Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Fragen zu Transistoren und Trafo eines alten Schaltplanes


von André (fuxinstall)


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Guten Abend,

ich benötige Eure Hilfe beim Nachbau eines Messgerätes aus den 1950er 
Jahren.

Die seinerzeit verwendeten Transistoren bekommt man fast nicht mehr - 
oder sie werden nahezu mit Gold aufgewogen.
Ich möchte daher die Transistoren durch gängige Standard-Transistoren 
ersetzen, die man z.B. auch bei Reichelt problemlos bekommt.
Ich habe schon die Parameter der im Schaltplan in Klammern aufgeführten, 
damaligen Original-Ersatz-Transistoren herausgesucht (jeweils unterste 
Zeile der angefügten Screenshots), weiss jetzt allerdings nicht mehr 
weiter...

Zum Schaltplan:

Zu jener Zeit legte man noch Plus auf GND und schaltete Minus.
Die Transistoren sind wohl überwiegend in Darlington-Schaltung verbaut. 
Die ersten 4 bilden zwei Verstärkerstufen für ein Kristall-Mikrofon.
Dann wird das ganze über Mehrfachschalter durch ein paar 
Audio-Filterstufen geschickt und dann nochmals verstärkt, um über 
stethoskopähnliche Ohrhörer ausgegeben zu werden. Wahrscheinlich 
arbeiteten diese damals ebenfalls mit (Piezo-)Kristallen.
Der Knopf des Potentiometers RV1 (leicht rechts der Mitte) war als 
Zeiger für eine Skala ausgebildet, die abgelesen wurde, wenn die 
Abstimm-Anzeigeröhre gerade leicht glimmte.

Damit der Nachbau später richtig funktioniert, müsste also die 
Verstärkung der einzelnen Stufen möglichst identisch mit dem Original 
sein.


Der rechte Teil der Schaltung stellt die Spannungsversorgung für die 
erwähnte kleine Abstimm-Anzeigeröhre (ähnlich einem Magischen Auge) dar, 
für die ich folgende Angaben gefunden habe:

  30 mA 1,0 V direct filament Cathode
  0,5 mA Anode
  lights when control grid is at zero potential
  50 V DC at 0,5 mA Anode in on state; 3V DC on the Grid Cut-off Plate 
current and light.

Ich gehe davon aus, dass die dargestellten unterschiedlichen 
Windungszahlen des Dreifachtrafos ganz rechts eine Bedeutung haben, kann 
mir aber keinen Reim darauf machen, wie man damit von 9 V auf 48-50 V 
kommen soll. Gibt es Schaltungen, die durch Resonanzeffekte deutlich 
höhere Spannungen erzeugen können, als man uns damals im 
Physikunterricht mit dem Verhältnis der Windungszahlen erklärt hat?

Vielen Dank.


André

von H. H. (hhinz)


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André schrieb:
> Ich gehe davon aus, dass die dargestellten unterschiedlichen
> Windungszahlen des Dreifachtrafos ganz rechts eine Bedeutung haben,

Die zeigen nur eine grobe Richtung.

von H. H. (hhinz)


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Was soll das Ding eigentlich messen?

von Bradward B. (Firma: Starfleet) (ltjg_boimler)


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Frage am Rande, was soll dieses Messgerät wie messen ?

Irgendwelche besonderen Anforderungen am Temperaturstabilität, 
Batterielebensdauer, Störfestigkeit etc. ??

von Edwin (jemand3rd)


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Hallo

Das sind doch alles Germaniumtransistoren?!

Die kann man nicht ohne größere Schaltungsänderungen mit "modernen" 
(LOL) Siliziumtransistoren austauschen.

Moderne ("echte, "reine" nicht sehr spezielle Nischenanwendungen und 
Mischformen) Germaniumtransistoren gibt es nicht, du könntest nur 
versuchen an weniger alte und ehemals unbeliebte Ge-Transistoren 
heranzukommen.


Welche Werte (Typen - auch noch USA, Sowjetische, Tschechische und Japan 
Typen der 60er bis frühen 80er Jahre schauen) funktionieren kann ich 
aber nicht sagen - da sind die wahrscheinlich schon in Rente 
befindlichen Spezialisten und ehemalige Hardwareentwickler gefragt.

von H. H. (hhinz)


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Edwin schrieb:
> Das sind doch alles Germaniumtransistoren?!
>
> Die kann man nicht ohne größere Schaltungsänderungen mit "modernen"
> (LOL) Siliziumtransistoren austauschen.

Du nicht. Andere schon.

von Jens G. (jensig)


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Edwin schrieb:
> Das sind doch alles Germaniumtransistoren?!
>
> Die kann man nicht ohne größere Schaltungsänderungen mit "modernen"
> (LOL) Siliziumtransistoren austauschen.

Eigentlich sieht die Schaltung eher so aus, daß die wenig von den 
konkreten T-Parametern abhängt, da doch praktisch jeder T mit Strom- 
und/oder Spannungsgegenkopplung arbeitet. Da kannste doch praktisch 
alles nehmen, was pnp ist ...

von Jens G. (jensig)


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H. H. schrieb:
> Was soll das Ding eigentlich messen?

