Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Die Aufs und Abs im Berufsleben


von Beratender Ingeneiur (Gast)


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Hier gibt es seit einiger Zeit heftigste Diskussionen um das Gehalt, 
dessen Steigerung im Laufe der Zeit, gute und schlechte Phasen im 
Berufsleben, Chancen für Ingenieure sowie um die Projektarbeit über 
Dienstleister. Hier folgt mein Beitrag zu diesen Themen:

Ich bin selbständiger Consultant in Sachen elektrotechnischer 
Entwicklung, habe ein Universitätsdiplom in klassischer Elektrotechnik 
und habe von Layout über embedded Software bis zum Linuxprogramm schon 
so ziemlich alles gemacht, was es so gibt. Nachdem ich 6 Jahre lang 
Angestellter war, arbeite ich seit nun fast 5 Jahren als selbständiger 
Entwickler und Berater für die Industrie und führe Fortbildungskurse in 
C, VHDL durch, wobei ich die Ingenieure oftmals auch kaufmännisch im 
Bezug auf Selbständigkeit berate. Dort bringe ich meist mein eigenes 
Beispiel, um aufzuzeigen, was einen einerseits ereilen kann, was es 
anderersseits aber auch für Möglichkeiten gibt.

Anfangen habe ich mit einem 1,8er Unidiplom, musste aber feststellen, 
daß 1996 niemand wirklich Ingenieure haben will, wodurch ich zunächst 3 
Monate auf der Strasse sass, bis ich eine Stelle hatte, obwohl ich mich 
schon 6 Monate vor Beendigung beworben hatte. Ich nahm dann schließlich 
einen Umzug in Kauf und fing bei Siemens im Bereich der Halbleiter an zu 
einem damals ublichen Gehalt von 72,500 DM. Gut 2 Jahre später wechselte 
ich zurück in die Heimatregion (Heirat) und bekam einen gut dotierten 
Entwicklerjob bei einem Mittelständler, wo ich auch Projekte leiten 
(lernen) konnte. Ich profiierte von dem damals ausgeprägten Mangel an 
Softwareentwicklern, die auch Hardware bauen konnten. Bis dahin lief es 
eigentlich gut und ich lag gehaltsmäßig über dem Schnitt meiner 
Kommilitonen gleichen Alters, die ebenfalls ähnliche Wege gingen.

Dann kam es dicke: Übernahme der Firma, Schließung der Abteilung und 
keine Chance auf einen guten Anschlussjob, da ich mich in der 2. Firma 
fast nur mit Software zu befassen hatte und viel Branchentypische 
Projektleitung betrieb. Den meisten Firmen war ich dann zu PL-lastig, 
oder sie monierten, daß ich nicht einseitig Hardware ODER Software 
betrieben hatte. so war ich den einen zu "soft" den anderen zu "hard". 
Obwohl ich z.T. 20% unter dem aktuellen Wert forderte, war bis zur 
unvermeidlichen Kündigung kein Job zu beschaffen - auch nicht 
überregional.

Also folgten 5 Monate des nervigen Bewerbungschreibens und Rumhängens 
bei Arbeitsamt. Schließlich musste ich bei einem Dienstleister in der 
Region anfangen, um überhaupt etwas zu haben und nicht das ALG 
gestrichen zu bekommen. Die haben nicht mal 150,- Euro Netto mehr 
gezahlt, als ich an Arbeitslosengeld hatte. Ich lag so ungefähr bei 65% 
brutto, dafür durfte ich wochenlang zum Kunden und die Drecksarbeits 
machen.

Dann habe ich mich beraten lassen, wie ich die Selbständigkeit angehen 
könnte und kam zu dem Ergebnis, dies schnell tun zu müssen, um den 
kommenden Aufschwung mitzunehmen, wieder in den Job zu kommen und vor 
allem aus dem Mistladen rauszukommen, wo ich die Arbeit mehr als 
Zwangsarbeit empfand. Theoretisch hätte ich zwar aus dieser Position zum 
Kunden wechseln können, doch wollte der Dienstleister soviel Ablöse, 
dass es für den Kunden uninteressant gewesen wäre. Dasselbe galt für 
einen möglichen Wechsel zurück nach Siemens. Also kündigte ich.

Da ich kein ALGI erwarten konnte, beantragte ich das Überbrückungsgeld. 
Da hier überwiegend noch die Summe des letzten Bruttos einfluss, war der 
Wert recht hoch und ich konnte Fortbildung bezahlen und mir Ausstattung 
kaufen. Obwohl ich nicht arbeitete, hatte ich so netto sogar mehr, als 
beim Dienstleister.

