Freiberufler und Angestellte

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Freiberufler oder Angestellter?

Allgemeines und grundsätzliche Unterscheidung

  • Eine abhängige- oder 'weisungsgebundene' und damit arbeitnehmerische oder arbeitnehmerähnliche Beschäftigung liegt vor, wenn der Dienstnehmer ausschließlich oder überwiegend nach Anweisung des Auftraggebers handelt oder im Wesentlichen immer nur für einen Auftraggeber tätig ist. Massgeblich sind hier die überwiegenden Einkünfte in aufeinander folgenden Steuerjahren sowie auch wiederholt auftretende Tätigkeiten, die eine zeitliche Regelmässigkeit erkennen lassen. Diese Form des Arbeitens wird durch das BGB, das Arbeitsrecht, konkrete Arbeitsverträge -und meistens- auch durch Tarifverträge bestimmt. Als Arbeitnehmer bezeichnet man mithin Personen, die einen solchen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder als solche eingestuft werden müssen. Alle anderen sind i.d.R. Freiberufler.
  • Bei Freiberuflern handelt es sich um einen Personenkreis, der der Form nach selbständig ist, d.h. auf eigene Rechung und Gefahr arbeitet und seine Leistungen frei am Markt anbietet. Freiberufler sind traditionell Angehörige bestimmter Berufsgruppen, wie Ärzte, Apotheker, Anwälte, Handelsvertreter, Musiker und Ingenieure. Allerdings gibt es bei all diesen Berufsgruppen immer auch Formen der abhängigen Beschäftigung, wie z.B. beim angestellten Arzt im Krankenhaus, dem abhängig beschäftigen Apotheker in einer anderen Apotheke oder einem Pharmaunternehmen, dem angestellten Anwalt in einer Rechtsabteilung eines Industrieunternehmens, der nichtselbständigen Handelsvertreter, der Produkte im Auftrag einer einzigen Firma anbietet, der festangestellte Orchestermusiker und abhängig beschäftigte, nicht beratende Ingenieure. Dem Inhalt nach sind Freiberufler immer Personen, die eine besondere Begabung oder Ausbildung besitzen, die sie in besonderem Mass qualifiziert. Dabei sind die Erfahrung im Beruf und die Ausbildung (z.B. Promotion / Studium) Indizien für eine solche besondere Qualifikation.

Arbeitnehmer

Vertragssituation

Arbeitsverträge sind vom Gedanken der Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer bestimmt, Verträge dieser Art unterliegen damit auch dem Arbeitsschutzrecht, der Arbeitszeitordnung und anderen Gesetzen.

Sozialsystem

Auch die Teilnahme am Sozialsystem entspringt dem Gedanken der Fürsorge gegenüber dem Arbeitnehmer. Durch die Verpflichtung zur Teilnahme sinkt allerdings der Gestaltungsspielraum des Arbeitnehmers. Arbeitnehmer sind meistens vollständig in das Sozialsystem eingebunden und können sich diesem auch nicht entziehen. Neben der Rentenversicherung zahlen sie vor allem in die Arbeitslosenversicherung ein. Lediglich bei der Wahl der Krankenversciherung und der Pflegeversicherung haben sie ab einem gewissen Einkommen auch als Angestellte die Möglichkeit, sich privat zu versichern.

Rechtliche Situation

Arbeitnehmer geniessen eine Reihe von staatlich garantierten Rechten und Vorteilen, die dem Freiberufler verwehrt bleiben. So sind sie bis auf wenige Ausnahmefälle nicht juristisch zu belangen, wenn ihnen ein unverschuldeter Fehler unterläuft und es zu Schäden an Personen oder Gegenständen kommt. Hier haftet praktisch immer nur der Arbeitgeber. Dasselbe gilt bei der Verletzung von Rechten Dritter, z.B. bei Patenten.

Arbeitsentgelt

Arbeitnehmer erhalten unabhängig von der Zahl der Krankheitstage, der Feiertage oder der genommenen Urlaubstage im Monat ein festgelegtes Arbeitsentgelt. Sie sind in vielen Fällen verpflichtet, ein gewisses Maß an Überstunden zu leisten, auch wenn diese nicht durch Gleitzeit ausgeglichen werden. Nicht immer werden diese finanziell zusätzlich abgegolten. Dies kann - muss aber nicht - Bestandteil des Vertrages sein, wenn eine festgelegte Menge an Überstunden im Vertrag benannt ist, die mit dem Gehalt abgegolten sind.

