Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Wie schnell baut sich Induktionsspannung auf?


von Stefan F. (Gast)


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Wenn ich Strom durch eine Spule leite und dann den Strom abrupt 
unterbreche, entsteht ja ein Impuls mit hoher Spannung. Den unterdrückt 
man zum Beispiel mit Freilaufdioden.

Jetzt sind Dioden je nach Typ unterschiedlich schnell, da frage ich 
mich, wie schnell eine Freilaufdiode überhaupt sein muss?

Wenn ich den Strom ideal abrupt unterbreche, entsteht dann im Idealfall 
eine unendlich hohe Spannung in Null Zeit? Oder dauert das eine Weile?

Wovon hängt die Zeit hauptsächlich ab, wenn sie nicht Null ist?

Reden wir da eigentlich von Millisekunden oder gar Bruchteilen von 
Nanosekunden?

von ArnoR (Gast)


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Stefan U. schrieb:
> Wenn ich Strom durch eine Spule leite und dann den Strom abrupt
> unterbreche, entsteht ja ein Impuls mit hoher Spannung.

Falls du das wirklich schaffst, ja.

> Den unterdrückt man mit Freilaufdioden.

Nein. Die Freilaufdiode verhindert die Stromunterbrechung. Die Verluste 
in dem Kreis brauchen dann die Energie auf.

Stefan U. schrieb:
> Wenn ich den Strom ideal abrupt unterbreche, entsteht dann im Idealfall
> eine unendlich hohe Spannung in Null Zeit? Oder dauert das eine Weile?

U=L*dI/dt. Die Spannung ist proportional zur 
Stromänderungsgeschwindigkeit.

von Stefan F. (Gast)


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> Die Spannung ist proportional zur Stromänderungsgeschwindigkeit.

Also, wenn ich (nur theoretisch betrachtet) den Strom völlig abrupt 
unterbreche, entsteht die Induktionsspannung sofort, ohne Verzögerung. 
Richtig?

Es gibt aber keine Dioden, die unendlich schnell sind. Also muss ich 
dafür sorgen, dass der Strom etwas langsamer abfällt. Da spielen dann 
sicher diverse parasitäre Kapazitäten eine Rolle. Ist sicher schwer zu 
berechnen.

Aber was heisst das in Praxis z.B. für ein Kleinleistungs-Relais, dass 
ich mit einem µC über einen gewöhnlichen NPN Transistor schalte. Brauche 
ich da schon besonders schnelle Dioden oder reicht auch eine eher 
langsame 1N4001?

Ich frage, weil ich absolut keinen Plan habe, welche Dioden ich an 
solchen Stellen verwenden soll. Bisher habe ich immer einfach irgendeine 
genommen und hatte damit Glück. Ich möchte es in Zukunft aber etwas 
professioneller machen.

Es sei denn, die popelige 1N4001 ist ganz sicher für jede reale 
Anwendung schnell genau. Genau dass kann ich schlecht einschätzen.

Und ja, ich weiß dass die 1N4148 um schneller ist und dass es noch 
schnellere Dioden gibt.

von Jakob (Gast)


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Ideal abrupt: Dauert gerade KEINE Weile.

Was möchtest du denn mit der hohen Spannung anfangen?
Deinen "ideal abrupten" Schalter zerstören?

von Falk B. (falk)


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@Stefan Us (stefanus)

>Jetzt sind Dioden je nach Typ unterschiedlich schnell, da frage ich
>mich, wie schnell eine Freilaufdiode überhaupt sein muss?

Schnell, aber nicht hyperschnell. Auch 0815 Netzdioden sind ausreichend 
schnell.

https://www.mikrocontroller.net/articles/Relais_mit_Logik_ansteuern#Freilaufdiode

http://www.cliftonlaboratories.com/diode_turn-on_time.htm

>Wenn ich den Strom ideal abrupt unterbreche, entsteht dann im Idealfall
>eine unendlich hohe Spannung in Null Zeit? Oder dauert das eine Weile?

Ideal ja, real ist es etwas langsamer. Das hängt vor allem von der 
parasitären Kapazität der Spule ab, die begrenzt das dU/dt. Sie wirkt 
wie ein Snubber. Ausserdem muss man auch einen sehr schnellen 
Schalter haben, der den Strom WIRKLICH schnell abschalten kann.

>Reden wir da eigentlich von Millisekunden oder gar Bruchteilen von
>Nanosekunden?

Eher Nanosekunden bis Mikrosekunden.

von Falk B. (falk)


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@Stefan Us (stefanus)

>Es sei denn, die popelige 1N4001 ist ganz sicher für jede reale
>Anwendung schnell genau.

Das ist sie! Kaum zu glauben, aber wahr.

>Und ja, ich weiß dass die 1N4148 um schneller ist

Nur beim Reverse Recovery. Der spielt bei Relais aber keine Rolle.

von ArnoR (Gast)


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Stefan U. schrieb:
>> Die Spannung ist proportional zur Stromänderungsgeschwindigkeit.
>
> Also, wenn ich (nur theoretisch betrachtet) den Strom völlig abrupt
> unterbreche, entsteht die Induktionsspannung sofort, ohne Verzögerung.
> Richtig?

Du bringst da was durcheinander. Die Spannung entsteht immer sofort.

Stefan U. schrieb:
> Es sei denn, die popelige 1N4001 ist ganz sicher für jede reale
> Anwendung schnell genau.

