwindet nicht einfach für eine Totzeit. Also führt sie 
sofort zu einer Erwärmung. Das man sie evtl. nicht sofort messen kann, 
liegt an der Position des Sensors, der zu weit von der Wärmequelle 
entfernt ist.

Natürlich hat die Regelstrecke einen Endwert. Das Gleichgewicht ist dann 
erreicht, wenn die Heizleistung genauso hoch ist wie die thermische 
Abstrahlung an die Umgebung.

Eine normale Heizung hat immer mindestens ein PT1-Verhalten. Das liegt 
beim Bügeleisen an der Wärmekapazität des Eisenblocks, der erstmal 
aufgeheizt werden muss, bevor es zu dem Gleichgewicht kommen kann. Oft 
gibt es noch einen 2. Wärmespeicher, z.B. der gesamte Innenraum eines 
Ofens. Dann hat die Strecke ein PT2-Verhalten. Das PT2-Verhalten beginnt 
mit einem anfangs langsamen Anstieg, was oft mit einer Totzeit 
verwechselt wird.

von Michel M. (elec-deniel)


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Hermann W. schrieb:
> Eine normale Heizung hat immer mindestens ein PT1-Verhalten.
zum testen oder anpassen  :-)
http://zwopi.blogspot.com/2012/08/ltspice-zur-heizungssimulation.html

von Peter R. (pnu)


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Mach Dich mal über thermische Rückführung schlau. Die wird bei 
Bügeleisen verwendet, da dort durch den Abstand zwischen Heizdraht und 
Temperaturfühler (Bimetall) eine relativ große Totzeit vorhanden ist. 
Sie ist auch bei Raumheizungen üblich.

Also: erste Maßname: einen Temperaturfühler möglichst nah an die 
heizende Stelle.
Zweite Maßnahme: solange Heizstrom fließt, die Solltemperatur um einige 
(oder -zig?) Grade zurücknehmen. Bei ausgeschalteter Heizung dann wieder 
auf echte Solltemperatur zurückstellen. In Raumtemperaturreglern 
schaltet man dazu parallel zur Heizleitung einen 220kOhm-Widerstand, der 
einen höheren Istwert vortäuscht.

Dann "robbt" sich die Temperaturkurve des Regelkreises schrittweise an 
den echten Sollwert heran.

von B. P. (skorpionx)


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von Newbie (Gast)


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Mini Update

Ich habe Probleme mit meiner Messperipherie. Eine Wheatstonebrücke mit 
einem LM358n um Ub der Brücke von 0 - 5V zu verstärken.
(https://www.ti.com/lit/ds/snosc16d/snosc16d.pdf Figure 40/Seite 21 mit 
Vref = 5V R = 10kOhm; Rf = 1MOhm; Sigma_max = 200Ohm, Vcc_op = 12V, 
alles Metallwiderstände 1% Toleranz)
Den Abgleich habe ich gemacht indem ich den PT100 kurzgeschlossen habe 
und Ub dann mit Poties auf 0.0mV (Gerät mit kleinerer Auflösen besitze 
ich nicht) eingestellt habe. Mein Aufbau hat aber eine Fehlerquelle die 
ich nicht finden konnte und mein eingestellter Punkt verschiebt sich 
nach kurzer Zeit. Ich verstehe nicht ganz wie sich die Schaltung einfach 
Vvrstellen kann.

Aber um nicht auch noch diesem Problem auf den Grund zu gehen habe ich 
mich entschlossen einfach den ic max31865 zu kaufen, dieser wird nicht 
vor Dienstag bei mir ankommen, weshalb ich leider nicht die Kennlinien 
bis Morgen aufnehmen kann.


B. P. schrieb:
> Beitrag "Kommunikation Mikroprozessor System <–> PC über RS232."

Meine Wahl als uC fällt auf einen atmega328p, primär weil ich aktuell 
noch ein Arduino nano dev Board habe, da kann ich zum Glück bei TTL 
bleiben und muss mir darüber keine Gedanken machen.

von B. P. (skorpionx)


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Newbie schrieb:
> Meine Wahl als uC fällt auf einen atmega328p

Prozessortyp ist für diese Problematik  ohne Bedeutung (egal)...

von Mirko W. (Gast)


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Ich bin leider erst heute morgen dazu gekommen, mich wieder diesem 
Projekt zu widmen.
Wie ist denn der aktuelle Stand? hast du noch Daten aufnehmen können?

Ich habe verschiedene gängige Methoden der Systemidentifikation 
ausprobiert, allerdings waren die Daten zur Parameterbestimmung aus der 
Sprungantwort zu kurz vor dem Rücksprung und andererseits auch zu 
signalarm zur Parameterbestimmung per Regression der Parameter (hier 
sollte die Stellgröße möglichst zufällige Sprünge ausführen). In meiner 
Ausgabe vom Lutz/Wendt ist das Kapitel 9.

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