Freiberufler

Unterscheidung der Beschäftigungsverhältnis

Freiberufler sind Dienstvertragsnehmer oder Werksvertragsnehmer. Dienstverträge sind dabei meistens zeitlich- Werkverträge eher ergebnisorientiert. Es handelt sich bei solchen Werktätigen oft um Spezialisten, deren Wissen nur kurze Zeit oder in Sonderprojekten benötigt wird. Ein Freiberufler braucht in der Regel keinen Meisterbrief, es gibt allerdings Branchen, in denen er vorgeschrieben ist. Ein Freiberufler braucht für seine Tätgikeit keinen Gewerbeschein und gilt auch nicht als gewerbetreibend, es sei denn, er übt zusätzlich noch eine gewerbliche Tätgikeit aus, wie z.B. ein Softwareentwickler, der nicht nur im Auftrag entwickelt, sondern auch selbst Kopien davon vertreibt.

Einstufung der geschäftlichen Tätigkeit

Der Freiberufler gilt ungeachtet dessen, als geschäftlich tätig. Einen Gewerbeschein benötigen nur die Gewerbetreibenden, die geschäftlich tätig sind, die aber nicht den Freiberuflerstatus besitzen. Freiberufler ist, wer einen der typischen Katalogberufe ausübt, sowie nach der Rechtsprechung auch der, der eine den Katalogberufen ähnliche Tätigkeit ausübt. Der Freiberuflerstatus ist streng genommen für jede individuelle Tätigkeit und jedes Projekt neu zu bewerten, was in der Praxis allerdings kaum geschieht, es sei denn, es handelt sich um Grenzfälle oder Streitfälle. In Einzelfällen kommen Rentenversicherung und Finanzamt bei der Bewertung mitunter zu gegenteiligen Ergebnissen, was dazu führen kann, dass zwar steuerlich scheinbar der Freiberuflerstatus gegeben war, jedoch Rentenversicherungspflicht für ein Projekt entstehen kann.

Sozialversicherungspflicht

Freiberufler unterliegen nicht dem Zwang zur gesetzlichen Sozialversicherung ((Rentenversicherung und Krankenversicherung). Sie können daher unanhängig vom Einkommen eigene Versicherungen auf freiwilliger Basis abschließen (sowohl freiwillig gesetzlich, als auch privat). Privat versichern können sich Angestellte dageben nur, wenn er über den gesetzlichen Grenzwerten liegt. (Krankenkasse ca 48k, Rente ca 71k). Die freiwillige gesetzliche Rentenversicherung ist für Freiberufler in der Regel unproduktiver, da weniger Leistungen bei inzwischen gleichen Sätzen gewährt werden. (Die Beitragsgrenzen wurden im Jahre 2009 angepassst). Die privaten Versicherungen sind u.U. günstiger, bergen aber den Nachteil der indirekt an die wirtschaftlichen Erfolge der Versicherungsunternehmen gekoppelten Verträge, was im Alter besonders bei der Krankenkasse sehr nachteilig werden kann, da diese einkommensunabhänig berechnet werden. Diese Überlegungen sollten auf Kranken- Renten- aber auch Unfall-, Rechtsschutz- und Berufsunfähigkeitsversicherung, sowie eine Berufshaftpflichtversicherung angewendet werden. Der Freiberufler benötigt hier im Ggs zum Angestellten mehr Absicherung, vor allem in der Hinsicht, dass er keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder eine Rente bei Berufsunfähigkeit erhält.

Einkommensverhältnisse

Freiberufler haben das oben beschrieben Problem der nichtbezahlten Überstunden dann nicht, wenn sie im Rahmen eines Dienstvertrags alle Zeiten auf die Rechnung schreiben können. Sie können theoretisch Überstunden ablehnen, da sie nicht weisungsgebunden sind. Praktisch werden vom Freiberufler aber Liefertermine gefordert und der Dienstvertrag mitunter gekündigt, wenn sie zu wenige Stunden bringen können, wie im Fall eines Unfalls oder Krankheit. Der Dienstvertrag kann dann einseitig vom Projektgeber aufgelöst- oder es kann Ersatz in Form von Personal vom Freiberufler gefordert werden, sofern dies im Vertrag vereinbart worden ist. Die meisten Freiberufler lassen diesen Paragraphen i.d.R steichen. Freiberufler, die einen Werkvertrag haben, sind in der Zeitgestaltung komplett frei, sie müssen dann aus praktischen Gründen oftmals Überstunden machen, da die Liefertermine verbindlich(er) sind. Diese Überstunden werden logischerweise nicht gezahlt. Daher ist es nötig, bei Werkverträgen, einige Überstunden für Unvorhersehbares einzukalkulieren und trotzdem Termine zu nennen, die gfs. sogar noch Luft für eine eventuelle Krankheit lassen.

