Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Gammaspektrum-Halbleitersensor von ELV?


von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Im neuen ELV-Heft werden drei Radonsensoren aus Norwegen vorgestellt, 
die dann auch gleich am Heftende angeboten werden. Die Preise sind 
identisch mit denen, die der Hersteller angibt:
https://airthings.com/de/compare/

Die Technik wird nur ungenau beschrieben, es soll ein Halbleitersensor 
sein, und der Beschreibung nach wird  eine Linie im Gammaspektrum 
ausgewertet, die die Radonkonzentration in der Raumluft messen soll. Die 
Anzeige besteht allerdings nur aus rot/gelb/grünen LEDs beim einfachen 
Gerät und die etwas teureren geben via Bluetooth Kurven in einer App 
aus.

So ein ständig aufblitzendes Gerät möchte ich ja nicht unbedingt im 
Schlafzimmer an die Wand hängen, auch auf eine Sprachausgabe via Alexa 
kann ich verzichten.

Weiß man etwas genaueres zu dem Sensor? (Wann gibts den einzeln?)

: Bearbeitet durch User
von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Ich muss nochmal nachhaken.

Im Tschernobyl-Jahr 1986 hat die ELV ein kleines Büchlein 
herausgebracht, ohne ISBN-Nummer, von Siegfried Fellmann, einem 
Professor der FH Emden
"Radioaktivität - Entstehung, Messung und Wirkung"
https://books.google.de/books?id=cxhEGwAACAAJ&dq=inauthor:Siegfried+inauthor:Fellmann&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi14eTLzvzeAhVQaFAKHd6qDFgQ6AEILjAB
Im Anhang wurde eine Bauanleitung zu einem einfachen Geigerzähler aus 
der ELV nochmals abgedruckt.

Hier ist in mehreren Beispielbildern der Unterschied zwischen Messungen 
eines Szintillationsdetektors mit Fotovervielfacherröhre und eines 
Halbleiterdetektors gezeigt. Allerdings wird diese viel höhere Auflösung 
nur bei Kühlung von Detektor und Vorverstärker auf -196°C erreicht.

In der Erklärung wird auch auf "Dreckeffekte" der Szintillationsmessung 
hingewiesen, z.B. "Comptonstrahlung", die links im Diagramm ein höheres 
Grundrauschen verursacht.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Hier noch etwas Fachliteratur aus dem Jahr 1969 zu 
Halbleiter-Detektoren.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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noch'n Gedicht...
Aus derselben Zeit ein Datenbuch ebenfalls von Valvo.

von ZF (Gast)


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Hallo Christoph,

geht es Dir um Radon 222, wie es aus Gesteinsrissen an die Erdoberfläche 
kommt? Meines Wissens, aber da kann ich mich irren, ist das ein reiner 
Alphastrahler. Das Zerfallsprodukt Polonium 218 (mit ziemlich kurzer 
Halbwertszeit, wäre also alternativ auswertbar) scheint laut Wikipedia 
ebenfalls nur Alpha und Beta-Minus Zerfall zu haben.

Du schreibst allerdings von Gammaspektrummessung. Auch der von Dir 
gezeigte Caesium 137 Plot zeigt das Gammaspektrum (von Barium 137m, 
Cs137 selbst ist Beta-Minus-Strahler). Zum Gammaspektrometer findet man 
inzwischen einige Bauberichte:

Beitrag "Beta, Gamma Detektor mit BPW 34 Photodioden, optimierte Schaltung"
Beitrag "Gammaspektrometer in Briefmarkengröße"
opengeiger.de

Bei Alphamessung dürfte vor allem die geringe Reichweite der Teilchen 
und dass der Detektor kaum durch ein dünnes Glas o.Ä. geschützt werden 
kann ohne auch die Strahlung abzuhalten, ein Problem sein. Bei 
Luftmessungen auf Radon 222 müsste man wohl viel Luft am Sensor 
vorbeiströmen lassen, was offenes Silizium ausschließen dürfte. 
Vielleicht die Luft filtern und dann versuchen das Filter auf Polonium 
218 Zerfall auszuwerten?

von ZF (Gast)


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Wikipedia hat ein paar Ideen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radonmessung

Vielleicht nutzt die von Dir genannten Sensoren (den ELV Artikel kenne 
ich nicht) das Diffusionskammerverfahren, scheint aber auch nicht 
trivial zu sein und lange Messzeiten zu brauchen.