Wird wohl sowas wie eine Pegel-/Aussteuerungsanzeige sein ...

: Bearbeitet durch User
von Jens G. (jensig)


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Die eingangsseitigen T sollen wohl ohnehin schon "hochmoderne" Si-T sein 
- vermutlich "besonders rauscharm" ;-) Da wird also gleichspannungsmäßig 
wohl schon gar nichts überraschendes passieren.

: Bearbeitet durch User
von Heinrich K. (minrich)


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André schrieb:
> Die ersten 4 bilden zwei Verstärkerstufen für ein Kristall-Mikrofon

Richtig. Beachte: Das Mikrofon darf keinen Gleichstromdurchgang haben, 
da es sonst die Basisvorspannung kurzschliessen würde.

André schrieb:
> Wahrscheinlich arbeiteten diese damals ebenfalls mit (Piezo-)Kristallen

Hier gerade nicht! Der Kopfhörer muss eine dynamische Kapsel haben, er 
stellt den "gleichstrommässigen", notwendigen Kollektorwiderstand dar.

von Heinrich K. (minrich)


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André schrieb:
> kann mir aber keinen Reim darauf machen, wie man damit von 9 V auf 48-50
> V kommen soll. Gibt es Schaltungen ...

Unten rechts ein klassischer Gegentaktoszillator. Die Arbeitswicklung 
ist mittig angezapft, dort mit der Betriebsspannung verbunden, beide 
Transistoren sind mittels Kondensatoren über Kreuz rückgekoppelt. Es 
steuert immer abwechselnd einer der beiden durch. Damit wird abwechselnd 
die eine oder die andere Wicklungshälfte an die Betriebsspannung gelegt: 
Ein Wechselrichter!
Die Anzeigeröhre erhält ihre Heizleistung aus einer weiteren Wicklung 
des Oszillatorübertragers T1.
Die Anodenspannung kommt direkt aus der dritten Wicklung, die 
Anzeigeröhre arbeitet selbst als ihr eigener Gleichrichter, Anodenstrom 
kann immer nur während der positiven Halbwelle fliessen.

Das Steuergitter der Röhre wird fest auf die halbe Betriebsspannung 
gelegt, gesteuert wird relativ zum festen Gitterpotential die Kathode. 
Der Steuerstrom fliesst durch den mehr oder minder lang aufgesteuerten 
Endtransistor und die Diode. Selbige entkoppelt den Ladekondensator 
"1uF" vom Kollektor. Der Kondensator mit seinem Parallelwiderstand sorgt 
für eine gewünschte Trägheit (attack, decay), Speicherung des 
Spitzenwerts, der Entladewiderstand für passendes Abklingverhalten.

Die Gesamtschaltung dürfte sich problemlos komplett mit 
Siliziumtransistoren bestücken lassen.
Der Zeit geschuldet waren "damals" Siliziumtransistoren teuer gegenüber 
den bereits in Massen produzierten billigeren Germaniumtransistoren.

Die AC107 sind "normale" Germaniumtransistoren für 
"Vorstufen"/"Eingangsstufen", die OCs mit hohen Nummern "spezial", die 
OC71 hingegen sind im noch alten Bezeichnungsschema beschriftete kleine 
(schwache) "Endstufentransistoren".

von André (fuxinstall)


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Wow,
so viele Hinweise schon nach so kurzer Zeit!
Ich sage schonmal Dankeschön und freue mich auf weiteren Input.

Das Messgerät diente dazu, die Pegel/Amplituden bestimmter Frequenzen 
zahlenmäßig zu erfassen.

: Bearbeitet durch User
von Michael B. (laberkopp)


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André schrieb:
> Gibt es Schaltungen, die durch Resonanzeffekte deutlich höhere
> Spannungen erzeugen können, als man uns damals im Physikunterricht mit
> dem Verhältnis der Windungszahlen erklärt hat?

Ja, aber das ist ein Royer, der transformiert im Windungsverhältnis. 9V 
zu 40V ist ja nicht so schwer zu berechnen.

Hast du überhaupt so eine Abstimmanzeige, kannst du nicht einfach einen 
LED Leuchtbalken (LM3914) oder Drehspulinstrument oder Digitalpanelmeter 
nutzen ?

Und selbst wenn, wie wäre ein geregelter step up DC/DC Wandler 
https://www.ebay.de/itm/296309513037 oder Selbstbau mit MC34063 ?

Die eigentliche Schaltung würde ich in LTSpice simulieren, und dann 
simuliert umbauen. Ich bin davon überzeugt, dass auf Grund der heute 
höheren Stromverstärkung man diese Darlingtonpaare jeweils durch einen 
BC557 ersetzen kann, 1 x Si UBE ist ähnlich 2 x Ge UBE.