Scheinselbständige

  • Scheinselbständige sind angebliche Freiberufler, die gemäß den eingangs erwähnten Kriterien als Angestellte gelten müssten, weil sie z.B. langfristig ausschließlich für einen Auftraggeber tätig sind und sich lediglich den Selbständigenstatus gezielt zugeschrieben haben, um Vorteile zu erwirken. Hier handelt es sich oft um Versuche, die Zwänge des Sozialrechts zu umgehen. Nicht selten sind die Arbeitgeber hier treibende Kraft und beschäftigen Subunternehmer, die letztlich wie Angestellte gefahren werden.
  • Scheinselbständig ist nicht, wer unabsichtlich handelt oder unbewusst den Freiberuflerstatus verliert oder im Nachhinein für ein Projekt oder eine Zeitspanne aberkannt bekommt. Er kann nicht wegen Scheinselbständigkeit belangt werden, muss aber u.U. Rentenversicherung nachzahlen, wodurch u.U. mehrere Steuerjahre neu aufgearbeitet werden müssen.

Rechtliche Abgrenzung

Die Grenzen zwischen Freiberufler, rentenversicherungspflichtigem Selbständigen und dem als Angestellten einzustufenden Scheinselbständigen sind trotz mehrere Anläufe der Politik, hier Klarheit zu schaffen, immer noch nicht völlig eindeutig, was regelmäßig zu Problemen bei Freiberuflern und Auftraggebern führt.

Verschiedene Seiten liefern unterschiedliche Ansätze und Interpretationen hinsichtlich der Kriterien. Beispielhaftes Papier zur Abgrenzung eines Selbständigen vom Scheinselbständigen: http://www.mikrocontroller.net/topic/257714#2666969

Offizielle Rechtsprechung

Die tatsächliche Rechtsprechung ändert sich diesbezüglich permanent, meistens zu Gunsten der Freiberufler, in Einzelfällen aber auch gegen sie. In der jüngeren Vergangenheit wurden aber verschiedene, ehemals harte Kriterien wieder aufgeweicht sowie nicht mehr zeitgemäße verworfen. Beispielsweise wurde kürzlich die zeitliche Grenze für eine Beschäftigungen bei nur einem Projektgeber, bei der der Selbständigenstatus noch bejaht wird, deutlich ausgeweitet. Im konkreten Fall war ein Programmierer 4 Jahre bei demselben Arbeitgeber tätig. Auch die klassische Regelung, nachdem ein Freiberufler innerhalb eines Steuerjahres nicht mehr, als 5/6tel seines Einkommens von einem Projektgeber beziehen darf, wurde häufiger ingoniert und die Betrachtung auf mehre Jahre ausgedehnt, da typische Projekte im Ingenieursbereich regelmäßig länger dauern und andererseits viele Firmen mit taktischen Umbesetzungen die Projektdauern limitieren. Genauere Informationen haben Steuerberater und die IHKs.

Offizielles Feststellungsverfahren

Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) bietet potenziellen Freiberuflern ein formelles Feststellungsverfahren an, in dem der eigene Status geprüft werden kann. Damlit lässt sich amtlich sicherstellen, dass die GRV keine Ansprüche erheben wird. Allerdings raten Anwälte davon ab, weil dies erstens regelmässig aktualisiert werden müsste, zweitens jeweils sehr lange dauern kann und drittens meistens (und oftmals zu unrecht) gegen den Freiberuflerstatus ausgeht und gerichtlich angefochten werden muss.