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Mir geht es darum, dass ein bisher für den Hobbyetat unerschwinglicher 
Sensor anscheinend jetzt preiswert erhältlich ist. Kommt der Sensor 
tatsächlich an die damals vor fast 50 Jahren schon möglichen Auflösungen 
heran, oder ist das mehr Werbegeschwafel? Ich möchte eben nicht nur 
Radon messen, sondern das ganze Gammaspektrum so hoch aufgelöst erfassen 
können.

von MWS (Gast)


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Christoph db1uq K. schrieb:
> es soll ein Halbleitersensor sein

So steht's im Manual.
> Detector: 1 silicon photodiode

Christoph db1uq K. schrieb:
> Mir geht es darum, dass ein bisher für den Hobbyetat unerschwinglicher
> Sensor anscheinend jetzt preiswert erhältlich ist.

Was, außer dem eigenen Wunsch, lässt Dich glauben, dass der dort 
verwendete Sensor zu irgend etwas anderem als der dortigen Anwendung 
taugen würde?

von Walter K. (vril1959)


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Christoph db1uq K. schrieb:
> Die
> Anzeige besteht allerdings nur aus rot/gelb/grünen LEDs beim einfachen
> Gerät

Das reicht für typisch bundesdeutschen Kunden auf jeden Fall!
grüne LED: Grenzwert überschritten
gelbe LED: Grenzwert tausendfach überschritten
rote LED: Grenzwert millionenfach überschritten
Die Frage welche Grenzwerte, welche Aktivität oder Dosis gemessen wird - 
ist vollkommen egal.
Deshalb spielt es auch keine Rolle, wenn ein Alphastrahler mit einem 
Halbleiterdetektor gemessen werden soll!

von ZF (Gast)


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Hallo nochmal Christoph,

Christoph db1uq K. schrieb:
> Mir geht es darum, dass ein bisher für den Hobbyetat unerschwinglicher
> Sensor anscheinend jetzt preiswert erhältlich ist. Kommt der Sensor
> tatsächlich an die damals vor fast 50 Jahren schon möglichen Auflösungen
> heran, oder ist das mehr Werbegeschwafel?
Die Webseite der Wandgeräte ist ziemlich unübersichtlich und 
untechnisch, mehr als Bq/m³ über die Zeit geplotet habe ich da nicht 
gefunden. Im Produkttext und Datenblatt zum Pro-Gerät steht zwar was von 
Alphaspektrometrie, aber ob das Gerät wirklich Radon von anderen 
Alphastrahlern unterscheiden kann? Gesagt wird ja nur, dass es Radon 
recht genau misst. Sind andere Alphastrahler, außer den weiteren 
Zerfallsprodukten von Radon in Raumluft überhaupt zu erwarten? Habe ich 
bezügliche Spektroskopie in der Beschreibung was übersehen?

> Ich möchte eben nicht nur
> Radon messen, sondern das ganze Gammaspektrum so hoch aufgelöst erfassen
> können.
Du sprichst wieder von Gamma. Emittiert Radon 222 denn außer 
Alphateilchen auch Gammaphotonen? Welche Energie? Falls nein, geht es 
Dir mehr um Gammaspektroskopie und weniger um Radon? Oder geht es Dir 
doch um Alphaspektroskopie? Letzteres scheint recht schwierig zu sein. 
Oder hättest Du gerne ein Ein-in-alles-Spektrometer?