Kaum hatte ich die Selbständigkeit angemeldet, kam auch prompt der erste 
Dienstleister gekrochen, um mich einzbinden. Ich habe mir dann das Beste 
ausgesucht, traf auf eine gute Abteilung und hatte auch einen 
vernüftigen Stundensatz. Den konnte ich dann durch Wechsel des 
Dienstleisters (Ablösefrei :-) ) und des Kunden auf inzwischen knapp an 
die 60,- steigern Da ich teilweise auch ohne DL an Kunden kommen, 
erreiche ich momentan bis über 65,- und das obwohl ganze Blöcke von 3 
Monaten gebucht werden und immer auch mal eine Verlängerung kommt. 
Insgesamt arbeite ich eher etwas weniger als zuvor, im Jahr rund 1500h - 
1600h, habe aber ein um die fehlende Sozialbeiträge bereinigtes Brutto, 
das wieder 10-20% über dem liegt, was meine immer noch fest Angestellten 
Kollegen von damals hatten und haben.

Insgesamt habe ich den Schritt nie bereut. Im Gegenteil: : Ich bin 
freier und glücklicher, habe immer gute Kollegen in den Projekten und 
kann interessante Dinge tun, die mich weiter bringen und meinen 
Marktwert noch steigern. Und: es macht mir super Spass!

Abgesehen von den finanziellen Einbussen, hatte ich natürlich auch 
während der Übergangszeit ziemlich Spass gehabt, da ich ja nicht 
Arbeiten musste. Trotzdem hat man natürlich Zukunftsängste und weis 
nicht was kommt. Arbeiten ist trotz Rundumversorgung immer noch 
besser:-)

Das Schlimmste aber waren die Monate beim Dienstleister in 
Festanstellung: Da fühlt man sich als Arbeitssklave und fragt sich, 
wofür man studiert hat. Ich hatte schon eine düstere Zukunft für mich 
gesehen und war fast kurz davor aufzugeben, oder (wie es andere getan 
haben) die Branche zu wechseln und irgendwo den Systemadmin zu machen. 
Ich bin aber froh, daß ich es nicht gemacht habe und auch mal etwas 
Risiko eingegangen bin.

Jetzt kommen zwar auch viele Projekte über Dienstleister, aber man kann 
sie besser gegeneinander austauschen und ist nicht abhängig vom 
Gutdünken eines einzelnen Chefs, der sich aufspielt.

Fazit: Das Leben ist ein Kampf und erfordert manchmal Härte und 
Durchhaltevermögen. Und es fordert auch manchmal Entschlusskraft und Mut 
sowie eine breite Brust und Selbsvertrauen, sich nicht von anderen 
Einspannen zu lassen und sich nicht Ausbeuten zu lassen.

Wer Lust hat, sich selbständig zu machen, sollte das jetzt tun, Nie gab 
es einen besseren Zeitpunkt.
P.S. die Zahlen meinen immer das auf das Jahr (40h-Woche) hochgerechnete 
Gehalt.

von Beratender Ingeneiur (Gast)


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Hier ist das Bildchen.

von Beratender Ingeneiur (Gast)


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und noch mal - ausdauer wird belohnt.

von Dieter (Gast)


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Tolle Geschichte.
Aber wo sind all die Friseure???

von Erklärbär (Gast)


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"Ingeneiur" - oh, die Schreibung, oh die Grammatik.

von DerSchelm (Gast)


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>"Ingeneiur" - oh, die Schreibung, oh die Grammatik.

Ist doch nur ein Bcuhstabendrheer, knan dohc jedme mla psasieren

von Chefingenieur (Gast)


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Hallo, ich komme aus diesem thread per link hierher:
Beitrag "Ferchau und Brunel"

Sehr interessante Gehaltsenticklung. Du profitierst allerdings von der 
Tatsache, daß du zu einer günstigen Zeit den Job verloren hattest. Wenn 
in einer allgemein schlechten Marktlage die Kündigung kommt, sieht es 
mit den Stundensätzen mau aus!

Ok, im Moment sieht es total anders aus.

Gruss von einem , der selber davon profitiert.

Eine Anmerkung noch: Jeder macht mal Phasen durch, in denen es mies 
läuft. Das gehört dazu. Daher kommt es daruaf an, dann, wenn es gut 
geht, richtig satt zu verdienen und sich Geld zur Seite zu legen.

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