Die Reale Praxis

Um eventuelle Forderungen der GRV abzuwehren, hat es sich eingebürgert, Projekte nur noch in Form von Arbeitnehmerüberlassung oder über Zwischenprojektgeber abzuwickeln, die im Zweifelsfall für die Rentenbeiträge haften müssen. Somit werden praktisch 80% aller freiberuflichen Aufträge im deutschen Markt heute über Zwischenprojektnehmer vergeben, die formell als Auftragnehmer auftreten und die tatsächliche Arbeit an Subunternehmer weitergeben, die dann wieder vorort beim Kunden tätig werden. Damit ist zwar der Endkunde geschützt, der Freiberufler kann jedoch jederzeit nachträglich zur Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen gezwungen werden, wenn sein Status im Fall von Betriebsprüfungen aberkannt wird. Der Freiberufler kann rückwirkend bis zu 3 Jahre nach Feststellung zur Zahlung von RV-Beiträgen verpflichtet werden - der Zwischenprojektgeber je nach Rechtslage bis zu 10 Jahre und länger.

Für den Freiberufler kommt es deshalb darauf an, erst gar keine Situation entstehen zu lassen, in der die arbeitsrechtliche Einstufung unsicher ist. Daher ist darauf zu achten, dass alle Indizien, die auf eine Scheinselbständigkeit schließen lassen, nicht einfach verschleiert werden, sondern schlichtweg nicht der Fall sein sollten. Insbesondere sollten Rechtsfehler vermieden werden, die ein Dienstverhältnis fälschlich nach Scheinselbständigkeit aussehen lassen obwohl es keine solche ist. Dazu sind die Verträge hinsichtlich der inhaltlichen Leistungen sowie der Randbedingungen bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsumfang etc entsprechend zu gestalten. Anhand von Kriterien kann selbst geprüft werden, ob ein Angebot eines Projektgebers wirklich eine freiberufliche Tätigkeit darstellt oder sie sich nicht doch besser in Form einer temporären Beschäfigung lösen lässt. Diese Methode der indirekten Übernahme ist mitunter für beide Seiten sinnvoll, da der Freiberufler hier ein relativ hohes Gehalt verhandeln kann und der AG trotzdem günstig fährt. Allerdings schließen viele Projektgeber diese Abwerbung in ihren Projektverträgen bei Strafe aus. Ein solche Regelung kann und darf umgangen werden, wenn der Freiberufler nachweisen kann, dass er kein anderes geeignetes Projekt vorliegen hat und somit beschäftigslos wäre. Dann tritt der Schutz des Projektgebers hinter das Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes zurück.

Marktsituation für Angestellte und Freiberufler

Marktteilnehmer und Auftraggeber

  • Zeitarbeitsunternehmen haben Festangestellte, die einen normalen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, welche jedoch Arbeit für den Kunden des Zeitarbeitsunternehmen leisten. Sie werden vom Vertragspartner bezahlt. Vorteil ist für den Arbeitnehmer das Sammeln von Erfahrung in verschiedenen Firmen und Projekten, nachteilig sind oft die geringeren Bezüge und die Ungewissheit. Die Firma ist verpflichtet, für eine konstante Beschäftigung zu sorgen, was sie jedoch oft nicht tut bzw. kann. Durch den Wegfall des konkreten Beschäftigungsgrundes kann somit der Arbeitsvertrag ohne Zahlung von Abfindungen direkt aufgelöst werden.
  • Personalvermittler sind Unternehmen oder Einzelpersonen, die Freiberufler in Projekte oder Arbeitnehmer in Festpositionen vermitteln. Ihre Tätigkeit beginnt mit der Ausschreibung des Projekts oder der Stelle und endet mit der Arbeitsaufnahme des Freiberuflers oder Angestellten im Projekt. Die Vermittler üben selbst keinerlei Projektarbeit aus und sind auch nicht für das Ergebnis verantwortlich. Betreiber von Projektbörsen sind typische Vermittler für Freiberufler.
  • Dienstleister sind Firmen, die Projekte im Auftrag für andere Firmen durchführen und dabei eigene Mitarbeiter und auch Freiberufler einsetzen, die dann in entweder von zuhause, den Räumlichkeiten des DL oder auch beim Kunden vorort aktiv werden. Die Tätigkeit der Dienstleister beginnt mit der Ausschreibung und endet erst mit dem vollständigen Abschluss des Projektes. Die Dienstleister führen das gesamte Projekt in voller juristischer Verantwortung durch und haben die Verantwortung für die Bereitstellung von Personal und den termingerechten Abschluss desselben. Im Spezialfall tritt der DL nur als eine Art Kapsel für einen zu suchenden Freiberufler auf, indem er das Projekt sucht, formell annimmt und dann selbst als Auftraggeber an einen Freiberufler weiterreicht, der dann als Subunternehmer fungiert. Für den Freiberufler ist diese Zusammenarbeit mit einem indirekten Projektgeber dann vorteilhaft, wenn es sich um einen grossen, solventen Projektgeber und gleichzeitig um einen kleinen, gfs zahlungsschwachen Endkunden handelt, weil in jedem Falle der Projektgeber für die Honorare haftet, auch wenn der Kunde die Zahlung verweigert oder insolvent wird.