Ja, ist sie. Real kannst du den Strom nicht schneller abschalten als die 
den übernehmen kann (wenn auch mit einer kleinen Spannungsüberhöhung).

von Sven B. (scummos)


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Stefan U. schrieb:
> Jetzt sind Dioden je nach Typ unterschiedlich schnell, da frage ich
> mich, wie schnell eine Freilaufdiode überhaupt sein muss?
Kommt auf die Steilheit der fallenden Flanke an. So schnell.

> Wenn ich den Strom ideal abrupt unterbreche, entsteht dann im Idealfall
> eine unendlich hohe Spannung in Null Zeit?
Ja.

> Wovon hängt die Zeit hauptsächlich ab, wenn sie nicht Null ist?
Fall time des Signals.

> Reden wir da eigentlich von Millisekunden oder gar Bruchteilen von
> Nanosekunden?
Kann zwischen null und unendlich sein, völlig abhängig davon wie schnell 
du das Signal ausschaltest. Ich trau mich nichtmal einen typischen Wert 
anzugeben, weil das wirklich von der Anwendung abhängt.

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Stefan U. schrieb:
> Also, wenn ich (nur theoretisch betrachtet) den Strom völlig abrupt
> unterbreche, entsteht die Induktionsspannung sofort, ohne Verzögerung.
> Richtig?
Nicht ganz.
Das Problem ist: du kannst den Strom in der Spule gar nicht 
"unterbrechen". Denn sonst müsstest du ja das Magnetfeld in der Spule 
sofort "entfernen". In diesem Magnetfeld, das vom Strom kommt, ist 
Energie gespeichert. Dieses Magnetfeld sorgt dafür, dass der Strom bei 
einer "Unterbrechung" erst mal einfach weiterfließt. Und weil der 
Schalter ja geöffnet ist, muss die Spannung ansteigen, um den Strom 
weiterfließen zu lassen.
Mit der Formel P = U*I (sehr hohe Spannung und glechbleibender Strom) 
und dem zeitlichen Integral darüber "entlädt" sich dann die gespeicherte 
Energie durch den Strom in einem Funken (so wie sich im Gegensatz die 
gespeicherte Energie eines Kondensators bei einem Kurzschluss auf 
ähnliche Art entlädt).

Deine Frage muss also korrekt so heißen:
>>> wenn ich (nur theoretisch betrachtet) den Schalter völlig abrupt
>>> unterbreche, entsteht die Induktionsspannung sofort, ohne Verzögerung.
>>> Richtig?
Dann lautet die Antwort: ja!

: Bearbeitet durch Moderator
von MaWin (Gast)


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Also die Induktionsspannung baut sich so schnell auf, wie der Strom 
(z.B. 1A) die parasitäre Kapazität (zwischen Windungen und Anschlüssen 
und Folgebaugruppen, z.B. 10nF) auflädt, also z.B. mit 100 Mio V/s.
Die Diodengeschwindigkeit ist aber die 
Sperrgeschwindigkeit/Ausschaltgeschwindigkeit und daher hier unrelevant, 
die Leitgeschwindigkeit/Einschaltgeschwindigkeit jeder Duode ist 
praktisch 0.

Nur wenn bei schnellem PWM die noch leitende Freilaufdiode plötzlich 
durch Wiedereinschalten der Spule / Anlegen einer Spannung in 
Sperrrichtung sperren soll, braucht man eine schnelle Diode.

von Stefan F. (Gast)


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Super danke. Ich hab die erhofften Antworten erhalten.

- Für Relais kann ich jede gewöhnliche Diode als Freilaufdiode 
verwenden.

- Bei PWM muss ich aufpassen und die Recovery-Time berücksichtigen.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Bezueglich des zeitlichen Aufbaus der Induktionsspannung hat Genosse 
Schabowski sich schon 1989 ganz klar geaeussert:
"Das gilt nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzueglich" :-D

Ich denk' auch, dass im Relaiskreis genuegend parasitaere Kapazitaeten, 
Kupferwiderstaende, etc. rumfliegen, dass die 
Diodenschaltgeschwindigkeit nicht so wichtig ist. Eben auch, weil der 
Diode, so sie denn nicht schnell genug leiten will, durch 
Spannungsueberhoehung dezent nachgeholfen wird.
Viel wichtiger - und da hab' ich beim Einsatz einer 1N4148 leichte 
Bauchschmerzen - ist, dass die Diode den Strom, der durch die 
Relaisspule fliesst, abkann. Bei dickeren Relais mit niedrigen 
Spulenspannungen wird das mehr sein, als eine 1N4148 gerne sieht...

Gruss
WK

von Falk B. (falk)


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@ Dergute Weka (derguteweka)

>Bauchschmerzen - ist, dass die Diode den Strom, der durch die
>Relaisspule fliesst, abkann. Bei dickeren Relais mit niedrigen
>Spulenspannungen wird das mehr sein, als eine 1N4148 gerne sieht...

Genau anders herum wird ein Schuh draus! Selbst die kleine 1N4148 
verträgt 1A für 1s! Da muss man schon ein VERDAMMT dickes Relais haben, 
das 1A zieht.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Ja, natuerlich kann eine 1N4148 kurzzeitig mehr ab. Laut NXP Datenblatt 
1A aber eher 1 msec und auch nur, wenns vorher nicht zu heiss war und 
und und...also eher sowas wie P.M.P.O. - Und ja, natuerlich wird das 
auch meistens reichen.
Mir persoenlich ist es aber lieber, wenn ich Bauteile so auswaehle, dass 
sie eher wie unter "Electrical Characteristics" betrieben werden und 
nicht unter "Limiting Values" oder "Absolute Maximum Ratings".
Ich schrub ja auch nur "leichte Bauchschmerzen" und nicht: "Es ist 
voellig verboten" ;-)

Gruss
WK

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