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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SO ich habe mal endlich herumgegoogled und ein paar Informationen 
gefunden.

Es gibt eine Alphaspektrometrie und eine Gammaspektrometrie.
Letztere macht man eher mit Scintillationsdetektoren, oder mit den von 
Valvo beschriebenen Germanium-Halbleiterdetektoren in flüssigem 
Stickstoff.

Die Alphaspektrometrie mit Halbleiterdetektoren funktioniert auch bei 
Zimmertemperatur. Wenn man also dieses Gerät aus Norwegen ausschlachten 
würde, wäre damit eher eine Alphaspektrometrie möglich.

Mehrere "Bastler" haben sich mit den Themen befasst, Burkhard Kainka 
wäre zu nennen, auf Fingers Welt gibt es eine Diskussion, der Theremino 
aus Italien wurde hier im Forum schon mal etwas ungeschickt vorgestellt 
und schließlich Thomas Rapp, der seine Projekte auch in einem 
Franzis-Buch veröffentlicht hat.
http://www.elektronik-labor.de/Projekte/Projekte.html -> "Radioaktivität 
messen"
https://www.fingers-welt.de/phpBB/viewtopic.php?f=14&t=4947
Beitrag "Günstige Gammaspektroskopie mit Theremino MCA"
http://www.rapp-instruments.de/Radioaktivitaet/Detektoren/Halbleiter/Halbleiter.htm

Ein Elektor-Artikel von Burkhard Kainka ist hier legal zugänglich, die 
Software heißt "Alpha Gamma" und zeigt in beiden Fällen ein Spektrum, 
aufgenommen mit einer BPW34, deren Kunststoffhülle für die Alpha-Messung 
mit Aceton abgelöst werden muss:
https://www.element14.com/community/servlet/JiveServlet/previewBody/41953-102-1-229709/Elektor%20Radiation%20Meter.pdf

woher dieser Text mca.pdf hier im Forum stammt, ist aus dem Text nicht 
zu entnehmen, den verwendeten Bauteilen nach schon etwas älter:
Beitrag "Re: Radioaktivität"

: Bearbeitet durch User
von ZF (Gast)


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Christoph db1uq K. schrieb:
> Die Alphaspektrometrie mit Halbleiterdetektoren funktioniert auch bei
> Zimmertemperatur. Wenn man also dieses Gerät aus Norwegen ausschlachten
> würde, wäre damit eher eine Alphaspektrometrie möglich.
Hast Du irgendwelche Hinweise zur Auflösung der dort verwendeten 
Detektoren gefunden?

> Ein Elektor-Artikel von Burkhard Kainka ist hier legal zugänglich, die
> Software heißt "Alpha Gamma" und zeigt in beiden Fällen ein Spektrum,
> aufgenommen mit einer BPW34, deren Kunststoffhülle für die Alpha-Messung
> mit Aceton abgelöst werden muss:
> 
https://www.element14.com/community/servlet/JiveServlet/previewBody/41953-102-1-229709/Elektor%20Radiation%20Meter.pdf

Bernd Laquai hat für Alpha das Fenster von Osram BPX61 entfernt:
http://www.opengeiger.de/RadonMessungenGeigerle.pdf
http://www.opengeiger.de/UranNachweisDuengerGeigerle.pdf
Bei seinen Versuchen strömen allerdings keine großen Mengen 
(schmutziger) Luft an der Detektoroberfläche vorbei, wobei der Dünger 
sicher etwas staubig war. Für Raumluftmessungen müsste man sich noch was 
einfallen lassen.

von Christoph E. (stoppi)


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Hier meine Fäden zum Thema radioaktive Strahlung, MCA, 
gammaspektroskopie und photomultiplier: 
https://forum.mosfetkiller.de/viewtopic.php?f=6&t=62389
https://forum.mosfetkiller.de/viewtopic.php?f=6&t=61526

: Bearbeitet durch User
von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Danke für deine Link.
Mir war nur nicht klar, dass man auch Alpha-Spektrogramme messen kann, 
ich kannte nur die hochaufgelösten Gammaspektren, die ich oben zuerst 
gepostet hatte. Aber da haben sich die physikalischen Möglichkeiten und 
Kosten durch modernere Technik leider nicht so entwickelt wie 
beispielsweise bei Wärmebildkameras. Die hat man ursprünglich auch 
gekühlt.