Angebote an Freiberufler

  • Angebote sind meistens räumlich, zeitlich und fachlich begrenzt, was das Wesensmerkmal des Projektes als Werkvertrag erfüllt. Sind sie zeitlich unbegrenzt, liegt meistens ein Dienstvertrag vor. Die fachliche Definition bedeutet mithin aber auch, dass Mindestanforderungen in diesen Bereichen erforderlich sind, die beachtet werden müssen. Angebote umfassen im Fall des Werkvertrages immer die Aufgabenbeschreibung des Anbieters sowie einen Zeitplan und Liefertermin. Im Bereich der Dienstverträge besteht ein Arbeitsablauf ähnlich dem des Angestellten, der sehr zeitorientiert beschäftigt ist, d.h. Ablauf und Termine sind offen(er).
  • Eine Bewerbung auf ein Angebot enthält oft eine Skillslist, die den Freiberufler charakterisiert, sodass der Projektanbieter ersehen kann, was der Freiberufler bisher gemacht hat und u.U. auch wo. Z.B. werden in der Skillslist alle Projekte der letzten 10 Jahre aufgelistet, aber die Namen der Kunden erst ein Jahr nach dem Abschluss des Auftrages hinzugefügt. (Ausnahme: Referenzen). Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele Verträge über Vermittler zustande kommen, die nicht daran interessiert sind, die Namen und Adressen von Kunden und Ansprechpartnern zu veröffentlichen. Die Preisgabe dieser Information ist auch in vielen Verträgen ausdrücklich untersagt. Speziell Projektinhalte dürfen oft nicht offengelegt werden, wenn in Sicherheitsbereichen wie Militär oder Staat gearbeitet wurde, oder es sich bei dem Projekt um eine Vorentwicklung handelt, deren Benennung im Markt seitens des Kunden nicht erwünscht ist. Dem Freiberufler sind damit die Möglichkeiten, Referenzen zu nennen, stark eingeschränkt.
  • Angebote, die unter Verwendung von virtuellen Marktplätzen (zB. Xing) zustande kommen, haben in der Regel eine ausführliche Projektliste des Freiberuflers im Internet erkennbar. Nicht jeder Auftraggeber findet das gut, hier ist Fingerspitzengefühl erforderlich!
  • Oft werden vom Auftraggeber vor der Vergabe eines Projektes Referenzen gefordert, um sich über die Qualität und persönliche Eignung des Freiberuflers ein Bild machen zu können. Dies ist besonders dann der Fall, wenn der Freiberufler quasi anstelle eines möglichen Angestellten inmitten einer Projektgruppe arbeiten soll. Neben Fragen zu Inhalten der Projekte spielt dabei auch das Verhalten des Projektnehmers eine Rolle. Dazu ist jedoch festzustellen, dass sich das Arbeiten in einem Team und die Rolle als Freiberufler / Selbständiger formell widersprechen! Es ist deshalb darauf zu achten, dass weder der Freiberufler noch der Projektgeber durch Aussagen oder Fragen den Eindruck erwecken, dass eine Einbindung in die Organisationsstruktur des Kunden erfolgen soll oder vorgelegen hat, da dies von Gerichten inzwischen als Anzeichen einer abhängigen Beschäftigung gewertet wird. Vereinzelt sind Firmen bereits diesbezüglich zu nachträglichen Rentenzahlungen verurteilt worden, da Mitarbeiter von ihnen, ehemaligen Freiberuflern Referenzen gegeben- und sogar Zeugnisse ausgestellt haben, in denen Details zu den Projekten und dem Verhalten im Team benannt wurden. Das eine rechtliche Problem besteht also darin, dass arbeitsrechtlich nur ein Teamleiter Aussagen zur Teamfähgikeit und dem persönlichen Auftreten einer Person machen kann und darf, dies aber wiederum gegenüber Freiberuflern nicht äussern kann oder sollte, da es rentenversicherungsrechtlich problematisch werden könnte. Ein weiteres juristisches Problem besteht darin, dass ein Arbeitnehmer generell nicht ohne Weiteres die Arbeitsleistung einer betriebsfremden Person offen werten oder gar Dritten gegenüber kritisieren kann, da er sonst sich und seine Firma in gefährliches Fahrwasser manövriert, weil diese dann von dem geschäftlich am Markt agierenden Freiberufler wegen geschäftsschädigenden Verhaltens verklagt werden kann, selbst, wenn es sich nicht um Wertungen des persönlichen Auftretens, sondern nur um die Einschätzung der Arbeitsqualität handelt. Daher halten Firmen ihre Mitarbeiter vermehrt an, keine offiziellen Aussagen Dritten gegenüber bezüglich der Leistungen und des Verhaltens dienstleistender Firmen oder Freiberuflern in der Firma zu machen, was letztlich dazu führt, dass keine wirklich verwertbaren oder objektiven Referenzen zu erhalten sind. Viele Projektgeber und in der Folge auch die Freiberufler sehen daher inzwischen von der Forderung oder Nennung von Referenzen ab.