Das einzig wirklich wichtige in der Schaltung sind doch die Filter. 
Selbst das Mikrophon sollte man durch ein Elektred ersetzen.

Heinrich K. schrieb:
> Der Kopfhörer muss eine dynamische Kapsel haben, er stellt den
> "gleichstrommässigen", notwendigen Kollektorwiderstand dar.

Ich frage mich, was die Schaltung ohne eingesteckten Kopfhöhrer macht. 
Da geht sie einfach nicht. Blöd.

: Bearbeitet durch User
von Bradward B. (Firma: Starfleet) (ltjg_boimler)


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> Hast du überhaupt so eine Abstimmanzeige, kannst du nicht einfach einen
> LED Leuchtbalken (LM3914) oder Drehspulinstrument oder Digitalpanelmeter
> nutzen ?
>
> Und selbst wenn, wie wäre ein geregelter step up DC/DC Wandler
> https://www.ebay.de/itm/296309513037 oder Selbstbau mit MC34063 ?
>
> Die eigentliche Schaltung würde ich in LTSpice simulieren, und dann
> simuliert umbauen.

Wenn man kein Original als Referenz zur Ermittlung des Betriebsverhalten 
hat ist Simulation des Zeitverhaltens die adäquate Vorgehensweise. Bei 
"Messinstrumenten" kommt es zuweilen auf solche "Nachbauten inklusiver 
aller 'Macken'" an, insbesonders wenn es einen alten aber immer noch 
gültigen "Standard" dafür gibt.

Ist dagegen "nur" die Funktion wichtig, sollte man entsprechende 
Schaltungsteile "from the Scratch" neu entwerfen. Mit OPV's wird vieles 
kompakter und Temperatur ist auch nicht mehr das Problem. Und für die 
Stromversergung gibt es mehr verschiedene Typen DC/DC-Wandler als 
Schokoladensorten von Ritter-Sport ;-) .

Der Austausch der alten Germanen wie OC71  durch neu eingeführte 
Zeitgenossen abweichenden Verhaltens wurde schon öfters im Internet 
debattiert.

* Beitrag "Germanium-Transistoren austauschen"
* Beitrag "Für was verwendet man Germaniumtransistoren?"
* Beitrag "Schaltungen von früher - ungewöhnlich da PNP"
* Beitrag "unbekannter Uralttransistor"
* Beitrag "Germanium Transistoren"
* 
https://www.sequencer.de/synthesizer/threads/unterschied-germanium-zu-silizium-transistor.21176/
* 
https://forum.electronicwerkstatt.de/phpBB/Historische_Technik/ersatz_fuer_oc71_philips_log90t-t131024f45_bs0.html

: Bearbeitet durch User
von Wulf D. (holler)


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Michael B. schrieb:
> Ja, aber das ist ein Royer, der transformiert im Windungsverhältnis. 9V
> zu 40V ist ja nicht so schwer zu berechnen.
>
> Hast du überhaupt so eine Abstimmanzeige, kannst du nicht einfach einen
> LED Leuchtbalken (LM3914) oder Drehspulinstrument oder …
>
> Die eigentliche Schaltung würde ich in LTSpice simulieren, und dann
> simuliert umbauen.

Und ich würde die Anzeigeröhre, wenn du die wirklich verwenden willst, 
erstmal durch einen Dummy ersetzen. Wäre doch schade, wenn durch einen 
Dimmensionierungsfehler dir gleich die Heizung der Röhre wegbrennt.

von André (fuxinstall)


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Bradward B. schrieb:
> Wenn man kein Original als Referenz zur Ermittlung des Betriebsverhalten
> hat ist Simulation des Zeitverhaltens die adäquate Vorgehensweise. Bei
> "Messinstrumenten" kommt es zuweilen auf solche "Nachbauten inklusiver
> aller 'Macken'" an, insbesonders wenn es einen alten aber immer noch
> gültigen "Standard" dafür gibt.

Mein Problem ist im Prinzip:
* Ich habe eine gute Darstellung der Skala.
* Ich habe alte Kurven für den Output eines Frequency Runs bei 
definiertem Eingangspegel.
* Mir fehlen aber jegliche Angaben, wann die Röhre bei welcher Frequenz 
und Potentiometerstellung (Skalenwert) glimmte. Ich denke, dass ich das 
nur durch praktischen Versuch ermitteln kann und deshalb einen Nachbau 
brauche.

Sobald das gegeben ist, könnte man die Schaltung natürlich modernisieren 
und deutlich verbessern.

von André (fuxinstall)


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Wulf D. schrieb:
> Michael B. schrieb:
> Und ich würde die Anzeigeröhre, wenn du die wirklich verwenden willst,
> erstmal durch einen Dummy ersetzen. Wäre doch schade, wenn durch einen
> Dimmensionierungsfehler dir gleich die Heizung der Röhre wegbrennt.

An was für einen Dummy hast Du dabei gedacht?
Ich habe es geschafft, zwei von den Röhren halbwegs preiswert zu 
organisieren.

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