Geigerzähler und Scintillationsdetektoren tun sich mit Alphateilchen ja 
eher schwer, wegen der geringen Reichweite in Luft und den nötigen 
licht- und gasdichten Fenstern. Beim Halbleiterdetektor scheinen gerade 
die dicken Heliumkerne leichter nachweisbar zu sein.

Im Wikipediaartikel wird die unterschiedliche Empfindlichkeit erläutert:
https://de.wikipedia.org/wiki/Halbleiterdetektor#Elektromagnetische_Strahlung
wobei Gamma- und Röntgenstrahlung unter "Elektromagnetische Strahlung" 
aufgeführt werden.

Fachliteratur professioneller Detektorhersteller, die vermutlich Kunden 
namens CERN oder DESY bedienen, beschreibt eher ortsauflösende 
Detektoren, mit denen man die Bahnspur von Teilchen verfolgen kann. Da 
hat es natürlich einen großen technischen Fortschritt gegeben.

: Bearbeitet durch User
von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Ich versuche doch mal auf der Webseite von Airthing technische Daten zu 
finden:

Radon sampling: Passive diffusion chamber
Detection method: Alpha spectrometry
Measurement range: 0 – 9999 Bq/m³
Accuracy: After 7 days: σ < 10 % at 100Bq/m³
After 2 months: σ < 5 % at 100Bq/m³

eine "Explosionszeichnung" gibt es hier:
https://airthings.com/wp-content/uploads/2016/10/wave-exploded-large.png
In der runden Blechdose dürft der Detektor sitzen.

mit "airthings teardown" gefunden:
https://www.linkedin.com/pulse/how-make-smart-home-device-chris-kristiansen?articleId=6260436145285529600#comments-6260436145285529600&trk=prof-post
Der Firmeninhaber der schon 2008 gegründeten norwegischen Firma.
Zwei Fotos zeigen das zerlegte Gerät mit geöffneter Dose. Eine runde 
Platine mit einem quadratischen Mittelteil trägt anscheinend den 
Detektor.

: Bearbeitet durch User
von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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In dem alten Datenbuch sind auch eine Menge Datenblätter zu 
Geigerzählrohren. Ich möchte die hier auch noch reinstellen, da es aber 
nicht direkt passt, sollte es eher ins Wiki. Es gibt schon einen sehr 
knappen Artikel zu "Strahlungssensor".
Leider kann ich mich dort aus unbekanntem Grund nicht anmelden, der 
Menüpunkt "Seite bearbeiten" fehlt.

Diese Geigerröhren wurden 1992 von einer englischen Firma übernommen, 
daher sind einige Typen heute noch aktuell:
http://www.centronic.co.uk/product-groups/3/geiger-muller-tubes
"In 1992 we acquired and integrated the Geiger-Muller tube business of 
Philips Electronics" und die übernahmen ca. 1986 Valvo.
von Centronic stammt auch eine Applikationsschrift zum Thema:
http://qa.ff.up.pt/radioquimica/Bibliografia/Diversos/geiger_tube_theory.pdf

Zum ursprünglichen Thema noch kurz: Das Foto des Herstellers zeigt den 
Sensor neben dem Gehäuse, das 12cm Au0endurchmesser haben soll. Daraus 
ergibt sich eine Sensorfläche von ca. 400mm², was in dem alten Datenbuch 
schon zu den größeren Sensoren gehört.

: Bearbeitet durch User
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