Vertragserfüllung

  • Im Falle der Dienstverträge wird in einem Vertrag ein Stundensatz festgelegt, der für die Projektdauer gilt. Um die gearbeiteten Stunden nachzuweisen, müssen diese in geeigneter Form erfasst werden. Die Art der Festlegung und die Person, die den Stundennachweis unterschreibt, sollten ebenfalls im Vertrag festgehalten werden. Unerheblich und sogar kontraprodutiv ist das Festhalten dann, wenn vermieden werden soll, dass offenbar wird, dass es sich um einen scheinbaren Werkvertrag handelt. Bei echten Werkverträgen wird ein Arbeitsergebnis und etwaiger Liefertermin bestimmt und ein Gesamtpreis festgelegt, der teilweise in Teilbeträgen gezahlt wird. So ist es üblich, eine 10% Anzahlung bei Vertragsschluss zu leisten und zum Vertragsende 90% der Gesamtrechung zu begleichen. 10% hält sich der Auftraggeber zurück, um etwaige Nacharbeiten einfordern zu können. Bei Dienstverträgen endet das Verhältnis mit dem Tage der Beendigung. In beiden Fällen bestehen aber meistens Verpflichtungen für den Projektnehmer, kostenlose Nachbesserungen vorzunehmen, wenn sich Fehler offenbaren. Diese Pflicht ist immer auf eine bestimmte Dauer nach der offiziellen Endabnahme begrenzt, liegt aber in der Praxis zwischen 2 Wochen und bis zu 7 Jahren!
  • Am Ende eines Monats oder eines zu vereinbarenden Zeitraums wird eine Rechnung erstellt. Diese unterliegt bei Inlandsrechnungen der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Im Vertrag sollten weitere Modalitäten der Rechnungserstellung (zB Reisekosten, Ab/Anfahrt usw) enthalten sein. Im aktuellen Projektgeschäft werden sogenannte all-in Stundensätze verhandelt, in denen alles enthalten ist. Der Freiberufler muss selbst rechnen, wie hoch er den Satz ansetzen muss, um wirtschaftlich sein zu können.


  • Im Bereich der IT und des IT-nahen engineering wird vermehrt beobachtet, dass Konzerne eine Stundensatzdeckelung vornehmen, die dazu führt, dass gute Freiberufler mit hochwertiger Ausbildung und viel Erfahrung nicht besetzt werden können, weil der Marktpreis zu hoch ist. Will ein Abteilungs- oder Projektleiter dann dennoch besetzen, so erfolgen imer häufiger Nebenabreden, dass mehr Stunden geschrieben werden, als real erbracht wurden. Der Stundensatzkorrekturfaktor errechnet sich zu: Erfassungszeit = RealeZeit * (Zielstundensatz / Nominalstundensatz). Somit kann ein Projektnehmer z.B. 44h die Woche abrechnen, statt 40h, wenn er statt der gwünschten 66,-/h nur 60,- erhalten darf. Das Problem, dass hierbei entsteht ist einmal, dass die Stundensätze nicht mehr vergleichbar werden und zudem der Auftragsvermittler durch die Scheinstunden mehr verdient, wenn er keinen prozentualen- sondern einen statischen Aufschlag von z.B. 10,- pro Stunde bekommt.

Vergleich des Einkommens von Angestelltem und Freiberufler

Aufgrund unterschiedlicher Leistungen durch den Arbeitgeber / Auftraggeber sowie der Besteuerung unterscheiden sich der Nettoverdienst bei beiden stark von einander:

  • Der Angestellte erhält zunächst ein Bruttogehalt, von dem er berufsbedingte Fahrten zum Arbeitplatz, Beiträge zu Berufsgenossenschaften und Aufwände für Bewerbung und sonstige Sicherstellung der Arbeitskraft, z.B. auch Kuren und eigene Weiterbildung sowie Bücher abziehen kann. Von diesem Gehalt werden die Lohnsteuer und eventuell Kirchensteuer abgezogen, sowie die AN-Anteile der Sozialversicherungen. Daneben bekommt er die AG-Anteile zu den Sozialversicherungen (Krankenkasse, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung) vom Arbeitgeber steuerfrei hinzu und er erhält kostenlose Weiterbildungen und Schulungen durch den AG.
  • Der Freiberufler führt zunächst von allen Einnahmen ("Erlöse") die vom Auftraggeber eingenommene Umsatzsteuer ab und erhält umgekehrt für Leistungen und erworbene Produkte des geschäftlichen Betriebes die gezahlte Umsatzsteuer zurück. Von diesen Nettoeinnahmen zieht er alle betriebsbedingten Kosten (Büro, Fahrzeug, Arbeitsmittel, Telefon) ab und rechnet umgekehrt virtuelle Privatanteile (besonders für den Geschäftswagen, Telefon etc,) wieder hinzu und errechnet daraus den geschäftlichen Gewinn, wobei er die Privatanteile ebenfalls umsatzversteuern muss. Dieser Gewinn wird dem Freiberufler vollständig als Einkommen gewertet und unterliegt wie beim Angestellten der normalen Einkommensteuer. Werbungskosten wie Bücher, Fahrten zum Projektort kann er nicht abziehen, da er in keinem abhängigen Verhältnis steht. Kosten dieser Art müssen, so möglich, im geschäftlichen Bereich gewinnmindernd verbucht werden. Von diesem Einkommen kann der Freiberufler die Krankenkasse (seit 2010 vollständig) und andere Pauschbeträge steuerlich geltend machen, bevor sich die Summe des zu versteuernden Einkommens berechnet. Aufgrund des komplett steuerfreien AG-Anteils bei der Rentenversicherung steht der Freiberufler hier schlechter, weshalb ihm bei einem bestimmten Gewinn weniger Netto bleibt, als bei einem gleich hohen Bruttogehalt, was bei den Stundensätzen entsprechend berücksichtigt werden muss.

Ein Rechenbeispiel befindet sich hier: http://www.mikrocontroller.net/topic/225269#2263497

Bei einem Vergleichsgehalt von 65.000 Euro Brutto muss danach im günstigsten Fall (längere Projektdauer, gute Auslastung, wenig Zeitverlust, kaum Fahrten zum Kunden) mindestens ein Stundensatz von 63,- Euro/Stunde erhoben werden. Um dasselbe Vergleichsbrutto mit ungünstigeren Projektbedingungen (100% vorort, längere Fahrten, Unterkunft und kurze Projekte mit mehr Zeitverlust fürs Suchen) müssten über 80 Euro / Stunde verrechnet werden.

Typische Stundensätze im Bereich Engineering und IT liegen bei einer Projektdauer von etwa 6 Monaten zwischen 60,- und 90,- die Stunde, für kürzere Einsätze etwa 10,- darüber. Für Tageseinsätze im Bereich IT liegen die Sätze bei bis zu 200,- Euro/h.

Vor- und Nachteile des Freiberuflertums

Vorteile

  • theoretisch jederzeit freie Entscheidung über Art und Inhalt von Tätigkeiten, freie Zeitgestaltung und freie Ortswahl
  • günstigere und umsatzsteuerfreie Beschaffung von Berufsmitteln, Abschreibevorteile bei beruflich genutzten Gegenständen
  • volle Absetzbarkeit von Geschäftsausgaben, bei Geschäftswagen soweit beruflich genutzt
  • bei der Nutzung des Privat-PKW volle km-Pauschale bei Fahrten von Büro zum Kunden
  • volle Verpflegungsmehraufwände ohne Abzüge bei Pauschbeträgen
  • Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
  • Möglichkeit, sich auch bei einem Jahreseinkommen unterhalb der Bemessungsgrenze privat krankenzuversichern

Nachteile

  • Haftung gegenüber dem Auftraggeber, gegenüber dem Gesetz und gegenüber bei geschäftlichen Vorgängen geschädigten Privatpersonen
  • stark marktabhängiges, eher unregelmässiges Einkommen
  • Aufträge müssen selbst gewonnen werden, keine Bezahlung, wenn keine Arbeit vorhanden
  • keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Ersatz von Arbeitszeit bei Projektwegfall
  • Notwendigkeit, eigene Betriebsmittel vorzuhalten und zu finanzieren
  • da kein Arbeitgeber vorhanden, keine Fahrtkostenerstattung, Verdienstausgleich oder Förderungen
  • keine Zuzahlungen zu Sozialabgaben
  • Schulungen und Weiterbildung müssen selbst finanziert werden
  • erheblich aufwändigere Steuererklärung

Anmerkung

Ein oft gehörtes Argument ist, der Freiberufler habe diee Möglichkeit, sich privat zu versichern und damit Vorteile gegenüber Arbeitnehmern. Dies ist formell so nicht richtig, da sein Vorteil nur darin liegt, generell die Wahl zu haben, gesetzlich oder privat versichert zu sein, während der Angestellte diese Wahl nur ab einem Verdienst oberhalb der Bemessungsgrenze der KV (zur Zeit ca 48500,-) hat. Auch inhaltlich betrachtet ist das Argument keines, denn Freiberufler, die deutlich weniger als die BG verdienen, können mit der (einkommensunabhängigen) privaten KV gegenüber der (aufgrund des geringen Einkommens des Freiberufler auch geringen) Beitragshöhe der gesetzlichen KV nicht viel sparen. Umgekehrt bringt bei einem sehr hohen Einkommen der Wahlvorteil auch nur geringen Wert, da die Krankenversicherung auch bei den freiwillig gesetzlich versicherten Selbständigen auf die BG gedeckelt ist.

Dasselbe gilt für die Rentenversicherung: Dem Freiberufler steht es frei, in die gesetzliche RV einzuzahlen und später am allgemeinen Rententopf teilzuhaben oder er kann eine private RV abschließen.

Da sowohl RV als auch KV bei privaten Verträgen unkalkulierbarer sind, können diese besser oder eben auch schlechter ausfallen, als die gesetzliche Absicherung. Der Vorteil, Freirufler zu sein, besteht also darin, die Wahl zu haben, ob man unabhängiger vom Staat sein will und ein gewisses Risiko eingehen möchte oder nicht. Für die Mehrheit der Freiberufler ist in den früheren Jahren das Risiko positiv ausgegangen. Sie haben von den geringen Beiträgen zur RV und KV profitiert. Aktuell scheint die Situation zu kippen: Jüngeren Freiberufler, die noch 20 Jahre oder mehr zu arbeiten haben, scheinen - ein normales Lebensalter von 90J vorausgesetzt - eher Nachteile zu haben.

Der Umstand, dass viele Freiberufler und vor allem Ausübende der sogenannten "ICH-AGs" aufgrund der seit Jahren verschärften Marktbedingungen die Vorsorge vernachlässig haben, bewog die Bundesregierung im Jahre 2012, über einen Rentenversicherungszwang nachzudenken. Diese Überlegung wurde aber schon in 2013 wieder fallengelassen und liegt seither auf Eis.

Im Jahre 2016 sollte ein Gesetz beschlossen werden, demgemäß Freiberufler in Firmen praktisch nicht mehr hätten tätig werden können. Daraufhin formierte sich Widerstand und es wurde ein deutschlandweiter Streiktag ausgerufen. Die Bundesregierung zog daraufhin die Plände zur Überarbeitung wieder zurück.

Foren-Links

Links

Literatur

  • Privatrecht von Wolfgang Kallwass, ISBN 978-3800637386; ist eine sehr gute Einführung in das allgemeine Privatrecht, auch für Nichtjuristen verständlich geschrieben.
  • About Consultancy, Tips für Freiberufler von einem Freiberufler, informativ und witzig, engl.